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An einer schmerzlichen Migräne leidend, lag ich im heftigen Fieber schlaflos im Bett, als schon vor Aufgang der Sonne mehrere Kanonenschüsse die Abreise Seiner Hoheit verkündeten und zugleich ein Kawaß bei mir erschien, um mir von seiten des Vizekönigs anzuzeigen, daß derselbe mich auf der Frühstückstation erwarten werde, mir aber, damit ich schneller nachkommen könne, eines seiner eignen zwei kandiotischen Maultiere sende. Die notwendige Abwartung des Fieberanfalls erlaubte mir indes erst, um 8 Uhr zu folgen, so unangenehm mir diese unpassende Verzögerung war. Mein Weg führte mich ungefähr drei deutsche Meilen weit durch eine herrliche Aue, deren Fruchtbarkeit und vortrefflicher Anbau wohl wenig ihresgleichen in Europa finden dürften. Auf der unermeßlichen Fläche, die sich zwischen den beiden Gebirgsketten hinzog, schien nicht das kleinste Fleckchen unbenutzt geblieben zu sein, ganz in der Art wie in Malta und Gozo, nur mit dem Unterschied, daß dort ein steiniger Boden mühsam benutzt werden muß, hier durchgängig die üppigste Gartenerde nur die Mühe des Säens verlangt. Alle verschiednen Fruchtsorten standen in höchster Vollkommenheit; den Flachs erntete man bereits, die Gerste hatte noch vierzehn Tage zu reifen. Der Bersim (eine Art fetter Klee) war schon größtenteils abgemäht, und die reifen grünen Erbsen und Bohnen, von denen ich kostete, fand ich so süß und schmackhaft wie auf den gesegnetsten Fluren Frankens. Über die Brachen zerstreut weideten mehrere Sorten Rindvieh, Büffel, Pferde, Kamele, Schafe und Ziegen, durchgängig wohlgenährt, von starkem Schlage und guter Zucht. Eine Menge Dörfer blieben fortwährend im Gesichtskreis und bildeten mit ihrer Palmenumgebung einzelne dunkle Buketts in dem lichten Grün der Ebene, wo nur zuweilen in der Ferne des Nils Silber von den Strahlen der glühenden Sonne getroffen jählings aufblitzte. Es war ein Gemälde voll Reichtum, Fülle und Glanz – aber ich litt zu heftige Schmerzen, um mich dem Genuß an der Natur mit Freiheit hingeben zu können, und war daher sehr froh, als ich endlich längs eines der größeren Dörfer die lange Reihe der Zelte des Vizekönigs mit allen dem bunten und pittoresken orientalischen Schmuck seines Gefolges, das aus mehr als 300 Menschen und über 500 Tieren besteht, ansichtig wurde. Mehemed Ali hatte mit zu großer Güte seine gewöhnliche Eßstunde eine geraume Zeit hinausgeschoben, bis er glaubte, daß ich nicht mehr kommen werde, und hielt jetzt seine Sieste. Ich fand ein sehr elegantes Zelt mit mehreren abgeteilten Piecen für mich bereitet, in das mich Artim Bey und der Leibarzt Seiner Hoheit, Herr Gaetani, ein Spanier von Geburt, einführten, von denen der letztere mir zugleich seine ärztliche Hilfe anbot. Ich eilte indes, da ich selbst am besten die Mittel gegen mein Erbübel kenne, Küche und Apotheke gleichermaßen ablehnend, zur Ruhe zu kommen, und in der Tat kurierten mich vier Stunden tiefen Schlafes vollkommen.
Die Reiseökonomie des Vizekönigs ist vortrefflich eingerichtet. Ich habe schon erwähnt, daß ein Gefolge von zirka 300 Menschen (unter dem sich, beiläufig gesagt, außer dem Generaladjutanten Zami Bey nicht ein einziger Militär befindet) und noch einer weit größeren Anzahl Pferde, Dromedare und Maultiere ihn begleitet. Zwei Garnituren, jede von fünfzig Zelten mit allen nötigen Möbeln und zwei komplette Kücheneinrichtungen wechseln auf der Reise dergestalt miteinander ab, daß man nie nötig hat, auf irgend etwas zu warten, sondern, so wie man ankommt, Wohnung und Mahlzeit auch schon bereit findet. Früh, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, steigt der Vizekönig zu Pferde, und außer seiner speziellen Dienerschaft ist nur der Mudir (Gouverneur) der Provinz, durch die er eben reist, verpflichtet, sich neben ihm zu halten, alle übrigen kommen nach, wie es sich eben trifft, und namentlich bekamen wir den Generaladjutanten fast nie unterwegs zu sehen. Überhaupt existierte – die strenge orientalische Sitte, daß man sich vor dem Herrn nicht setzen darf, ausgenommen – weit weniger Gêne und Rücksicht auf die Person des Vizekönigs, als ich erwartete, obgleich eine liebevolle Ehrfurcht für den Gebieter stets sichtbar war, ohne die mindeste Spur von Scheu, Furcht oder Verlegenheit an sich zu tragen. Dabei herrschte in allen Dingen eine feste und musterhafte Ordnung, ganz frei von jenen mannigfachen Konfusionen und dem verwirrten Getümmel, deren ich oft bei den Reisen europäischer Souveränen gewahr ward. Dennoch sind auf einer andern Seite die Formen dieses Hofes schon weit mehr europäisch als orientalisch geworden, ausgezeichnet durch ebenso vornehmen Anstand als ausgesuchte Höflichkeit