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Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen
Der Ausgang ist der Toren Orakel
Gibbon
Da das folgende Buch von Mehemed Ali seinen Titel hernimmt und viel von ihm darin die Rede sein wird, ein Mann, für dessen blinden Verehrer ich oft ausgegeben wurde, während ich der Meinung bin, daß über niemand blinder in Europa geurteilt wird als über ihn – so muß ich einige allgemeine Betrachtungen vorausschicken, um von vornherein meine Ansicht der politischen Ereignisse herauszustellen, welche nach meiner Rückkehr aus Ägypten alle Verhältnisse des Orients so sehr und so traurig verändert haben.
Es ist mir sehr wohl bekannt, daß ein geschlagener Held immer unrecht behalten muß und daß in der Gegenwart die triviale Masse der Menschen nie anders als nach dem Ausgang urteilt, bis später, wenn die momentanen Leidenschaften und Interessen schweigen, eine philosophischere Ansicht der Vergangenheit der historischen Wahrheit ihr Recht verschafft. So wurde einst Napoleon, nachdem er so lange als ein Meteor geglänzt, von Tausenden in den Staub herabgezogen und von den elendesten Wichten gelästert, ja ihm eine Zeitlang jedes Verdienst und jede Größe abgesprochen – weil er gefallen war. Nach einem Vierteljahrhundert schon, seit er vom Schauplatz verschwunden, zollt ihm die Menge von neuem Ehre und Bewunderung, und dasselbe Volk, das seiner überdrüssig ihn in der Not verließ, hat ehrfurchtsvoll und mit religiösem Pomp seine Asche über das Weltmeer zurückgeholt.
Ich denke nicht daran, Mehemed Ali mit Napoleon in eine Kategorie zu stellen, aber beide haben Berührungspunkte, und auch Mehemed Ali werden in der Folgezeit die Völker mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen und anerkennen müssen, daß sie dem Wirken dieses ausgezeichneten Geistes vor allem jene ebenso segensreiche als gewaltige Anregung verdanken, aus welcher der Keim einer neuen Bildungsepoche für den Orient entsprossen ist. Nur der Keim freilich, den er aber mit unermüdlicher Beharrlichkeit und so viel Einsicht und Erfolg, als für ihn und seine Zeit möglich war, treu gehegt und gepflegt hat. Denn man vergesse doch nicht, daß die Muselmänner im dreizehnten Jahrhundert ihrer Hedschira sich hinsichtlich ihrer Kulturfähigkeit, ganz außer Europa stehend, gewissermaßen noch in demselben Mittelalter befinden, in welchem auch wir einst nach einer gleichen Anzahl von Jahrhunderten seit Erscheinung unsres Propheten standen, und aus dem wir uns so schwer und nur durch Ströme von Blut herauszuarbeiten vermochten – daß also ein auch durch die kräftigste Hand hervorgerufener Fortschritt der Zivilisation in solcher Periode nicht auf einmal unsern heutigen Zustand erreichen kann. Wie aber war denn jenes Mittelalter bei uns beschaffen? Ich glaube, daß in Hinsicht auf Grausamkeit und Verbrechen, Rohheit und Sittenverderbnis, Willkür der Gewalt, Intoleranz und unerträglichen Druck der Mächtigen, durch alle Klassen herab, Ägyptens Zustand unter Mehemed Ali noch glänzend vor dem der meisten Länder des damaligen Europas hervortreten möchte.Sogar die Gebräuche waren damals ganz dieselben bei uns wie noch heute im Orient. Denn die Damen ritten noch Visiten und aßen gleich den Männern mit den Fingern. Gabeln wurden erst zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts erfunden.
Auch Sultan Mahmud hat gleich Mehemed Ali den Fortschritt gewollt, doch war er offenbar hierin nur seines großen Gegners Schüler. Er hat, ihm nachahmend, zwar dasselbe System ergriffen, es aber mit unendlich mehr Übereilung, weniger Takt, Geist und Erfolg durchzuführen gewußt – dennoch ist auch er dadurch zur Förderung des großen welthistorischen Zweckes nichts weniger als unnütz geblieben, wenn auch er und seine eignen Länder weniger Vorteil daraus gezogen haben.
