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Die Verfassungsurkunde von Ochsenhausen.
Daß etwas aus dem deutschen Volke drohe, darauf wiesen warnende Stimmen aus den Reihen der Kirchenfürsten selbst hin, schon in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts. »Diese Mißbräuche und Unordnungen, schrieb Cardinal Julian an Pabst Eugen IV., erregen den Haß des Volkes gegen den ganzen geistlichen Stand, und wenn man sie nicht abstellt, so ist zu besorgen, daß das Volk sich über die Geistlichen hermachen wird, nach dem Vorgange der Hussiten. Schon lassen sich offen solche Drohungen hören. Alle Gemüther sind in der gespanntesten Erwartung, was man thun wird, und es hat ganz das Ansehen, daß irgend etwas sehr Tragisches daraus entstehen wird. Der Gift, den sie gegen uns im Herzen tragen, zeigt sich schon offenbar, und bald werden sie glauben, Gott einen Dienst zu erzeigen, wenn sie die Geistlichen als Menschen, die Gott und Menschen gleich verhaßt sind, mißhandeln und ausplündern.« Werke des Aeneas Sylvius. Seite 66. 67.
An den Mißbräuchen, welche viele Gotteshäuser in Deutschland gegen ihre Hintersassen und gegen freie Bauern sich erlaubten, waren nicht immer die Aebte und Bischöfe selbst, wie es bei den Aebten von Kempten sich zeigte, sondern oft nur und vorzüglich ihre Beamten Schuld. Es lief sprüchwörtlich unter den Bauern um: »Es ist kein Amt so klein, das nicht hängenswerth wäre.« Auf diese Beamten und auf ihre Rechtsanwälte, die Männer des römischen Rechtes, fällt die meiste Verantwortung.
Wie man nach neuen Einkünften von den Gotteshäusern aus suchte und habsüchtig nach Erbschaften griff, dafür sind neben dem, was in Kempten geschah, besonders die Vorgänge in der geistlichen Herrschaft Ochsenhausen sehr merkwürdig; nicht bloß, weil die Beschwerden der Bauern in allen geistlichen Gebieten aus den gleichen oder aus ähnlichen Ursachen entsprungen zu sein scheinen, sondern auch, weil das Zustandekommen einer Art von Verfassungsurkunde, und auf deren Grundlage hin die Hebung der Beschwerden, den thatsächlichen Beweis liefert, daß, wo die Beschwerden zeitig gehoben 26wurden, die Hintersassen ruhig blieben mitten im Brand und Sturm der hart an ihnen und rings um sie her war. Merkwürdig endlich sind diese Vorgänge auch darum, weil sie bis in die kleinste Einzelheit, noch genauer als die in der Landschaft Kempten, urkundlich uns erhalten sind.
Auch die reiche Abtei Ochsenhausen lag, wie die von Kempten, im Allgäu, an dem Flusse Roth, und auch ihr Abt war ein unmittelbarer Reichsstand.
Schon im Jahre 1466 war eine Verhandlung zwischen der Landschaft und dem Abt, weil der letztere kurz zuvor Landleute ihres väterlichen und mütterlichen Erbes und Gutes entsetzt hatte, mit Gewalt, ohne Recht.
Seit Jahrhunderten waren in dieser Bauerschaft, die nur wenige ganz freie Männer unter sich zählte, aber viele Freiheiten hatte, ihre alten Gerechtsame von Enkel zu Enkel überliefert, und zwar nicht bloß als Erinnerungen, sondern als wirklicher Besitz. Selbst die Leibeigenschaft war hier ein bloßer Name, ohne die meisten der Wirkungen, die sie anderswo nach sich zog. Aber Briefe über Rechte oder Pflichten hatte weder der Abt noch die Hintersassen: Alles ruhte einzig und allein auf dem seit Jahrhunderten überlieferten Herkommen.
Erst mit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts erlaubte sich das Gotteshaus Uebergriffe. Einzelne Bauern betraten den Rechtsweg gegen dieselbe, und da sie Recht fanden, freilich um theures Geld, so machte es sich das Gotteshaus zum Grundsatze, falls einer die Opfer an Geld und Zeit wieder wagen und den Rechtsweg gegen das Kloster betreten wolle, die Sache nicht mehr rechtlich austragen zu lassen, sondern stets gütliche Beilegung zu versuchen und auf eine Summe Geldes sich zu vergleichen. Eidliche Aussage Jörg Pfeffers, eines leiblichen Verwandten des Abtes Niklas. Dennoch ließ sich Georg Hahn nicht aus einen Vergleich ein, sondern betrat den Rechtsweg, als der Abt in die Erbschaft des Geldes und Gutes treten wollte, das Hahns Vater hinterlassen.
