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Der Pfarrer aber redete mit dem Vogt herzlich, und sagte zu ihm: Untervogt, ich habe vernommen, daß dir etwas begegnet ist, und ich bin da, dir mit Trost, so gut ich kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrichtig: was ist dir eigentlich begegnet?
Vogt. Ich bin ein armer, unglücklicher Tropf: der leidige Satan hat mich nehmen wollen.
Pfarrer. Wieso, Vogt? wo ist dir das begegnet?
Vogt. Oben auf dem Berge.
Pfarrer. Hast du denn wirklich jemanden gesehen? hat dich jemand angegriffen?
Vogt. Ich sah ihn, ich sah ihn, wie er auf mich zulief. Es war ein großer, schwarzer Mann, und er hatte Feuer auf seinem Kopfe. Er ist mir nachgelaufen bis unten an den Berg.
Pfarrer. Warum blutest du am Kopfe?
Vogt. Ich bin im Herunterlaufen gefallen.
Pfarrer. Es hat dich also niemand mit einer Hand angerührt?
Vogt. Nein, aber gesehen habe ich ihn mit meinen Augen.
Pfarrer. Nun, Vogt, wir wollen uns nicht dabei aufhalten. Ich kann nicht begreifen, was es eigentlich war. Es mag aber gewesen sein, was es will, so ist es gleichviel; denn, Untervogt, es ist eine Ewigkeit, wo ohne einigen Zweifel die Gottlosen in seine Klauen fallen werden, und diese Ewigkeit und die Gefahr, nach dem Tode in seine Klauen zu fallen, sollte dich bei deinem Alter und bei deinem Leben freilich unruhig und sorgenvoll machen.
Vogt. O Herr Pfarrer! ich weiß vor Sorgen und Unruhe nicht, was ich tue. Um Gottes willen, was kann, was soll ich machen, daß ich vom Teufel wieder los werde? Bin ich nicht jetzt schon ganz in seiner Gewalt?
Pfarrer. Vogt, plage dich nicht mit Geschwätz und närrischen Worten. Du bist bei Sinnen und Verstand und also ganz in deiner eigenen Gewalt. Tue, was recht ist, und was dir dein Gewissen sagt, daß du es Gott und Menschen schuldig seist; du wirst alsdann bald merken, daß der Teufel keine Gewalt über dich hat.
Vogt. O Herr Pfarrer! was kann, was muß ich denn tun, daß ich bei Gott wieder zu Gnaden komme?
Pfarrer. Im Ernste deine Fehler bereuen, dich bessern und dein ungerechtes Gut wieder zurückgeben.
Vogt. Man glaubt, ich sei reich, Herr Pfarrer; aber ich bin es, weiß Gott, nicht.
Pfarrer. Das ist gleichviel. Du hast des Rudis Matte mit Unrecht, und Wüst und Keibacher haben einen falschen Eid getan. Ich weiß es, und werde nicht ruhen, bis der Rudi wieder zu dem Seinigen gelangt.
Vogt. O Herr Pfarrer! um Gottes willen habt Mitleiden mit mir!
Pfarrer. Das beste Mitleiden, das man mit dir haben kann, ist das, dich womöglich dahin zu bringen, daß du gegen Gott und Menschen tust, was du schuldig bist.
Vogt. Ich will ja tun, was Ihr wollt, Herr Pfarrer.
Pfarrer. Willst du dem Rudi seine Matte wieder zurückgeben?
Vogt. Um Gottes willen! ja, Herr Pfarrer.
Pfarrer. Erkennest du also, daß du sie mit Unrecht besitzest?
Vogt. In Gottes Namen! ja, Herr Pfarrer; ich muß es bekennen. Aber ich komme an den Bettelstab, wenn ich sie verliere.
Pfarrer. Es ist besser betteln, als armer Leute Gut unrechtmäßig vorenthalten. (Der Vogt seufzt.) Aber was tatest du auch mitten in der Nacht auf dem Berge?