Die unbestreitbaren spezielleren Verdienste Mehemed Alis, wie sie als Fakta vor aller Augen stehen, sind folgende: Er hat mit bewunderungswürdigem Organisationstalent in einem der verwahrlosesten und verwildertesten Länder der Welt Ordnung und Sicherheit, die ersten Bedürfnisse eines zivilisierten Staates, in einem solchen Grade herzustellen gewußt, daß man sein unermeßliches Reich vom Taurus bis an die Grenzen Abessiniens, so weit sein Gebiet sich zwischen Meer und Nil und Wüste erstreckte, mit Gold beladen sicher und ohne Furcht durchziehen konnte, wo sonst jedem Schritt Beraubung und Tod drohte.
Er hat in der Ausübung der Justiz und in der Verwaltung innerhalb seines Gebiets mehr Gerechtigkeit und feste Norm eingeführt, als in irgendeinem andern orientalischen Staate annoch existiert.
Er hat den Fanatismus gebändigt, eine größere Toleranz in religiösen Dingen geübt, als in manchen christlichen Staaten stattfindet, und die Christen in seinen Ländern nicht nur beschützt, sondern selbst in einer Art bevorzugt, die fast zur Härte für die Muselmänner ward.
Er hat den Handel mit Europa nicht nur belebt, er hat ihn größtenteils neu geschaffen und durch die großartigsten Anlagen aller Art den in Ägypten gänzlich untergegangenen Sinn für Industrie wohltätig wieder erweckt.
Der Anbau der Baumwolle, des Indigos, des Zuckerrohrs, welcher mit immer steigendem Erfolg betrieben wurde, ist durch ihn erst hervorgerufen worden, und ein großer Teil dieser Produkte wird im eigenen Lande durch auf seine Kosten angelegte Fabriken verarbeitet. Ebenso vermehrte er bedeutend den Seidenbau in Syrien durch die ausgedehntesten Anpflanzungen des Maulbeerbaumes, die freilich durch den Befreiungskrieg (!) der Engländer größtenteils wieder zerstört worden sind.
Er hat für die Bildung der künftigen Generation ein Erziehungs- und Schulwesen gegründet, von dem man vor ihm im Orient seit Jahrhunderten gar keinen Begriff mehr hatte, und ungeheure Summen diesem edlen Zwecke geopfert.
Er hat mehr gebaut und mehr gemeinnützige Anstalten ins Leben gerufen als irgendein Beherrscher Ägyptens seit Saladins Zeiten.
Er hat zu alledem noch Mittel gefunden, er, dem Ägypten zufiel ohne ein Schiff und einen einzigen disziplinierten Soldaten, sich eine Flotte von zwölf Linienschiffen und zweimal soviel Fregatten und Korvetten zu bauen und eine europäisch geschulte Armee von mehr als 100 000 Mann zu schaffen. Und mit diesen Mitteln ist der albanesische Bauer, der erst im 35sten Jahre lesen lernte, der unbedeutende Häuptling, der hundertmal in seinem Leben nicht wußte, wo er sein Haupt mit Sicherheit hinlegen sollte, ein Fürst geworden, dessen Armeen zweimal den Beherrscher der Gläubigen auf seinem Throne zu Byzanz erzittern machten und dessen immer steigendes Ansehen ihm schon eine Stelle unter den Weltmächten anzuweisen begann.
Da ward er endlich, nach so großen Taten und Siegen, wie weiland der gefürchtete Korse (nur mit weit weniger gutem Grunde) von europäischen Interessen in den Bann getan und ist in diesem ungleichen Kampfe mit unvorhergeahnter Schnelligkeit unterlegen.
