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Drittes Buch.

Erstes Kapitel.

Treulosigkeit des schwäbischen Bundes gegen die oberschwäbischen Bauern.

Die Bauerschaft war, wie der Kanzler Eck zuvor gesagt hatte, »mit Unterhandlungen hingehalten worden, bis das Kriegsvolk ankam, um in sie zu fallen.« Das schon angeführte Schreiben vom 15. Februar. Fortwährend waren Bundesmitglieder von Ulm aus bei den Bauerschaften auf dem Ried, im Allgäu und am See herumgeritten, und hatten sie in Unthätigkeit zu erhalten gewußt, bis die von Ulrich drohende Gefahr vorüber war. Unter den Herumreitenden war namentlich Abt Gerwick von Weingarten. Es war den Bauern nicht so gar zu verargen, daß sie den Vorspiegelungen glaubten, als sei es dem schwäbischen Bunde ernst, sich ihrer Beschwerden anzunehmen: glaubten doch selbst Bundesverwandte anfangs daran. Denn man sah, sobald die Sache der Bauern vor den Bundesräthen zu Ulm anhängig war, Grafen, Prälaten und gemeinen Adel mit ihren Unterthanen unterhandeln; sie boten ihnen Brief und Siegel darauf an, daß sie ihnen alles das willig nachlassen wollten, was sie bei dem schwäbischen Bund auswirken würden, es möchte mit oder ohne Recht sein. Weissenhorner Chronik, Handschrift.

Besonders arbeiteten die umreitenden Herren dahin, die drei Haufen zu trennen, und zu Sonderverträgen zu bewegen; doch für jetzt umsonst. Weissenfelder, Schreiben vom 22. März.

Das waren nun die Tage, in welchen die Bauern ihre Artikel aufsetzten, um sie bei dem schwäbischen Bunde einzugeben. Schon am Sonntag Reminiscere schrieb Abt Gerwick an den Bund: Der Unterallgäuer Haufen, der bei Altdorf lagerte, habe ihn seine Artikel 332lesen lassen; es seien ganz gleich dieselben, wie die, welche die Bauern aus dem Ried haben. Weingarter Archiv.

Die Bundesräthe zu Ulm blieben ihrer Politik treu: sie ließen die Bauern artikuliren, verhandeln und zuwarten, »bis der Bund freiere Hände haben würde.« Wörtliche Aeußerung des Abts Gerwick im Weingarter Archiv. »Man zog die Bauern mit Worten auf, so lange man konnte, und rüstete sich unterdessen zur Gegenwehr.« Weissenhorner Handschrift. Eine Reihe Schreiben im Stuttgarter Staatsarchiv sagt unumwunden dasselbe. Und jetzt erklärten diejenigen Herren, gegen welche ihre Unterthanen insbesondere beim schwäbischen Bunde sich beklagt hatten, geradezu: man müsse die Bauern erst wieder zum Gehorsam bringen, alsdann wollen sie vor dem Bunde Rede stehen. Weingarter Archiv.

Das war auch die Ansicht des schwäbischen Bundes. Er gab Herrn Georg Befehl, hinter sich gegen die Donau zu ziehen und sich gegen die Bauern zu wenden.

Das war vor dem Ablauf nicht bloß, sondern vor dem Anfang des Waffenstillstandes vom 25. März.

In Stuttgart wurden die Knechte des Bundes meuterisch, sie wollten einen Sturmsold haben, weil ihnen der Herzog die Stadt nicht abgewonnen. Der Truchseß war damit beschäftigt, die Aemter Leonberg, Böblingen, Herrenberg und Balingen, welche abgefallen waren, zum Gehorsam zurück und zur Strafe zu bringen, vor Allem sie zu entwaffnen. Als er von der Meuterei der Knechte hörte, befahl er den Fähndrichen, allein aus der Stadt zu ziehen, weil die Knechte nicht ziehen wollten, bis sie bezahlt wären. Hauptleute, Waibel und Fähndriche zogen mit fliegenden Fähnlein aus Stuttgart nach Dagersheim, wo das Lager des andern Kriegsvolks war. Am dritten Tag zogen die meuterischen Knechte auch nach und fügten sich. Von allen Seiten zogen sich hier die Aufgebote der Bundesstände zusammen und bewegten sich gegen Urach, Tübingen und Kirchheim hin der Alb zu, um über die Alb gegen Ulm und Ehingen hin den Lagern der Bauern sich zu nähern, und »den Bauern abzuwarten.« Seidler, Handschrift. Die Landsknechte aber wollten wieder nicht ziehen: die Hauptleute hatten »nicht 333reinen Mund« gehalten, und es war unter die Knechte das Geschrei gekommen, daß es » wider die Bauern gehe.« Sie traten in die Waffen und hielten eine Gemeinde. Sie forderten den Hauptleuten eine runde Erklärung ab, gegen wen sie geführt werden sollten, und da diese die Bauern nannten, verabredeten sie sich, daß sich keiner gegen die Bauern gebrauchen lassen wolle, weil ihre Sache gerecht sei, und erklärten einhellig: »wider ihre Freunde, die Bauern, zu fechten, seien sie nicht willig.« Der Hauptmann von Memmingen zog geradezu mit seinen Knechten ab. Ihm folgten die Knechte von Augsburg; von allen blieb nur das Fähnlein und der Hauptmann Michael Fressenmaier mit sieben Knechten.