und Ungezwungenheit im Umgang, ad regis exemplum. Denn wahrlich, es ist kaum möglich, einen liebenswürdigeren Greis in so erhabener Stellung zu sehen, als Mehemed Ali, so pünktlich (bekanntlich die Höflichkeit der Fürsten), so heiter und stets gleichen Humors, so ganz ohne Prätentionen irgendeiner Art, so einfach und natürlich, ja ich möchte wirklich sagen, so kindlich unbefangen, daß man oft erstaunt, wie dieser so harmlose, gütige und von seiner ganzen Umgebung fast angebetet erscheinende Greis doch derselbe ist, der mit seinem Kopf und seinem Arm allein ein mächtiges Reich unter den schwierigsten Umständen geschaffen und erhalten hat, der entsetzliche Vernichter der Mamlucken und der Besieger des Sultans, seines früheren Herrn, dessen wankenden Thron nach der Schlacht von Konieh gänzlich zu stürzen vielleicht nur von seinem Willen abhing – derselbe Mann endlich, der in Europa so lange als der größte Tyrann unsrer Zeit wie der gefühlloseste Egoist dargestellt ward und den heute noch manche dort nicht viel anders als im Lichte eines Knecht Ruprechts betrachten!
Sobald die Sieste des Vizekönigs beendigt war, wurde Seiner Hoheit von Zami Bey der tägliche Vortrag gemacht und die Depeschen des ersten Kuriers (denn er erhält täglich zwei, einen von Alexandrien und einen von Kahira) geöffnet und die Antworten expediert. Nach Beendigung dieser Geschäfte ließ der Vizekönig mich rufen. Er empfing mich in seinem prächtigen Zelte, wo ein Diwan von rotem Samt mit Gold gestickt im Hintergrunde stand. Zum erstenmal sah ich ihn hier in kurzer, schwarzer Tracht, ohne den gewöhnlichen langen Pelz, was ihm außerordentlich gut ließ und ihn wenigstens um zehn Jahre zu verjüngen schien. Es war sonderbar, daß er in dieser fast altspanischen schwarzen Kleidung und mit dem imposanten Wesen, das ihm eigen ist, in diesem Moment auf das lebhafteste eine tief eingeprägte Erinnerung aus meiner Kindheit in mir hervorrief, denn er glich täuschend dem seligen Fleck (dessen ganze Statur er auch hat) in der Rolle König Philipps im Don Carlos.
«Wissen Sie», sagte er, als ich eintrat, «was ich eben dekretiert habe? Eine Bank in Kahira, für die ich vorläufig ein Kapital von einer Million spanischer Taler hergebe, und außerdem alle Güter meiner unmündigen Kinder demselben Fonds zulegen will. Die Bank wird nach Landessitte Geld zu zwölf Prozent vorschießen und für die ihr geliehenen Summen zehn Prozent zahlen, und ich hoffe die guten Folgen dieser Maßregel bald zu erleben. Unternehmenden Leuten wird es von nun an nicht mehr an Kapital fehlen, ihre Spekulationen zu verfolgen, und das Volk, welches immer noch so töricht ist, jeden Para, den es erübrigt hat, zu verstecken – obgleich es jetzt schon aus Erfahrung wissen sollte, daß unter mir keiner mehr etwas für sein erworbenes Eigentum zu befürchten hat – wird vielleicht nach und nach mit seinem Gelde zum Vorschein kommen und einsehen, daß es besser sei, dieses weiter zu benutzen, als es tot liegen zu lassen. Neulich», fuhr er fort, «starb ein unbedeutender hiesiger Schech (Ortsvorsteher), den man kaum für wohlhabend hielt und der demungeachtet 60 000 Gazi in barem Gelde hinterließ. Ich würde nie etwas davon erfahren haben, wenn nicht unter den Kindern Streit über die Erbschaft entstanden wäre und eins davon zuletzt meine Hilfe angerufen hätte. Ich ließ alle kommen und riet ihnen, sich so schnell als möglich im Guten zu vergleichen, denn fallt ihr einmal dem Kadi in die Hände, sagte ich ihnen, so wird nicht nur einer von euch, sondern alle bald den kürzeren dabei ziehen. Sie folgten mir und taten wohl daran.» Einige Äußerungen, welche hierauf folgten, zeigten mir genugsam, daß Mehemed Ali mit der Geistlichkeit, die bei den Muselmännern einen großen Teil der Gerichtsbarkeit ausübt und überhaupt einen dem Staat gefährlichen Einfluß besitzt, ebenso unzufrieden ist und sich ebenso durch sie die Hände gebunden fühlt als der Sultan zu Konstantinopel, auch überhaupt jede Geistlichkeit, mit solcher Macht versehen, für alle Gouvernements als höchst schädlich und verderblich ansieht. Gelänge eine Reform in dieser Hinsicht, so wäre dem Orient mehr dadurch geholfen, als durch alle übrigen, ebenso wie früher der christlichen Welt durch den (später wieder zu lange eingeschlafenen) Protestantismus, denn ganz abgesehen davon, ob man dadurch in religiöser Hinsicht viel gewonnen habe oder nicht, war der politische Vorteil unermeßlich, daß durch die Reformation der christliche Priesterstand größtenteils in seine wahren Schranken zurückgewiesen oder diesen doch näher gebracht wurde, während er hier noch als eine mächtig in die Regierung eingreifende Korporation besteht und ihr bei jeder Gelegenheit hemmend entgegentritt.
