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Gegenstände

Seltsam! Etwas hat in jenen Tagen auf mir gelastet, halb komisch, halb nicht ohne Tragik. – Das Gegenständliche.

Ich konnte all die schönen Sachen um mich her, die Verantwortungen für sie, schlecht ertragen. An Schlichtheit und viel Raum gewöhnt, in den alten einfachen Schlössern Oberösterreichs, die nie mit Kunstsinn eingerichtet worden waren, empfand ich Hemmungen in dieser Pracht. Mir bangte vor allen den echten Vasen, Kronleuchtern, dem gezeichneten Porzellan, den Nippes, den eingelegten Tischen, auf die man nichts legen durfte, dem vielen Zeug. Nur die Bilder, die gesichert an den Wänden hingen, liebte ich. Aber sonst war da immer die Angst vor einem Schaden. Auch die riesigen Palmen des Warmhauses, von denen eine das Glasdach durchbrach, erregten mir Furcht. Jeden Abend dachte ich im Halbschlaf: Ist noch alles da? Wurde beim Räumen nichts zerbrochen? Es war schön und schlimm zugleich. Es lastete. Unbezwinglich wurde schließlich in mir das Verlangen, ein altes Kleid anzuziehen aus bescheidener Komtessenzeit, die Brillanten aus den Ohren zu nehmen, fortzulaufen für ein paar Stunden, hinaus, Andritz zu, in die Viertel des Ernstes, der Armut, mir unvergeßlich lieb, denn da hatte ich mich über einen Schmerz hinübergerettet, der mich innerlich fast zerbrochen. Dann, wenn es dämmerte und ich am alten Hause in der Grabenstraße vorbei kam, wo meine Kindheit und erste Jugend aus den Fenstern sah, wo des Vaters Schritt mir eingekerbt schien auf den schmalen Gehsteigen, die Gärten des Seminars flüsterten, und Alles Kleinstadt war, weitab, verloren, zurückgeblieben, dann – ich sag es ehrlich – packte mich ein Heimweh, das an mir riß, meine ganze Natur erschütternd. Wem galt es wohl? Es galt meinem eigenen Ich – dem Ich von gestern, diesem jungen, glühenden, suchenden Ich. Das konnte nun nicht mehr da sein. War nicht mehr zu finden. So wenig, wie des heißgeliebten, nie vergessenen, nie verschmerzten Vaters Schritt jemals wieder hier ertönen konnte auf diesen Steinen. Ich schlich mich hinein ins Vaterhaus, unangemeldet, die Treppe hinauf. Leer war das Haus geworden, dunkel war's. Niemand daheim. Stumm lagen die Zimmer, die wir mit unserer heißen, suchenden Jugend erfüllt. Alles fort. Im Speisezimmer, an der Wand, über dem harten Sofa ein kleiner Schatten. Da hatte des Vaters Kopf sich angelehnt, jahrelang, wenn wir abends im Kreise beisammen saßen, noch alle beisammen, wenn die Rede hoch ging, die Augen blitzten und sein stiller, gütevoller Blick zum mildernden Licht unter uns wurde. Meine Hand, mit dem neuen Ring, der noch fremd ist, tastet sich zitternd über diesen Schatten an der Mauer hin, verweilt darauf in hilflosem Suchen. Ich weine plötzlich. Warum? Die Wunden waren doch vernarbt? Ich weiß es nicht. Und sitze dann lange in dem Zimmer, das nicht mehr mein ist, wo aber meine Hyazinthen noch blühen, noch alles redet vom Gestern, das so schwer gewesen, aber dabei so überquellend jung, von Verheißungen voll. Ja! Not muß sein in einem jungen Leben; Kampf muß sein und auch Gefahr. Ich grüße sie als meines Werdens Führer.

Schwer fand ich mich zurecht in Reichtum und Umsorgtheit, den Schranken, die die Liebe doch immer zieht.

Ich bekenne es frei: Schwer war für mich der Anfang einer Ehe; zu lange war ich auf mich selber gestellt gewesen mit dem tragenden Hochgefühl, dem Stolz eines Verzichtens, dem drängenden Freiheitstrieb.

Dann wandere ich heim in das vornehme Viertel, in das schöne Haus, das doch so traurig ist. Der Glanz der Lichterkronen flutet mir entgegen, als warte auf mich das Fest des Lebens. Ich aber sage mir: Es wird niemals ein Fest sein. Das gelob ich! Verantwortungen zu tragen im Großen, im Kleinen, bin ich bereit. In dem tiefgelegenen Garten brechen die ungezählten Knospen der Baumblüte auf, an den Laubkronen, unter denen der Feldherr gestorben ist.

Ich denke an ihn. –



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