Truchseß Georg lag mit der Ritterschaft noch zu Böblingen. In ihrem Kriegsrathe wurde beschlossen, den Grafen Friedrich von Fürstenberg, der bei den Knechten besonders beliebt war, mit etlichen Pferden den Abgezogenen Sindelfingen zu nachzuschicken, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Dieser brachte es dahin, daß der Mehrtheil der Knechte wieder umwandte in das Lager zu Dagersheim. Herr Georg begehrte an die Hauptleute, eine Gemeinde zu halten, so wolle er kommen und mit den Landsknechten Sprach halten. Die Hauptleute ließen die Fähnlein zusammentreten auf dem freien Feld bei Böblingen, und Herr Georg und seine Kriegsräthe begaben sich in den Ring. Zu seiner Seite ritten namentlich Graf Friedrich von Fürstenberg und Herr Freiwein von Hutten. Er ließ eine Stille umschlagen und sprach: »Liebe fromme Landsknecht und Kriegsleut! Es langt mich an, ihr wollet nicht wider die Bauern ziehen. Hört man die Bauern, so handeln sie nichts, als daß sie allein Gottes Wort handhaben und aufrichten wollen; auch Niemand nichts zu thun begehren, denn was Recht ist. Auch der Bund begehrt Gottes Wort zu handhaben und aufzurichten; bei den Bauern aber findet es sich nicht so, als sie vortragen, sondern sie haben ein böses Vornehmen; und daß dem also ist, so sehet: sie haben mir meine Herrschaft eingenommen, die ich von meinem Herrn und Vater ererbt, wohl erkaufte Güter; und nicht allein mir, sondern auch Graf Friedrich von Fürstenberg und seinem Bruder Graf Wilhelm, und vielen Herren, Edelleuten und Gotteshäusern Gewalt und Schaden gethan. Damit ihr sehet, daß ich nichts Unrechtes begehre, so will ich es zu euch, fromme 334Landsknechte, setzen und euch erkennen lassen; was ihr sprechet, dabei will ich ungeweigert bleiben. Ihr sollt sehen, daß ihr nichts Unziemliches fürnehmen sollt, und wer mir zu meinem gerechten Unternehmen helfen will und wider die Bauern ziehen, der hebe mit mir die Hand auf.«

Es war tiefe Stille. Ungefähr fünfzehn Hände sah man aufgehoben, sie gehörten meistens Hauptleuten. Betroffen sagte Herr Georg, wer nicht gerne bei ihm sei, möge sich nur bald hinwegmachen und abziehen; sie sollen aber ihr Bestes bedenken; wenn sich der Adel und die Reisigen von ihnen trennen, so seien sie ja verloren. Den hochgeborenen Adel werde Gott nicht verlassen; darauf sollen sie sich bedenken; er wolle hinein gen Böblingen reiten. Damit schied er.

Michael Fressenmaier, der Hauptmann der Stadt Augsburg, beredete zuerst sein Fähnlein, daß die Knechte einhellig wurden, als fromme Kriegsleute keinen Zug abzuschlagen, sondern zu folgen, wohin man sie führe. Dem Vorgang des Augsburger Fähnleins folgten auch die andern Haufen, sie hörten auf das Einreden ihrer Hauptleute; nur die Konstanzer nicht, die zogen hinweg und nach Hause, daß Niemand blieb, als der Hauptmann und Fähndrich. Alle Fähnlein zusammen ordneten Jerg Perlenfein, den Hauptmann des Markgrafen Kasimir von Brandenburg, und Hans Luz von Augsburg, den Herold des Truchsessen, an diesen ab »als zwei Ambassadoren von gemeinen Knechten, daß sie auf Herrn Georgs und der hochgeborenen Ritterschaft Erbieten als fromme Knecht' wider die Bauern und wider den Teufel ziehen wollen.« Das nahm der Truchseß zu Gnaden an und sagte, er werde auch thun wie ein frommer Herr, und wolle überall der Erste sein am Feind, und nicht der Letzte.