Nach einigem Nachsinnen griff der Vizekönig das vorige Geldthema wieder auf. «Ich bin überzeugt», sagte er, «daß große Schätze an barem Gelde auf die angegebene Weise in Ägypten noch immer in der Erde ruhen. Es war von jeher unsere Art so, und früher konnte man es auch nicht anders machen, solange bloße Willkür herrschte. Wir waren ja damals alle roh, unwissend, kaum mit dem Begriff des Verbrechens bekannt, sondern nur mit dem unsres Vorteils. Aber seit ich hier Herr geworden bin, kann ich mit gutem Gewissen sagen, daß, soweit meine Einsicht reichte und soweit ich davon unterrichtet werden konnte, kein Unrecht in Privatverhältnissen wissentlich mehr von mir geduldet worden ist. Ich weiß, man sagt, ich selbst drücke die Fellahs, und doch ist leicht darzutun, daß ihr Zustand schon um das Doppelte besser und namentlich sichrer geworden ist, als er je vorher war, obgleich ich allerdings noch lange nicht imstande bin, für sie zu tun, was ich möchte, wovon die Schuld aber nicht an mir liegt. Man sagt ferner, ich habe mich zum einzigen Eigentümer in meinem Lande gemacht, und auch dies ist eine ganz falsche oberflächliche Ansicht. Der Feddan, den der Fellah bearbeitet, ist, was den daraus zu ziehenden Nutzen betrifft, so gut als sein wirkliches, wenn auch noch nötigerweise beschränktes Eigentum; ja er kann ihn sogar verkaufen, das heißt ihn einem andern Fellah zu beliebigen Bedingungen zedieren, nur dulde ich nicht, daß er ihn unbearbeitet liegen lasse, und diese Vormundschaft ist bis jetzt unerläßlich. Seine Abgaben sind keineswegs unverhältnismäßig, denn er zahlt dem Gouvernement, nach Lokalumständen etwas variierend, im Durchschnitt nur den vierten Teil der Ernte teils in natura, teils in Geld als Grundzins, und zwar nur von einer Ernte, während er meistens zwei und in Unterägypten oft jährlich drei Ernten aus seinem Boden zieht. Die Axalte oder indirekten Abgaben treffen nicht den Landbebauer, sondern den Handelsmann. Sie mögen ihr drückendes haben, aber ich bin durch höhere Gründe genötigt, sie vorderhand beizubehalten, und existieren sie nicht in Ihrem Europa gleichfalls überall, nur unter anderer Verkleidung, ja, wie man mir sagt, oft in noch viel erhöhterem Maße? Ich weiß, daß ein Engländer, dessen Buch Sie ohne Zweifel gelesen haben werden, eine Liste von alledem angefertigt hat, was ein Fellah meinem Gouvernement zahlen müsse, doch von Anfang bis zu Ende besteht diese ganze Berechnung kaum zur Hälfte aus Wahrheit, das übrige aus falschen Nachrichten und oft lächerlichen Mißverständnissen. Wäre jene Berechnung wirklich gegründet, so würde der Fellah dem Gouvernement mehr abgeben, als er selbst zu gewinnen imstande ist. Aber Ihre Reisenden kommen hierher und sehen selten über die Ufer des Niles hinweg, ausgenommen, wo es Antiquitäten aufzusuchen gibt, was immer ihr Hauptzweck scheint. Nur nebenbei wird auch etwas über meine Administration, nach dem Bericht des ersten besten Schwätzers, der ihnen aufstößt, gesalbadert.» Er führte jetzt mit vieler Laune mehrere drollige Anekdoten von Reisenden an, die ihm selbst über Afrika, Arabien und Syrien Dinge als angebliche Augenzeugen erzählt, deren wahre und ganze verschiedne Beschaffenheit er auf das genauste gekannt habe, und seitdem müsse er gestehen, setzte er hinzu, daß er, von der Unwissenheit und Leichtgläubigkeit der meisten dieser Herren auf solche Weise selbst überführt, im allgemeinen eine sehr geringe Meinung von ihnen gefaßt habe, welche die Erfahrung ihm auch heute noch täglich bestätige.
Ich gab zu, daß er in dieser Ansicht oft sehr recht haben möge und namentlich über ihn und sein Wirken die abgeschmacktesten Urteile fortwährend von ganz inkompetenten Richtern wirklich gefällt würden, aber dies sei vielleicht auch schwer besser zu machen, da kein geringes Talent dazu gehöre, einen Mann wie ihn zu ergründen, ihn richtig zu würdigen und zu schildern. «La, la!» rief er,«Talent braucht es dazu sehr wenig, sondern nur sich die Mühe zu geben, die Wahrheit aufzusuchen, und dann den ehrlichen Willen, sie auch zu sagen.»