Die Aebte behaupteten nämlich, es sei der Erbschaft halb altes Herkommen: Wo zwei Eheleute bei einander auf einem Gute des Gotteshauses sitzen und ehliche Kinder haben, die vor dem Tode 27der Eltern sich verheirathet haben und ausgesteuert worden seien, so erben diese Kinder nach dem Tode des Vaters und der Mutter nicht mehr, sondern das Erbe falle dem Gotteshaus heim. Wenn aber die Kinder nach der Eltern Tode noch ledig seien, dann erbe nicht das Gotteshaus, sondern die Kinder, und dem jüngsten Kinde bleibe das Gut zu Lehen lebenslang.
Der Rechtsstreit fiel zu Gunsten Jörg Hahns aus: Der Abt mußte ihn in sein Erb und Gut einsetzen.
Die Beamten des Gotteshauses ließen nun die Sache eine Weile ruhen und suchten Einzelne, die zerstreut da und dort hinter dem Gotteshause saßen, im Stillen durch Einräumung von Vortheilen zu vermögen, daß sie sich die Ansicht des Gotteshauses über die Erbschaft gefallen ließen. So vergingen wieder Jahre und Jahrzehente. Das Gotteshaus machte seine Erbansprüche endlich als ein allgemeines Herkommen geltend. Es hatte jetzt Zeugen aufzuweisen, daß es so gehalten worden sei. Die Zeugen waren die Söhne und Enkel, deren Väter sich auf obigem Wege die Sache hatten gefallen lassen.
Nach Bauernart ließen auch jetzt sich die Einen die Sache gefallen, lieber als daß sie den Rechtsweg betraten, für den die Meisten ohnehin das Geld nicht hatten. Von denen, welche den Rechtsweg betraten, sah man bald den Einen den Prozeß verlieren, bald den Andern gegen den Abt gewinnen. Manchmal kam es dazu, daß, wenn ein Gut zu fallen kam, einerseits der Abt, andererseits der, welcher Erbe zu sein vermeinte, »Jeder so viel er mochte, davon zu seinen Handen brachte.« So dauerten die Irrungen und Späne über die Erbschaftsansprüche des Klosters eine Zeitlang. Als aber über ein halb Jahrhundert, ja bald ein Jahrhundert seit jenem Prozeß mit Jörg Hahn hingegangen war, gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, machte das Gotteshaus es sich zum Grundsatz, seine vermeintlichen Ansprüche ohne Weiteres mit Gewalt überall durchzusetzen; mit Gewalt ergriff es Besitz von den Erbschaften.
Da war einer, Heintz Dinkmuth von Ochsenhausen, der Aeltere. Dessen Schwieger ging vor seiner Hausfrau mit Tod ab, und hinterließ »merklich Hab und Gut, namentlich auch eine merkliche Summe Geldes in einem Säcklein.« Da kamen die Amtleute des Abts, und nahmen die Hinterlassenschaft zu Handen des Abts und des Gotteshauses.
28Dinkmuth, der seine Hausfrau als die rechte natürliche Erbin ansah, rief das Schiedsgericht der nahen Reichsstadt Ulm an, und der Abt ließ sich darauf ein. Vor dem Bürgermeister und Rathe dieser Stadt erschienen die Parteien, Heintz Dinkmuth als Kläger mit seinem Anwalt, dem Ulmer Rathsfreunde Martin Gregk, und der Abt als Beklagter mit seinem Anwalt, dem Ulmer Altbürgermeister Vital Owen. Das Zeugenverhör begann.
