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Arner stand nun da. Beladen mit den Entschlüssen des Tages, und stumm von den Bildern einer schlaflosen Nacht, war er stiller und ernster als sonst. Er fühlte jetzt die Last des kommenden Tages und die Sorgen des Mannes, dessen Kinder die Wege ihrer Torheit vor ihrem Vater verbergen. Schon beim Aufgange der Sonne stand er im Pfarrhofe neben seinem Pfarrer. Die ersten Strahlen glänzten auf der Träne des Mannes, der sanft und mild gegen sie hinsah, und sagte: Gott gebe, daß ich sie heute mit leichtem Herzen untergehen sehe!
Das gebe Gott! erwiderte sein Pfarrer; und auch er hatte eine Träne im Auge.
Sie redeten dann von den Geschäften des Tages, und vom Hummel, wie er jetzt alles so ganz anders ansehe als vorher, und wie seine Erfahrungen ihm mitten durch seine Torheiten und Laster einen so großen Wahrheitssinn erteilt hätten, daß der Pfarrer hundertmal darüber erstaunen müsse.
Sie kamen auch auf die Obstbäume zu reden, welche der alte Junker schon vor mehr als zwanzig Jahren auf dem Bonnal-Ried gepflanzt und der Gemeinde geschenkt hatte, die aber alle serbten, und nirgendshin wollten.
Der Hummel hatte nämlich dem Pfarrer gestern gesagt, es fehle da gar nicht am Boden, sondern nur an der Besorgung, und man solle die Bäume nur unter Leute austeilen, die Obst nötig hätten, so würden sie gewiß bald groß und schön sein.
Der Junker verwunderte sich über die Ausgaben, die jährlich der Gemeinde für das Ried verrechnet wurden, und über die Frondienste, die die Gemeinde jährlich auf diesem Ried tue.
Der Pfarrer sagte ihm aber, dieses alles geschehe nur zum Schein, damit die Vorgesetzten ein paar Tage im Jahr mehr auf gemeine Kosten fressen und saufen könnten; und sie möchten den Armen so wenig einen Obstwachs gönnen, als sie ihnen die Allmend gönnten; und darum werde aus diesen Bäumen, so lange es so sei, nie etwas werden.
Der Junker sagte bei diesem Anlasse, seine Leute äßen bei der sitzenden Lebensart, die je länger je mehr aufkomme, gewiß zu viel und zu unvermischt Erdäpfel; und man könne darum das Pflanzen der Obstbäume gewiß nicht genug betreiben.
Auch der Pfarrer bedauerte, daß so gar viele Leute sich fast nur mit Kraut, Rüben und Erdäpfeln behelfen müßten.
Junker. Es wäre doch, weiß Gott, allenthalben so leicht einzurichten, daß die ärmste Haushaltung immer auch etwa ein Dutzend tragbare Obstbäume und auch eine Ziege halten könnte.
Pfarrer. Und es ist doch nirgends eingerichtet.
Ach, es ist für den Armen nirgends etwas eingerichtet, bis man ihn in den Spital nimmt, sagte der Junker; und erklärte sich im gleichen Augenblicke, nicht nur die Bäume auf dem Ried zu verteilen, und eigentümlich zu machen, sondern für alle seine Leute in seinen Baumschulen so viele junge Bäume zu ziehen, als sie nötig hätten. Er setzte hinzu: Und ich will alles tun, damit ihnen die Bäume recht lieb werden, und sie bald Frucht daran haben. Ich denke, ich wolle ihnen allemal bei ihren Hochzeiten und Taufanlässen welche schenken.
Pfarrer. Ein solches Andenken an die wichtigsten und freudigsten Umstände ihres Lebens kann nicht anders als für ihr Herz und für ihr Glück ebensoviel Gutes wirken als für die Bäume selber.
Junker. Gott gebe es!
Pfarrer. Was mir in den Sinn kömmt, Junker! Sie müssen auch den Kindern, die zum erstenmal zum Tische des Herrn kommen, solche Bäume schenken.
Junker. Das will ich gerne.
Pfarrer. Das Projekt mit diesen Bäumen macht mich zwanzig Jahre über mein Ziel hinaus träumen, so sehr nimmt es mich ein.
Junker. Nun, was träumen Sie denn so weit hinaus?
Pfarrer. Ich kann mir jetzt vorstellen, wie Sie einst mit meinem, so Gott will, bessern und stärkern Nachfolger Ihre Leute auf dieses Ried, welches bis dann ein Baumgarten, und ein herrlich schöner Baumgarten für Ihre Armen werden kann, hinführen, und da mit ihnen ein Volksfest feiern werden, das Ihrer würdig sein wird.
Junker. Was für ein Volksfest?
Pfarrer. Das Fest der dankbaren Armut, die Sie mit diesen Bäumen erquicken werden.
Junker. Sie machen mich auch träumen.
Pfarrer. Denken Sie, was das für ein Fest sein wird, wenn Ihre Leute am schönsten herbstlichen Tage auf ihrem Ried unter dem Schatten von Bäumen voll reifer Früchte, in dieser herrlichen Aussicht, im Angesichte des Himmels und der Erde ihren Taufbund und ihr Nachtmahlgelübde erneuern, und das Angedenken der Freuden ihrer Hochzeittage und ihres Kindersegens feiern werden.
Junker. Wäre ich wohl ein Mensch, wenn ich dieses Fest denken könnte, und es nicht stiften würde?
Pfarrer. Sie werden es stiften.
Junker. Ja, ich will es stiften, und so lange mein Volk dasselbe feiern wird, soll es Ihrer gedenken.
Pfarrer. Lassen Sie dann Ihr Volk Birnen essen und Aepfel, und gedenken, daß seine Väter das nicht hatten.
Das war die Antwort des Pfarrers, und er setzte dann noch hinzu: Bei allen Volksfesten des Altertums wurde der Arme mit Speise und Trank erquickt, und am Feste des neuen Bundes selber nahm der Herr Brot, und gab den Seinigen zu essen, und Wein, und gab ihnen zu trinken. Ueberhaupt ist die Aufhebung des Bedrückenden in den Nahrungssorgen der Armen der Geist der Gottesverehrung, die Er auf Erden gestiftet hat, so wie sie überhaupt Aufhebung alles Bedrückenden im Unterschiede der Stände der Menschen und Emporhebung der Elenden und Armen zum frohen teilnehmenden Mitgenuß aller Segnungen und Wohltaten Gottes ist.
Ich will Ihr Fest stiften, wiederholte der Junker. – Eine Weile staunten er und der Pfarrer still dem großen Gedanken nach; dann sagte der Junker: Aber ach! so schön, als wir träumen, wird nie etwas auf Erden.
Es ist wahr, sagte der Pfarrer; aber der Lohn der Tugend ist nicht, daß sie das Unkraut von der Erde vertilge. Genug ist es dem Frommen, daß im Acker des Fleißigen der gute Same aufkömmt; und es freut ihn, daß seine Bäume, die er pflanzet, Früchte tragen, wenn er längst von der Erde hingenommen sein wird.
Der Junker und der Pfarrer dankten dann noch Gott, daß der Vogt sie an die Bäume auf dem Bonnaler-Ried erinnert habe, und redeten eine Weile wieder von dem unglücklichen Manne.