Ich suchte nun das Gespräch auf einen Gegenstand zu leiten, den ich schon einigemal gegen ihn berührt, und ihn bei jeder Gelegenheit deshalb drängen möchte, nämlich die Entdeckung der Nilquellen durch eine von ihm auszurüstende Expedition. Dafür hat er aber leider nicht mehr Sympathie als für Antiquitäten und Kunstgegenstände. «Geduld, Geduld!» rief er ungeduldig, «ich kann nicht alles auf einmal tun. Der Beherrscher von Darfur hat schon vor geraumer Zeit eine von mir in friedlichen Absichten an ihn geschickte Gesandtschaft zur Hälfte umbringen und zur Hälfte gefangensetzen lassen. Diese Unglücklichen schmachten noch daselbst, während der eigentliche rechtmäßige Besitzer des Landes zu mir geflüchtet ist und jetzt, von mir unterhalten, in Kordofan residiert. Die mir angetane Beleidigung ist schwer, und es ist wohl möglich, daß ich mich noch deshalb gezwungen sehe, einen Krieg mit Darfur zu führen, der jenes europäische Projekt: die Quellen des Nils zu entdecken, dann sehr erleichtern würde. Ja», unterbrach er sich hier, mit einem listigen Ausdrucke im Blick, «wären die Umstände anders, verstünde der Sultan von Darfur unsern beiderseitigen wahren Vorteil besser, und müßte ich nicht zu meiner eignen Sicherheit mich in Rüstungen gegen von Europa her drohende Gefahren erschöpfen – wieviel könnte ich hier für mein Volk und nebenbei auch für europäische Wissenschaft im Innern Afrikas leisten! Jetzt sind mir überall die Hände gebunden.»
Er wollte es übrigens noch nicht für ausgemacht annehmen, daß der weiße Fluß der echte Nil sei, und äußerte, daß auch die Quellen des blauen noch keineswegs aufgefunden wären, und jedenfalls die wahren Nilquellen viel tiefer in oder selbst hinter Abessinien gesucht werden müßten, als die bisherigen, nach ihm wenig zuverlässigen Reisenden wie zum Beispiel Bruce angäben. «Auch das wäre leicht gründlich zu ermitteln», fuhr er fort, «und Abessinien sogar, wenn man wollte, ohne viele Schwierigkeit zu erobern, aber» – rief er lachend – «dies würde meinen Freunden, den Engländern, zuviel Verdruß machen und mir wenig nützen.» – Ich bestand auf meiner Meinung, daß der Bahr-el-Abiad der wahre Nil sei, welches gleichfalls von den meisten Gelehrten Europas geglaubt würde, und setzte hinzu, daß ich wohl den Augenblick zu sehen wünschte, wo sein königliches Reich sich tausend Stunden lang von den Mondbergen bis zu denen von Adana ausdehnen werde, und frug ihn nachher, wie weit er selbst persönlich im Süden seiner Länder, die sich jetzt schon bis zum zehnten Grad erstrecken, vorgedrungen sei? «Nicht weiter als bis Ouadi-Halfa», erwiderte er, «und auch dies nur, um die mir nötige Passage der dortigen zweiten Katarakte des Nils für meine Transportfahrzeuge zu regulieren. Das war eine der lustigsten Reisen, die ich in meinem Leben gemacht und die ich in einer kleinen Barke mit wenigem Gefolge und bei stets günstigstem Winde von Kahira aus in zwanzig Tagen hin und zurück abtat, was nie vorher noch nachher wieder bewerkstelligt worden ist.» Er erzählte mit sichtlichem Vergnügen die Details dieser in etwas jüngere Jahre fallenden Expedition, unter andern, wie einmal der Sturm das Segel seiner Kangsche zerbrochen und wie er sich, als sie umschlagend schon zur Hälfte ins Wasser getaucht war, an der panischen Furcht seiner Gefährten belustigt habe, «denn ich», sagte er, «kann erstlich gut schwimmen, zweitens weiß ich, daß eine Kangsche oder Dahabia, wenn sie auch umschlägt, nie auf dem Nil sinkt, solange sie nicht leck wird. Ich habe lange Zeit Versuche dieser Art anstellen und Kangschen mit dem unverhältnismäßigsten Gewicht beschweren und umwerfen lassen, ohne sie zum Sinken bringen zu können. Noch ergötzlicher war unsre allerseitige Jagdpassion während dieser Reise», fuhr er fort, «bei so elenden Schützen, als wir sämtlich zu sein uns rühmen konnten; und ich glaube, daß von 10 000 Schüssen, die wir durch die Luft feuerten, nicht zehn wilde Gänse gefallen sind.»
