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Heimat-Erinnerungen am Kamin.

Der gemischte Wendelin.

Ich sehe ihn vor mir, wenn er an unserem Wagen stand und ersterbend in Devotion die bei ihm gekauften Sachen verstaute. Er war der kugelrunde Besitzer eines alten, guten Gemischtwarenhandels, der die Bauern weit und breit, die Wirte, das G'schloß, die Herren Beamten, überhaupt die ganze Gegend versorgte. Bei ihm kaufte Alles schlecht und recht. Der gemischte Wendelin hatte einen wunderschönen Spitzbauch, über dem sich zwei fette Händchen mit Speckfalten kreuzten. Seine karrierte Hose war zu kurz, sein Kommodejackerl glänzte abgeschabt. Vertretene Zugstiefletten trug er, und geringelte Socken. An seiner Uhrkette hingen interessant beisammen ein Totenkopf und eine Weinflasche. Das in die Stirne gestrichene Haar machte sein schwammiges Antlitz ganz blödsinnig; aber er war das nicht. Eines Tages wurde es laut: »Der Herr Wendelin baut sich neben seinem alten Hause einen Palast.« Jawohl. Alles schrie auf! Er hat's ja dazu, natürlich; aber – aber – aber! Und sieh. Hart an der Straße des Marktfleckens erhob sich eine Riesenbarracke, in Weiß und Gold mit billigem Stuck verziert, unter einem billigen Baumeister, dessen Phantasie nicht die anderer Menschen war; er hatte sie für sich allein. Vermischte Stile, die ihm vorschwebten, zum Beispiel: maurisch-rokkoko und alte Gotik mit einem Anhauch da und dort von ganz unbekannten Formen. Gleich Auswüchsen und Krebsschäden hingen Balkons und andere Vorsprünge an dem verstörten Antlitz dieses Prunkgebäudes. Die Treppe wurde so eng, daß die Möbel durchs Fenster mußten und ein lebenswichtiger Ort war vergessen. Ein Garten mit Teppichbeeten wurde angelegt. Zwei riesige Göttinnen, ganz ohne Tracht, aus bröckelndem Sandstein, hielten plötzlich Wacht am Portale, sie erweckten den Groll einer moralischen Bevölkerung. Man besudelte sie des Nachts und schrieb auf sie: Zieht den Weibern Hosen an, sonst kommt der Tintenmann. Da bekamen sie sofort von dem feige veranlagten Wendelin faltige Räubermäntel, wie Abruzzenräuber sie tragen sollen. Der englische Rasen, der dem Besitzer vorschwebte, begann kaum zu grünen, als aus praktisch hervorbrechendem Sinn doch wieder etwas mit Gemüse bepflanzt wurde. A Bißl Spinat und a Kohlrabi und a bißl a Kelch (Kohl), das tut alleweil wohl. Auch umstanden ihn gewaltige Sonnenblumen, deren Kerne man essen kann, und Pfingstrosenbüsche, schön grell. Sinnreiche Sprüche las man, überall den Menschen geleitend, unter dem Auftakt: »Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein.« Er hätte lieber anbringen lassen: »Bring Geld herein,« der Wendelin. Aber er fühlte, daß Solches vielleicht doch nicht fein sei. Und man mußte in einem solchen Hause fein werden. Fein wie wir, die vom Schloß, die er nicht ausstehen konnte aus Neid. Er besah sich diese gräflichen Manieren schon seit Jahren. Er strebte sie heimlich vor dem Spiegel an. Er wollte auch so wirken, das mußte zu erlernen sein. Frau Wendelin war hoffnungslos dick, mit kurzen Fingern, einer Jerseytaille, von deren Prallheit die Knöpfe sprangen, gestrickten Stützeln brav und ordentlich. Sie betrachtete den Palast, in den sie nicht paßte, mit Grausen; sie liebte ihr lates, reelles Häuschen, das Kleinbürgertum ihrer Welt.

Der Pallazzo war vollendet; er durfte besichtigt werden, in Pantoffeln, die bereitstanden, wie vor einem türkischen Tempel, mit Schuhen durfte man die Parketten nicht gefährden. Der Wendelin trug seitdem andauernd ganze Strümpfe, ungeflickte.