Nun zog sich ein schweres Gewölk über dem Abt und dem Gotteshause zusammen. Durch das Zeugenverhör deckte sich eine Reihe von Uebergriffen und Mißbräuchen des Gotteshauses wider Recht und Herkommen auf. Der Abt wurde durch Zeugen, selbst durch die Mehrheit der zu seinen Gunsten aufgerufenen Zeugen, überwiesen, daß das Gotteshaus Manches ansprach und bezog, »was bei ihres Vaters Lebzeiten noch nicht gewesen sei.« Darunter gehörte der Heuzehenten, eine Abgabe für Brenn- und Zimmerholz, und für den Zutrieb. Alle beeidigten Zeugen, auch diejenigen, die im Punkte der Erbschaft ganz zu Gunsten des Abtes zeugten, sprachen in allen diesen Stücken gegen den Abt. Diese Gerechtigkeiten haben die armen Leute ohne Entgeld gehabt, bis vor kurzen Jahren, da der jetzige Abt sie nicht mehr habe bei dem bleiben lassen, wie es von Alters Herkommen sei, sondern sie mit Abgaben beschwert habe von Dingen, wovon niemals etwas gegeben worden sei. Selbst ein Greis, ein früherer Beamter des Klosters, sagte aus: Vor vierzig Jahren sei er vierundzwanzig Jahre lang des Gotteshauses Knecht gewesen. Nie habe man die Nutzungen, für die jetzt gezahlt werden müsse, den armen Leuten gewehrt, sondern sie seien ihnen »vergunnt gewesen, ohne Entgeld; ob sie es aber als Gerechtigkeit haben, wisse er nicht.«
Ja der Abt wurde überführt, daß er »Männer, die seit fünfzig und mehr Jahren ihr vom Vater anerstorbenes Gut ohne des Gotteshauses oder irgend Jemands Irrung geruhiglich besessen, seit etlicher Zeit mit Gebung der Gült beschwert, sogar von Egerten und alten Mädern, die schon für das Wässern beschwert waren, schwere neue Abgaben ihnen abgezwungen, und sie nicht beim alten Herkommen habe bleiben lassen.«
Der Abt wurde überführt, daß selbst die Ansprüche des Klosters 29auf Beerbung keineswegs altes Herkommen waren, sondern daß nur die vier letzten Aebte das angesprochen haben; daß diese Ansprüche aber niemals in der Herrschaft als Herkommen anerkannt wurden, sondern des Gotteshauses arme Leute »darum allweg in Streit mit den Aebten standen.« – Die Mehrheit der beeidigten Zeugen sagte aus, »sie haben nichts gehört noch gewußt, daß das mit der Erbschaft Herkommen des Gotteshauses sei. Solch vermeint Herkommen sei allweg in Irrung und Spänen gestanden.«
Selbst die Schiedsrichter und der Anwalt des Klägers erklärten, die Allgemeinheit des alten Herkommens und der tägliche Brauch in Betreff der Erbschaft sei durch die Zeugen des Abtes verneint, und nur bewiesen, daß für das Gotteshaus bei etlichen seiner armen Leute in den letzten fünfzig Jahren es im Brauch gewesen sei. Auch sei das ein ganz fremder Brauch; nach Form aller kaiserlichen, natürlichen, geistlichen, weltlichen Rechte, wäre das mit der Erbschaft, selbst wenn es altes Herkommen wäre, wider die Form des Rechtes. Selbst diejenigen armen Leute, welche sich die Art, wie die Aebte die letzte Erbschaft behandelt haben, gefallen ließen, haben das, nach der Zeugen Aussage, »nicht gerne gehört noch gehabt;« und was den armen Leuten »in der Erbschaft beschwerlich, unerträglich und unleidlich sei, das sei auch gegen die Vernunft, gegen das Recht, und gegen den gemeinen Landesbrauch.«
Sogar der Vertheidiger des Abtes widersprach das nicht. Der Abt selbst aber ergriff die Berufung auf den Landesbrauch und sagte: Er habe einmal etliche treffliche, weise Leute von dem umgesessenen Adel, auch einige Räthe von der Stadt Ulm und andern Städten in Ochsenhausen um sich versammelt. Diese haben sich alle Mühe gegeben, die armen Leute des Gotteshauses zu bewegen, daß sie hinter dem Gotteshaus auf dessen Gütern wie andere Hintersassen nach Landesrecht sitzen möchten; dann wolle er, der Abt, ihnen das Herkommen mit der Erbschaft auch nachlassen. Das haben aber die Hintersassen des Gotteshauses abgeschlagen. Sie haben erklärt, sie wollen bei des Gotteshauses Herkommen bleiben, wie sie es seit zwei bis dreihundert Jahren mit einander hergebracht haben. Das Herkommen mit den Gütern sei seines Gotteshauses Nutzen nicht, sondern sein Schaden. Wäre es, wie sonst des Landes Gewohnheit 30sei, auch in Ochsenhausen, so wäre sein Gotteshaus um mehr als tausend Pfund Heller jährlicher Gült reicher. Wollen und sollen die armen Leute in dieser Hinsicht das Herkommen des Gotteshauses genießen und bei den Lehenschaften und kleinen Gülten nach dem Herkommen des Gotteshauses bleiben, so sei billig, daß sein Gotteshaus auch im Punkte der Erbschaft bei dem Herkommen bleibe. Denn wer eines Gedings oder Handels an einem Ende wolle genießen, der müsse dessen auch an dem andern entgelten. Dahin gehöre das alte Herkommen mit der Erbschaft. Solches Herkommen mit der Erbschaft sei nicht erdacht noch erdichtet, noch mit Gewalt vorgenommen, sondern seit zwei bis dreihundert Jahren löblich hergebracht und darum nicht wider Recht, sondern Recht, da ja durch alle Rechte altes Herkommen bestätigt werde.