So brach das Heer aus beiden Lagern zu Dagersheim und Böblingen auf, und man zog nach Kirchheim an der Teck, wo die Kriegsartikel vorgelesen und der Fahneneid geschworen wurde. Zu Kirchheim zeigte sich schon wieder bei Einigen ein widerspenstiger Sinn. Die Knechte des Ritters Wolf Grämlich, lauter Reisige, weigerten sich hier, wider die Bauern zu ziehen, auch die Fähnlein Hans Müllers mit der einen Hand verweigerten den Schwur. Wolf Grämlich, der Ritter, und Hans Müller, der Oberste der Landsknechte, blieben hier zurück, während der Truchseß mit dem übrigen Heer nach Ulm zog; zum Schutze Württembergs ließ er Rudolph von Ehingen zurück. 335Auch der Rath der Stadt Ulm, wohin der Truchseß alle Reisigen des Bundes auf zwei Tage und zwei Nächte einquartiren wollte, ließ nur 400 Knechte in die Stadt, und nur die Fußknechte des Rathes selbst. Die von der Gemeinde in Ulm, die Zünfte, hielten sich zwar ganz ruhig, doch waren sie der Sache der Bauern nicht abgeneigt. Sie verkauften den Bauern Harnisch und Wehr und malten ihnen ihre Fähnlein, und man hörte manche Rede, die den Bundesständen ungebührlich vorkam. Der Ulmer Rath erklärte zwar den Bundesräthen, er achte nicht, daß sein gemeiner Mann darauf umgehe, etwas wider die Billigkeit vorzunehmen, aber trotz dieser Erklärung war der Rath in Furcht, die Gemeinde möchte umschlagen und die Herren alle über die Mauern hinauswerfen.

Vier Tage lang rathschlagten die Bundesobersten und Räthe zu Ulm, wie die Operationen gegen die Bauern zu machen wären. Viele Herren des Bundes, wie der Fürstabt zu Kempten, hatten sich schon früher, vom Anfang der Unterhandlungen an, offen zu Feindseligkeiten gerüstet; jetzt hatte auch der Bund, ungeachtet er noch fortunterhandelte, keinen Hehl, daß er »das, was die Bauern eigenen Willens sich unterfangen, mit den Waffen und Gottes Hülfe zu wenden entschlossen sei.« Ulmer Archiv. Die Räthe des schwäbischen Bundes nahmen jedoch den Kampf nicht als ein leichtes Spiel, so sehr auch viele Glieder des Bundes die Bauern verachteten. Soll und will anders, schrieb Ulrich Arzt, der Bürgermeister zu Augsburg und des Bundes Hauptmann, Schimpf, Spott und Nachtheil verhütet werden, so bedarf es einer größeren Macht, als man bisher aufgeboten hat. Auf seinen Antrag mahnte darum der Bund gleich nach dem ersten und zweiten Drittel auch das dritte Dritttheil der Bundeshülfe eilends auf, und zwar sollte dieses in Geld erlegt werden, weil, wenn Fruchtbares ausgerichtet werden sollte, dies allein mit fremdem Kriegsvolk geschehen könne. Briefe Ulrichs Arzt, im Ulmer Archiv. So hatte denn in diesen letzten Tagen der Bund große Geldsummen zu seiner Verfügung gebracht, obwohl manche freie Stadt in ihren Zahlungen nicht sehr eilig war, und Ulrich Arzt die eine und die andere wiederholt mahnen mußte, sie würden gar um Leib und Gut kommen, wenn sie nicht die ausgeschriebenen 336Anlagen ungesäumt einzahlen, denn es könne keine Beut' (Borgfrist) erleiden, eine Stunde sei zu lang, so bedrohlich stehen die Sachen. Akten des neuen Baus in Ulm. Und wie die Herren Geld und Söldner vor sich sahen, gingen sie auch mit Uebermuth vorwärts. Herr Georg hatte sogar einen Gedanken, der in die Bundeskasse ungeheure Summen schnell gebracht hätte. Zum Vortheil seiner militärischen Operationen schlug er vor, zu plündern und auf Beute auszugehen solle ganz verboten werden, denn dieses habe die Fähnlein oft zerstreut und manches Gefecht verloren gehen lassen; es sollen zwei allgemeine Brandmeister ernannt werden, welche in allen Orten, die man gewinne, die Brandschatzung erhöben; zwei Dritttheile der Brandschatzung sollen der Bundeskasse, ein Dritttheil dem Kriegsvolk statt der Beute zufallen. Da voraussichtlich mehrere tausend Ortschaften überzogen und gebrandschatzt werden konnten, und hätte eine in die andere nur 300 fl. zahlen müssen, so wäre leicht eine Million durch Brandschatzung eingebracht worden. Das gefiel aber etlichen Doktoren nicht. »Sie verstunden es nit anders, denn wie sie auf der hohen Schule gelernt.« Seidler, Handschrift.


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