Wir sahen und staunten. Es war wie ein Papageienkäfig. Kohlkopfgroße, bunte Rosen auf Teppichen, Makartgebüsche, blitzende Farbendrucke in Massen. »Weil diese Gemälde ganz aus Öl alsdann doch zu damisch ins Geld laufen,« sagte der Hausherr. »Ich bin gar nit aso fürs Ölige.« Pfauenwedel gab es, Chenillien und Tupfkissen, Paravents, Schwerseidenes und Wollsamtenes, aus Humanität für das Geschlecht der Schaben. Albums gab es, Nibbes, wie Herr Wendelin die Nippes nannte; Vasen aus teuren Fabriken, echte Imitationen von Go-be-linis, ja wohl. »Das alles soll eben sein, drum ist es«, sagte er seufzend. » Wir habens nicht!« sprach heiter mein Vater. Der Gemischte wurde gereizt. »Ja, du meine Güt, Gnaden, Herr Graf,« sagte er; »das is' eben ein altes Famüliengschloß, daß Ihnere da is Bestand. Da sein allein schon diese Ahnen und Gebeine haufenweis. Da braucht man dann natierlich keine Nibbes und solchenes Gfrast nicht, das sein eben leider die Privilegi der hochen Stände. Ich bin halt, ja, der Anfang von meiner Dy-nas-tyie. Ja, und nacher kimmt a no nix nach.« Wie schade! Wir wandelten durch muffige Salons; einer war blitzgelb, es schloß sich ein knallroter, mit papierenen Mohnblütenbüschen an. Wir sahen riesige Betten, in denen man gewiß nicht liegen durfte, und blaue Glaskugeln, in denen man wie eine Mißgeburt aussieht, und die dem Kunstbegriff des Wendelins allen Reiz verkörperten, gemeinsam mit Goldfischen, die trübselig in Bassins schwammen. Der englische Rasen hatte etwas Frappierendes. Er war gemischt wie sein Urheber. »Ihr Spinat, der kommt aber sehr schön,« sagte mein Vater, ihn gedankenvoll betrachtend. »Krautköpfe wären noch behaglicher, nicht? Ha! Was ist denn jetzt das für eine Statue?«

»Es is die heilige Einfalt, habe ich mir sagen lassen, sie schaut gar aso dumm drein!« erwiderte Wendelin mit unsicher forschendem Blicke. Die Figur war enorm, und, wie ihr Erwerber strahlend äußerte, billig gewesen. »Da kommen nacher noch Vergißmeinnicht drunter. Schen wird das, wie ein geputztes Grab.« – –

Wir tranken dann Kaffee im alten Kaufmannshause mit der engen Holzstiege, der aufgehängten Wäsch, dem gemischten Geruch, dem Pfirsichspalier, blickten in den bunten Garten, wo eine französische Schildwache aus Pappendeckel an Napoleons Tage gemahnte. Die kleinen Räume mit den blumenbestellten Fensterbrettern, den Wachsäpfeln, dem Kaffeetisch, den der große Gugelhupf schmückte, den patriotischen und frommen Bildern waren uns vertraut. Vertraut die arme gute Frau Wendelin mit den springenden Knöpfen, den tränenden Augen. Ihr graute vor der Zukunft. Sie hatte Recht. –

Der gemischte Wendelin ist dann infam geworden, in jeder Hinsicht. Er sagte am Stammtisch: »Die Gräflichen im Gschloß sein mir neidisch.« Und dieser Stammtisch liebte ihn nicht mehr. Er verstieß seine Gattin, die laut schluchzend abzog nach Stadt Steyr in ein Stift. Er selbst setzte in sein Palais, dem er ratlos gegenüberstand, ein ihm vornehm erscheinendes Flintscherl als seine Ma-i-dresse, wie er es nannte. Ludwig der Fünfzehnte und die Dubarry. Sie war eine Kellnerin aus Wien, die sehr gwichst und überaus frech auftrat. Sie schuhriegelte ihn. Er wurde ihr und seines Tempels Bedienter. Hierauf erbte sie, was er zu vererben hatte. Das war der gemischte Wendelin.

*

Die Sackerlot.

