Oscar A. H. Schmitz
Brevier für Weltleute
Oscar A. H. Schmitz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Frauen und das Geld

Daß der Besitz oder Nichtbesitz von Geld eine ausgesprochene Wirkung auf den Charakter hat, dürfte wohl allgemein zugegeben werden. Anziehend wäre es, festzustellen, inwiefern die beiden Geschlechter auf jene Ursachen verschieden antworten. Diese Ausführungen sollen nur einen bescheidenen Versuch darstellen, aus dem noch ganz unerforschten Gebiete einige Richtlinien zu zeichnen.

Es scheint, daß die Frauen mehr den absoluten, die Männer mehr den relativen Wert des Geldes erkennen. Das bedarf einer Erklärung: Wie man auch immer von der Zulassung der Frauen zu den Berufen denken mag, die Frauenberufe sind weniger einträglich als die männlichen, d. h. der Kampf ums Dasein ist für die Frau schwerer. Das liegt in ihrer Natur begründet, deren wahre Verwirklichung nun einmal außerhalb des Berufslebens liegt. Ihr Streben geht nach dem Heim, dem Kind, der Ordnung, und nur der Umstand, daß viele Frauen heute dieses Ziel nicht erreichen, hat zur Öffnung der Berufe für den weiblichen Wettbewerb geführt. Die Schwierigkeit, ja die Tragik des weiblichen Schicksals ist, daß zu dem, was jede Frau im Grunde ersehnt, zwei gehören, und darin liegt zugleich die dauernde Möglichkeit der Nichterfüllung. Dazu kommen die Gefahren, welche Empfindung und Leidenschaft in sich bergen, die fortgesetzt die Frau bedrohen, das Opfer einer Gefühlsirrung zu werden, so daß sie sich vor der Erreichung des Zieles verzettelt. Alles dies wird noch erheblich erschwert, wenn Lebenssorgen hinzukommen. Ist die Frau besitzlos, so wird das Ziel einer baldigen Verheiratung um ebensoviel wünschenswerter, als es schwerer zu erreichen ist. Nach alledem ist es kein Wunder, wenn die Frau den Besitz absolut schätzt, und niemand nimmt es ihr übel, wenn sie sich vor der Bindung vergewissert, ob der Mann, dem sie ihr Schicksal anvertraut, eine »Situation« hat, denn was jede, selbst die ärmste Frau naturgemäß will, ist teuerer als mancher Luxus, den sich ein Einzelner leicht leistet. Es ist dazu ein Einkommen nötig, von dem mehrere Personen leben müssen. Die Wichtigkeit des eigenen Besitzes dauert aber für die Frau auch noch während der Ehe fort. Wo auf beiden Seiten große Liebe herrscht, verliert diese Frage ihre Bedeutung. In allen Schwierigkeiten aber, die sich zwischen Gatten ergeben können, erleichtert die Sicherung aus eigenen Mitteln der Frau ihre Stellung ungemein. Gleichzeitig werden manche ungünstige Eigenschaften der Frau von dem Manne leichter ertragen, wenn sie ihn nicht auch noch große äußere Opfer kostet. Es ist daher eine ausgemachte Dummheit, wenn in einem wirren modernen Frauenroman ein junges Mädchen folgendes sagt (und später auch tut): »An dem Tage, wo ich heirate, verteile ich mein Vermögen unter meine Geschwister und Freundinnen, denn ich will, daß mein Mann mich um meiner selbst willen liebt.« – Aus all diesen Gründen besteht heute die nirgends aufgeschriebene, aber überall, besonders unter Männern, zugestandene Moral, die gegenüber manchen Mitteln, die wirtschaftliche Lage zu sichern, bei Frauen nachsichtiger macht, als bei Männern. Gewiß, die Preisgabe der Frau für äußere Gegenwerte, Entschädigungsansprüche auf Grund ehemaliger Liebesschwüre, werden öffentlich mehr oder weniger verurteilt, aber man läßt sie doch geschehen und will meistens über den Einzelfall nicht allzu genau unterrichtet sein, um nicht allzu hart verurteilen zu müssen. Kommt ein Mann dagegen in den Verdacht, hinter seiner wohlhabenden Frau herzusagen, sie durch Geheimpolizei beobachten zu lassen, nur um wirtschaftlicher Vorteile willen (ganz von einer wirklichen Preisgabe an eine reiche Dame zu schweigen), so dürfte das allgemeine Urteil mit Recht bedeutend strenger ausfallen. Gewiß, man empört sich auch über manche Mißstände, denen bei der Bühne junge Frauen ausgeliefert sind, aber man empört sich doch immerhin öffentlich und gibt die Tatsachen zu. Man möchte, daß es besser wird, aber daß die am meisten betroffenen Frauen selbst davon reden, beweist die allgemeine Nachsicht, die aus der Erkenntnis kommt, daß die besitzlose Frau im Kampf ums Dasein oft in einer beklagenswerten Lage ist. Der Mann kann, was ihm auch zustößt, nur sein Geld oder sein Leben verlieren, die Frau hingegen hat noch einen dritten Wert zu wahren, dessen Beeinträchtigung ihrem ganzen Schicksal eine andere Wendung zu geben vermag und im Gegensatz zu Geldverlusten niemals rückgängig gemacht werden kann. Kann sie daher für ungesetzliche Hingabe eine äußere Entschädigung erlangen, so ist das nur ein sehr geringer Ausgleich für nicht wieder Gutzumachendes, und man sollte ihn ihr noch weniger mißgönnen, als einem armen Mädchen eine gute Heirat. Das Geld haben schlechthin ist daher für die Frau von absoluterer Bedeutung als für den Mann, weil dadurch alle die genannten Gefahren und Verlegenheiten erheblich vermindert werden, das Gelingen ihrer weiblichen Hoffnung erheblich wahrscheinlicher wird. Es ist also für die Frau sehr viel wichtiger als für den Mann, daß überhaupt etwas Besitz da ist, wobei die Summe zunächst von geringerer Bedeutung ist, falls sie nur hinreicht, um die weiblichen Hoffnungen zu sichern.