Auf meine Bemerkung, ob nicht eine reguläre Schiffbarmachung der Katarakten möglich sei, antwortete er schnell: «Warum nicht? Alles ist möglich, aber ich kann daran nicht denken, zuviel anderes drängt mich, das mögen meine Kinder ins Werk setzen; mir bleibt überhaupt nicht viel Zeit mehr übrig!» Ich stritt gegen diese letztere Ansicht und sagte, seine Tatkraft bezeuge noch eine so echte Jugend seiner ganzen geistigen und körperlichen Organisation, daß er gewiß noch viele Jahre rastlosen Wirkens vor sich haben müsse. «Nein, nein», rief er, «wenn ich meine leidige Politik in Ordnung habe und den Barrage vollendet, so bin ich zufrieden, und lebe ich dann noch länger, so gedenke ich freiwillig vom Schauplatze abzutreten und das Regiment meinem Sohne zu übergeben. Auch ich sehne mich nach Ruhe. – Sie haben durch Ihre verbindlichen Worte mich über mein Alter trösten wollen, aber glauben Sie nur, bald siebzig Jahre tragen ihre Last! Doch es ist Zeit aufzubrechen», rief er sich erhebend, «und wir dürfen die festgesetzte Stunde nicht versäumen.» Des Vizekönigs Pferd stand schon gesattelt vor dem Zelt, und als wolle er seinen Worten durch die Tat widersprechen, schwang sich der kräftige Greis wie ein Jüngling in den Sattel und ritt so rasch vorwärts, daß wir auf unsere etwas müden Tieren ihm gleich dem größten Teil seiner Suite nicht folgen konnten. Er hatte schon zu Abend gegessen und war bereits mit Abfertigung der seitdem angekommenen Depeschen beschäftigt, als wir spät im Nachtquartier ankamen, wo ich noch ein weitläufigeres Zelt als das mir am Morgen eingeräumte für mich aufgeschlagen fand. Ich ahmte diesmal Mehemed Alis Beispiel nicht nach, der erst um Mitternacht zu Bett geht, obgleich er um vier Uhr schon wieder aufsteht, und suchte das meinige ohne Zeitverlust.
Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang ward am andern Morgen wie gewöhnlich aufgebrochen, der Vizekönig mit einigen Kawaß und dem Marmuhr, die beiden Sais neben seinem Pferde herlaufend, sein Leibdiener zu Pferde vorausreitend und das Gefolge im Schweif von einer halben Stunde Länge einzeln hinterhertrottierend. Sobald er mich und seinen Dragoman Artim Bey (den ich nie aus den Augen lasse) erblickte, rief er mich gleich zu sich, mir sehr freundlich einen guten Morgen und eine glückliche Tagereise wünschend. Nachdem ich gedankt und versichert, daß eine Reise in seiner Nähe nur glücklich für mich sein könne, sagte er scherzend: Das frühe Aufstehen möge mir, nach dem, was er von meiner Lebensart gehört, wohl etwas beschwerlich vorkommen, er für seine Person sei immer gewohnt, die Sonne aufgehen zu sehen, und die Morgenzeit sei seine liebste. Die Unterhaltung ward sehr heiter fortgeführt, ich übergehe sie jedoch diesmal, weil sie sich nur auf Lokalitäten erstreckte, die zu wenig allgemeines Interesse darbieten. Unser Weg führte wie gestern durch beispiellos üppige Fluren so weit das Auge reichen konnte, und obgleich Herr von Cadalvene unter seinen vielen Übertreibungen unter andern auch behauptet: daß der Vizekönig die Fellahs zwinge, in ganz Ägypten fast nur Baumwolle zu bauen, weil diese ihm das meiste Geld einbringe, dem Fellah aber den wenigsten Nutzen gewähre, und ein großer Teil des Landes wegen dieses Druckes wüst liegen bleibe, welcher Zustand sich jährlich verschlimmere usw., so kann ich doch versichern, daß ich in vier langen Tagereisen durch eine fast ununterbrochene Ausdehnung der herrlichsten Fluren, wie sie vielleicht nirgends anderswo vorkommt, nicht ein einziges Feld mit Baumwolle bepflanzt angetroffen habe. Vielleicht sah Herr von Cadalvene Ägypten auch nur «vom Nil und seiner Barke aus», wo man allerdings, der hohen Ufer wegen, entweder gar nichts sieht oder sehr häufig nur unkultivierten Boden, aus dem sehr natürlichen, von gar vielen aber übersehenen Grunde, weil dicht am Nil das Terrain an vielen Orten sehr hoch ist und erst in der weitern Fläche nach den fernen Bergketten abdacht, was von dem immerwährend ansteigenden Flußbette herrührt. Da nun eine Höhe von 21-24 Pick Wasser zu einer hinlänglichen Überflutung nötig ist, so können diese erhobnen Stellen, solange bis nicht ein regelmäßiges System von Kanälen, Dämmen und Schleusen existiert (woran der Vizekönig rastlos arbeitet), nicht ohne unverhältnismäßige Kosten tragbar gemacht werden, obgleich der Boden gut ist. Der Reisende, der aus seiner Barke diese breiten, oft von dort nicht abzusehenden Blößen erblickt, ist dann schnell bereit, seine Schreibtafel mit der Bemerkung zu bereichern: Aus Mangel von Händen, weil der Pascha den Fellah durch den Militärdienst und den unerträglichen Druck der Abgaben, den er ihm auflegt, jährlich dezimiert, liegt jetzt halb Ägypten wüst, und eine baldige gewaltsame Änderung der Dinge scheint unvermeidlich.
