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Nachmittag erreichten wir die Stadt Abu Haraß am rechten Flußufer. Da der Kascheff abwesend war, empfingen mich sein Bruder nebst dem Kommandanten der irregulären Kavallerie am Landungsplatz, und ich begleitete sie nachher zur Einnahme einiger Erfrischungen in das Haus des Kascheffs. Der genannte Offizier war erst seit vierzehn Tagen von der Sklavenjagd zurückgekehrt, die er fast bis zum Gebiet der Tengas am weißen Flusse ausgedehnt hatte, und mit dem erlangten Resultat sehr zufrieden schien. Auch er sagte aus, daß der Bahr-el-Abiad, so weit er hinaufgekommen, nie eine verminderte Wassermasse zeige, während der blaue Fluß schon im Fazoli, während des Frühjahrs und vor dem Beginn seines Steigens, kaum mehr drei Fuß Wassertiefe habe. Leider gelangte er nicht so weit als Korschud Pascha und konnte mir daher über die famosen Pyramiden von Taïphafan keine fernere Auskunft geben.Obgleich nun die neuesten Expeditionen Mehemed Alis nichts von solchen Pyramiden erwähnen, so kann man doch, wenn man die Menge der Arme und die Zuflüsse des Bahr-el-Abiad in Betracht zieht, sie noch immer nicht mit Bestimmtheit in das Reich der Fabeln versetzen. Unter der um uns versammelten Gesellschaft befand sich auch der Kascheff von Ouad-Medina, dem Hauptort der Provinz, und alle drangen in mich, bis morgen hier zu bleiben, weil die Nacht zu dunkel und nach südwärts viele Klippen im Flusse seien. Da ich aber auf der Rückreise Zeit genug übrig behalten werde, mich hier länger aufzuhalten, und ich überdem wußte, wie gut meine beiden Kawaß', gleich dem Rais der Tahibia, Vorwände zu erfinden wußten, um länger an einem Orte zu verweilen, wo sie gut traktiert wurden – so bestand ich auf der Abfahrt, obgleich der Himmel selbst gegen mich Partei zu nehmen schien, mehrere Gewitter wieder in der Ferne drohten und ein starker Südwind uns entgegenblies. Ich war indes noch keine halbe Stunde weit vorgedrungen, immer zwischen engem, von Felsen sehr obstruiertem Wasser, wo sich die Barken mehrmals, ungeachtet aller Geschicklichkeit der Ziehenden, um und um drehten und nicht selten heftig an die Klippen stießen, als es dunkel zu werden anfing und endlich eine echte ägyptische Finsternis uns anzulegen zwang. Es war hohe Zeit, denn die Gewitter brachen jetzt mit noch mehr als gewöhnlicher Wut über uns los. Mein Erstaunen war nicht gering, als ich trotz diesem schrecklichen Wetter am Ufer große Laternen, von schnell laufenden Negern getragen, erblickte, die gleich Irrlichtern heranzuhüpfen schienen. Es waren die Vorläufer der eben verlassenen Türken, die mit großer Courtoisie zu Pferde gefolgt waren, um mich abzuholen und in Sicherheit zu bringen. In Gefälligkeiten dieser Art sind die Muselmänner exemplarisch und scheuen keine eigne Beschwerlichkeit dabei, vorausgesetzt immer, daß sie ein gewichtiges Motiv dazu haben, wie jetzt die dringende Empfehlung des gefürchteten Korschud Paschas, welche hier natürlich bei den ihm Untergeordneten noch mehr gilt als die selbst Mehemed Alis. Ich lehnte jedoch das mir gemachte Anerbieten dankbarst ab. Meine Kajüte ist nun durch eine dritte Auflage von vortrefflichen hier gefertigten Matten und andere gründliche Reparaturen so ziemlich wasserdicht geworden, wenigstens fähig, dem Regen einige Stunden lang zu widerstehen – wer weiß, ob ich es im Palast des Kascheffs so gut angetroffen hätte –, und zugleich wünschte ich nicht verhindert zu werden, am andern Morgen den ersten günstigen Augenblick zur Weiterreise benutzen zu können.
