Bernhard Kellermann
Der Tunnel
Bernhard Kellermann

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2.

In den ersten Monaten sah Maud ihren Gatten sehr selten.

Sie erkannte schon nach den ersten Tagen, daß seine jetzige Arbeit von ganz anderer Art war als seine Tätigkeit in der Fabrik in Buffalo, und sie war klug und stark genug, Macs Werk ohne viele Worte ihr Teil zu opfern. An vielen Tagen bekam sie ihn überhaupt nicht zu Gesicht. Er war auf der Baustelle, in den Versuchswerkstätten von Buffalo, oder er hatte dringende Konferenzen. Allan begann seine Arbeit morgens um sechs Uhr und sie hielt ihn häufig bis spät in die Nacht hinein fest. Vollkommen ermüdet, zog er es zuweilen vor, auf der Ledercouch seines Arbeitsraumes zu übernachten, anstatt erst nach Bronx zu fahren.

Auch darein fügte sich Maud.

Damit er wenigstens einigen Komfort für diese Fälle habe, richtete sie ihm ein Schlafzimmer mit Bad und ein Speisezimmer im Syndikatgebäude ein, eine richtige kleine Wohnung, in der er Tabak und Pfeifen, Kragen, Wäsche, kurz alles, was er brauchte, fand. Sie überließ ihm Lion, den chinesischen Boy, zur Bedienung. Denn niemand vermochte so gut mit Mac umzugehen wie er. Lion konnte mit asiatischem Gleichmut hundertmal nacheinander sagen – immer mit einer kleinen angemessenen Pause dazwischen –: »Dinner, sir – Dinner, sir.« Er verlor weder die Geduld noch hatte er Launen. Er war immer da und man sah ihn nie. Er arbeitete lautlos und gleichmäßig wie eine gutgeölte Maschine und doch war stets alles in peinlicher Ordnung.

Nun sah sie Mac allerdings noch seltener, aber sie hielt sich tapfer. Solange es die Witterung erlaubte, arrangierte 104 sie am Abend kleine Diners auf dem Dach des Syndikatgebäudes, das einen berückenden Blick über New York gewährte. Diese Diners mit einigen Freunden und Mitarbeitern Macs machten ihr große Freude und sie verwandte den ganzen Nachmittag auf die Vorbereitung. Es verdroß sie auch nicht, wenn Mac zuweilen nur auf einige Minuten kommen konnte.

Die Sonntage aber verbrachte Allan regelmäßig in Bronx bei ihr und Edith; und dann schien es, als wolle er alle Versäumnisse der Woche wettmachen, so ausschließlich widmete er sich ihr und dem Kinde, heiter und harmlos wie ein großer Knabe.

Manchmal auch fuhr er an den Sonntagen mit ihr nach der Baustelle in New Jersey, um »Hobby etwas Dampf aufzusetzen«.

Es kam ein ganzer Monat voller Konferenzen mit den Gründern und Großaktionären des Syndikats, mit Finanzleuten, Ingenieuren, Agenten, Hygienikern, Baumeistern. In New Jersey waren sie auf große Mengen Wassers gestoßen, in »Bermuda« verursachte der Bau des Serpentintunnels unerwartete Schwierigkeiten. In »Finisterra« war das Arbeitermaterial minderwertig und mußte durch besseres ersetzt werden. Und dazu häuften sich die laufenden Arbeiten von Tag zu Tag mehr und mehr.

Allan arbeitete zuweilen zwanzig Stunden nacheinander, und es war selbstverständlich, daß sie an solchen Tagen keine Ansprüche an ihn erhob.

Mac versicherte ihr, daß es in einigen Wochen besser sein werde. Wenn der erste Rush vorbei sei. Sie hatte Geduld. Ihre einzige Sorge war, daß Mac sich überarbeiten könne.

