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Frauen lieben Helden, manche lieben einen Mann, weil er einen Kneifer auf hat, manche lieben das Genie, andere den, der teure Zigaretten nicht zuende raucht, sondern sie nach ein paar Zügen hochmütig wegwirft. Trotzdem liegt darin, wenn man es untersucht, mehr Einheit und Folgerichtigkeit, als in der Liebe des Mannes zur Frau, die noch bedeutend unsinniger und blinder ist. Der Mann vermag zu lieben im Gegensatz zu allem, was er für schön, recht oder bewundernswert hält. Seine Liebe kann sein ganzes übriges Wesen auf den Kopf stellen. Die Frau dagegen liebt immer das, was ihr als Vollkommenheit erscheint, das kann freilich je nach ihrem Bildungsgrad, ihrer Erfahrung, ihrer Jugend grundverschieden sein. Ob es das Genie ist, oder der Mann mit dem Kneifer, es ist immer der für sie Vollkommene – die Verwirklichung eines Traumes. Der Kneifer ist für das harmlose Mädchen des Volkes das Sinnbild des höheren Standes, der Gescheitheit, der Überlegenheit gegenüber den meistens noch nicht kurzsichtigen Männern ihres Standes. Wenn sich die Schwester und die Tochter von Börsenleuten in den Leutnant, oder die solide Kaufmannsfrau in den Tenor, das Bauernmädchen in den Banditen die Dirne in den Zuhälter verliebt, es ist immer das Staunen über eine bisher noch nicht gesehene Verwirklichung, die das weit hinter sich läßt, was die Männer der gewohnten Umgebung im allgemeinen zeigen. Die Tochter eines Klempnermeisters liebte junge Adlige. Sie folgte diesem Drange heftiger, als ihrer Tugend gut war. Nach einigen Jahren war sie Halbweltlerin, sie brauchte stärkere Reize, und jetzt liebte sie verkommene, deklassierte Adlige. Das verantwortungslose, unberechnete Geldhinauswerfen, das tollkühne Aufs-Spiel-setzen des Daseins für einen lustigen Augenblick, die ganze Amoralität der Lebenswertung, alles das empfand sie während ihrer glorreichen Laufbahn mit dem Instinkt der Klempnermeisterstochter durch den Gegensatz zu der Welt ihrer Abstammung als das große Leben.
Die Verwirklichung, die ein männlicher Typus darstellt, muß für die Frau bis zu einem gewissen Grad übersehbar oder wenigstens fühlbar werden. Die Überlegenheit an sich reizt sie nicht, nur die in ihren Gesichtskreis fallende Überlegenheit. Der Entdecker eines neuen Planeten dürfte für die meisten Frauen nicht viel Reiz haben, ehe er zum Held des Tages geworden ist. Aus diesem Grunde kann zwar ein Bauernknecht für eine Städterin, aber verhältnismäßig selten ein Städter für eine Bäuerin Reiz besitzen: der »Stadtfrack«, wie man den Städter in Oberbayern nennt, ist für sie mehr oder weniger lächerlich, seine Manieren erscheinen ihr possenhaft, solange sie noch ein Naturkind ist. Hat sie erst einmal in der Stadt gedient, ist sie gar zur Kammerjungfer in einem guten Hause aufgestiegen, so findet sie meist den Schlüssel zu diesem Hort geheimnisvoller männlicher Reize. Der erste »Herr Doktor«, der ihr das Taschentuch zuwirft, trägt vielleicht Stehkragen von 8 Zentimeter Höhe. Das wird zum erotischen Sinnbild. Von jetzt ab liebt sie nur Männer mit Stehkragen von mindestens 8 Zentimeter Höhe (es ist dieselbe Geschichte wie mit dem Kneifer), und falls ihre soliden Triebe sie noch einmal in eine brave Ehe treiben, so wird das Männchen wenigstens an Sonntagnachmittagen den Hals in die lästige Fessel des Stehkragens zwängen müssen. Er tut es gern, weil er die feinen Manieren seiner Frau ehrt, die nur in guten Häusern gedient hat. Diese Geschichte ist nichts als ein Schema. Wenn eine Prinzessin mit einem Sprachlehrer durchgeht, ist es genau dasselbe. In den Kreisen, wo die Männer meist martialische Schnurrbärte und blanke Glatzen haben, besitzen langhaarige Künstler mit glattrasierten Gesichtern eine natürliche Aussicht. Die Frauen des Tiergartenviertels schwärmen für Anarchisten, und je besser sie selbst zu speisen pflegen, desto enttäuschter sind sie, einen Künstler kennen zu lernen, der noch nicht gehungert hat. Es liegt darin gewiß mehr als Sensationslust und Frivolität. Wenn sie ihre Brüder anschauen, die schon mit 14 Jahren blasiert waren, und mit 30 die ersten Anzeichen liebenswürdiger Zerbröckelung verraten, so ist ihre Neigung für einen Mann, der sich in ehrlichem Kampf bis zum Gipfel seiner heutigen Aufgeblasenheit emporgerungen hat, zweifellos ein moralischer Fortschritt. Überhaupt, wenn die Frau sich verliebt, hat sie immer recht; ihr Realismus sagt: Dies gefällt mir, dies will ich haben; und wenn es auch für den Draußenstehenden nicht der Rede wert ist, von ihrem Standpunkt aus handelt es sich tatsächlich immer um eine, wenn auch einseitige Überlegenheit. In einer bestimmten Richtung ist der Mann, der seine Zigarette nach wenigen Zügen wegwirft, tatsächlich eine Höherentwicklung gegenüber dem, der eine Hülse bei sich trägt, in der man halbverbrauchte Rauchartikel für eine bessere Gelegenheit aufsparen kann. Gegenüber einer frömmelnden Schar von Kirchenratten ist der freche Materialist ein Typus der Kühnheit, in einer platt materialistischen Gesellschaft ist der Gläubige eine Höherentwicklung. Beide werden auf das Herz von Frauen wirken, denn die Frauen suchen niemals das Absolute, sondern immer das Relative, und darin ist ihre Liebe durchaus nicht blind, sondern viel sehender als die Liebe des Mannes. Was sie dagegen nicht sehen, ist der absolute Wert, den die von ihnen geliebte Verwirklichung in der Gesamtheit menschlicher Erscheinungen besitzt.