Vollkommen ändert sich die Stellung der Frau zum Geld in dem Augenblick, wo sie es in hinreichender Menge besitzt. Indem sie plötzlich seinen absoluten Wert zu unterschätzen beginnt, überschätzt sie den relativen. Kaum ist sie von der eben geschilderten Not frei, so meint sie leicht, das Geld dürfe überhaupt keine Rolle spielen, die Beziehungen der Geschlechter seien reine Gefühlsangelegenheiten und dergl. Andererseits ist sie nur zu leicht geneigt, das, was sie besitzt, für unerschöpflich zu halten. In dieser relativen Schätzung des Wertes ist ihr der Mann überlegen. Wieviele Frauen wissen überhaupt, wie viel und wie wenig 100 000 Mk. innerhalb der vielfachen Zusammenhänge des Lebens bedeuten, was man dafür haben kann, was nicht. Aus diesem Grunde ist die besitzende Frau meist großmütiger, zugleich aber auch verschwenderischer als der Mann. Sie hat die Fehler ihrer Vorzüge. Wie leicht lassen sich wohlhabende Frauen, ja solche, die nur ein paar Groschen haben, ihr Geld entlocken! Religiöse, künstlerische, soziale, wohltätige Zwecke verfehlen auf sie selten ihre Wirkung. Vielleicht mag stets eine erotische Unternote in ihren Triebfedern mitklingen; jedenfalls, wenn sie erst einmal lieben, sind sie meistens bereit, alles herzugeben, was sie besitzen. Zweifellos ist ihnen das Geld im Grunde etwas Fremdes, Unangenehmes, sie möchten, daß das Gefühl die Welt lenkt, und darum sind sie geborene Anarchisten. Nur da, wo ihr Gefühlsleben gehemmt wird, jagen sie dem Geld als Schutzmittel nach. (Der eigentliche Geiz, die Anhäufung des Geldes um des Geldes willen zur eigenen heimlichen Freude, kommt wohl bei beiden Geschlechtern gleich oft vor. Er ist eine Ausnahme, ein Laster, eine Entartung und hat mit den gewöhnlichen Beziehungen zum Geld nichts zu tun.) Sobald Frauen Geld haben, sind sie meist nur zu froh, es Gefühlswerten wieder opfern zu können. Gewiß, sie können praktisch, haushälterisch und oftgenug kleinlich sein, mehr als der Mann, aber dann sind sie es oft genug für den Mann, oder worin sie noch großherziger sind, für den Sohn. Man kann das Idealismus nennen; da er aber nur vom Gefühl eingegeben ist, nimmt er in diesem, wenigstens teilweise auf Vernunft gegründeten Dasein bisweilen die seltsamsten Formen an. Dieselbe Frau kann einen Mann ausbeuten – ihm gegenüber ist sie die Arme –, um einen anderen, meistens einen Taugenichts, zu beschenken – ihm gegenüber ist sie die Reiche. Von diesem Gefühlsidealismus liegt sogar ein gut Teil in der entsetzlichen Frage des Zuhältertums verschlossen. Was ein verlorenes Mädchen dazu veranlassen kann, einem solchen Lumpen ihren Gewinn auszuliefern, ist nichts anderes, als der Rest von Gefühlsidealismus, der noch in ihr ist. Gewiß, eine Frau kann sich nicht vollständiger wegwerfen, aber in ihrem Gefühl kauft sie sich von der Preisgabe an die Vielen dadurch los, daß sie es nicht für ihren Nutzen tut, sondern für einen, dem ihre Neigung gehört. Die Widersprüche in den moralischen Fragen sind so groß, daß man wohl in einer solchen, auf die letzte Stufe Gesunkenen hie und da mehr Idealismus finden kann, als bei der, welche ihr Gewerbe mit bürgerlicher Ordnung betreibt und von jedem erzielten Gewinn einen Bruchteil auf die Sparkasse legt, um eines Tages vielleicht als begüterte Witwe in der Provinz ihr Glück zu machen. Die erste kann möglicherweise, wenn es ihr Schicksal will, in eine Heilige umschlagen und mit derselben Einheitlichkeit des Gefühls sich Gott hingeben, wie sie sich früher dem Laster verschrieben hatte. Die andere wird als Hausfrau wie als Dirne gleich hausbacken, kalt und berechnend sein.

Ein anderer Widerspruch in der Stellung der Frau zum Gelde zeigt dieser Fall: ein Mädchen nahm einem reichen jungen Manne im Laufe der Jahre all sein Geld ab, so daß ihn sein Vater wegen seines Leichtsinns obendrein enterbte. Als alles, was er besaß, von seinem auf ihr Konto übergegangen war, empfand sie das großmütigste Mitleid mit ihm. Zunächst eröffnete sie ihm einen Freitisch und sorgte freigebig dafür, daß er weiter so schöne Halsbinden tragen konnte, wie die, welche sie im Lenz ihrer Liebe so sehr bezaubert hatten. Dieses Verhältnis mußte notgedrungen zu einer Ehe werden. »Was bleibt Dir zu tun übrig,« sagte sie, »als reich zu heiraten? Da kannst Du doch gerade so gut mich wie jede andere nehmen. Erstens sind wir einander gewöhnt, zweitens weißt Du, daß ich Dich gern habe, Dir Dein Taschengeld nicht zu knapp bemesse und Dir niemals vorwerfen werde, daß Du mich des Geldes wegen geheiratet hast.« Dies ist wirklich vielleicht der einzige Weg, auf dem Mißheiraten erträglich werden. Wenn die Frau den Mann auf diese Weise vor der Ehe zugrunde richtet, dann aber durch die Ehe wieder rettet, kann er sich nie vorwerfen, er hätte dumm geheiratet. Dadurch bleibt beiden der Fluch erspart, der sonst über Mißheiraten lauert. Es ist gewissermaßen eine Vereinigung der Worteile, die eine Geldehe bietet, mit dem Zauber, den die Liebesehe unter dem eigenen Stande zu haben scheint. Dieses höchst verwickelte Verhältnis erklärt mit seltener Deutlichkeit die doppelte Stellung der Frau zum Geld, wenn sie es hat und wenn sie es nicht hat. Aus diesem Grunde verstehen Frauen selten die Stellung des Mannes zum Gelde richtig. Häufig scheint ihnen der ein Narr, der den absoluten Wert des Geldes nicht so klar sieht wie sie, und in einer Dachkammer bei ein paar Büchern und mit einem Sonnenstrahl glücklich ist. Dann aber erscheint ihnen der wieder ein Geizhals oder ein Pedant, der sich nach der Decke streckt, weil er ganz genau den relativen Wert seiner Mittel kennt, d. h. was er dafür kaufen kann und was nicht. Am liebsten verurteilen sie den Mann, der bei dem, was er wirtschaftlich für eine Frau tut, »Hintergedanken« hat, wie man es schamhaft auszudrücken liebt. Sie würden ja, hätten sie Geld, einem geliebten Mann alles geben – gleichgültig, ob ihre Beziehungen körperlicher oder rein seelischer Natur sind. Dabei vergessen sie nur das eine: Wie auch immer die Beziehungen eines Mannes zu den Frauen sind, immer kosten sie ihn Geld, außer er heiratet eine reiche Frau. Der lockerste gesellige Verkehr stellt an die Börse des Mannes mit Recht eine Fülle von Ansprüchen, denen sich nur der entziehen kann, der überhaupt das Zusammensein mit Frauen meidet. Auch eine Frau, die weiß, daß sie wohlhabender ist als ein Mann, und nicht duldet daß er Geld für sie ausgibt, veranlaßt ihn doch zu einer ganzen Reihe von Ausgaben, ohne es zu ahnen. Zu den kostspieligsten Beziehungen gehören bekanntlich manchmal die zu wohlhabenden Damen, die um keinen Preis der Welt von einem Mann Geld annehmen würden. Wenn zum Beispiel eine Dame zu einem Freund sagt: »Mein Lieber, mein Wagen und meine Pferde sind eben von Wien am Bahnhof angekommen; bitte lösen Sie sie mir aus, die Fracht ist vorausbezahlt,« so ahnt sie vielleicht wirklich nicht, was für Ausgaben ihr Freund schweigend trägt. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Das zu zweit sein aber kostet den Mann immer Geld. Gibt ein Mann nun das, was er übrig hat, einer Frau aus reiner Freundschaft, so ist das nicht nur ein Geldopfer, sondern er verzichtet zugleich darauf, mit einer etwa unterstützungsbedürftigen Geliebten, für die doch irgendwie gesorgt werden muß, »zu zweit« zu sein, oder aber er ist, wie die wohlhabenden Frauen es richtig finden, darauf angewiesen, sich von jener anderen, »um seiner selbst willen« lieben zu lassen. Diese Liebe um ihrer selbst willen ist aber, von seiten des Mannes wenigstens, meist eine große Heuchelei. Sie ist jedenfalls sehr sparsam. Man mag ein Idealist sein, wenn man sich von einem armen Mädchen um seiner selbst willen lieben läßt, ritterlich ist man jedenfalls nicht. Mancher junge Herr entzieht einem solchen Mädchen das Nötigste, um es für seine mondänen, mehr oder weniger platonischen Beziehungen auszugeben.

Wenn man aus alldem eine praktische Schlußfolgerung ziehen kann, so wäre es diese: Erbt ein junger Mann eine halbe Million, so bedeutet das für ihn, wenn er irgendwelche ausgesprochene Gaben besitzt, die Möglichkeit, alle diese Gaben zu verwirklichen, er kann sich dem Zwang des Berufes entziehen, Gelehrter, Künstler, Entdecker, Gründer werden. Für ein junges Mädchen bedeutet diese Summe nichts mehr als eine ziemlich stattliche Mitgift, und es ist noch nicht gesagt, ob dadurch gerade die wertvollsten Männer angezogen werben. Erbt ein junger Mann dagegen während seiner Studienzeit 50 000 Mark, so hat er damit gewiß einen Vorteil vor besitzlosen Kommilitonen, aber es unterscheidet ihn doch nicht allzu wesentlich von ihnen. Dieselbe Summe dagegen in der Hand eines bisher armen Mädchens, sei es, daß sie auf die Ehe rechnete, sei es, daß sie sich zu einem Beruf vorbereitete, führt einen völligen Umschwung herbei in ihrer Stellung zu allen im Mittelpunkt des Frauenlebens stehenden Fragen. Für ihre Freundinnen und Kolleginnen wird sie plötzlich eine andere Art Mensch, der das Leben ganz anders anschauen kann. »Nun ja, eine, die fünfzigtausend Mark hat!« Sie kann nun bescheiden von ihren Renten leben.

In kurzen Worten: Überhaupt etwas zu haben ist für eine Frau viel wichtiger als für den Mann. Eltern mit kleinem Vermögen sollten daher ruhig die Töchter besser bedenken als die Söhne. Die relative Ziffer des Vermögens dagegen ist für den vielseitiger lebenden und veranlagten Mann bedeutend wichtiger als für die Frau, und es ist nicht ohne weiteres zu tadeln, wenn in wohlhabenden Familien mehr auf die Söhne als auf die Töchter verwendet wird, vorausgesetzt, daß für die Töchter noch genug übrig bleibt, um sie dem Kampf ums Dasein wie dem bedingungslosen Heiratsmarkt zu entziehen.


 << zurück weiter >>