Wir passierten eine Menge Dörfer und fanden überall zahlreiche Arbeiter an Kanälen und Schleusen beschäftigt. Allerorten ward der Vizekönig von den versammelten Einwohnern mit ihrem nationellen Vivat empfangen, das im Ausstoßen eines schrillenden Tones besteht, der dem Gesang der Rohrdommel gleicht. Diese Freudenbezeigungen waren vollkommen freiwillig, denn das Vivatrufen durch die Polizei anbefehlen zu lassen ist hier (wo es überhaupt an Polizei fehlt) noch unbekannt. Was mich überraschte, war die gänzliche Abwesenheit sklavischer Manieren bei den Fellahs, die nur mit dem einfachsten Gruß ihre Ehrerbietung und gute Gesinnung auszudrücken suchten, ja die Bewohner eines Dorfes kamen sogar in Prozession herbei, um dem Vizekönig bittere Vorwürfe darüber zu machen, daß er nicht bei ihnen seine Mittagsrast bestimmt, sondern seine Zelte eine halbe Stunde weiter im freien Felde habe aufschlagen lassen. Dieselbe Ungezwungenheit und Freimütigkeit fand auch bei den Hofleuten wie der ganzen Dienerschaft statt, und der alte Leibdiener Mehemed Alis, der nicht hinter, sondern immer neben ihm ritt, sprach häufig mit seinem Herrn, ohne die Hand nach dem Gesicht zu führen, was sonst de rigueur und unserm Berühren des Huts oder der Mütze äquivalent ist. Andere Fellahs kamen und verlangten auf höchst ungestüme Weise schreiend und lärmend, daß man sie nicht nötigen solle, an einem Damme zu arbeiten, den der Vizekönig im System seiner großen Arbeiten für die bessre Irrigation des Landes angeordnet hat. Diese Leute wurden hart angelassen und von den Sais mit aufgehobenem Stocke vertrieben, doch blieb es bei der Demonstration. «So sind sie», sagte Mehemed Ali, sich zu mir wendend, «diese Arbeit ist zu ihrem eignen Unterhalt unerläßlich, und man muß sie demungeachtet dazu zwingen. Ich muß den Kopf für alle haben, und ein einziger für so viel Menschen ist wahrlich zu wenig!» Er ging hierauf in einiges Detail über diesen Gegenstand ein und versicherte, daß nur für die immediat dringenden und nicht zu entbehrenden Gegenstände der Unterhaltung die Fellahs auf corvée zu arbeiten genötigt wären, dies aber bloß während drei Monaten des Jahres, während welcher Zeit überdies die Dorfbewohner so angelegt würden, daß immer jeden Monat nur ein Drittel derselben dabei beschäftigt sei, daher im Grunde jeden Fellah nicht mehr als ein Monat Hofdienste im Jahre treffen könne. Alle Arbeiten an neuen Kanälen und Schleusen würden für Lohn gemacht und in der Regel, wo nicht die größte Not dränge, niemand dazu gezwungen; künftig gedenke er aber auch das Militär zu diesen Unternehmungen zu verwenden, womit sein Sohn schon einen Anfang gemacht.
Man gestatte mir bei dieser Gelegenheit einige Worte über das schöne und edle Verhältnis einzuschalten, welches zwischen Mehemed Ali und seinem Thronerben stattfindet. Weit entfernt von kleinlicher Eifersucht, wie sie im zivilisierten Europa noch häufig eine Art stillschweigenden Staatsgesetzes ist, wird Ibrahim nicht nur fortwährend zu Rate gezogen, sondern die Zügel der Regierung sind ihm vertrauensvoll übergeben, wo der Vizekönig abwesend ist. So vertritt er jetzt ganz des Vaters Stelle in Kahira, und ein von ihm geäußerter Wunsch bleibt selten unerfüllt. Mit welcher Diskretion übt auf der andern Seite der sonst oft rohe Ibrahim diese Macht, mit welcher kindlichen Ehrfurcht behandelt er seinen Vater und Souverän! Es ist wahrhaft rührend zu sehen, wie dieser wilde sieggekrönte Krieger, dessen Rang als türkischer Diener (nämlich als Pascha von Mekka) sogar den seines Vaters übersteigt, sich nicht ohne wiederholte Aufforderung vor diesem zu setzen wagt und in seinem ganzen Benehmen nie einen Augenblick die demütigste Unterwürfigkeit verleugnet. Und dabei sieht man doch deutlich, wie jeder von beiden stolz auf den andern ist, ein menschlich schönes Verhältnis, wie es mir in gleichen Sphären selten so ehrfurchtgebietend erschienen ist. In der Tat aber ergänzen sich auch diese beiden Naturen zu verdoppelter Stärke und würden, wenigstens unter den jetzigen Konjunkturen, nur schwer eine der andern entbehren können, so untergeordnet auch Ibrahim in jeder Hinsicht dem ist, was sein Vater teils noch ist, teils im gleichen Alter war. Auch nur entfernt vom Vater, zum Beispiel in Syrien, begeht Ibrahim zuweilen Torheiten und erlaubt sich eine schädliche Willkür, in Ägypten ist er nur aufmerksamer Diener des Herrn und dabei emsiger Landbauer.