Nachdem ich auch recht gut und ziemlich trocken geschlafen, erweckte mich früh eine glänzende Sonne und beleuchtete in waldiger Umgebung die Vereinigung des Rahad mit dem blauen Flusse. Der Rahad zeigte hohe abschüssige Ufer bei einigen hundert Fuß Breite, hatte aber noch gar kein eigenes, sondern nur aus dem Bahr-el-Asrak (blauen Nil) zurückgestautes Wasser. Fortwährende jählinge Biegungen des Stromes und konträrer Wind hielten uns mehr als den halben Tag auf, um die Distanz bis Ouad-Medina, die in grader Richtung kaum drei Stunden beträgt, zurückzulegen. Die uns umringenden Wälder blieben gleich reich und mannigfaltig, gaben aber heute der Szene fast das Ansehen eines europäischen Sommers. Denn alles war bereits saftig grün geworden, Laub wie Gras, und unter den Bäumen wurden auch jetzt viel Weiden- und Pappelarten sowie den Tujas und Rotzedern ähnliche Bäume häufig, selbst die Akazien und Mimosen, aus denen immer die Hauptmassen bestehen, haben für uns nichts Ausländisches, und Palmen nebst anderen exotischen Bäumen, deren Anblick von den unsern so auffallend abweicht, kamen hier nicht mehr vor. Alles dies gilt jedoch nur aus dem entfernteren Gesichtspunkte, denn mitten darunter gestaltet sich allerdings vieles wiederum weniger vaterländisch. Immer aber, finde ich, erfreut man sich in fernen Landen solcher Ähnlichkeiten, die wie ein herzlicher Freundesgruß aus der Heimat uns entgegenwinken.
Ich glaubte nur eine halbe Stunde in Ouad-Medina zu verweilen und dann so schleunig als möglich meinen Weg weiter fortzusetzen. Es kommt aber fast immer anders in der Welt, als man denkt, weshalb ich es schon längst aufgegeben habe, feste Pläne für irgend etwas zu machen, und meine jetzige langwierige Reise gibt davon das beste Zeugnis, da ich, als ich sie begann, nur eine Exkursion von drei Monaten beabsichtigte und jetzt bereits im vierten Jahre in zwei Weltteilen umherirre. Auf ähnliche Weise ward Ouad-Medina, grade am Beginn des dreizehnten Breitengrades (bis auf eine später unternommene kurze Ausflucht zu Lande bis zum Zusammenfluß des Dender mit dem blauen Flusse in der alten Provinz Sennar) der letzte Hauptpunkt, bis zu dem ich diesmal vordrang. Doktor Koch, der schon seit einigen Tagen über Unwohlsein klagte, bekam am Abend das Fieber des Landes mit den bedenklichsten Symptomen, was ihn zwang, sich zu einem hiesigen italienischen Apotheker mit Namen Bartolo bringen zu lassen, um dort womöglich Hilfe und Pflege zu finden. Ich mochte ohne ihn nicht gern allein weiter gehen, und da mir ohnedem der Apotheker, der das Land bis zum Fazoli genau kennt, sowie der Kascheff und der Befehlshaber der Truppen versicherten, daß bei der schon eingetretnen Regenzeit ich diese jetzt mit jedem Tage weiteren Vordringens immer unerträglicher finden würde, so daß selbst Eingeborne während derselben keine Reise zu unternehmen wagten, überdem aber bis weit über die Stadt Sennar hinaus ich genau nur die stete Wiederholung dessen sehen könne, was ich bereits hier vor mir hätte – so ergab ich mich um so leichter darein, das lange Impromptu von Ouadi-Halfa aus hier zu schließen. Ich beschloß nun, die mir übrigbleibende Zeit bis zur Wiederherstellung des Doktors womöglich zu der schwierigen Expedition nach Mandera zu benutzen, über welches bis jetzt immer noch die an verschiednen Orten eingezognen Nachrichten sehr dunkel geblieben waren und sich meistens widersprachen.