Maud war stolz, die Frau Mac Allans zu sein! In einer stillen Begeisterung ging sie umher. Sie liebte es, wenn die Zeitungen ihn den »Eroberer der submarinen 105 Kontinente« nannten und die Genialität und Kühnheit seiner Entwürfe priesen. Übrigens hatte sie sich noch nicht ganz daran gewöhnt, daß Mac nun plötzlich ein berühmter Mann geworden war. Sie betrachtete ihn zuweilen voller Staunen und Ehrfurcht. Aber dann fand sie, daß er ganz genau so aussah wie früher, schlicht, gar nicht ungewöhnlich. Sie befürchtete auch, daß sein Nimbus in der Öffentlichkeit verblassen würde, wenn die Leute wüßten, wie simpel sein Wesen im Grunde genommen sei. Eifrig sammelte sie alle Aufsätze und Zeitungsnotizen, die sich auf den Tunnel und Mac bezogen. Zuweilen trat sie auch in ein Kinotheater, wenn sie gerade vorbeikam, um sich selbst zu sehen, »Mac's wife«, wie sie in Tunnel-City aus dem Automobil stieg und ihr heller Staubmantel flatterte im Winde. Die Journalisten nahmen jede Gelegenheit wahr, um sie zu interviewen, und sie lachte sich tot vor Vergnügen, wenn sie am nächsten Tag in der Zeitung einen Artikel fand: »Macs Frau sagt, er ist der beste Gatte und Vater New Yorks.«

Obwohl sie es sich nicht eingestand, schmeichelte es ihr, wenn die Leute in Geschäften, wo sie Einkäufe machte, sie neugierig anstarrten, und ein großer Triumph ihres Lebens war es, als Ethel Lloyd ihren Wagen am Union-Square abstoppen ließ und sie ihren Freundinnen zeigte.

An den schönen Tagen fuhr sie Edith in einem eleganten Korbwägelchen im Bronx-Park spazieren und dann besuchten sie stets den Tiergarten, wo sie sich beide stundenlang vor den Affenkäfigen amüsieren konnten, und zwar amüsierte sich Maud nicht weniger als ihr Kind. Als aber der Herbst kam und Nebel aus dem feuchten Boden von Bronx stiegen, hatte dieses Vergnügen ein Ende.

Mac hatte versprochen, an Weihnachten drei Tage ganz und gar – ohne jede Arbeit! – mit ihnen zu verbringen, und Mauds Herz jubelte schon Wochen vorher. Es sollte 106 genau so werden wie ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest. Hobby sollte am zweiten Feiertag kommen und sie wollten Bridge spielen, bis sie umfielen. Maud hatte ein endloses Programm für die drei Tage ausgearbeitet.

Den ganzen Dezember hindurch bekam sie allerdings ihren Gatten fast nicht zu sehen. Allan war tagtäglich von Beratungen mit Finanzleuten in Anspruch genommen, da sie die Vorbereitungen für die finanzielle Kampagne trafen, die im Januar eröffnet werden sollte.

Allan brauchte – vorerst! – die hübsche Summe von drei Milliarden Dollar. Aber er zweifelte keinen Augenblick daran, daß er sie bekommen würde.

Wochenlang war das Syndikatgebäude von Journalisten belagert gewesen, denn die Presse hatte mit der Sensation glänzende Geschäfte gemacht. Auf welche Weise sollte der Tunnel gebaut werden? Wie verwaltet? Wie sollten sie da drinnen mit Luft versorgt werden? Wie war die Tunnelkurve berechnet worden? Wieso kam es, daß die Tunnelkurve, trotz kleiner Umwege, um ein Fünfzigstel kürzer werden würde als der Seeweg? (»Stich eine Nadel durch einen Globus und du weißt es!«) Das waren alles Fragen, die das Publikum wochenlang in Atem hielten. Am Schluß hatte man nochmals die Fehde um den Tunnel, einen neuen »Tunnelkrieg« in den Zeitungen entfacht, der mit der gleichen Erbitterung und dem gleichen Lärm geführt wurde wie der erste.