Das war die ewige Aushilfe auch im Schloß beim Putzen und Waschen, beim Bedienen, in der Küch', beim Krankenpflegen, bei Gästebesuch, und wann der Herr Bischof kam. Und erst bei Todesfällen! Das geborene Leichenweib aus Beruf, Begabung und Gemütsmangel! Ihr Schönstes blieben immer die eintretenden Katastrophen des Lebens, Ereignisse, wo es schief ging; und sie sah es noch schwärzer. Gefahren, Krankheiten, Geldsorgen. Da freute sie sich! Wenn sie anonyme Briefe schrieb, über die Leut' an die Leut', war sie vollkommen glücklich. Sie schrieb an Autoritäten, Steuerbehörden, ans Gericht, über den Herrn Pfarr' ans Konsistorium, er sei zu wenig eifrig, sein Privatleben nicht ganz klar, die Hauserin noch zu jung, es gehen Gerüchte! Eine Revision wird notwendi' sein. Eine Blocksbergnatur ersten Ranges war sie, und wurde nur mehr die Sackerlot geheißen. Sackerlot! Da is' das Luder ja schon wieder! Schmiß man sie hinaus, kam sie strahlend gleich zurück. Ihre Kleidung: ein blaugetupfter Rock, ein Kamisol ohne Farbe, ein Schurz voll grüner Flicken, dickgestopfte, honiggelbe Strümpfe und Patschgoren (Pantoffeln). So war sie, mit dem Gang einer Hyäne. Plötzlich stand sie da, immer grinsend.

Die Sackerlot verlebte in der Kirche halbe Tage, sie beichtete jede Woche zweimal wenigstens, dem darüber hilflos knirschenden Pfarrer; sie beichtete die Vergehen anderer Menschen. Sie ging mit bei allen Prozessionen, bekam Verzückungen, warf sich hin, die hohe Geistlichkeit solle über sie dahin schreiten. Dieser aber grauste. – Ihre anonymen Briefe fand man oft im Küchentische. – Zur Rede gestellt, fand sie das Unschuldslächeln, das des Teufels Großmutter in jungen Tagen besessen haben muß. Dös bin do nit i gwesen! I do nit, i sag do nia was. Wann i reden wollt', aber ich tu's nicht. Dann ging sie bekränzt als reine Jungfrau mit jeder Leiche, prophezeite Schreckliches, besprach Wunden, deutete Träume. Niemehr im Leben ist mir ein Mensch mit einem solchen Talent vorgekommen, zu Unerlaubtem aufzustacheln wie diese Sackerlot; das konnte sie einfach grandios, das machte ihr keiner nach. Wenn sie einmal unser Kinderzimmer reinmachte, blinzelte sie uns dämonisch zu als Introduktion für alle Schlechtigkeiten. Ja warum tuts es denn nicht, ös Deppen, ja warum stellts denn das nit an, he? Sie war die Aufforderung zur Versündigung. Sie wußte uns immer anzudeuten, was man anstellen könne, wo es verlockend sei zu naschen, zu stibitzen, zu schwindeln, zu verschwinden, wenn die Gouvernante suchte, die großen Birnen an der hinteren Mauer abzusäbeln. Wir taten, was sie vorschlug, und wurden immer erwischt, weil sie uns wahrscheinlich immer anzeigte. So war sie. Mit einem satanischen und zugleich milden Feixen, funkelnd von Bosheit. Sie muß dem Oberteufel irgendwie aus dem Sack gefallen sein. Es ging ihr sehr gut, weil sie jeder fürchtete, auch der Pfarrer. Sie wurde 89 Jahre alt und ist dann im Geruche der Heiligkeit gestorben, weil sie, wie ihre Leichenrede offenbarte, es immer anders gemeint hatte. Ja! –

*

Der narrische Divi.