Ein wahrer Hemmschuh blieb es indes in jeder Hinsicht für mich, in dieser unglücklichsten Jahreszeit hier angekommen zu sein. Allen hier Reisenden ist es dringend zu empfehlen, sich so einzurichten, daß sie im November in Khartum eintreffen. Dann hat man den ganzen Winter vor sich, der hier ein Frühling ist. Der Mangel an Wasser in der Wüste zwingt in dieser Jahreszeit auch alle die für einen Europäer so interessanten Tiere als Elefanten, Löwen, Panther, Giraffen, Antilopen aller Art usw., selbst einen großen Teil der unzähligen Vögelsorten, sich in Masse ganz in die Nähe des Flusses zu ziehen, um dort täglich ihren Durst ohne Mühe löschen zu können. Jetzt, wo schon überall in der Wüste wie in den Wäldern und Bergen Regenwasser sich in allen Vertiefungen zu sammeln anfängt, werden sie immer seltner gesehen, und etwas später erscheinen selbst die dichtesten Wälder am Fluß wie ausgestorben. Der Hauptgrund davon ist, wie man mich hier belehrte, eine sehr giftige Fliege, die um diese Zeit des Jahres im Innern dieser Wälder existiert und besonders von den Elefanten außerordentlich gefürchtet wird. Ich hatte demungeachtet noch das gute Glück, in der Nähe von Ouad-Medina einen Trupp dieser Riesentiere, die vielleicht eben im Begriff abzureisen waren, von fern mit dem Perspektiv betrachten zu können, was man hier allgemein für eine große Seltenheit in der schon so vorgerückten Jahreszeit erklärte. Im Winter dagegen ist nichts gewöhnlicher, als ihnen in Trupps von 50-60, ja Hunderten zu begegnen, von denen mehrere eine fast unglaubliche Größe erreichen sollen. Der Pascha in Khartum besitzt zwei Zähne, die ... Oka (... Pfund)Die Zahlen sind in meinem Tagebuch so verwischt, daß ich sie, um nicht zu lügen, unausgefüllt lassen muß. wiegen, und viele Personen bestätigten die Erzählung des hiesigen Kascheffs, daß man vor drei Jahren einen Elefanten bei Ouad-Medina fing, in dessen ausgeweidetem Leibe ein Mann zu Pferde ungebückt Platz fand. Die Art, wie man desselben habhaft wurde, war ebenfalls originell. Das gewaltige Tier war absichtlich in ein Durrafeld hineingelassen worden, wo es sich die Lieblingsfrucht so gut schmecken ließ, daß man acht Ardep (der Ardep ist ziemlich unserm Scheffel gleich) Körner, meistens noch unverdaut, in seinem Magen fand, und war gleich darauf, wie man voraussah, an den Fluß gegangen, um zu saufen. Der Durra schwoll davon so auf, daß sich das Tier kaum mehr zu rühren vermochte und ihm kurz nach der begangnen Verfolgung der Magen platzte. Die Elefanten sind hier in der Regel fast ebenso friedlich gesinnt als die Nilpferde, aber desto furchtbarer, wenn sie sich verwundet fühlen, und schon mancher Reiter auf gutem Pferde, der die Geistesgegenwart verlor, um mit Gewandtheit in fortwährenden Windungen der Gefahr zu entfliehen, ward von ihnen eingeholt und vernichtet. Korschud Pascha selbst befand sich einmal auf diese Weise in der drohendsten Lebensgefahr, aus der ihn nur der verzweiflungsvolle Sprung über eine breite Erdspalte rettete. Zwei seiner Mamlucken, deren Pferde dem seinigen nicht folgen konnten und die während der vergeblichen Bemühung dazu von dem sie verfolgenden und sich schon in der vollkommensten Berserkerwut befindenden Elefanten eingeholt worden waren, wurden beide von diesem mitsamt den Pferden in die Luft geschleudert und beim Niederstürzen zu unförmigen Massen zerstampft. Das Tier war so wütend, daß es selbst nach dem Tode seiner Gegner noch ihre Waffen und Lanzen mit dem Rüssel in lauter kleine Stücke zerbrach.
