Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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137.
Der Vogt neben des Weibels Töchterli.

Aber der Vogt traf den Weibel nicht an; und das Kind, das ihm unter der Türe Antwort gab, sagte, der Vater komme vor Nacht nicht heim, er sei auf dem Wochenmarkte.

Der Vogt wußte, daß der Weibel sonst immer zu Hause war, und nie selber auf den Markt ging, und meinte also, er verleugne sich nur, und wisse schon, worum es zu tun sei.

Das Letzte war auch wahr. Die Vorgesetzten hatten ihm, sobald sie es mit dem Heumessen und Viehzählen vernommen, im Augenblick sagen lassen, er solle heute ein wenig beiseits gehen, und vor Sonnenuntergang nicht wieder heim kommen.

Der Vogt, der bei sich selber schon so verdrießlich war, als er nur konnte, sagte dem Kinde, er glaube, sie treibe den Narren mit ihm, und der Vater sei wohl daheim.

Das Töchterli aber, das gar nicht furchtsam war, und wie die ganze Haushaltung des Weibels dem Vogt nicht wohl wollte, fing an, anstatt zu antworten zu spötteln, und sagte: Es scheint, der Herr Untervogt sei gar nicht guter Laune.

Vogt. Wenn ich dir gut zum Rate bin, so sag' du, dein Vater solle herunterkommen. Ich muß mit ihm reden.

Töchterli. Wenn jetzt selbst der Junker von Arnheim in eigener Person vor mir stände, Herr Untervogt, so müßte ich doch warten, bis der Vater wieder die Stiege hinauf wäre, ehe ich ihn könnte heißen herunterkommen.

Vogt. Ist er im Ernst zu Markt gegangen?

Töchterli. Im ganzen Ernst.

Vogt. Das ist vom Schinder!

Töchterli. Ich will es nicht hoffen.

Vogt. Ist er heute frühe fort? und wann kommt er wieder?

Töchterli. Er ist gerade eben jetzt fort, und kömmt vor Nacht nicht wieder.

Vogt. Wenn er gerade jetzt fort ist, so schicke ihm doch nach.

Töchterli. Ja, er ist auf dem Roß, und ich weiß nicht, ob er über das Moos oder über den Berg geht.

Vogt. Er hat bei Gott gewußt, was ich will, daß er eben jetzt fort ist.

Töchterli. Er ist doch kein Hexenmeister.

Vogt. Ich weiß jetzt nicht, was ich machen muß.

Töchterli. Vielleicht könnte es der Vater Euch sagen, wenn er da wäre; aber er ist jetzt einmal nicht da.

So ließ des Weibels Töchterlein den neuen Untervogt fortspazieren, und lachte dann aus vollem Halse die Stiege hinauf ob der neuen Obrigkeit, die vor ihm fast weinen wollte, daß sie den Vater nicht hinter dem Ofen angetroffen hatte.


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