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Konsequenzen.

Die Österreicher um mich her schwiegen über » Königsglaube« vollständig. Aber es wurde mir immer mehr zur Gewißheit, daß die in literarischen Dingen sonst so gleichgültigen Welschen der Grenze das Buch lasen, daß es in Italien bereits teilweise übersetzt wurde. Die Blätter beschäftigten sich damit; ebenso wie in London und Paris Artikel über die Einzelheiten des zweiten Bandes erschienen, besprochen mit dem alten Temperament, dem alten Deutschenhaß, der überhaupt nie geschwiegen hat in den Nachbarländern. Reichsdeutsche lasen das Werk mit großer Aufmerksamkeit, insbesondere Offiziere. Das falsche Bild Benedeks, wie es von den Habsburgern und ihrer Camarilla in bewußter Geschichtsfälschung festgelegt worden war, mußte diesen einwandfrei nachweisbaren Wahrheiten weichen. Soviel bedeutsames Material, in das jeder Einblick nehmen konnte, lag gesichtet vor, daß es auch den größten Schreiern und Liebedienern nicht möglich wurde, die Sache als eine Übertreibung, eine subjektive Gehässigkeit hinzustellen. Das mißglückte ganz. Wenn man damals eine Zeitung in die Hand nahm, fand man Ausschnitte aus dem Buche abgedruckt. Unbezwinglich griff eine Richterhand herüber aus dem Jahre 1866, dieser österreichischen Schicksalswende zum Niedergang, die tiefer lag als in dem verlorenen Feldzug. Selbst Bismarck überschätzte damals diesen Feind in Böhmen, der ihm gegenüberstand, das minderwertig bewaffnete, undisziplinierte, ja renitente unbenedekische Heer, erfüllt von Offizieren der Genießerkaste, die er aus seiner italienischen vorbildlichen Armee mit der größten Energie entfernt hatte. Die Wunde jener Julitage brannte, wenn man an sie rührte, noch immer, als sei sie ganz frisch. Der Verleger stellte vor allem in der Mark auf den Gütern, in Pommern, in Berlin und in Sachsen das Interesse an der Arbeit fest. Ich wartete auf die Ukasse aus Wien, die mir das Handwerk zu legen suchen würden; auf die Stellungnahme des Hochadels zu diesem ihn so tief treffenden Aufschlußwerke; auf das Aufmucken des beschuldigten Beck'schen Systems und seiner Träger, der Phalanx uralter Herren, die zeitenfremd um den Kaiser stand. Es kam nichts. Die Armee, diese bürgerlich gewordene, zum Volkesheer ausreifende Armee der vielen Nationalitäten, die einander knirschend haßten und vereint einem verblassenden Wahnbild zu dienen hatten, diese Armee wußte in ihren Denkenden und Ernsten, litt schwer, war tief verbittert. Äußerer Elan war noch immer da, sorgsam kultiviert, aber kein innerer Siegerglaube. Seltsam war es, zu erleben, wie Ungezählte es offen aussprachen, daß sie in sich auch ein Atom Benedekssches Erleben und Leiden herumtrügen ohne Hoffnung; daß in ihm sich Kleinheit wie Größe immer wiederfand. Kalte Naturen wurden erschüttert.

Es war ein bewegtes Leben nach dem Erscheinen dieses Buches, das in alle Schichten gelangte. Friedjung kam aus der Angst, die er aber nicht wahr haben wollte, nicht mehr heraus. Er schob auf uns, was nur möglich und unmöglich war. Servil wurde er, sich verkrümelnd. Dabei wachte er eifersüchtig darüber, daß die »Nachgelassenen Papiere«, die er herausgegeben, ebenso beachtet würden wie »Königsglaube«.

Ich sah Reichs-Italien im Jahre 1913 zum letzten Male, in der Blüte seines gedeihlichen Friedens, wohl bebaut, lebensfroh auf dem flachen Lande. Aber in Bologna und anderen Städten gingen durch die wachsende Macht des jüdischen Weltfreimaurertums, das sich von jeder Hemmung der Moral, der Religion, der Ehrbegriffe befreite, schlimme Geister um; sie griffen nach der Jugend. Fanatisierte Gesichter sah man. Ich machte viele Studien darüber, ohne es mit irgend jemanden zu besprechen. Wir kamen von Sizilien, wo wir kurz nach dem Erdbeben Messina in seinem Unglück gesehen, und wohin wir gesammeltes Geld von der Grenze für die Linderung des vielen Unglücks gebracht.