Demungeachtet gibt es einen Mann im Sennar, von allen Einwohnern wohlgekannt und seines Mutes wie seiner Kraft wegen «Tor» (Stier) genannt, der seit vielen Jahren kein anderes Geschäft als die Jagd der Elefanten, Krokodile und Nilpferde betreibt; und obgleich er sie stets allein bekämpft, gehört es doch zu den Seltenheiten, daß ihm eins dieser Ungeheuer entgeht, sobald er dessen Jagd einmal unternommen hat. Er ist dazu mit nichts als einem gewichtigen Speer und einem kurzen, wohlgeschärften, zweischneidigen Schwerte versehen, welche Waffen er auf folgende Weise gebraucht. Dem Elefanten schleicht er, wie ein Reptil auf der Erde kriechend, so lange nach, bis er ihn fast zu berühren imstande ist. Dann haut er ihm schnell die Sehnen eines der Hinterfüße durch, worauf er sich augenblicklich von neuem im Laube versteckt. Der Elefant, der nicht weiß, wie ihm geschehen, da er keines Feindes ansichtig geworden, sucht auf drei Beinen so schleunig als möglich fortzuhinken, bald aber zwingt ihn Blutverlust und Mattigkeit, sich niederzulegen. Diesen Augenblick benutzend, springt der Jäger, der ihn nie aus den Augen gelassen, herbei und stößt behend seine Lanze in einen Teil des Körpers, dessen Verwundung einen schnellen Tod herbeiführt. Um das Krokodil zu erlegen, nimmt er ein paar Hunde, und wie man mir versicherte, in Ermangelung dieser gelegentlich auch kleine Kinder mit sich, die er dicht am Ufer anbindet und sich neben ihnen unter einem Haufen Zweige verbirgt. Sowie das Krokodil naht und sich dreht, um mit dem Schweif den ihn lockenden Gegenstand ins Wasser zu streifen, erhält er schon die Lanze des geübten Jägers ins Genick, der ihm dann schwimmend folgt, bis er verblutend wieder an die Oberfläche des Wassers kommt. Dann schwingt sich Tor auf seinen Rücken, und dergestalt auf ihm reitend, gibt er ihm mit Bequemlichkeit den Rest. Das Nilpferd wird auf fast ähnliche Weise seine Beute. Er gräbt sich an einem Orte, wo er weiß, daß es zur Weide auszutreten pflegt, ein Loch in den Sand, worin er sich durch deckendes Reisig noch besser verbirgt, und während das Tier sorglos und langsam bei ihm vorbeigeht, bohrt er ihm seitwärts die Lanze in die Weichen, was dem Leben desselben ein schleuniges Ende macht.
Wieviel Mut und Geschicklichkeit zu einer solchen Jagdart gehören, ist nicht schwer zu ermessen; wo aber diese beiden Eigenschaften einmal in Vollkommenheit existieren, wird endlich durch die lange Übung der Erfolg fast sicher und die Ausführung sogar leicht.
Fazoli und die bergigen, noch nie von Europäern besuchten Gegenden östlich des blauen Flusses scheinen noch manche uns unbekannte Naturmerkwürdigkeit zu bergen. So sprachen die angesehensten Personen hier, von denen mehrere schon sehr lange sich in diesen Ländern aufhalten, von einem braunrot und schwarz gefärbten Vogel, etwas größer als eine Taube, dessen Flügelenden so seltsam getrennt sind, daß er, wenn er sie ausbreitet, wie der Schmetterling vier Flügel zu haben scheint.
Man sieht ihn nur gegen Abend fliegen, und er ist sehr selten. Sowohl der hiesige Militärarzt, ein Franzose, als der italienische Naturforscher Botta, der eine Zeitlang im Sennar zubrachte, gaben sich viele Mühe, ihn aufzufinden, jedoch vergeblich. Dennoch ist an seiner Existenz kaum zu zweifeln, da so viele der Eingebornen ganz einstimmig in dessen Beschreibung sind, und so unzuverlässig sich auch die Aussagen dieser Leute meistens über Altertümer erweisen, weil sie von diesen einen zu unvollkommnen Begriff haben, so fand ich doch ihre Notizen über Tiere und Pflanzen fast immer ganz richtig. Ich habe schon erwähnt, bei wie vielen ich mich nach dem Einhorn erkundigte und immer die genaue Beschreibung des Nashorns erhielt, was zugleich beweist, daß sie nicht absichtlich falsch, bloß nach dem ersichtlichen Wunsche des Fragers berichteten.