Wenn wir bei der Mittagsstation ankamen, pflegte ich gewöhnlich, wie auch Artim Bey und die übrigen Hofleute, eine Stunde im Zelte auszuruhen und mich mit Pfeife und Kaffee zu erfrischen, während der unermüdliche Vizekönig oft währenddem noch ganz allein spazierenging. Nachher erst begaben wir uns zu ihm, worauf nach einer Viertelstunde Konversation die Mahlzeit serviert wurde, an der ich mit Seiner Hoheit immer nur allein teilnahm. Nach aufgehobener Tafel setzte sich der Vizekönig meistenteils sogleich auf den Diwan, ich nahm auf seinen Wink neben ihm Platz, Artim Bey stellte sich mit dem Fliegenwedel auf die andere Seite, und sobald der Kaffee gebracht wurde, entfernte ein graziöses Zeichen mit der Hand die Hofleute und Diener. Dies war der Zeitpunkt, wo Mehemed Ali, wie man zu sagen pflegt, sich immer am meisten gehen ließ, am vertraulichsten und aufrichtigsten sprach. Heute erzählte er mir allerlei aus seinem Leben.
«Ich kann nicht mehr lange dauern», sagte er, den Kopf auf die Hand gestützt, «denn ich habe zuviel schon in jungen Jahren erleiden müssen. Mein ganzes Leben war ein beständiger Kampf. Als ich noch im Vaterhause in Makedonien war, drückten die Vornehmen und Mächtigen die ganze Provinz mit empörender Willkür. Aufstand nach Aufstand erfolgte, und auch unser Dorf, mit andern vereinigt, versuchte Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Wer aber befehligte die Insurgenten in diesem Streit? – Der junge Mehemed Ali. Und schlecht genug erging es ihm. Ich erlitt so viele kleine Niederlagen, daß einmal der glücklichste meiner Gegner mir während des Gefechtes zurief: ‹Bist du noch nicht müde, geschlagen zu werden, da ich schon müde bin, dich zu besiegen?› Zuletzt erlangten wir indes mit Beharrlichkeit doch einen Teil unsres Zwecks.»
Nun ging er zu seinen langen Kriegen mit den Mamlucken in Ägypten über. «Es waren tapfre Leute», sagte er, «und alles unter meinen Truppen fürchtete sich dergestalt vor ihnen, daß, wenn sie Gott nur halb so sehr gefürchtet hätten, sie den sichersten Anspruch auf die ewige Seligkeit im Paradiese gehabt haben würden. Die Mamlucken hätten im Anfang gar keine Waffen gegen uns gebraucht, es war hinlänglich, daß sie ihre kleinen Trommeln schlagen ließen, um all meine Leute davonlaufen zu machen, denen ich dann wohl notgedrungen auch selbst folgen mußte. Mein Sohn Tossum Pascha wie meine übrigen Verwandten hatten dasselbe Los. Nach und nach lehrte ich indes meinen Soldaten den Krieg durch den Krieg, und Gott unterstützte mich. Auf einer Seite fliehend, gelang es mir zuweilen auf der andern, ein Häuflein zu überrumpeln und zusammenzuhauen. Das gab uns etwas Mut, ich fuhr rastlos fort zu organisieren, setzte mich überall, wo es irgend möglich war, selbst an die Spitze, und nach vielen ungewissen Jahren, hundertmal meinem gänzlichen Untergange nahe, ward meine Ausdauer endlich durch den vollständigen Sieg gekrönt.»
«Und wie», rief er mit seiner lebhaften Phantasie wieder eine lange Epoche überspringend, «wie ging es mir in der letzten Zeit mit der Pforte! Ich träumte nicht an das, was geschehen ist! Ich wollte, der Himmel ist mein Zeuge, nur meinen persönlichen Feind Abdallah Pascha aus Acre entfernen, dort sichernde Maßregeln für mich treffen und mich nachher mit der Pforte über das weitere auf billige Weise einigen. Als ich aber deutlich inne ward, daß man es in Konstantinopel auf meinen Untergang abgesehen hatte, mußte ich diesem zuvorkommen. Damals schickte man Leute aus der Hauptstadt an mich ab, um mir zu raten, mich doch nicht in das wahnsinnige Unternehmen einzulassen, dem Sultan widerstehen zu wollen. Ich solle bedenken, sagte man, was Paswan Oglus, Ali Paschas, der Paschas von Skutari, von Bagdad usw. trauriges Ende gewesen sei. Darüber konnte ich nur lachen und antwortete: Die Herren sollten nur des baldigsten zurückkehren, und wenn sie guten Rat zu geben hätten, diesen dem Sultan selbst erteilen, der ihn nötiger habe als ich; denn alle genannten Paschen zusammengenommen hätten noch nicht den vierten Teil der Macht Mehemed Alis besessen, folglich möge man sich besinnen, ehe man diesen zwinge, sie zu gebrauchen. Man wollte nicht hören, und das Resultat liegt vor Augen. Jetzt, ich wiederhole es, wünsche ich nur eins – daß man mich in Ruhe und Frieden das Glück und die Wohlfahrt Ägyptens begründen lasse.»
