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Berühmt als der Verfasser des historischen Werkes » Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, übernahm dieser Professor in Wien die Herausgabe von » Benedeks Nachgelassenen Papieren« und trat damit nach langwierigen Verhandlungen zu uns in engere geistige Beziehungen. Ihm menschlich näher zu kommen, blieb ganz unmöglich; er war die Personifikation eines vertrockneten, sauertöpfischen Junggesellen, mit einem Anstrich an den Bureaukraten aus der Zeit eines Metternich und Gentz; ich möchte sagen, er hatte die so unsäglich ärgerliche Linie eines österreichischen Hofrates mit Furchtanfällen vor Vorgesetzten, Behörden, Kollegen, Hof, Kirche, Ministerien; eine Furcht, wie sie ein freier und kühn sein sollender Historiker nicht haben sollte, der mit Adlerblicken seine Zeit betrachtet, über ihr mit den Schwingen schlägt. Nein, mit Schwingenschlag und Adlerblick war es gar nichts bei diesem, im Übrigen begabten, sehr gebildeten Manne, der meine Arbeiten gedankenvoll las, für sie Worte der Anerkennung fand, mich selber aber jedes Mal, wenn wir mit einander zu tun hatten, beunruhigt betrachtete. Meinen Mann ermüdete er sehr.
Es war in ihm stoßweise eine geistige Feigheit sonderbarster Art, die mit sehr kühnen Stimmungen abwechselte. Er pflegte geistige Vorstöße zu unternehmen an exponierten Posten, auf denen er dann schlotternd stand und sehnsüchtig zurückblickte. Ein Spießertum, auch in den höchsten Dingen seiner Arbeit, veranlaßte diese Feigheitsanfälle; es erhielt ihn immer schwankend in seinen Ansichten. Er führte eine kühne und ehrliche Sache nicht durch, er schnitt sie an, suchte dann Kompromisse. Um doch eventuell einer, ihm erreichbaren großen Karriere nicht zu schaden? Die aber machte er nicht! Die Halben machen sie selten. Im Innersten fühlte er tief für Benedeks Schicksal. Dann wieder packte ihn der damische Schrecken vor dynastisch gesinnten, einflußreichen Personen, vor Erzherzögen, vor dem Kaiser. Ebenso war er politisch in seiner deutschen Gesinnung ab und zu schwankend, machte Kompromisse in der sich damals schon zu furchtbarem Ernste auswirkenden slawischen Frage in Österreich. Liest man seine Werke neben einander, muten sie wunderlich an. Dabei sagte ihm der Glanz des Daseins gar nichts. Er blieb ein verkrochener Mensch, unansehnlich im schlechten Röckchen, immer bedenklich, zögernd, einwändereich, meiner Individualität eine wahre Qual. Ich aber blieb ihm ein Kuriosum.
Heinrich Friedjung, der heute schon lange tot, in seiner Geschichtsschreibung vielfach überholt und dennoch lesenswert ist, verkörperte einen ganz bestimmten österreichischen Typus aus Gelehrtenkreisen der Vorrevolutionsepoche im kaiserlichen Wien. Unduldsam, immer zu widersprechen bereit, mit begrabenen Idealen, erloschenen Flammen eines einst heißen und echten Studententums, das hart gerungen, war er der deutsche geistige Arbeitsmensch der gedrückten Nationalität, die die Führende hätte sein müssen, der beklagenswerte Sohn der Minorität im Reich mit ihren geknebelten Begabungen. Ihn lockte es, aus den Funken heraus, die unter der Asche seiner Mannestage noch aus flammenden Knabentagen glommen, sich einzusetzen für eine Natur wie Ludwig Benedek, groß zugeschnitten und groß geblieben ohne Stückwerk. Sich und dem Ideal treu geblieben, sich voll einsetzend, sich vollständig opfernd. Das Prachtvolle dieser seltenen Art packte Friedjung so stark, daß er darunter litt. Aber es war ihm nicht gegeben, sich darin aufzulösen, furchtlos mit ihr eins zu werden, ihr Anwalt ohne Schranken. Und so ist er doch nicht fähig gewesen, den Menschen und Soldaten Benedek, den Märtyrer, in seiner eigentlich großen Einfachheit ganz zu schildern. Stark war sein Wille, aber sein Fleisch blieb schwach. Er ist auch wieder, wie so viele in unserem Lande, mehr Österreicher als Deutscher gewesen, und es in entscheidenden Momenten geblieben. Letzten Endes – eine Halbheit!