Der Kascheff, ein Tscherkeß und früher Sklave Korschud Paschas (wie jetzt die meisten Kascheffs im Sudan), war von sehr gesellschaftlichem Humor und überhäufte mich mit Attentionen aller Art. Auch brachte ich, solange ich in Ouad-Medina verblieb, den größten Teil meines Tages bei ihm zu, unzählige Pfeifen rauchend und unzählige Tassen Kaffee und Scherbet trinkend, welche Einförmigkeit noch durch vortreffliche Kompotts, aus Feigen, Melonen, Weinbeeren, Aprikosen und Kirschen bestehend, unzerbrochen wurde, die man dem Kascheff täglich aus seinem Harem zuschickte. Gewöhnlich war der Befehlshaber der regulären Truppen, ein ebenfalls lebelustiger Mann, und der Melek Kenbal, der 1000 freie Araber befehligt, nebst mehreren Hausoffizieren des Kascheffs gegenwärtig. Der Melek, obgleich schwarz wie Kohle, war einer der hübschesten jungen Männer, dabei von höchster Eleganz und Recherche, ja selbst von skrupulöser Reinlichkeit in seinem Anzuge (was bei einem Orientalen nicht sehr häufig angetroffen wird), mit einem Benehmen, das ganz dazu geschaffen gewesen wäre, den meisten unsrer Damen die Köpfe zu verdrehen. Er erinnerte mich auf das lebhafteste an Jussuf in Algier und hat auch gleich ihm die Reputation großer persönlicher Tapferkeit. Eben kam er von einer Expedition nach Takka zurück, um dort Tribut einzuziehen, ein den Europäern ziemlich unbekanntes Land, welches auf Cailliauds Karte ohne Grenzen und gewissermaßen nur aufs Geratewohl zwischen Groß-Redschab mit dem Fluß Atbarrah, dem roten Meer und Abessinien verzeichnet ist. Ein Teil des zahlreichen Volkes, welches dort wohnt, zahlt jetzt dem Vizekönig Tribut, dieser muß jedoch stets mit den Waffen in der Hand eingetrieben werden. Der Melek berichtete uns, daß das Land Takka in seinen weiten Plainen äußerst volkreich und wohl angebaut sei und die Hauptstadt gleichen Namens Khartum an Größe wohl sechsmal übertreffe. Eine Tagereise von Takka entfernt, dicht am Fuß einer langen Bergkette, sollen, wie er sagte, weitläufige Ruinen einer alten Stadt mit vielen Säulen, mit Reihen von Sphinxen (Schafen, wie er sie nannte) und Riesen zu Pferde (also Kolossen), die letztern stark beschädigt, aber alles aus hartem Stein (Granit wahrscheinlich) gebildet, sich befinden. Obgleich ich die Genauigkeit dieser Nachricht dahingestellt sein lasse, besonders was die Kolosse zu Pferde betrifft, so halte ich es doch der Mühe wert, Reisende darauf aufmerksam zu machen, und da jetzt in jedem Jahre, und dies zwar während der ersten Monate desselben, Truppen in diese Gegenden gesandt werden, so kann es nicht schwer fallen, sich, wenn man die rechte Zeit wahrnimmt, ihnen anzuschließen. Auch in dieser nicht so entfernten Region ist ein noch ganz jungfräulicher Boden zu explorieren.
Einmal kamen wir – und zwar über meinen Hund Susannis, den man aus Rücksicht für mich im Zimmer duldete, obgleich er in den Augen der Muselmänner ein unreines Tier ist – grade dieses Umstandes wegen auf Religion zu sprechen, und ich glaubte mich angenehm zu machen, indem ich einige Stellen aus dem Koran zitierte und meine gerechte Bewunderung derselben aussprach. Die Türken haben aber, wenigstens in Mehemed Alis Reich, jetzt ihre Voltairesche Epoche und scheinen ziemlich nahe daran zu sein, den bisherigen blinden Glauben mit einem vielleicht ebenso blinden Unglauben zu vertauschen. Man nahm mein enthusiastisches Lob halblächelnd auf und ließ den Gegenstand bald darauf fallen. Ich war im Anfang der Meinung, dies geschähe aus Bigotterie, weil man es unschicklich fände, daß ein Dschaur sich anmaße, den heiligen Koran zu loben, der nächste Tag aber überzeugte mich vom Gegenteil. Ich saß allein mit dem Gouverneur bequem auf seinem Diwan gelagert, während mein Dragoman zum Dolmetschen vor uns stand, als Selim Kascheff mit satirischer Miene begann: «Sie haben gestern unsere Koran so gelobt; ich will Ihnen nun auch etwas zu seinem Lobe erzählen. Ein hiesiger sehr frommer Mann las den