Vogt. Um Gottes willen, fraget mich doch das nicht, Herr Pfarrer! Ich kann, ich darf es nicht sagen. Habt Mitleiden mit mir; ich bin sonst verloren.
Pfarrer. Ich will dir nicht zumuten, mir etwas zu offenbaren, das du nicht willst. Tust du es gern, so will ich dir raten, wie ein Vater; willst du es nicht tun, in Gottes Namen, so ist es dann deine Schuld, wenn ich dir da, wo du es vielleicht am nötigsten hättest, nicht raten kann. Aber da ich ohne deinen Willen von allem, was du mir sagen wirst, nichts offenbaren werde, so kann ich doch nicht sehen, was du dabei gewinnest, wenn du mir etwas verschweigst.
Vogt. Aber werdet Ihr gewiß nichts wider meinen Willen offenbar machen, es mag sein, was es will?
Pfarrer. Nein, gewiß nicht, Vogt.
Vogt. So will ich es Euch in Gottes Namen sagen. Ich wollte dem Junker einen Markstein versetzen.
Pfarrer. Lieber Gott und mein Heiland! warum auch dem guten, lieben Junker?
Vogt. Ach, er wollte mir das Wirtshaus oder den Vogtsdienst nehmen, und das brachte mich in Wut.
Pfarrer. Du bist doch ein unglücklicher Tropf, Vogt! Er meinte es so wenig böse. Er hat dir noch einen Ersatz geben wollen, wenn du die Vogtsstelle freiwillig aufgeben würdest.
Vogt. Ist das auch wahr, Herr Pfarrer?
Pfarrer. Ja, Vogt, ich kann dir es für gewiß sagen; denn ich habe es aus seinem Munde. Er hat am Samstag abend auf seinem Berge gejagt, und ich habe ihn auf dem Wege von Reutihof, wo ich bei der alten Frau war, angetroffen. Da hat er mir ausdrücklich gesagt, der junge Meier, den er zum Vogt machen wolle, müsse dir, damit du dich nicht zu beklagen habest, hundert Gulden jährlichen Ersatz geben.
Vogt. Ach Gott, Herr Pfarrer! hätte ich das gewußt, ich würde nicht in dieses Unglück gefallen sein!
Pfarrer. Man muß Gott vertrauen, auch wenn man noch nicht sieht, wo seine Vatergüte eigentlich hervorblicken will; und von einem guten Herrn muß man Gutes hoffen, auch wenn man noch nicht sieht, wie und worin er sein gutes Herz offenbaren will. Das macht, daß man ihm getreu bleibt und ihm vertraut, und dadurch denn sein Herz in allen Fällen zum Mitleid und zu aller Vatergüte offen findet.
Vogt. Ach Gott, wie ein unglücklicher Mann ich bin! Hätte ich auch nur die Hälfte von diesem gewußt!
Pfarrer. Das Geschehene ist jetzt nicht mehr zu ändern; aber was willst du jetzt tun, Vogt?
Vogt. Ich weiß es in Gottes Namen nicht. Das Bekenntnis bringt mich um mein Leben. Was meint Ihr, Herr Pfarrer?
Pfarrer. Ich wiederhole, was ich dir eben gesagt habe. Ich will dir kein Bekenntnis zumuten. Das, was ich sage, ist ein bloßer Rat; aber meine Meinung ist, der gerade Weg habe noch niemanden übel ausgeschlagen. Arner ist barmherzig, und du bist schuldig. Tu' jetzt, was du willst; aber ich würde es auf seine Barmherzigkeit ankommen lassen. Ich sehe wohl, daß der Schritt schwer ist; aber es ist auch schwer, ihm den Fehler zu verschweigen, wenn du wahre Ruhe und Zufriedenheit für dein Herz suchest. (Der Vogt seufzt, und redet nichts; der Pfarrer aber fährt fort, und sagt wieder:) Tue jetzt, in Gottes Namen, was du willst, Vogt; ich will dir nichts zumuten. Aber je mehr ich es überlege, desto mehr dünkt mich, du fahrest am besten, wenn du es auf Arners Barmherzigkeit ankommen lassest; denn ich muß dir doch auch sagen, der Junker wird wohl nachforschen, warum du in dieser späten Nachtzeit auf der Straße gewesen seiest.