Damit legte er einige alte Register des Gotteshauses, und auch Briefe, die dem Gotteshaus etliche Freiheiten zuschrieben, dem Gerichte vor. Ueber hundert Jahre, sagte er, haben die Aebte mit eigenen Händen diese Einträge in die alten Register geschrieben. Die Richter in den Gerichten pflegen nach solchen Registern und Rodeln zu richten, und Kaiser und Päbste haben des Gotteshauses Rechte und alte Gewohnheit bestätigt.
Auf das wurde dem Abt entgegnet: Diese Register seien ja unversiegelt, und es möchte jeder Abt so nach seinem Gefallen und Lust darein schreiben, was er wolle. Darum haben sie rechtlich keinen Werth. Niemand könne unrechtes Herkommen zu Recht bestätigen; weder Pabst noch Kaiser habe Gewalt, Herkommen und Freiheiten zu bestätigen oder zu geben, welche wider das Recht wären. Bei jener Adelsversammlung habe der Abt wollen Schupflehen gemacht haben, und mit Recht haben die armen Leute seine Vorschläge abgewiesen; denn nach des Abtes eigenem Zugeständniß haben des Gotteshauses Leute nach dem Herkommen von einem Gut je nur ein Malter Roggen als Gült zu geben, und wenn sie auf das von dem Abte vorgeschlagene Landesrecht eingegangen wären, so hätten sie von demselben Gut wohl zehen Malter zu geben.
Im Eifer, seine Erbansprüche zu beweisen, hatte der Abt Artikel angezogen und vorgelegt, welche Aebte vor ihm niedergeschrieben hatten. Und gerade aus diesen Artikeln, aus seinem eigenen 31Vorbringen, wurde der Abt überwiesen, daß seine Ansprüche auf den Heuzehenten, auf Leistungen für Bau- und Brennholz aus den Klosterwäldern, dem Herkommen und seinen eigenen angezogenen Artikeln entgegen waren; ebenso, daß er nur mit Gewalt in verschiedene Erbschaften sich gesetzt hatte.
Das Gericht entschied zuletzt: Der Abt möge einen gelehrten Eid zu Gott und den Heiligen schwören, daß solches der Erbschaft halb des Gotteshauses Recht und Herkommen sei, und zwei seiner Amt- und Conventherren sollen nach ihm schwören, daß sein Eid »rein« und nicht »unrein« sei; dessen soll er genießen, und der Kläger Dinkmuth bei der Anklage nichts schuldig sein. Möge der Abt oder seine Amtherren nicht schwören, so solle geschehen, was Recht sei.
So ein Eid genügte, nach den Rechtsgrundsätzen der Zeit, zu Recht.
Der Abt erbot sich zum Eide. Dinkmuth aber und sein Anwalt, wohl im Hinblick auf den Eid des Fürstabts und der Seinen zu Kempten, erklärten sich mit diesem Urtheile beschwert, und legten Berufung ein. Sie ließen sich die Akten dieser Verhandlung ausfolgen, um den eigentlichen Rechtsweg zu betreten.