Wenn einer im Leben nicht arbeiten mag, durchaus gar nicht arbeiten, und leben will er doch, und nit schlecht, ja, was macht er dann? Was er dann macht? Er wird narrisch. Natürli, er fangt an zu spinnen, daß die Leut grad nur so schaun. – Da war der Divi, der is zuerst amal aufn Kirchturm gestiegen; von dem hat er die Wadeln herunterhängen lassen; sehr aufregend, und der Volksauflauf, der ihn angfleht hat: Kimm nur grad, aber du kriegst nacher was, war riesig. Die Aufregung enorm. Der Divi, ja was hat der Divi denn? Paßts auf den Aufsakrawalt. – Nacher amal sitzt der Divi aufn Misthaufen unter die Hendeln, grabt sie da ein, schöner wie der Hahn selber und verspricht ihna laut, daß er auch ein Ei legen wird, a ganz großes. In die Apotheken geht er und bestellt sich ein Hexenschmalz, ein Pulver gegen niedertrachtige Gedanken und Vorsätz, eine goldene Tincturi zum Geldmachen und fangt zu toben an, wie ers nicht kriegt. Und nachher hebt er's Flennen an, man kann ihn nit vertrösten, die Weiber sein voll Mitleid, er kriegt an Haufen z'essen, damit er drauf vergißt. Aber er schreit allemal wieder nach dem Hexenschmalz, er muß es kriegen, er muß! Sonst werd er verruckt. Das bist eh schon, sagt endli' der Burgermoaster kritisch und laßt'n Bader holen, um einen Tatbestand festzustellen. Der Herr Doktor wird aufgeregt, kopfschüttelnd, ohne Ende. Der Divi ist mit ihm hingebend; er sagt ihm, daß er seinen Kopf in seinem Eingeweide haben tut, zwei Lebern hat er und zwei Gallen, die ihn drucken. Er gibt unmenschliche Töne von sich, er zuckt. – Er fangt an zu schluchzen und bittet, daß er dem Herrn Dokter a Bussl geben därf. Der Doktor ist ganz entsetzt, sodaß er gleich ein Attest schreibt über diesen ärmsten, total verrückten, gschupften Menschen. Gefährlich ist er ja nicht. Nicht so, daß er in das teure Irrenhaus müßte, auf Gemeindekosten, o nein, so ist er noch nicht. Er kann schon herumlaufen, er kann auch die Kinder hüten oder die alte deppate Großmutter, die schon, aber nicht die Gemeindelampeln und Gäns. Solches muß man ihm nicht anvertrauen. Ein Pflegegeld muß man einem Bauern geben, daß der Divi da sein Gschlief kriegt. Das kriegt er alsdann.

Der narrische Divi ist von der gehorsamen Gemeinde in Versorgnis genommen; er wird zum dörflichen Typ, mit dem man sich abgefunden hat. Hie und da macht er was ganz Verrücktes, einen Heidenradau. Da lacht alles, der Bauer sperrt ihn a paar Tag ein. Das is ihm recht; er liegt faul auf'n Strohsack, schlaft sich aus, frißt die heimliche Dauerwurst, wo er beiseitegebracht hat. – Und wird außerglassen, neugestärkt. Er bettelt die Fremden an, die über ihn lachen und ihm manchmal forschend in die unergründlichen, die teuflisch blinzelnden Äuglein sehen. Er singt ausgschamte Gstanzeln, daß die Bäurinnen rot werden und flüstern: No oans! Er kann da nit dafür, er ist doch ein Tepp. Kommt er ins Wirtshaus, lassens ihn trinken, abbeißen, er soll sein Klampfen holen, was singen soll er. Er tut's, die Bauern wiehern. Denn so, wie er si' luschti macht, über Alles und Jed's, das kann Keiner; er trifft'n Nagel, der Patsch, der Lurl, der Drottel, der Viachene. Er traut si alles herausz'sagen, ma unterhalt si'. Man b'stellt si' amal an ausbachene Bosheit übern Nachbarn beim Divi. Er tanzt an Gstrampften und schaut zwinkernd die Dirndln keck an. Alle foppen ihn, können ihn leiden. Wenn er in der Kirche heult, haben sie ein Mitleid. Die arme Söl! Der Sündenwurm zwickt'n halt. – Nur der Herr Pfarrer. Der Herr Pfarrer ist über den narrischen Divi sehr gedankenvoll. Und der weicht ihm gern aus, er g'spürts, der mag eahm nit, der Hochwiernige, der scho nit. Er macht gschwind, wann ern gspürt, a tiefs Buckerl und schlagt si in die Büsch, der Divi. Der Pfarrer nährt eine wortlose Überzeugung, daß dieser Divi gar nicht narrisch sein tut, sondern blos urstinkfaul und sich herumdrucken tut ums Arbeitsleben. Der Divi der gspannt schon, daß sich der Pfarr' sowas denkt, und drum muß er mindestens alle drei Monat a ganz a neuche Narretei machen. Aso an Umstand! Wegen die Bauern wär's nit, da tats nit Not. Für die is der Divi narrisch und bleibts. Sie zahlen dafür.

*

Die Bauernhochzeit.

Wir Kinder aus dem Schloß waren zu ihr eingeladen, und wir durften gehen. Bei dieser großen Bauernhochzeit beim Sigerl kamen da zwei Höf' zusammen mit Grund und Jagd und Waldnutzung. A rechte Sach, die was gleich schaut! Das Übrige ist wurscht, ist Butten (wie man es bei uns ausdrückt). Ihm Butten – Ihr Butten, dem Bräutigam wie der Braut. Ihre beiderseitige Vergangenheit nämlich, weil die auch schon so lang her ist – häufti lang – scho' gar nimmer woar is es! Das heißt, die lebendigen Wahrzeichen sind schon im Lande vorhanden, beiderseits. Wie das aso kommt. Wann amal gheirat is, na fangt aber die Trei an. Da gibts nacher nix mehr. Und drum traut der Herr Pfarr, wo viel erleben tut mit seiner Gmoan, auch seufzend. Und kimmt zur Hochziet, wo er geehrt wird. Alles muß er essen, auch die zwei oder drei Suppen in dem tiefen Teller, wo überschwappt, und die ein einhalb Dutzender Gäng mit sechs Bratln. Das alleweil Eines hinauswutschen muß, seine Knöpf und Bandeln aufmachen, damit wieder ein Platz wird. Im großen Saal ist die Tafel gedeckt, sehr schön mit Papierblumen und Sträuß, die nie welken tun, sehr praktisch mit blaue und greane Glaserln und Stammseideln mit blaukarierte Salzfasseln; die Wänd voll Hirschkrandeln, daß's a Freid ist; dazwischen tut der Kaiser hängen in dem Jagergwand aus Ischl, wo er freindli drein ausschaugt, ganz freindli, und die Kaiserin mit die viel zvielen Haaraufbaut; zu was denn nacher dös? So an Umstand. Die legts do sicher auf d'Nacht weg von sich aufs majestätische untertänigste Nachtkastel, die hoche Frauen; das haltet sie do gar nit aus. Die Braut hat a zwoa Zöpf, wo sie weglegt und nur am Sonntag aufsetzt oder wia heut, wans heirat. Begraben laßt sie si aber nit dermit, weil es Schad drum sein tät für die Wearm (Würmer) und da drunten siacht die Zöpfe eh keiner. Die erbt nacher 's Menscherl, die älteste Dirn, wo einsteht in dem Ehestand. Auf der saubernen Koaserin ihre Haufen Zöpf sitzen die Fliagen und schmatzen. Aber schen is es do, dös Bildl vom Hausierer Batz, dem Haderlumpen. Blos z' teuer wars. In der Kuchel des Sigerl, vom dammischen Ochsen, allwo diese Hochzeit sich erfüllet mit Vereinen, Veteranen-Musik, Heubodentanz, vier Stunden Mahl und sonstiger Pracht ist eine Aufkocherei, die muaß ma gesehn haben. Denka kann ma si die gar niemals nicht. O na!

An achter Tag scho is backen worden und vorgschnitten und eingsotten und Paschteten gmacht und Torten und Schleckereien, recht klebri, das was sitzen bleibt, und gschlacht is worden. Koa mollete Anten oder koa nudelrunds Gansl, koa fette Henn siacht ma mehr umaranandrenna – nix, gar nix. A Kaibl is drauf ganga, an ganzen Ochsen habens hingericht, und nacher zwoa, sage zwoa Schwein. Wildprat gibts a gnua. Woher denn, he? Ist der Herr Förschter von Gschloß leicht a eingladen? Frißt dera dös Wildprat a mit? Sakra no amal! Sowas! Ausgschamt is dös. Aber luschti is. Foppen muaß ma d'Leut, so weits warm sein und si foppa lassen. Gebts eahm alle Bana, dem Förschterischen Luader, 's Lackl dem. Die Trauung ist ohne Katastrophe vor sich gegangen. Der Pfarrer hat geredt, wie er muß und soll, einsichtsvoll auf Alles gefaßt, wie es ist bei solchen Ehen, die etwas natürlich Gewalttätiges in sich tragen. Auch ein sanftes Vorwürfl hat er dabei. Das därf ein Pfarrer bei die Bauern schon wohl. Ein Solchenes därf er. Antupfen därf der Pfarr das, wo man hoakli ist. Nacher werd die Braut a wengerl blaurot und schwitzt. Sie hat auch so viele Röck an, weil sie gstöllt ist; Röck mit Streifen, a Jeder davon bedeit a Göld – jawol – sie hat. Zähn nimmer, nein, dö hat die Braut nicht und er auch nicht. Lukat seins alle zwoa beid in dieserner Hinsicht, dös is Landesbrauch. Der sauerne Moscht solls sein, der die Zähn frißt. Und weng Hoar hats mehr die Braut von de schwaren Kopftüachl, unter welchenem sie immer dunstet. Aber mit den Kopftüachl siacht man's net. Der Pfarrer wirft einen düsteren Blick auf das Kranzl, das sie auf hat – doch auf hat trotz Allem. Aber der Wurl, der Bräutigam, schaut da glei gifti, und so muß es halt sein, dieses Kranzl, trotz Allem. Oft unterbrochen worden is es ja schon, dieses Kranzl.

Der Pfarr fixiert es, wia die Herrschaften so einen geisterhaften Blick voll Anklagen bezeichnen. Die alten Bauern mit die vielen Knöpf am Janker taten gern schnupfen. Denn diese Ehepredigt ist lange. Krummbeinig stehns oder sitzens da, schlafen a weng ein, schaun die Braut schief an, so gwiß, vielsagend. Die Bäurinnen toan woan (weinen), das ist ihrer guten Erziehung Pflicht. Bei einer Hochzeit tut man weinen. Und – hat Hunger. Und frißt. 's Leutausrichten, dös kimmt später. Auf dem Chore singt der Meßner mit dreieinhalb Jungfrauen durch die Nasen: »Nun ist das Lamm geschlachtet.« Wen er meinet, dös woaß ma nit, und koaner fragt. Die Kranzlerinnen in Tracht und die Buam, die damischen, sackrischen, sind sehr gstöllt. Es riecht heftig nach Nelkenöl, Moschus und so.

Beim Ochsen sammeln sich die Ausspann: die Bauernwägen, der Brautwagen mit der Staffier, 's is was da! Sel wol. Die Roß werd'n kritisiert. Der Bauernwitz, schwer und auch wieder mehr als lose, hupft umaranand. Drinnen ist der Empfang der hohen Gäscht, welche die Ehr geben. Bauernpracht, noch immer die stilvollste, entfaltet sich. Behäbige Protzerei und harmlose Grobheit verabreichen Aufrichtigkeiten von Maul zu Maul. Inzwischen wert angricht. Sakradivi domini fix Laudon, es wert angricht! Die Wirtin in der Kuchel inmitten ihres Stabes sagt, daß sie sterben möchte. Sofort. Es ist zuviel, ein paar hundert Menschen. Dann schneid' sie das Schweinerne richtig auf mit ihrem Griff und kostet. Es schmeckt. Sie trinkt an Moscht drauf, damit sie später dann ein Magenweh hat.

Der Herr Pfarr erscheint, milde geneigt zu menschlichem Verstehen. Aber doch mahnend, sehr mahnend. Er blinzelt das neuche Ehepaar an: »Jetzt gebts aber amal an Ruah, sag i.« Dann sinkt er aufatmend vor seine Suppe hin, die erste. Es kommen ihrer mehrere. Jeder Gang hat einige Gänge. Die Blechmusik, schon etwas betrunken, haut los, zerschmetternd. Dieses ist sehr schön. Es steigen Reden ohne Zusammenhang, mit Steckenbleiben; nur der Bürgermeister ist zusammenhängend, dafür bezahlt man ihn. In schwerem Dunst reiht sich Stunde an Stunde unter ununterbrochener Ernährung, mit Kunst und Ehrung und dazwischen mit Witzen, Gebrüll –

Die Braut schwitzt fürchterlich. – Das Brautpaar schweigt gänzlich. Nach dem Essen, wie sich die Masse dem Saale langsam entwälzt, viele können kaum mehr stehen, kommt aber doch der Tanz im Schupfen und dauert – dauert. Die Wirtin ist inzwischen gestorben und wieder lebendig geworden, sie erscheint geziert lächelnd und wird für das Mahl geehrt. Die Dauergespräche der Vieh- und Getreidepreise entrollen sich uferlos. Die Bäuerinnen wispern mit vielen: »Ja mei! O du mei!« Die Musik brüllt. Der erste Betrunkene saust, unsichtbar befördert, aus dem Haustor. »Jessa Marand, den Schiaflinger Hansl, dem hats scho derglengt. Schlaf Di aus, Mistbua.«

Er gröhlt: »I kimm wieder.« –

Der Tanz auf dem Heuboden ist ein großes Gestampfe, wetterfest, unermüdlich, mit starren Gesichtern, pflichtenvoll. Dazwischen allmählich ein Juchazer, ein Gstanzl mit gschnappischer Antwort. Der Volkswitz, derb und schlagend, erwacht. Es wird lebendig. Sehr! Die Sommersnacht wird manches sehen.

Diese Hochzeit war richtig. Überfressen, zerbeult, zerquetscht, mit blauen Flecken strömt man heim. Es ist eine dauernde Erinnerung auf längere Zeit vorhanden. Und im Schnupftüchel eingebunden das freundlichst und gastfrei mitgegebene B'schadessen, das Übriggebliebene, wo man auch noch kriegt. Juhu!!!

*

Die Waldmenschen.

»Sebast, das geht mit Dir nit so weiter,« sagt der Pfarrer. »Sebast, Du sakrischer Kerl – Du sakrischer Kerl! So lebt man do nit!« brüllt der Förster, im Vorübergehen an der Borkenhütte. »Also, wie der Holzer lebt, da hört sich doch Alles auf,« ärgert sich der Graf. – Er schaut entsetzt auf den Haufen winziger Kinder, die ihm aus den Borken entgegenkugeln. Schmutzkrusten haben sie an, sonst wenig. Und drinnen quiekt es. Ferkel oder neues Kind? He? Kinder wimmeln heran seit zehn Jahren. Ja! Aber verheiratet – kopuliert, wie man bei uns sagt, ist dieses Holzerpaar nicht. – Es kost zu viel. – Es macht einen Haufen Umständ – und nacher, die Katl, die tut sich jetzt schon an bißl genieren. Dazu hat sie ja etliche Gründ, die Katl. Ein Packl Fratzen, und am Finger kein Ring. An Ring! Ja freili! –

Wie sie a frische Dirn war und der Bast a' nit ohne, hat er zu ihr gsagt: »Da gehscht her – oder nit?« Sie ist hergegangen. Er hat sie sich gebändigt. Na hat er gmeint: »Da bleibst, oder nit?« Da ist sie blieben. Sie hat kei' Trauung ghabt, – kei' Mahl beim Wirt, – keine Lehr. Na sind die Waldmenscherln angrückt. Im Sommer wird Holz geschlagen, im Winter wird geschleift. – Die Katl hat ab und zua einen Gewissensdrucker, so oft a neue Kleinigkeit eintrifft. Aber gern hat sie's doch. Der Bast kommt monatelang nit ausn Wald außer. A Riesenkerl is er, luschti und a grob, und sie, die Katl, is die Seinige. Der er so treu is, nie, daß er an anderne anschaut. Es is auch keine da. Die Katl geht ins Wurzelgraben, Kräutersuchen, an ihrn Rock hängen die Menscherln, im Rucksack hats a immer zwei – die Köpf schaun lusti heraus. Pilzsuchen gehts; Heidel-, Him- und Preißelbeer-Brocken; hockt tief im Kraut, singt wie der Vogel über ihr ein Liedl. Ihre Lippen brennen rot, süß von Beeren. Die Menscherln sind ein Fleck, von die Beer; aber sie haben ja nix an, die Haut braucht man nit ausputzen. Es is kein schlechts Sein, da oben, wo die Luft so rein geht, als obs direkt vom Herrgott kam. Vielleicht hat der sich so ein Sein denkt für seine Menschen.

»Du heiratst jetzt, Bast. So geht's nicht fort!«

»Wohl, wohl; es tuat scho geh.«

»Nein. Du ghörst in die Gmeind. Und sie hats verdient. Deine Katl.«

Da schaut der Bast schier wunderlich. »Warum das? 's is halt a Weib – sonst is sie nix. Es is a gnua. Wanns ma's anschaugt, na is a Kloans da. Dazu hat sie eine Begabigung. I sag nix gegn die kloan Leit. Die habens guat. Da gibt's garnix, was die nit fressen! Ehender klaubt mei Sau aus. Gestern hab i'n Lenzl derwischt, wia er mitn Ferkl um die Wetten aus ein Trog gessen hat. Der Bua is richtig!«

Der Graf muß lachen. Der Bast lacht auch.

»Zum Teufel, ich bezahl also Deine Hochzeit, Bast, weil ich ein Christ bin.«

»I bin a' a Christ. Mei Muatta hats alleweil gsagt, wann's mi durchghaut hat.«

»Du heiratst!«

»A na. I bin a so zfrieden! 's Weib, das nimmt si nix heraus.«

»Ach so,« denkt neidvoll der Graf und schämt sich dann. – Es beginnt nun, daß er die Hütte beschleicht, wenn der Bast auf Arbeit ist. Da setzt er der Katl den Floh ins Ohr, dem kein Weib widersteht. Ringe! Ein Mahl mit Brateln und Knödeln, was D' kannst! Ein Ansehen – neuche Betten und zehn Gulden! Da unterliegt auch der Waldmensch. Die Katl reißt jetzt jede Nacht 's Maul weit auf, bis sogar der Bastl es mit die Nerven kriegt und brüllt: »In Teifels Nam, i heirat Di, wannst nur Dei Maul hältst!«

###

Also war es soweit zur allgemeinen Befriedigung. Sie wurden getraut, diese Beiden. Zwei seltsame Gestalten – zwei wilde Naturmenschen des verlassensten Hochwaldes, wo das Farnkraut in Büschen hoch steht, die schönsten Blumen wild blühen, Orchideen und Akelei, Maiglocken, wilder Ginster, scharlachrote Erdbeeren zwischen gefällten Riesenstämmen. Das alles hatte hineingeduftet in das Fenster der Borkenhütte, jahrelang, zu zwei glücklichen und freien Menschen, die die Natur priesterlich verbunden in Einfachheit und Liebe. Der Hochwald hatte herein gerauscht, der im Sommer ein Traum ist und im Winter ein silbernes Märchen. Er sang auch der Waldmenschlein Wiegenlied ganz mütterlich, der jungen wilden Menschenmutter zu helfen. Dieser Wald, in dem man verstummt, um schüchtern und demütig nur der einen großen Ewigkeitsstimme zu lauschen, der reinen Natur. Wo man zum Geschöpf wird, dem Schöpfer so nahe. –

Nun standen sie am Altar, und der Priester fand keine Worte. Was sollte er noch sagen? Hinter den Beiden wimmelte es von winzigem Kroppzeug, in den sonderbarsten Aufmachungen. Ein Kleines hatte sogar eine rotgewürfelte Bettuchend an, als Festgewand. Sie waren alle kolossal fidel, bis auf ein Bedenkliches, das laut zu weinen anfing, weil es meinte, der Pfarrer wolle seinen Eltern was tun.

Ahnungsvolles Geschöpf! Er hat ihnen auch was getan, der Pfarrer, in allerbester Absicht natürlich.

Seit diese Beiden nun ehelich sind, der starke Bast und die Kathrein, der Erde nahe, vertragen sie sich gar nicht mehr. Es ist ganz furchtbar, wie es in der Borkenhütten zugeht. Die armen, kleinen Waldmenschlein reißen ihre Äuglein weit auf! Und dann heulen sie jämmerlich, denn wenn Vater und Mutter sich prügeln, dann ist es ganz natürlich, daß sie auch etwas abkriegen und nicht zu knapp. Der Mann empfindet knirschend den Zwang einer Ehe – dieses heimlich Triumphierende: Du mußt! Das Weib ist aus seiner triebhaften Demut aufgewacht zum Bewußtsein vieler Rechte, die es früher hinnahm als Liebesgaben. Dieses erwachte Weib – es dient nun nicht mehr. Seine Existenz wird ein unausgesetztes Fordern. Die Stimme des Waldes ist verstummt. Diese Beiden hören sie nicht mehr. Und trotz aller Begabigung – der Kathrein erscheint kein neuer Segen mehr.



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