Als ich nun, rekapitulierend was er gewesen und was er sei, trotz aller ausgestandenen Widerwärtigkeiten, dennoch sein Glück rühmte, machte er eine eigne Bemerkung. «Das Glück», sagte er, «ist gleich dem Sturmwind, der das Schiff schnell in den Hafen bringt, aber wenn der Steuermann keinen festen Kopf hat, auch leicht das Schiff zerschellt. Glück ist oft schwerer zu behandeln als Unglück.» Bei diesen Worten nahm er, von der Hitze, die fast unerträglich war, belästigt, seinen Tarbusch ab und, sich mit der Hand über den kahlen Scheitel streichend, sagte er: «Dieser alte Kopf ist schon längst ergraut!» Aber deshalb nicht weniger fest, erwiderte ich und betrachtete ihn mit phrenologischem Auge, was um so bequemer anging, da die Haare abgeschoren waren. Es war ein schöner Schädel mit kräftig ausgedrückten Organen und dadurch auffallend, daß wie bei denen Napoleons und Alexanders der animalische Teil ebenso vollständig als der intellektuelle ausgebildet erschien, wobei denn auch ein gewisses Organ besonders merkwürdig hervortritt. Seine Ärzte bestätigten mir später ganz die Richtigkeit meiner Bemerkung und sprachen von kolossalen Gaben in dieser Hinsicht, derengleichen ihnen nie vorgekommen sei, was mir wiederum Napoleons kräftigen Ausspruch bestätigte: «qu'il n'y a pas de héros sans etc. etc.»
Mit Anerkennung sprach der Vizekönig von den großen Diensten, die ihm verschiedne Europäer geleistet, obgleich er sich auch bitter über die Unredlichkeit und Inkapazität andrer äußerte. Höchst naiv war die Schilderung, welche er vom Charakter eines der am meisten von ihm Geschätzten, des Herrn von Cerisy, machte. «Es war unmöglich», sagte er, «mit diesem Manne auf gewöhnliche Weise auszukommen, über jedes Wort fing er Feuer und wollte nie etwas nach meiner Idee, sondern immer nur nach der seinigen machen. Einmal, erinnere ich mich, machte er mir heftige Vorwürfe über meine Ungeduld, wodurch ich ihn, sagte er, zur Übereilung aller Angelegenheiten nötige und schlechte Schiffe zu bauen zwinge, da er doch, wenn ich ihm die gehörige Zeit lassen wolle, makellose herzustellen imstande sei. Ereifere dich nicht, erwiderte ich gelassen, denn trotz dem, dessen du dich jetzt rühmst, weiß ich doch bestimmt, daß du nie vermögen wirst, mir bessere Schiffe zu bauen, als deine ersten waren.
Ich sah bei diesen Worten dem leidenschaftlichen Manne schon das Blut ins Gesicht steigen und eine Explosion im Anmarsch, als ich ihn lachend unterbrach. ‹Du Tor›, rief ich, ‹ deine Schiffe, schlecht oder gut, haben mir St. Jean d'Acre und dadurch ganz Syrien erobert, weil sie zur rechten Zeit fertig waren. Was hätten mir die allervollkommensten genutzt, wenn man, als ich sie brauchte, noch im Arsenal an ihnen gehämmert hätte!›
Doch es blieb nicht immer bei solchem Scherz, immer häufiger hatte ich Streit mit ihm, und beim geringsten Anlaß forderte er seinen Abschied. Ich bestand indes ruhig auf meinem Willen, mit Geduld übersehend, was zuweilen direkt gegen meine Autorität unternommen wurde, und gebrauchte öfters meinen Freund, den französischen Konsul, um den stets ohne Grund empörten Cerisy wieder zu besänftigen. Endlich verlor ich ihn doch, was ich immer bedauern werde. Man wollte, als er fort war, weil man ihn in meiner Ungnade glaubte, allerlei gegen ihn vorbringen, ich verbot aber jedem, mir weder im Guten noch im Bösen mehr von ihm zu sprechen; denn diesen Mann hatte mir Gott geschickt. Er hat meine Geschäfte zu fördern gewußt, aber nicht seine eigenen – andere verstehen beides, die meisten nur das letzte.»
Da wir nur einen kurzen Marsch bis zum Nachtquartier hatten, brachen wir erst mit der Abendkühle auf. Ich blieb diesmal absichtlich zurück, um den Vizekönig nicht durch meine fortwährende Gesellschaft zu ermüden, soupierte mit Artim Bey und dem höchst liebenswürdigen Doktor Gaetano und wollte mich eben zu Bett legen, als gegen elf Uhr Seine Hoheit mich unerwartet einladen ließ, noch eine Stunde mit ihm zuzubringen, ein Befehl, dem ich natürlich mit der größten Bereitwilligkeit, wenngleich, aufrichtig gesagt, mit gähnendem Munde, Folge leistete.