Die gegnerische Presse führte wiederum ihre alten Argumente ins Feld: daß niemand diese ungeheure Strecke aus Granit und Gneis herauszubohren imstande sei, daß eine Tiefe von 4000 bis 5000 Metern unter dem Meeresspiegel jede menschliche Tätigkeit ausschließe, der ungeheuren Hitze und dem enormen Druck kein Material standhalten würde – daß aus all diesen Gründen der Tunnel 107 ein klägliches Fiasko erleiden würde. Die freundlich gesinnte Presse aber machte ihren Lesern zum tausendstenmal die Vorzüge des Tunnels klar: Zeit! Zeit! Zeit! Pünktlichkeit! Sicherheit! Die Züge würden so sicher laufen wie die Züge auf der Erdoberfläche – ja, sicherer! Man sei nicht mehr vom Wetter, vom Nebel und Wasserstand abhängig und setze sich nicht der Gefahr aus, irgendwo auf dem Ozean von den Fischen gefressen zu werden. Man erinnere sich nur an die Katastrophe der »Titanic«, bei der sechzehnhundert Menschen das Leben verloren, und an das Schicksal der »Kosmos«, die mit ihren viertausend Menschen an Bord mitten im Ozean verscholl!

Die Luftschiffe kämen überhaupt niemals für einen Massenverkehr in Betracht. Und zudem sei es bis heute erst zwei Luftschiffen gelungen, den Atlantik zu überfliegen.

In jener Zeit konnte man keine Zeitung oder Zeitschrift in die Hand nehmen, ohne auf das Wort »Tunnel« und auf Illustrationen und Abbildungen zu stoßen, die sich auf den Tunnel bezogen.

Im November wurden die Nachrichten spärlicher und schließlich erloschen sie ganz. Das Pressebureau des Syndikats hüllte sich in Stillschweigen. Allan hatte die Baustellen gesperrt und es war unmöglich, neue Illustrationen zu veröffentlichen.

Das Fieber, das die Zeitungen im Volk entfacht hatten, verflog, und nach einigen Wochen war der Tunnel eine alte Geschichte, für die man kein Interesse mehr übrig hatte. Etwas Neues stand momentan im Vordergrund: internationaler Rundflug um die Erde!

Der Tunnel aber war vergessen.

Das war Allans Absicht! Er kannte seine Leute und wußte recht gut, daß diese ganze erste Begeisterung ihm keine Million Dollar eingebracht hätte. Er selbst wollte, 108 wenn er den richtigen Zeitpunkt für gekommen wähnte, eine zweite Begeisterung entfachen, die nicht allein auf Sensation beruhte!

Im Dezember ging eine ausführlich kommentierte Nachricht durch die Zeitungen, die geeignet war, eine Ahnung von der Tragweite des Allanschen Projektes zu geben: die Pittsburg-Smelting and Refining Company erwarb für die Summe von zwölfeinhalb Millionen Dollar das Anrecht auf alle im Verlauf des Baus zutage geförderten Materialien, die sich hüttentechnisch verarbeiten ließen. (Die Aktien der P. S. R. C. waren im sechsten Baujahr um 60 Prozent gestiegen!) Gleichzeitig erschien die Notiz, daß die Edison-Bioskop-Gesellschaft für eine Million Dollar das alleinige Recht erworben habe, photographische und kinematographische Aufnahmen vom Tunnel während der ganzen Bauzeit zu machen und zu veröffentlichen.

Die Edison-Bio verkündete in grellen Plakaten, daß sie »das ewige Denkmal des Tunnelbaus, vom ersten Spatenstich an bis zum ersten Europa-Flyer schaffen wolle, um den kommenden Geschlechtern die Geschichte des größten menschlichen Werkes zu überliefern.« Sie beabsichtige, die Tunnelfilme alle zuerst in New York vorzuführen, um sie von da aus über dreißigtausend Theater des ganzen Erdballs zu schicken.

Es war unmöglich, eine bessere Reklame für den Tunnel zu ersinnen.