Wie zu erwarten stand, beeiferte sich sofort eine Herde von Kläffern verschiedener Parteien maßloser als je über den schon so lange beneideten, kranken Löwen herzufallen und zugleich jubelnd über alle diejenigen den Stab zu brechen, welche, früher in stupider Blindheit, diesen besiegten Mann für ausgezeichnet und groß hielten und solches sogar öffentlich auszusprechen wagten.Als ein possierliches Beispiel erinnere ich mich unter anderem eines Korrespondenten der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom Rheine, der unmittelbar nach dem Falle von St. Jean d'Acre ausrief: «Mehemed Ali hat kapituliert! Der Mann ist entlarvt, der jahrelang die Geister hingehalten und die Federn zu Lob oder Tadel beschäftigt hat. Die Freunde, die ihn so hoch gepriesen, verstummen in seiner Not!» Ich erwiderte ihm damals: «Ach nein, lieber Rheinländer, nicht alle! Du selbst aber hättest besser geschwiegen. Du hast gesprochen – und Du bist entlarvt!»
Man findet in Mehemed Alis Unglück noch mehr Ähnlichkeiten mit dem Schicksal Napoleons, erstens: daß er in Wahrheit nur durch einen Zusammenfluß der ungünstigsten, nicht vorherzusehenden Umstände, die von ihm selbst größtenteils nicht mehr abhängen, gefallen ist; zweitens, daß ihn im Augenblick der Entscheidung sein mächtiger Aliierter, auf dessen Mitwirkung er alle seine Pläne basiert hatte, verließ; drittens endlich, daß er sein früheres Glück nicht mit der Konsequenz eines Alexander oder Cäsar verfolgt und nie die Sachen ohne Anhalt zum völligen Ende zu bringen gesucht hatte. Napoleon wie Mehemed Ali hätten an Alexanders Stelle schon nach der ersten Schlacht mit dem Perserkönig Friede gemacht – freilich nicht ohne die Idee, gelegentlich wieder anzufangen, aber im Glück ist es eben nötig, die Gelegenheit vollständig zu benutzen, die da ist. Im Unglück zeigte sich jedoch Mehemed Ali kaltblütiger und klüger als Napoleon, wenngleich seine Handlungsweise nicht eben heroisch zu nennen ist.
Denn von dem Augenblick an, als er sich, von Frankreich im Stich gelassen, der vereinten Macht Englands und Österreichs preisgegeben sah, verteidigte er sich eigentlich nur noch pro forma, da er zu klug war, um nicht mit einem Blick zu übersehen, daß jetzt für ihn der Erfolg auf die Länge unmöglich geworden. Weil er nun weder eigensinnig noch eitel genug ist, um nur alles – oder nichts zu wollen, so gab er, da der Tag einmal unglücklich und dies nicht zu ändern stand, statt alles auf eine Karte zu setzen, lieber das ganze Spiel auf. Die Möglichkeit, es bei einer bessern Chance wieder anzuknüpfen, blieb ihm ohnedies. Nachdem nun sogar St. Jean d'Acre eigentlich nicht genommen, sondern durch die unwiderstehliche Kraft von fünfhundert Feuerschlünden auf Büchsenschußweite in die Luft gesprengt und vernichtet worden war, dachte der Vizekönig nur noch daran, sich zu erhalten, was noch zu erhalten war.Die Engländer selbst rühmten sich im Morning Chronicle, einem ministeriellen Blatt, daß durch den immensen Vorteil, den ihre beweglichen Seebatterien jetzt durch die großen Fortschritte in diesem Fach darbieten, keine Festung, die vom Meere aus beschossen werden könne, einer Flotte von 5-600 Feuerschlünden mehr zu widerstehen imstande wäre. Das waren also leichte Lorbeeren! Ich weiß aus bester Quelle, daß Ibrahim von Anfang an Instruktionen in diesem Sinne von seinem Vater hatte, was auch allein die Lauheit und ganz negative Kriegführung dieses sonst so feurigen und determinierten Soldaten erklären kann.
Die Rolle eines Mannes wie Mehemed Ali ist aber nie als ganz ausgespielt zu betrachten, solange er in Freiheit lebt und noch alle Elemente der Macht in seiner Hand hält. Dies hat er sich aber, sowie seine faktische Unabhängigkeit, mit vieler Geschicklichkeit zu bewahren gewußt, und wer kann vorhersagen, ob die Vorsehung, die ihm einmal eine welthistorische Bestimmung gab, dieses Amt ihm schon gänzlich abgenommen hat. Abgeschmackt ist es aber jedenfalls, aus dessen jetzt so sehr verminderter Bedeutung folgern zu wollen, daß ein Mann, der durch das Außerordentliche seiner Taten so lange Jahre hindurch die Blicke der Welt auf sich zog, von jeher nur ein Taschenspieler gewesen sei, der dem Orient und Europa ein bloßes Blendwerk vorgemacht. Dies wäre wahrlich noch weniger schmeichelhaft für die Betrognen als den Betrüger.