Koran Tag und Nacht und ward nach kurzer Zeit närrisch darüber, eine Folge, die ich von derselben zu angestrengten Beschäftigung schon mehreremal auch an andern erlebt habe, obgleich ich selbst in dem Buche ebenfalls ganz gut bewandert bin. Unser Heiliger – denn mit der Einbildung dies zu sein, pflegt die Koranverrücktheit immer verbunden zu sein – kam eines Tages zu mir, um mir ohne Umstände anzukündigen, der Koran befehle ihm, mir und allen Kascheffs, die ihre Gewalt hier nur mißbrauchten, das Leben zu nehmen und sich zugleich unsers Geldes zu bemächtigen, um es zu frömmeren Zwecken zu verwenden. Ich suchte anfänglich den guten Mann mit aller Milde zu besänftigen und bot ihm versuchsweise meine Geldkisten an, im Falle er mir nur das Leben schenken wolle. Er bestand aber in seinem frommen Eifer darauf, beides haben zu müssen. Da fiel mir ein, daß es außer dem Koran noch ein anderes sehr mächtiges Mittel gibt, die Menschen zu regieren, nämlich den Kurbatsch. Demzufolge ließ ich meinem guten Freunde, der mir, aller Bitten ungeachtet, weder Leben noch Vermögen lassen wollte, sofort in meiner Gegenwart 500 derbe Hiebe aufzählen und ihn dann zur Heilung ins Militärlazarett bringen. Sollten Sie es glauben, der Kurbatsch kurierte radikal die Tollheit, welche der Koran hervorgebracht, und der arme Teufel, der jetzt so gescheit ist als wir, dankt mir noch immer von Herzen die an ihm vollbrachte Wunderkur. Hier also», setzte er lachend hinzu, «müssen Sie mit aller schuldigen Verehrung für das heilige Wort des Propheten doch gestehen, daß sich der Kurbatsch noch mächtiger als der Koran gezeigt hat.» Ich war etwas betroffen und dachte bei mir, daß auch die türkischen Ungläubigen doch immer noch echte Türken bleiben.
Die Krankheit des Doktor Koch war während dieser Tage immer bedenklicher geworden, so daß mir nichts übrig blieb, als ihn vorderhand in möglichst sorgsamer Pflege unter der Obhut des Kascheffs zurückzulassen und unterdessen die Aufsuchung Manderas zu versuchen. Da es aber vorauszusehen war, daß mich diese noch geraume Zeit in hiesiger Gegend aufhalten werde, so durfte ich hoffen, den Doktor nachher wiederhergestellt zu finden. Es tat mir übrigens leid, daß er sich nicht entschließen wollte, gleich den Eingebornen und dem englischen Doktor Holroy sich durch einen Faki heilen zu lassen. Diese Kur gegen das hiesige Fieber wird hier für unfehlbar gehalten, und selten leidet jemand, wenn er nicht stirbt, bei dieser Behandlung länger als acht Tage daran. Ich hielt die Sache zuerst, nach den unvollkommenen Nachrichten, die mir darüber zugekommen waren, und selbst nach dem flüchtigen Augenscheine bei einem Falle dieser Art, nur für eine sogenannte Sympathiekur, weil ein von dem Wundertäter beschriebener Zettel auf einem Kohlenfeuer verbrannt wird, währenddem der Patient, darüber hingebeugt und mit einem Tuche bedeckt, den Duft davon einatmen muß. Dieser erregt aber dem Kranken so heftige Konvulsionen, daß oft drei bis vier Menschen nötig sind, um ihn «per forca» unter dem Tuche zu erhalten. Ist die Operation vorbei, so legt man ihn auf ein Engareb, deckt ihn so warm zu, daß er gründlich schwitzen muß, und läßt ihn sechs Tage lang nur Brot und laues Wasser genießen, worauf er gewöhnlich vollständig geheilt ist. Man versicherte mir, wie gesagt, allgemein, daß diese Kur fast nie fehlschlage, aber von dem freigeistigen Kascheff allein erhielt ich den eigentlichen Schlüssel zur Sache. In das beschriebne Papier wird nämlich eine bedeutende Dosis des außerordentlich starken roten Pfeffers, den man hier baut, nebst andern ähnlichen Ingredienzen gewickelt, und der Höllendampf dieser Dinge ist es, der dem Kranken so schwer zu ertragen wird, obgleich er selbst seine Qual nur der Kraft der kabbalistischen Zeichen zuschreibt. Es wäre immer der Mühe wert zu versuchen, ob dasselbe Mittel sich auch in Europa so spezifisch gegen das dortige Wechselfieber erweisen würde, als es hier der Fall ist.
Als Beitrag zur Schilderung der Landessitten mag auch noch Folgendes dienen. Am Abend ehe ich Ouad-Medina verließ, erschien im Audienzsaale des Kascheffs, zu welchem jeder Zutritt hat, ein junger Mann, der völlig wie eine Frau, und in noch übertriebnerem Schmuck gekleidet war; auch in allen Manieren dem weiblichen Geschlecht, mit einem Anflug von Karikatur nachzuahmen suchte. Ich erkundigte mich bei dem neben mir sitzenden Arzte des Kascheff's, was diese Verkleidung bedeute? «Oh», erwiderte dieser mit einer ausdrucksvollen Pantomime, «das hier ist die beliebteste Soldatenhure in Ouad-Medina, die man alle Nächte in der Nähe der Kaserne antreffen kann.» Der nämliche junge Mann, der zugleich den öffentlichen Possenreißer zu spielen schien, sagte nachher zum Kascheff selbst, als dieser ihm einige Neckereien adressirte, die auf sein Handwerk Bezug hatten: «O, laßt mich in Frieden und gebt mir lieber einen Backschis, denn wenn Ihr es nicht thut, und ich mit leeren Händen nach Hause komme, so wird mein Kind schreien, das Ihr mir im vorigen Jahr gemacht habt.» Alle Welt schien diese spaßhafte Antwort sehr ergötzlich zu finden. Ein andresmal sah ich, von einem weiten Männerkreise, auch meistens Soldaten, umgeben, ein Mädchen den gewöhnlichen laskiven Tanz des Orients ausführen, aber in einem remarkablen Kostüme. Denn sie war völlig nackt, und hatte nur eine lange Schnur von bunten Glasperlen um den Hals, an der ein monströser, schwarzgefärbter Priap tief herabhing, der unter dem wildesten Applaus und Gelächter der Umstehenden bei allen obskönen Bewegungen ihres Körpers mit agierte. Dem Gouvernement Mehemed Ali's ist hierüber durchaus kein Vorwurf zu machen, denn alle diese krassen Unsittlichkeiten sind, besonders beim Militär, durch die Gesetze sehr streng verpönt, aber so weit ins Land hinein reichen diese Gesetze kaum mehr, und auch in unmittelbarer Nähe bleiben sie großentheils unwirksam, da diese uralten Gewohnheiten oft, je schlechter sie sind, desto schwerer ausgerottet werden. Der Kultus des Priapus, so alt als die Welt, hatte sich ja bis in die neueren Zeiten sogar im Katholizismus dergestalt fortvererbt, daß in Italien an mehr als an einem Orte Thonbilder desselben Weibern, um sie fruchtbar zu machen, als Reliquie umgehangen wurden, und in Frankreich selbst ein Heiliger aus dem alten Gotte gemacht ward.