Aber beschützen die Frauen nicht mit Vorliebe das noch nicht entwickelte Genie, den jungen Mann, der sich noch verwirklichen will? Gewiß, aber auch immer wieder nur im Hinblick auf die künftige Wirklichkeit. An dem Werden einer solchen Entwicklung selbst mitzuwirken, das ist ihnen sogar eine Hauptfreude. Selber in einem Menschen schon erkennen, was die Welt noch nicht erkannt hat, d. h. an die Zukunft eines Mannes glauben, das ist die höchste Form ihrer Liebe. Wie leicht sie sich darin täuschen, wie häufig sie der Suada eines angeblich verkannten Genies unterliegen, wie oft sie das wirkliche Genie, das sich häufig für ihren Gesichtskreis nicht zu formulieren weiß, verkennen, alles das ist bekannt genug. Nie aber werden sie grausamer, als wenn sich ihr Gesichtspunkt erweitert und sie nun entdecken, daß ihr Held ein Hasenfuß, ihr Genie ein Schwätzer war. Es ist keineswegs Untreue, Laune oder dergleichen, was die Liebende nun zur Feindin macht, sondern ihre eigenste Natur, die das Mittelmäßige und Erfolglose verachtet; inzwischen ist sie nur von der Erfahrung aufgeklärt worden, daß das, was sie früher für etwas Wertvolles hielt, ein Nichts ist. Es ist kein Leichtsinn, hohle Nüsse wegzuwerfen, auch wenn man sie teuer bezahlt hat. Ein so durchschauter Seladon mag sich vor den Spiegel stellen und sich fragen: Sind meine Halsbinden weniger schön, als in dem Lenz unserer Liebe? Sie sind noch gerade so schön, aber aus 21jährigen weiblichen Augen gesehen sind sie etwas anders als aus 17jährigen.
In der Liebe ist der Mann viel unberechenbarer als die Frau. Fast immer ist man enttäuscht, wenn man die Genossin eines hervorragenden Mannes kennen lernt. Es ist meistens unergründlich, was er wohl an ihr finden mag. Es müssen hier geheimnisvolle Umstände ausschlaggebend sein, zweifellos auch Gegensatzwirkungen, aber nicht nur sozialer, oder geistiger, sondern tief biologischer Natur. Diese Dinge lassen sich nicht formulieren und bleiben rätselhaft. So sehr sich dagegen das »Publikum« über »Eheirrungen« bekannter Damen wundert, für den Psychologen sind diese Dinge zu fassen. Wenn man eine Frau kennt, so mag man die Wege, die ihr Gefühl nimmt, vielleicht beklagen, verstehen lassen sie sich von ihrem relativen Standpunkt aus immer: wenn man an dem einen Gedanken festhält, daß der Frau jede ihr neue, aber übersehbare männliche Verwirklichung gefällt, so kann man ebensogut begreifen, daß sie einen schönen, aber dummen, wie einen geistreichen, aber häßlichen Mann liebt. Der Apache rührt an genau denselben Trieb der Frau, wie der Held oder der Dichter: an ihren Drang zur Bewunderung. Was sie bewundert, das hängt von ihrem jeweiligen persönlichen Zustand ab. Selten gefällt ihr der Mann (auch wenn sie ihn heiratet), der eine Reihe braver, mittelmäßiger Tugenden hat, an dem sie aber nichts zu bewundern findet. Doch mag sich eine enttäuschte oder mißbrauchte Frau, die bisher mit wortbrüchigen Egoisten zu tun gehabt hat, in Biederkeit und Zuverlässigkeit ernsthaft verlieben, Eigenschaften, die ihr »den Glauben an den Mann« wiedergeben. Das Höchste und das Tiefste, das Edelste und das Gemeinste, das Seltenste und das Alltäglichste vermag die Frau zu fesseln, wenn es sich aus irgend einem Grund in einer ihrer Bewunderung verständlichen Form verwirklicht. Daß wahre Bedeutung eines Mannes und sein Glück bei Frauen keineswegs zusammenfallen, verrät, daß die Frauen, unbekümmert um die absoluten Werte, ihren eigenen Maßstab anlegen. Wie groß dieser Maßstab ist, erkennt man, wenn man die Männer betrachtet, die am meisten im Mittelpunkt des allgemeinen weiblichen Interesses stehen, es sind selten die ganz blöden, aber noch seltener die ganz klugen. Oh, sie lieben ein bißchen Intellekt!