Wahr ist es aber und merkwürdig, daß ein Hauptgrund des schnellen Falles Mehemed Alis gerade in seinem verdienstvollen Wirken zu suchen ist.
Denn dadurch, daß er die Völker des Orients zu einer höhern Bildung zu erheben suchte, daß er zu diesem Behuf immer mehr und mehr selbst europäischen Sitten und Gebräuchen sich näherte, vieles davon allgemein einzuführen suchte und seine ganze Regierung diese Tendenz immer deutlicher verfolgen ließ, auch daß der Sultan, seinem Beispiel folgend, denselben Weg einschlug – erwachte ein ganz neuer Sinn im Orient. Jene seit langem so stationär gebliebenen Völker begannen zu ahnen, daß sie fremden Einflusses bedürftig seien und daß ihnen nur Verschmelzung mit europäischer Kultur – ich meine nicht durch bloße servile Nachäffung, noch weniger durch religiöse Bekehrung – eine neue, eigne, organische Umbildung und dadurch künftig einen weit sicherern und glücklicheren inneren Zustand gewähren könne, als sie bisher unter irgendeinem muhamedanischen Szepter genossen hatten. Eine direkte Oberherrschaft europäischer Mächte erschien daher schon seit geraumer Zeit vielen unter ihnen nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert – denn sie erhielten dann aus erster Hand, was ihnen Mehemed Ali nur mittelbar und unvollständig geben konnte. Als daher die Engländer und Deutschen gegen diesen feindlich in die Schranken traten, kam ihnen überall Syriens Bevölkerung fast jubelnd entgegen und fiel ohne Halt vom ägyptischen Gouvernement ab, bis auf den einzigen Emir Beschir, der eine tiefere Einsicht und überdies mit Mehemed Ali nur ein gleiches Interesse hatte. Demohngeachtet wußten die Syrier recht gut, daß sie, selbst unter Ibrahims Säbelszepter und den vielfachen partiellen Bedrückungen seiner Günstlinge (denn Mehemed Ali hatte leider Syrien seinem Sohne fast unumschränkt übergeben), doch immer noch weit besser dran waren, als sie unter des Sultans schwachem Regiment je gewesen, und daß sie auch wiederum in ein weit größeres Elend versinken müßten, wenn die alten Verhältnisse zurückkehrten – aber sie hofften dunkel auf ganz neue Verhältnisse, einen neuen Herrn von europäischer Hand. Ein großes Motiv hierzu lag schon darin, daß in Syrien, besonders im Litorale und dem Libanon, ein großer Teil der einflußreichsten Bewohner bereits Christen sind, ein anderer, ebenso mächtiger, die Drusen, keine kirchliche Intoleranz kennen und sich im Gegenteil mit jeder Religion sehr leicht abzufinden wissen.Der Emir Beschir war Christ und Muhamedaner zugleich und wäre auch noch Jude geworden, wenn ihm dies den Szepter Syriens hätte verschaffen können. Aber selbst eine große Anzahl der gebildeten Muselmänner gab solchen Gedanken Raum, und mit Verwunderung fand ich diese mit den ehemaligen fanatischen Ansichten dieser Länder so stark kontrastierende Idee nicht allein in Syrien, sondern selbst in Kleinasien, wenn auch nicht den Massen völlig klar, doch keimend und unter den mehr Selbstdenkenden auffallend verbreitet.
Es ist daher nur der Wahrheit angemessen, wenn ich sage, daß die heutigen Sieger größtenteils Mehemed Ali selbst jenen gewichtigen Vorteil, das Volk auf ihrer Seite gefunden zu haben, danken müssen, ein Vorteil, dessen Dasein ihn desto leichter stürzte (wie dasselbe Streben auch Mahmuds Macht untergrub), aber dem Orient im ganzen doch der größte Gewinn bleibt, hätte auch Mehemed Ali nur, gleich den Massen, sich selbst unbewußt «der Gottheit lebendiges Kleid gewirkt».
Gewiß ist es zugleich, daß eine solche, den letzten Ereignissen schon zuvorgegangene Stimmung in den Völkern des Orients, auch in Zukunft jeder europäischen Macht, die sie wird ausbeuten wollen und können, eine entscheidende Einwirkung auf jene Länder sehr erleichtern muß, und die Zeit wird kommen, wo dies geschieht.
Findet dann eine gegenseitig heilsame Durchdringung der so lange geschiedenen Bildungselemente beider Weltteile statt, so wird dies ohnfehlbar zu einer Hauptepoche in der Geschichte wie im allgemeinen Fortschritt der Menschheit führen, und beschattet dergestalt einst, in mehr oder weniger ferner Zeit, ein solcher fruchtbeladner Baum die Welt, so wird man auch Mehemed Ali eines Ehrenplatzes an seinem Fuße nicht berauben können.
Es bleibt mir nun bloß noch übrig, einiges Persönliche anzuführen, was ich ganz übergehen würde, wenn es nicht der Schwachen und Leichtgläubigen wegen nötig wäre.
Man hat in mehreren öffentlichen Blättern behauptet, ich nähme nur deshalb so leidenschaftlich Mehemed Alis Partie, weil er mich mit Geschenken und Gnaden überhäuft, ja man gab beinahe zu verstehen, ich stünde so gut wie in seinem Solde.
Diesen Insinuationen liegt wenig Wahres zum Grunde.
Was die mir erwiesenen Gnaden und Gunst betrifft, so habe ich mich deren allerdings eine geraume Zeitlang in seltnem Grade zu erfreuen gehabt und werde derselben auch stets mit Dankbarkeit und persönlicher Genugtuung gedenken, besonders, daß der Vizekönig einmal, auf meine alleinige Fürsprache, einem der angesehensten und reichsten Kaufleute Kahiras die gesetzlich verwirkte Freiheit wie den Verlust des größten Teils seines Vermögens ohne Rückhalt zurückgab. Während dieser Zeit ward ich auch durch viele Monate nach orientalischer Sitte als des Fürsten Gast betrachtet und als solcher für Wohnung und Lebensmittel, wie sie das Land liefert, freigehalten, in Kahira und Alexandrien sogar mit einer Pracht, der ich gern enthoben gewesen wäre, da sie mir viel «gêne» verursachte, und auch jedermann weiß, daß die orientalische Gastfreiheit der Großen an ihre Diener oft teurer bezahlt werden muß, als sie wert ist. Übrigens war es Mehemed Ali bekannt, daß der Bey von Tunis mich ganz mit derselben Munifizenz behandelt hatte.
Was aber die Geschenke betrifft, so kann ich versichern, daß ich von Mehemed Ali nie ein anderes Geschenk erhalten habe als ein nacktes Füllen, was nur dadurch einen großen Wert für mich bekam, daß er es selbst für mich im Gestüt von Schubra auswählte. Auch Ibrahim Pascha gab mir deren zwei von seiner Zucht durch Baki Bey.
Der Transport dieser Tiere, für die ich ein eignes Schiff nach Triest mieten mußte, hat mich weit mehr gekostet, als sie wert waren, und unter den echten arabischen Pferden, die ich später selbst in der Wüste kaufte, ist keins, was nicht den Preis dieser drei Füllen zehnmal überstiege.
Ein sonderbarer Umstand ist es, beiläufig gesagt, daß Mehemed Alis munterer Hengst, der ein gutes Jagdpferd geworden war, beim Sprunge über einen Bach sich tödlich beschädigte an demselben Tage, wo St. Jean d'Acre fiel.
Indessen, ich blieb vielleicht zu lange im ägyptischen Reich. Der Charakter der Orientalen ist voller Argwohn, und Mehemed Ali hat mehr als irgendeiner nur zu oft triftige Ursache gehabt, Europäern zu mißtrauen.
Die Auszeichnung, die er mir zuteil werden ließ, die unverdiente Bedeutendheit, die er mir beilegte, hatten bei vielen einflußreichen Personen, Europäern wie Türken, in hohem Grade Neid und Mißgunst erregt, wozu noch kam, daß ich, wenn Mehemed Ali es verlangte, ihm meine Ansichten über jedermann ganz ungescheut (vielleicht auch ungescheit) mitteilte. So gewahrte ich denn bald, daß Intrigen aller Art gegen mich in Bewegung gesetzt wurden, kümmerte mich aber wenig darum. In dieser Zeit, das heißt während meines zweiten Aufenthaltes in Kahira (wo ich Mehemed Alis generöse Gastfreiheit ganz abgelehnt hatte), sandte ich einen Artikel in die Augsburger Allgemeine Zeitung, in dem sich einige sehr unschuldige Bemerkungen über die korpulente Beschaffenheit des jüngeren Sohnes des Vizekönigs, Said Bey, befanden, die aber ein übles Ansehen durch den unglücklichen Umstand erhielten, daß die Redaktion für gut fand, dem erwähnten Aufsatz die Überschrift: «Der dicke Prinz» zu geben. Dies ward übersetzt und Mehemed Ali vorgelesen. Von diesem Augenblick an bemerkte ich eine gewisse Kälte und verminderte Vertraulichkeit in seinem Wesen, die mich betrübten, gegen die ich aber nichts mehr tun konnte, da jede Explikation das Übel nur ärger machen mußte. Später, als ich in Syrien war, wo Ibrahim herrschte und ein sichrer, direkter Verkehr mit Mehemed Ali mir nicht mehr möglich war, wußte man meine Abwesenheit wohl noch besser zu benutzen, um mich der Gunst des Vizekönigs zu berauben. Denn nach einer anfangs sehr glänzenden Aufnahme in Syrien durch Soliman Pascha kam ich bald infolge einiger unangenehmer Vorfälle, an denen ich durchaus keine Schuld hatte und von denen im Verlaufe dieses Werks spezieller die Rede sein wird, mit Ibrahim Paschas Gouvernement in ein höchst unfreundliches Verhältnis, und die deshalb von mir an Mehemed Ali gerichtete Beschwerde blieb ohne alle Antwort.
Seitdem habe ich, obgleich ich noch über sechs Monate im Lande verblieb, vom Gouvernement weder etwas angenommen noch ferner mit ihm das geringste zu tun gehabt, bis auf eine, in langen Intervallen fortdauernde Korrespondenz mit Bogos Bey, der sich stets gleich gegen mich geblieben ist und mich auch des Vizekönigs freundlicher Gesinnung immer versichert hat, ohne daß ich dergleichen für mehr als eine Phrase der Courtoisie genommen hätte. Demohngeachtet gab mir dies später Gelegenheit, mich bei der bekannten Verfolgung der Juden in Damaskus für einen unter ihnen, von dessen Unschuld ich überzeugt war, bei Bogos Bey zu verwenden, und die Danksagungen, die ich von der in Rede stehenden Person erhielt, haben mir den guten Erfolg verbürgt.
Man sieht also, daß meine Beziehungen zu Mehemed Ali nicht immer ungetrübt geblieben sind und ich, gerade dem Ende nach, aus persönlichen Rücksichten wenig Beruf fühlen könnte, für ihn die Feder zu führen, wenn mich nicht die wahrste Verehrung für die hohen Eigenschaften und die große historische Wirksamkeit dieses Fürsten heute wie damals bewegen, wenigstens unparteiisch das, was ich für Wahrheit halte, über ihn zu sagen und dadurch, soweit meine schwachen Kräfte reichen, ihn gegen die vielen ungerechten Anklagen und schiefen Beurteilungen zu verteidigen, mit denen namentlich deutsche Schriftsteller und deutsche Berichte ihn zu verfolgen so viel Beharrlichkeit zeigen, was um so auffallender ist, da die ausgezeichnetsten Männer unter den Engländern und Franzosen, wie noch neuerlich der tapfere Commodore, der ihn so hart bekämpft, ihm stets weit mehr Gerechtigkeit widerfahren ließen.