Damen werden ersucht, das nun folgende, selbst wenn sie griechisch lesen können, ebenfalls zu überschlagen.Die folgenden Absätze sind nicht in griechischer, sondern in deutscher Sprache, aber griechischer Schrift geschrieben; in deutscher Schrift lauten sie:
Αλς Βειτραγ ζουρ Σχιλδερουνγ δερ Λανδεςσιττεν μαγ αυχ νοχ Fολγενδες διενεν. Αμ Αβενδ εhε ιχ Ουαδ-Μεδινα vερλιεσς, ερσχιεν ιμ Αυδιενζσααλε δες Κασχεff'ς, ζου wελχεμ ιεδερ Ζουτριττ hατ, ειν ιουνγερ Μανν, δερ vöλλιγ ωιε εινε Fραυ, ουνδ ιν νοχ üβερτριεβενερεμ Σχμουκκ γεκλειδετ wαρ, αυχ ιν αλλεν Μανιερεν δεμ wειβλιχεν Γεσχλεχτ, μιτ εινεμ Ανfλουγ vον Καρικατουρ, ναχζουαhμεν σουχτε. Ιχ ερκουνδιγτε μιχ βει δεμ νεβεν μιρ σιτζενδεν Αρζτε δεσ Κασχεff'ς, ωας διεσε Vερκλειδουνγ βεδευτε? «Ω», ερωιδερτε διεσερ μιτ εινερ αυσδρουκκσvολλεν Παντομιμε, «δας hιερ ιστ διε βελιεβτεστε Σολδατενhουρε ιν Ουαδ-Μεδινα, διε μαν αλλε Ναεχτε ιν δερ Ναεhε δερ Κασερνε αντρεffεν κανν.» Δερ ναεμλιχε ιουνγε Μανν, δερ ζουγλειχ δεν öffεντλιχεν Ποσσενρεισσερ ζου σπιελεν σχιεν, σαγτε ναχhερ ζουμ Κασχεff σελβστ, αλς διεσερ ιhμ εινιγε Νεκκερειεν αδρεςσιρτε, διε αυf σειν Hανδwερκ Βεζουγ hαττεν: «Ω, λασστ μιχ ιν Fριεδεν ουνδ γεβτ μιρ λιεβερ εινεν Βακκσχις, δενν wενν Ιhρ ες νιχτ θουτ, ουνδ ιχ μιτ λεερεν Hαενδεν ναχ Hαυσε κομμε, σο wιρδ μειν Κινδ σχρειεν, δας Ιhρ μιρ ιμ vοριγεν Ιαhρε γεμαχτ hαβτ.» Αλλε Wελτ σχιεν διεσε σπασσhαfτε Αντwορτ σεhρ εργöτζλιχ ζου fινδεν.
Ειν ανδρεσμαλ σαh ιχ, vον εινεμ wειτεν Μαεννερκρεισε, αυχ μειστενς Σολδατεν, ουμγεβεν, ειν Μαεδχεν δεν γεwöhνλιχεν λαςκιwεν Τανζ δες Οριεντς αυσfühρεν, αβερ ιν εινεμ ρεμαρκαβλεν Κοστüμε. Δενν σιε wαρ vöλλιγ νακκτ, ουνδ hαττε νουρ εινε λανγε Σχνουρ vον βουντεν Γλαςπερλεν ουμ δεν Hαλς, αν δερ ειν μονστρöσερ, σχwαρζγεfαερβτερ Πριαπ τιεf hεραβhινγ, δερ ουντερ δεμ wιλδεστεν Αππλαυς ουνδ Γελαεχτερ δερ Ουμστεhενδεν βει αλλεν οβσκöνεν Βεwεγουνγεν ιhρες Κöρπερς μιτ αγιερτε.
Δεμ Γουvερνεμεντ Μεhεμεδ Αλι'ς ιστ hιερüβερ δουρχαυς κειν Vορwουρf ζου μαχεν, δενν αλλε διεσε κρασσεν Ουνσιττλιχκειτεν σινδ, βεσονδερς βειμ Μιλιταερ, δουρχ διε Γεσετζε σεhρ στρενγ vερπöντ, αβερ σο wειτ ινς Λανδ hινειν ρειχεν διεσε Γεσετζε καυμ μεhρ, ουνδ αυχ ιν ουνμιττελβαρερ Ναεhε βλειβεν σιε γρωσσενθειλς ουνwιρκσαμ, δα διεσε ουραλτεν Γεwωνhειτεν οfτ, ιε σχλεχτερ σιε σινδ, δεστο σχwερερ αυσγεροττετ wερδεν. Δερ Κουλτους δες Πριαπους, σο αλτ αλς διε Wελτ, hαττε σιχ ια βις ιν διε νευερεν Ζειτεν σογαρ ιμ Καθολιζισμους δεργεσταλτ fορτvερερβτ, δασσ ιν Ιταλιεν αν μεhρ αλσ αν εινεμ Ορτε Θωνβιλδερ δεσσελβεν Wειβερν, ουμ σιε fρουχτβαρ ζου μαχεν, αλς Ρελιqυιε ουμγεhανγεν wουρδεν, ουνδ ιν Fρανκρειχ σελβστ ειν Hειλιγερ αυς δεμ αλτεν Γοττε γεμαχτ wαρδ.