Vogt. Herr Jesus, Herr Pfarrer! was mir in den Sinn kommt! Ich habe Bickel und Schaufel und Karst, und was weiß ich noch, beim Marksteine gelassen, und er ist schon halb ausgegraben. Es übernimmt mich eine Angst und ein Schrecken wegen des Bickels und des Karsts, daß es entsetzlich ist, Herr Pfarrer.
Pfarrer. Wenn dich wegen des armseligen Bickels und Karsts, die man ja leicht heute noch vor Tage wegtragen und verbergen kann, eine solche Angst übernimmt, Vogt, so denke doch, wie tausend solche Umstände und Vorfälle dir begegnen werden und begegnen müssen, wenn du schweigest, die dir deine übrigen Tage noch alle zu Tagen der größten Unruhe und der bittersten fortdauernden Besorgnisse machen werden. Ruhe für dein Herz wirst du nicht finden, Vogt, wenn du nicht bekennest.
Vogt. Und ich kann auch nicht wieder bei Gott zu Gnaden kommen, wenn ich schweige.
Pfarrer. Vogt, wenn du das selber denkst, und selber besorgest und befürchtest, und doch wider die Stimme deines Gewissens, wider deine eigene Ueberzeugung schweigest, wie könnte es möglich sein, daß dieses Tun Gott gefallen, und dir seine Gnade wiederbringen könnte?
Vogt. So muß ich es denn bekennen?
Pfarrer. Gott wolle mit seiner Gnade bei dir sein, wenn du tust, was dein Gewissen dich heißt.
Vogt. Ich will es bekennen.
Und da er dieses gesagt hatte, betete der Pfarrer vor ihm also: Preis und Dank und Anbetung, Vater im Himmel! Du hast deine Hand gegen ihn ausgestreckt, und sie hat ihm Zorn und Entsetzen geschienen, die Hand deiner Erbarmung und Liebe; aber sie hat sein Herz bewegt, daß er sich nicht mehr gegen die Stimme der Wahrheit verhärtet, wie er sich lange gegen sie verhärtet hat. Du, der du Schonung und Mitleid und Gnade bist, nimm das Opfer seines Bekenntnisses gnädig an, und ziehe deine Hand nicht ab von ihm. Vollende das Werk der Erbarmung, und laß ihn wieder deinen Sohn, deinen Begnadigten werden. O Vater im Himmel! der Menschen Leben auf Erden ist Irrtum und Sünde; darum bist du gnädig den armen Kindern der Menschen, und verzeihst ihnen ihre Uebertretung und Sünde, wenn sie sich bessern. Preis und Anbetung, Vater im Himmel! Du hast deine Hand gegen ihn ausgestreckt, daß er dich suche. Du wirst das Werk deiner Erbarmung vollenden, und er wird dich finden, lobpreisen deinen Namen, und verkündigen deine Gnade unter seinen Brüdern.
Jetzt war der Vogt durch und durch bewegt, und Tränen flossen von seinen Wangen. O Gott! so sagte er, Herr Pfarrer, ich will es bekennen und tun, was man will. Ich will Ruhe suchen für mein Herz und Gottes Erbarmen.
Der Pfarrer redete noch eine Weile mit ihm, tröstete ihn, und ging dann wieder nach Hause. Es ging aber schon gegen fünf Uhr, da er heim kam. Er schrieb dann alsobald an Arner. Der Brief, den er gestern geschrieben, und der heutige lauteten also: