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Die Panik fegte durch den Tunnel. Dreißigtausend Menschen fegte sie durch die Stollen hinaus. Die Mannschaften in den unbeschädigten Stollen hatten augenblicklich, als sie das Brüllen der Explosion vernahmen, die Arbeit eingestellt.
»Das Meer kommt!« schrien sie und wandten sich zur Flucht. Doch die Ingenieure hielten sie mit Revolvern in der Faust zurück. Als aber eine Wolke von Staub hereinblies und verstörte Menschen angestürzt kamen, hielt sie keine Drohung mehr zurück.
Sie schwangen sich auf die Gesteinszüge und jagten davon.
Bei einer Weiche entgleiste ein Zug und die nachfolgenden zehn Züge waren plötzlich aufgehalten.
Die Horden drangen in den Parallelstollen ein und hielten hier die Züge auf, indem sie sich mitten auf die Schienen stellten und schrien. Die Züge waren aber schon gehäuft voller Menschen und es gab erbitterte Kämpfe um einen Platz. 201
Die Panik war umso größer, als niemand wußte, was sich ereignet hatte – man wußte nur, daß etwas ganz Schreckliches geschehen war! Die Ingenieure versuchten die Leute zur Vernunft zu bringen, als sich aber immer mehr Züge voll entsetzter Menschen heranwälzten, die schrien: »Der Tunnel brennt!« – und als der Rauch aus den finstern Stollen hervorkroch, wurden auch sie von der Panik ergriffen. Alle Züge rollten auswärts. Die einfahrenden Züge mit Material und Ablösungsmannschaften wurden durch das wilde Geschrei der vorbeijagenden Menschenhaufen abgestoppt und begannen hierauf ebenfalls auswärts zu fahren.
So kam es, daß zwei Stunden nach der Katastrophe der Tunnel auf hundert Kilometer vollkommen verlassen war. Auch die Maschinisten in den innern Stationen waren entflohen und die Maschinen standen still. Nur da und dort waren ein paar mutige Ingenieure in den Stationen zurückgeblieben.
Ingenieur Bärmann verteidigte den letzten Zug.
Dieser Zug bestand aus zehn Waggons und stand im fertigen Teil des »Fegfeuers«, wo die eisernen Rippen genietet wurden, fünfundzwanzig Kilometer hinter dem Ort der Katastrophe. Die Lichtanlage war auch hier zerstört. Aber Bärmann hatte Akkumulatorenlampen aufgestellt, die in den Rauch hineinblendeten.
Dreitausend Mann hatten im »Fegfeuer« gearbeitet, zweitausend etwa waren schon fort, die letzten tausend wollte Bärmann mit seinem Zug befördern.
Sie kamen in Truppen angekeucht und stürzten sich toll vor Schrecken auf die Waggons. Immer mehr kamen. Bärmann wartete geduldig und zäh, denn manche »Fegfeuerleute« hatten drei Kilometer bis zum Zug zurückzulegen.
»Fahren! Abfahren!« 202
»Wir müssen auf sie warten!« schrie Bärmann. »No dirty business now! Ich habe sechs Kugeln im Revolver!«
Bärmann war ein ergrauter, kleiner Mann, kurzbeinig, ein Deutscher, und verstand keinen Spaß.
Er ging hin und her, am Zug entlang, und wetterte und fluchte zu den Köpfen und Fäusten hinauf, die sich droben im Rauch aufgeregt bewegten.
»Keine Schweinereien, ihr kommt alle hinaus!«
Bärmann hatte den Revolver schußbereit in der Hand. (Bei der Katastrophe zeigte es sich, daß alle Ingenieure mit Revolvern ausgerüstet waren.)
Zuletzt, als die Drohungen lauter wurden, postierte er sich neben dem Maschinisten der Führungsmaschine auf und drohte ihm, ihn niederzuschießen, wenn er ohne Befehl abfahren sollte. Jeder Puffer, jede Kette des Zuges hing voller Menschen und alle schrien: »Fahren, fahren!«
Aber Bärmann wartete immer noch, obschon der Rauch unerträglich wurde.
Da krachte ein Schuß und Bärmann schlug zu Boden und nun fuhr der Zug.
Horden verzweifelter Menschen rannten ihm nach, rasend vor Wut, um endlich atemlos, keuchend, Schaum vor dem Mund, stehenzubleiben.
Und dann machten sich diese Horden der Zurückgebliebenen auf den vierhundert Kilometer langen Weg über Schwellen und Schutt. Und je weiter sie sich wälzten, desto drohender wurde der Ruf: »Mac, du bist ein toter Mann!«
Hinter ihnen aber, weit hinter ihnen, kamen noch mehr, immer noch mehr, immer andere.
Es begann das schreckliche Laufen im Tunnel, dieses Laufen um das Leben, von dem später die Zeitungen voll waren.
Die Horden wurden wilder und toller, je länger sie liefen, sie zerstörten die Depots, die Maschinen, und selbst dann, 203 als sie die Strecke erreichten, wo noch das elektrische Licht brannte, nahm ihre Wut und Angst nicht ab. Und als der erste Rettungszug erschien, der alle, für die gar keine Gefahr mehr bestand, hinausbringen sollte, kämpften sie mit dem Messer und dem Revolver, um zuerst auf den Zug zu kommen.
Zur Zeit als sich tief drinnen im Tunnel die Katastrophe ereignete, war es noch Nacht in Mac City. Es war düster. Das schwere massige Gewölk des Himmels glomm düsterrot im hellen Nachtschweiß der schlaflosesten Stadt dieser schlaflosen Zeit.
Mac City fieberte und lärmte wie am Tage. Bis zum Horizont war die Erde bedeckt von ewig bewegten glühenden Lavaströmen, aus denen Funken, Feuerblitze und Dampf stiegen. Myriaden wimmelnder Lichter schossen hin und her, wie Infusorien im Mikroskop. Die Glasdächer der Maschinenhallen auf den Terrassen des Trasseneinschnittes funkelten wie grünes Eis in einer mondhellen Winternacht. Pfeifen und Glocken schrien gierig und ringsum hämmerte das Eisen und die Erde bebte.
Die Züge schossen hinab, herauf, wie sonst. Die ungeheuren Maschinen, Dynamos, Pumpen, Ventilatoren spielten und klangen in den blitzblanken Hallen.
Es war kühl und die Mannschaften, die aus dem backofenwarmen Tunnel kamen, rückten frierend zusammen und stürzten, sobald der Zug hielt, zähneklappernd in die Kantine, um heißen Kaffee oder Grog zu trinken. Dann sprangen sie laut und polternd in die elektrischen Cars, die sie nach ihren Kasernen und Häusern brachten.
Schon wenige Minuten nach vier Uhr ging das Gerücht um, daß im Tunnel ein Unglück passiert sei. Ein Viertel nach vier Uhr wurde Harriman aufgeweckt und erschien 204 verschlafen und fast zusammenbrechend vor Müdigkeit im Zentralbüro.
Harriman war ein energischer und entschlossener Mann, hart geworden auf den Schlachtfeldern der Arbeit. Gerade heute aber befand er sich in einer elenden Verfassung. Er hatte die ganze Nacht über geweint. Denn ein Telegramm hatte ihn abends erreicht, daß sein Sohn, das Einzige, was ihm aus seinem Leben geblieben war, in China dem Fieber erlegen sei. Schwer und schrecklich hatte er gelitten und schließlich eine doppelte Dosis Schlafpulver genommen, um einschlafen zu können. Er schlief jetzt noch, während er in den Tunnel hineintelephonierte, um näheres über die Katastrophe zu erfahren. Niemand wußte etwas und Harriman saß apathisch und teilnahmlos im Sessel und schlief mit offenen Augen. Zur selben Zeit wurde es Licht in Hunderten von Arbeiterhäusern in den Kolonien. Stimmen sprachen und raunten in den Straßen, jenes erschreckte Raunen, das man sonderbarerweise im tiefsten Schlaf hört. Weiber liefen zusammen. Von der Süd- und Nordkolonie her bewegten sich dunkle Truppe von Weibern und Männern den funkelnden Glasdächern der Terrassen entgegen zum Zentralbureau.
Sie sammelten sich vor dem nüchternen, hohen Gebäude an und als sie ein großer Haufe geworden waren, begann dieser Haufe ganz von selbst zu rufen. »Harriman! Wir wollen wissen, was geschehen ist!«
Ein Clerk mit aufreizend gleichgültiger Miene erschien.
»Wir wissen selbst nichts Bestimmtes.«
»Fort mit dem Clerk! Wir wollen keinen Clerk! Wir wollen Harriman! – Harriman!!«
Immer mehr sammelten sich an. Von allen Seiten krochen die dunkeln Bündel heran und vereinigten sich mit der Menge vor dem Bürogebäude. 205
Harriman erschien endlich selbst, bleich, alt, müde und verschlafen und Hunderte von Stimmen schrien ihm die Frage entgegen, in allen Sprachen und Tonarten: »Was ist passiert?«
Harriman machte ein Zeichen, daß er sprechen wollte, und es wurde ganz still.
»Im Südstollen hat bei der Bohrmaschine eine Explosion stattgefunden. Mehr wissen wir nicht.« Harriman vermochte kaum zu sprechen, die Zunge lag ihm wie ein metallner Klöpfel im Mund.
Ein wildes Geheul antwortete ihm. »Lügner! Schwindler! Du willst es uns nicht sagen!«
Harriman stieg das Blut ins Gesicht und seine Augen traten aus dem Kopf vor Zorn; er besann sich, wollte sprechen, aber sein Gehirn arbeitete nicht. Er ging und schlug die Tür hinter sich zu.
Da flog ein Stein durch die Luft und zertrümmerte eine Scheibe im Parterre. Man sah, wie ein Clerk sich erschrocken davonmachte.
»Harriman! Harriman!«
Harriman erschien wieder in der Türe. Er hatte sich kalt gewaschen und war etwas wacher geworden. Krebsrot sah sein Gesicht unter den grauweißen Haaren aus.
»Was für ein Unsinn ist das, die Fenster einzuschmeißen?!« schrie er laut. »Wir wissen nicht mehr, als ich sagte! Seid vernünftig!«
Stimmen schrien durcheinander.
»Wir wollen wissen, wie viele tot sind. Wer ist tot? Namen!«
»Ihr seid ein Pack von Narren, ihr Weiber!« schrie Harriman zornig. »Wie soll ich das jetzt schon wissen.« Und Harriman drehte sich langsam um und ging wieder ins Haus zurück, einen Fluch zwischen den Zähnen. 206
»Harriman! Harriman!«
Die Weiber drängten nach.
Es hagelte plötzlich Steine. Denn das Volk, das sich sonst der Justiz ohne zu denken unterwirft, schafft sich in solchen Augenblicken aus eingeborenem Rechtsgefühl eigene Gesetze und bringt sie augenblicklich an Ort und Stelle in Anwendung.
Harriman kam wieder, voller Wut. Aber er sagte nichts.
»Zeig uns das Telegramm!«
Harriman blieb stehen. »Telegramm? Ich habe kein Telegramm. Eine telephonische Nachricht hatte ich.«
»Her damit!«
Harriman verzog keine Miene. »Gut, ihr sollt sie haben.« In einer Minute kam er wieder zurück, mit einem Zettel von einem Telephonblock in der Hand und las laut vor. Weithin vernahm man die Worte, die er hervorhob: »Bohrmaschine – Südstollen – Explosion beim Schießen – 20 bis 30 Tote und Verletzte. – Hobby.«
Und Harriman übergab den Zettel den Zunächststehenden und ging ins Haus zurück.
Im Nu war der Zettel in hundert Stücke zerrissen, so viele wollten ihn gleichzeitig lesen. Die Menge beruhigte sich für einige Zeit. 20 bis 30 Tote – das war gewiß schrecklich, aber keine große Katastrophe. Man konnte wieder hoffen. Es war ja nicht gesagt, daß gerade er bei der Bohrmaschine gearbeitet hatte. Am meisten beruhigte der Umstand, daß Hobby die telephonische Nachricht gesandt hatte.
Und doch gingen die Weiber nicht nach Hause. Merkwürdig! Ihre alte Unruhe kam zurück, ihre Augen flackerten, ihre Herzen schlugen. Ein Druck lastete auf ihnen und sie wechselten scheue Blicke.
Wenn Harriman log –? 207
Sie fluteten hinüber zur Station, wo die Züge heraufkamen, und warteten zitternd, frierend, in Tücher und Decken eingehüllt. Von der Station aus konnte man die Trasse hinab bis zur Tunnelmündung sehen. Die nassen Geleise glänzten im Licht der Bogenlampen, bis sie zu dünnen Linien zusammenschmolzen. Ganz unten gähnten zwei graue Löcher. Ein Licht erschien in einem Loch, es blitzte unbestimmt auf, ein Feuerschein fuhr heraus und plötzlich sah man das blendende Zyklopenauge eines Zuges die Trasse herauffliegen.
Die Züge verkehrten noch ganz regelmäßig. In gleichen Abständen liefen die Materialzüge hinab, in unregelmäßigen Zwischenräumen, wie gewöhnlich, jagten die Gesteinszüge herauf, oft nur einer, oft drei, fünf, zehn hintereinander, wie sie es seit sechs Jahren Tag und Nacht taten. Es war das gleiche Bild, wie sie es alle tausendmal gesehen hatten. Und doch starrten sie mit wachsender Spannung auf die Züge, die heraufkamen.
Brachten sie Mannschaften mit, so wurden die Ankommenden umdrängt, mit Fragen bestürmt. Aber sie wußten nichts, sie waren ja schon auf der Ausfahrt gewesen.
Es ist unerklärlich, wie das Gerücht kaum zehn Minuten nach der Katastrophe schon über Tag umgehen konnte. Ein unvorsichtiges Wort eines Ingenieurs, ein unwillkürlicher Ausruf am Telephon – es war bekannt geworden. Nun aber hörte man gar nichts mehr, gar nichts, die Nachrichten wurden sorgfältig gehütet.
Bis sechs Uhr fuhren die Materialzüge und Mannschaften regelmäßig ein. (Sie wurden laut Order bis zum 50. Kilometer geführt!)
Um sechs Uhr wurde den bereitstehenden Mannschaften mitgeteilt, daß ein Materialzug entgleist sei und die Strecke erst geräumt werden müsse. Sie hätten sich aber 208 bereitzuhalten. Da nickten die erfahrenen Burschen und warfen einander Blicke zu: Es mußte da drinnen bös aussehen! Lord!
Den Weibern wurde befohlen, die Station zu räumen. Aber sie kamen dem Befehl nicht nach. Sie standen unbeweglich, festgeschraubt von ihrem Instinkt zwischen dem Netz von Geleisen und starrten die Trasse hinab. Immer größere Truppe gesellten sich zur Menge. Kinder, halbwüchsige Burschen, Arbeiter, Neugierige.
Der Tunnel aber spie Gestein aus, immerzu, ohne Aufhören.
Plötzlich beobachtete die Menge, daß die Materialzüge seltener einfuhren und ein wirres Durcheinander von Stimmen schwirrte auf. Dann fuhren überhaupt keine Materialzüge mehr ein und die Menge wurde noch unruhiger. Niemand glaubte das Märchen, daß ein entgleister Zug die Strecke blockiert habe. Alle wußten, daß es täglich vorkam und die Züge sich trotzdem in der gleichen Anzahl in den Tunnel hinabstürzten.
Nun war es Tag.
Die Zeitungen New Yorks machten bereits mit der Katastrophe Geschäfte: »Der Ozean in den Tunnel eingebrochen! 10 000 Tote!«
Kalt, blinkend, kam das Licht übers Meer her. Die elektrischen Lampen erloschen mit einem Schlage. Nur weit draußen auf dem Kai, wo plötzlich der Qualm der Dampferschornsteine sichtbar wurde, drehte sich noch das Blinkfeuer, als habe man vergessen, es abzustellen. Nach einer Weile erlosch es auch. Schrecklich nüchtern lag die blitzende Märchenstadt plötzlich da: mit ihrem kalten Schienennetz, ihrem Meer von Zügen, Kabelmasten und vereinzelten hohen Häusern, über die sich graue Wolken schleppten. Die Gesichter 209 sahen alle gelb und übernächtig aus, erstarrt und blaugefroren, denn vom Meer kam mit dem kalten Licht ein eisiger Luftstrom und kalter Sprühregen. Die Weiber schickten ihre Kinder nach Hause, Röcke, Tücher, Decken zu holen. Sie selbst aber rührten sich nicht von der Stelle!
Die Gesteinszüge, die von jetzt an heraufflogen, waren alle mit Mannschaften besetzt. Ja sogar die erst vor kurzer Zeit eingefahrenen Material- und Arbeiterzüge kamen wieder zurück.
Die Erregung wuchs und wuchs.
Aber alle Mannschaften, die heraufkamen, waren völlig im unklaren über die Ausdehnung der Katastrophe. Sie waren nur ausgefahren, weil alle hinter ihnen ausfuhren.
Und wieder starrten die Weiber voller Unruhe und schrecklicher Angst auf die zwei kleinen schwarzen Löcher da unten, die in die Höhe blickten wie zwei heimtückische zerfressene Augen, aus denen das Unheil und das Grauen selbst starrte.
Gegen neun Uhr kamen die ersten Züge, auf denen Mann neben Mann saß, die alle erregt gestikulierten, bevor nur der Zug hielt. Sie kamen aus dem Innern des Tunnels, wohin die Panik gerade ihre ersten Schrecken geworfen hatte. Sie schrien und heulten: »Der Tunnel brennt!«
Ein ungeheures Geschrei und Geheul stieg empor. Die Menge wälzte sich vorwärts, hin und her.
Da erschien Harriman auf einem Waggon und schwenkte den Hut und schrie. Im Morgenlicht sah er wie ein Leichnam aus, fahl, ohne Blut, und jedermann führte sein Aussehen auf das Unglück zurück.
»Harriman! Ruhe, er will reden!«
»Ich schwöre, daß ich die Wahrheit spreche!« schrie Harriman, als sich die Menge beruhigt hatte, und dicke Dunstwolken stießen bei jedem Wort aus seinem Mund hervor. 210 »Es ist ein Unsinn, daß der Tunnel brennt! Beton und Eisen kann nicht brennen. Infolge der Explosion sind ein paar lausige Pfosten hinter der Bohrmaschine in Brand geraten und daraufhin ist eine Panik entstanden. Unsere Ingenieure sind schon bei der Arbeit zu löschen! Ihr braucht nicht –«
Aber man ließ Harriman nicht ausreden. Ein wildes Pfeifen und Schreien unterbrach ihn und die Weiber hoben Steine auf. Harriman sprang vom Waggon und kehrte in die Station zurück. Er sank kraftlos in einen Stuhl.
Er fühlte, daß alles verloren sei und nur Allan allein eine Katastrophe hier oben verhindern konnte.
Allan aber konnte nicht vor dem Abend hier sein!
Der nüchterne, kalte Stationssaal war voll von Ingenieuren, Ärzten und Beamten, die herbeigeeilt waren, um sich zur Hilfeleistung bereitzuhalten.
Harriman hatte einen Liter schwarzen Kaffees getrunken, um die Wirkung der Schlafpulver aufzuheben. Er hatte sich übergeben und war zweimal ohnmächtig geworden.
Ja, was sollte er tun? Das einzig Vernünftige, was er gehört hatte, war eine Botschaft Bärmanns, von einem Ingenieur in Bärmanns Namen von der sechzehnten Station aus telephoniert.
Nach Bärmanns Ansicht seien die Pfosten im verzimmerten Stollen infolge der Hitze von selbst in Brand geraten und das Feuer habe die Sprenghülsen zur Explosion gebracht. Das war vernünftig, aber dann konnte doch die Detonation nicht so heftig gewesen sein, daß man sie bis zur zwölften Station hörte?
Harriman hatte Rettungszüge hineingeschickt, aber sie waren zurückgekommen, da die Züge aller vier Gleise nach auswärts liefen und sie zurückpreßten. 211
Harriman hatte dreißig Minuten nach vier Uhr an Allan telegraphiert, den die Depesche im Schlafwagen New York-Buffalo erreichte. Allan hatte geantwortet, daß er mit einem Extrazug zurückeilen werde. Eine Explosion sei ausgeschlossen, da die Sprengstoffe im Feuer nur verbrannten. In der Maschine selbst sei die Menge der Sprengstoffe auch äußerst gering. Rettungszüge! Alle Stationen mit Ingenieuren besetzen. Den brennenden Stollen unter Wasser setzen!
Allan hatte gut reden. Es war ja gar nicht möglich, vorläufig einen einzigen Zug in den Tunnel zu bringen, obgleich Harriman augenblicklich die reguläre Ableitung der Züge auf die nach außen führenden Geleise angeordnet hatte.
Niemand telephonierte mehr, nur in der fünfzehnten, sechzehnten und achtzehnten Station waren noch Ingenieure, die angaben, daß alle Züge vorbei seien.
Die Geleise wurden aber nach einiger Zeit frei und Harrimann sandte vier Rettungszüge hintereinander in den Tunnel.
Die Menge ließ die Züge finster passieren.
Einzelne Weiber stießen gemeine Schimpfworte gegen die Ingenieure aus. Die Stimmung wurde von Minute zu Minute erregter. Dann aber, gegen zehn Uhr, kamen die ersten Züge mit Arbeitern aus dem »Fegfeuer« an.
Nun bestand kein Zweifel mehr, daß die Katastrophe schrecklicher war, als jemand hätte ahnen können.
Immer mehr Züge kamen und nun kamen Mannschaften, die schrien: »Alles in den letzten dreißig Kilometern ist tot!!« 212