Die Verhandlung blieb nicht ohne Einfluß auf die Stellung der Gotteshausleute zu dem Abt. Sie blieben auf ihrem alten Herkommen und Recht. Sie leisteten nichts, als das Althergebrachte, und verweigerten das Neue, was sie nach ihrer Ueberzeugung nicht schuldig waren. Sie thaten sich, wie der Abt beim schwäbischen Bunde klagte, hinter seinem Rücken und ohne seinen Willen, bei nächtlicher Weile zusammen und verpflichteten und vereinten sich mit einander dahin, dem Gotteshause die Dienste und andere Schuldigkeiten, welche doch ihm und den Prälaten vor ihm bisher gethan worden seien, nicht mehr zu thun. Ja sie haben, klagte der Abt, ihm entbieten lassen, wenn des Gotteshauses Vogt dawider handle, so werden sie im Harnisch und mit den Waffen, nach ihrem Vermögen, ihm Widerstand thun.
Die Gotteshausleute hatten nämlich insgesammt, »um die mancherlei Irrungen und Späne, darinnen sie ohne Entscheid mit dem Abte hingen, zur Entscheidung zu bringen,« den Rechtsweg betreten. Sie wurden vor des schwäbischen Bundes gemeine 32Richter gewiesen. Sie fragten zu Tübingen bei der Rechtsfakultät an, und gaben dann in versiegelter Schrift ihre Klage den Bundesrichtern ein. Die mündlichen Verhöre der Parteien begannen. Während der Dauer des Rechtsstreites achteten sie sich berechtigt, dem Abte das nicht zu geben, gegen was sie, als ungerechte Forderungen desselben, gerade die Klage angestellt hatten.
Als die Vögte des Gotteshauses diese Ansprüche ihres Herrn indessen mit Gewalt eintreiben wollten, da und dort, so traten die Gotteshausleute mehrmals in die Waffen, Alle für Einen, und trieben sie ab. Sie haben sich freventlich und widerwillig gegen ihn gehalten und erzeigt, klagte der Abt, und rief gegen die drohende, bewaffnete Vereinigung seiner Gotteshausleute die Hülfe des schwäbischen Bundes an, dessen Mitglied er war; er ermahnte den Bund, kraft der Vereinigung, ihm wider seine armen Leute bewaffnete Hülfe zu leihen, um sie für ihren Abfall und Ungehorsam zu strafen, und sie wieder zum Gehorsam zu bringen.
Der Bundeshauptmann Jörg von Freiberg bot die Bundesverwandten auf, und ein zahlreiches Kriegsvolk des Adels und der Prälaten zu Roß und Fuß zog dem Abte zu.
Wie aber »die fürsichtigen, ehrsamen und weisen Bürgermeister und Räthe der Städte Ulm und Memmingen der Empörung und Handlung gewahr wurden, zeigten sie, zu Verhütung ferneren Widerwillens, Aufruhrs und Unguts, das hieraus hätte entstehen und kommen mögen, sich geneigt,« Wörtlich aus der Erklärung des Ulmer Raths. ihre gewandtesten und bei den Bauern beliebtesten Unterhändler zu den Parteien abzuordnen, mit dem Auftrage, allen möglichen Fleiß anzuwenden, um die Strafe und die That, die man wider die armen Leute vorzunehmen im Begriff sei, zu stillen, und die Parteien sonst gütlich zu vereinen und zu vertragen.
Es gelang diesen, die Bauern zu überzeugen, daß sie mit ihrer Gewalt der Gewalt des Bundes nicht gewachsen seien, und daß, wenn sie den Rechtsgang ganz abwarten wollten, das mit viel Arbeit, Kosten und Schaden verbunden wäre, und daß daraus auch Ungunst und Ungnade erwachsen müsse. Alle Irrungen zwischen den Bauern und dem Gotteshaus für immer abzuschneiden, sollen die Bauern nicht auf sich selber stehen wollen, sondern mit ihrem Abte einen Vertrag 33machen, welchem gemäß sechs ehrbare Männer als Schiedsrichter zu gütlicher Entscheidung gewählt werden sollen; deren Spruch solle ohne Berufung angenommen werden müssen, und die Obmannschaft bei diesem Schiedsgerichte sollen die drei Bundesrichter haben.
Den Bauern müssen diese Unterhändler die günstigsten Zusagen gemacht haben; denn sie nahmen diesen Vorschlag an. Dem Abt und seinem Convent müssen sie sehr den Ernst gezeigt haben; denn auch der Abt ließ sich darauf ein, ungeachtet ihm die Ulmer rund erklärten: »Hinlegung der Irrung sei nur in Milderung der Beschwerden zu finden.«
Die Männer, welche diesen Vertrag zwischen den Parteien zu Stande brachten, waren Jörg von Freiberg, Hauptmann der Prälaten, Grafen und Herren des Bundes im Lande zu Schwaben; Ritter Egolf von Riedheim zu Angelberg; und drei Botschafter der Städte Ulm und Memmingen, Jakob Ehinger, Altbürgermeister zu Ulm, Conrad Föhlin, Bürgermeister zu Memmingen, und Matthäus Lupin, Rathsherr zu Ulm.
Das Schiedsgericht wurde gewählt. Der Abt ernannte darein einen seiner Conventsherren und zwei Vögte; die armen Leute wählten drei aus dem Volke, ehrbare Männer. Dieses Gericht that seinen Spruch. Die Autorität zu retten, wurde den Bauern aufgelegt: Alle Leute des Gotteshauses, welche abgefallen seien, sollen mit entblößten Häuptern und abgezogenen Schuhen, nachdem sie die Wehren abgelegt, ihrem Abte zu Füßen fallen, ihn um Verzeihung bitten für ihren Ungehorsam, ihm erklären, daß sie das Unrecht dieses Ungehorsams nicht verstanden haben, und ihn unterthänig ansuchen, hinfort ihr gnädiger Herr zu sein.
Zum Andern sollen sie dem Abte neue Huldigung thun.
Zum Dritten sollen sie 300 Gulden Kosten zahlen, alle Strafe aber für ihren Abfall ihnen vom Bund erlassen sein, und erst, wenn sie den Vertrag nicht annehmen, oder sich nicht darnach halten, so werde der Bund strafend einschreiten.
Zum Vierten solle ihre Vereinigung, in welche sie sich verpflichtet hatten, aufgelöst sein, und sie sollen bei ihren Eiden in ewige Zeit weder eine Verschwörung oder Zusammenpflichtung wider Abt und Gotteshaus mehr machen, noch wider dieselben thun in 34keinerlei Weise und Weg. Damit solle alle Ungnade, aller Unwille und alle Unfreundschaft zwischen beiden Parteien hingelegt, Alles versöhnt und vertragen sein, und beide sollen die Vertragsurkunde beschwören und halten, in welcher die Schiedsrichter die Pflichten und Rechte Beider »in neue Gestalt und Form zu bringen geflissen gewesen seien.«
Der Abt, sein Convent und seine Amtleute gaben darauf Handgelübde und Zusagen. Die abgefallenen Gotteshausleute thaten, barfuß und barhaupt, ohne Wehr, den Fußfall vor dem Abte, Alles in vorgeschriebener Weise. Der Abt sprach seine gnädige Verzeihung aus.
So viel geschah zu Gunsten des Abtes. Der Sache nach gewannen die Gotteshausleute, und zwar in allen ihren Hauptbeschwerden. Der Abt verlor Alles, was er bis jetzt angesprochen hatte wider das Herkommen, einen Punkt ausgenommen, die Einfuhr des Zehenten durch die Gotteshausleute. Diese blieb bestehen, als verjährt. Das, worauf die klösterliche Politik, seit hundert Jahren her, Jagd und Ränke gemacht hatte, die Beerbung, verlor das Gotteshaus für immer.
Nach dem neuen Vertragsbrief wurden die Gotteshausgüter von nun an als rechte Erblehen betrachtet, behandelt und geheißen; so daß für ewige Zeiten das Gotteshaus keinen erblichen Anfall von Gütern überkommen konnte, es sei denn durch den Lehenfall. – Von aller fahrenden Habe hatte das Gotteshaus bei allen seinen Leuten den erblichen Anfall gehabt, ihre Kleidung und Hauptrecht, dazu noch von den Frauen, wenn sie starben, ihr Bettgewand, Tuch, Garn, Werg, Lein und Anderes. Der neue Vertragsbrief setzte fest: Alle Gotteshausleute erben von einander ihre fahrende Habe, wie Recht ist; und sie können damit frei schalten. Sie sind in Todfällen nichts mehr zu geben schuldig, als in folgender Weise: Die Güter werden als Erblehen verliehen, auf zwei Leiber, auf Mann und Weib. Nach dem Tode erben die natürlichen Erben, wenn sie in drei Monaten das verliehene Gut von dem Gotteshause zu Lehen bestehen, gegen den zwanzigsten Pfennig der Wehrschaft des Gutes, als Weglöhne, und wenn sie als Ehrschatz und Handlohn den zehenten Pfennig der Wehrschaft des Guts geben. Im Falle des Verlaufes bei Lebzeiten soll das Gut auf des Käufers Leib und sein 35Weib geliehen werden. Denn jeder soll für ewig Recht haben, sein Lehengut ohne Hinderniß zu verkaufen oder zu verwechseln; nur soll der Verkäufer den Prälaten unterthänig bitten, dem Käufer das Gut zu Lehen zu geben, mit Reichung der Weglöhne und Handlohns, nämlich des zwanzigsten Pfennigs der Wehrschaft von Seiten dessen, der von dem Gute scheidet, und des zehenten Pfennigs der Wehrschaft von Seiten dessen, der das Gut empfäht. So oft ein Gut geliehen wird, soll ein Erblehenbrief gereicht und von dem Empfaher ein Revers dem Gotteshaus gegeben werden, mit einem Gulden für den Abt. Alle Gotteshausgüter dürfen nur mit Gotteshausleuten besetzt werden, falls taugliche Leute das Gesetzliche dafür geben wollen. Damit die Armen durch die Reichen nicht vertrieben werden, soll keinem Gotteshausmann mehr als ein Gut zu kaufen und zu besitzen gestattet sein; er wolle denn das Gut mit einem andern Gotteshausmann besetzen. Für die fahrende Habe sollen von den Erben statt des Erbfalls so viel Pfund Heller Ulmer Währung gegeben werden, als den Erben Gulden zur Abfahrt von wegen des Erblehengutes gebührt; für die Kleider ein Pfund Heller, und von einem Manne das beste Haupt Vieh, als Hauptrecht, von einer Frau die beste Kuh; wer kein Vieh hat in der Krankheit, gibt nichts. Der Gewerbsmann soll von seinem Gewerbe das Hauptrecht zahlen.
Bisher hatten die Vögte des Gotteshauses Allmandtheile um Zins verliehen, wodurch der Ertrag der Allmanden vermindert wurde. Der neue Vertragsbrief verbot jede Verleihung, es sei denn mit Bewilligung der Gemeinde. Ebenso gab der neue Vertragsbrief die Egerten und andere Nutznießungen, den Zutrieb auf die Brachen des Gotteshauses und den Bezug von Bau- und Brennholz aus dessen Waldungen für Jeden offen und frei, ganz unentgeltlich, nach dem alten Herkommen; doch so, daß das nöthige Holz nur auf Ersuchen und durch den Holzwarth des Gotteshauses abgegeben werde, und daß keiner davon verkaufen oder verschenken dürfe.
Auch das alte Herkommen der Bewilligung und Umlage außerordentlicher Steuern verblieb den Bauern.
So wurden Pflichten und Rechte zwischen dem Gotteshaus Ochsenhausen und seinen Hintersassen durch geschriebenen Vertrag festgestellt, im Jahre 1501; und zwar durch Vermittlung der 36benachbarten Adeligen und Reichsstädte, unter Gewähr des schwäbischen Bundes. Die Furcht der Städte, namentlich Ulms, Augsburgs und Memmingens, und die Einsicht in die Lage der Dinge haben das Meiste dabei gewirkt; denn sie waren Nachbarn Ochsenhausens; Ochsenhausen lag im Allgau, und das Allgau grenzte mit der Schweiz. Viel auch wirkte, daß die Grundlagen der klösterlichen Ansprüche so haltlos waren, dagegen das Herkommen und die Beschwerden der Gotteshausleute so erweislich und klar. Akten des Gotteshauses, im Stuttgarter Staatsarchiv; namentlich: »Veranlaß und Compromiß zwischen Ochsenhausen und seinen Unterthanen auf künftigen gütlichen Vertrag ihrer Späne. Fasc. I. 12. 6. – Spruch des schwäbischen Bundes zu Augsburg Aftermontag vor S. Katharinentag 1501 wegen der Kosten und Straf des Handels. – Vertrag zwischen dem Gotteshaus und dessen Unterthanen wegen ihres Ungehorsams und ihrer Zusammenverpflichtung. Fasc. LVI. (II. 28.) Freitag nach Mariä Himmelfahrt 1501. Vertrag auf den h. Kreuzestag (Exaltationis) 1501, wegen der Gerechtigkeiten des Gotteshauses. Fasc. LVI. (II. 28.)