Siziliens Schönheit, Rückständigkeit, sein scharfes Licht, seine tiefen Schatten wirkten wie ein anderer Erdteil nach Oberitalien. Dort war Reichtum, Intelligenz, viel mehr Kraft, als Österreich ahnte; viel konzentriertere Kraft. Italien hatte gelernt. Über die natürliche Korruption, die dort im Blut liegt, erhob sich etwas Geheimnisvolles, nicht eines schwachen Schattenkönigs Leistung, etwas, das aus dem Volke selber herauswuchs. Als Leute, die aus dem Trentino kamen und italienisch sprachen, fanden wir alle Türen offen; wir galten als unerlöst und wurden bemitleidet. Da erfuhr man manches, die Menschen ließen sich gehen. In Padua wohnte ich einer direkten Hetzversammlung gegen Österreich bei. In ihr wurde ein siedender Haß, der historisch geworden ist, wieder aufgepeitscht; funkelnd in Worten hat er mich angefaucht. Bei diesem letztem Aufenthalt in Battaglia und Este war in Stabilmento dei Bagni Katharina Schratt, die Österreicherin, des alten Kaisers vielbesprochene Freundin. Sie kam mit großem Luxus, laut und munter; keine Dame, aber eine gute, liebevolle und einfach gebliebene Frau. Auch sie habe ich studiert in vielen Zügen; man sah an ihr Franz Josephs geistige Genügsamkeit. Ich habe dann das Buch » Wenn Könige lieben« geschrieben. Und seltsam! Was bei der grandiosen Sache des » Königsglaubens« nicht geschah, erfüllte sich beim Erscheinen dieses amüsanten, aber nicht zu vergleichenden, kleinen Bandes voll Hof- und Weltleben. Der Sturm brach los. Die Feinde standen auf.

Wenn Könige lieben?

Monatelang lag auch dieses Werk überall auf, füllte besonders in Budapest die Schaufenster; wurde gut besprochen, viel gelesen. Besonderen Wert legten wir nicht darauf. Manche sagten: In Österreich geht halt aus Schlamperei und Indolenz Alles. Das war richtig. Etwas ging nur dann nicht, wenn sich ein Einzelner mit Einfluß und Verbindungen dagegen stemmte.

Ich hatte in Arco mit seiner tötlichen Geselligkeit nun offen Stellung genommen gegen einen bestimmten Ton und seine Vertreter, unser Haus freigemacht von einer Clique. Verlebte bösartige Frauen rächten sich und verwendeten dazu ihre Verehrer in Uniform. » Wenn Könige lieben« ging in verschiedenen Exemplaren an ganz bestimmte Personen, die dem Hofe nahe standen; nach Preßburg an eine Erzherzogin und vor allem an die Fürstin Hohenberg, die Frau des Erzherzogs Franz Ferdinand Este, die in ihrer schiefen Stellung und vollkommenen Unbeliebtheit krankhaft auf jede Wahrheit reagierte. Ein Kommentar, wer gemeint sei, ward beigelegt und der Abschnitt, in dem der alte Kaiser gewarnt wurde, sich nicht nur mit einer militärischen Phalanx zu umgeben, sondern auf die Stimmen im Volke zu achten, wurde speziell angestrichen.

Die Reaktion kam: Eine Beschuldigung der Majestätsbeleidigung, die aber weiter keine Folgen hatte, als das Verbot des Buches in Österreich. Solche Verbote erreichen immer das Gegenteil von dem, was sie wollen. Nun setzte eine lange, komplizierte Privat-Hetze ein, die schließlich auch auf »Königsglaube« zurückgriff. Ihre Einzelheiten würden ein Bändchen mit blutigen Satyren füllen. Wir waren immer informiert und sahen zu, ganz ohne zu reagieren, inmitten des hitzigen Für und Wider der Parteien. Neben meinen Büchern stand die jahrelange, opferreiche Hingabe meines Mannes für Mitglieder der Armee, seine ausgesprochene Sympathie für diese, der Rückblick auf Vorfahren, die die höchsten österreichischen Orden erworben, die höchsten Stellungen verdienstvoll inne hatten; stand das Gefährliche, solche Dinge zu einer großen Sache zu machen, ihnen zu Aufsehen zu verhelfen. Österreich schweigt gerne tot und gibt nur heimlich einen Tritt. Es ist nicht für ehrliche Maßregelung. Aber die Chotek ruhte nicht und nur durch sie, die ihr Temperament, ihren tschechischen Charakter niemals bändigte, entschloß man sich endlich zu einem Reservatbefehl für die Offiziere, sie sollten unser Haus nicht mehr betreten, weil meine Gesinnung der Dynastie feindlich sei. Wir sahen das vollkommen ein. Es galt nur für Arco, weiter dachte man nicht. Für die Herren aber wurde es ein schwerer Schlag; und sie machten kein Hehl daraus. Nicht gerade aus Idealismus nahmen Zahlreiche Stellung gegen den Akt, der von einer außerordentlichen Gewundenheit war, er traf nur mich, nur meine Person. Nicht meinen Mann, noch meine Angehörigen. Ich las ihn feierlich und arbeitete weiter an den »Dynasten und Ständen.« Das Brausen im Wasserglas um mich war nur Unterhaltung. Nun aber kam, was mich traf und worüber ich noch nie gesprochen habe. Es zu berichten fällt mir schwer – doch muß es sein.



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