Die Edison-Bio begann ihre Arbeit am gleichen Tage und ihre zweihundert Theater New Yorks waren bis auf den letzten Platz besetzt.

Edison-Bio brachte die bekannten Szenen auf dem Dachgarten des Atlantic, sie zeigte die fünf gewaltigen Staubsäulen der einzelnen Baustellen, die Steinfontänen, die das Dynamit emporjagt, die Abfütterung von hunderttausend 109 Menschen, den Anmarsch der Arbeiterbataillone am Morgen, sie zeigte den Mann, dem ein Felsstück den Brustkorb eingeschlagen hat und der noch leise atmet, bevor er stirbt. Sie zeigte den Friedhof der Tunnelstadt mit fünfzehn frischen Hügeln. Sie zeigte Holzfäller in Kanada, die einen Wald für Allan niederschlagen – sie zeigte die Heere von beladenen Waggons, die alle die Buchstaben A. T. S. trugen.

Dieser Film, der zehn Minuten lang dauerte und den schlichten Namen »Eisenbahnwagen« trug, machte den stärksten und in der Tat einen überwältigenden Eindruck. Güterzüge, nichts sonst. Güterzüge in Schweden, Rußland, Österreich, Ungarn, Deutschland, Frankreich, England, Amerika. Züge mit Erzen, Holzstämmen, Kohlen, Schienen, Eisenrippen, Röhren, endlos. Ihre Maschinen qualmten und alle rollten vorüber – alle rollten! – ohne Aufhören rollten sie vorüber, so daß man sie schließlich rollen und rauschen hörte.

Zum Schluß kam noch ein kurzer Film: Allan geht mit Hobby über die Baustelle in New Jersey.

Jede Woche brachte die Edison-Bio einen neuen »Tunnelfilm«, und am Schluß erschien Allan stets in irgendeiner Situation in eigener Person.

Während Allans Name früher kaum mehr gewesen war als der Name eines Rekordfliegers, der heute bejubelt wird und morgen das Genick bricht und übermorgen vergessen ist, so verband die Menge jetzt mit seinem Namen und seinem Werk festgefügte und klare Vorstellungen.

Vier Tage vor Weihnachten waren New York und alle großen und kleinen Städte der Staaten mit möbelwagengroßen Plakaten überschwemmt, vor denen sich die Menge trotz dem Geschäftsfieber der Weihnachtswoche ansammelte. Diese Plakate zeigten eine Feenstadt, einen Ozean von 110 Häusern, aus der Vogelperspektive gesehen. Nie hatte ein Mensch etwas Ähnliches gesehen oder erträumt! In der Mitte dieser Stadt, die in lichten Farben gehalten war (ganz wie New York an einem dunstigen sonnigen Morgen erscheint), lag eine grandiose Bahnhofanlage, im Vergleich zu der Hudson-River-Terminal, Central- und Pennsylvania-Station Kinderspielzeuge waren. Ein Delta tiefliegender Trassen ging von ihr aus. Die Trassen, ebenso die Haupttrasse, die zu den Tunnelmündungen führte, waren von unzähligen Brücken überspannt, von Parkanlagen mit Fontänen und blühenden Terrassen eingesäumt. Ein dichtgedrängtes Gewimmel tausendfenstriger Wolkenkratzer scharte sich um den Bahnhofsquare: Hotels, Kaufhäuser, Banken, Officebuildings. Boulevards, Avenuen, in denen die Menge wimmelte, Autos, elektrische Bahnen, Hochbahnen dahinschossen. Endlose Reihen von Häuserblöcken, die sich im Dunst des Horizonts verloren. Im Vordergrund links waren märchenhafte, faszinierende Hafenanlagen zu sehen, Lagerhäuser, Docke, Kaie, auf denen die Arbeit fieberte, voller Dampfer, Schornstein an Schornstein, Mast an Mast. Im Vordergrund rechts ein endloser, sonniger Strand voller Strandkörbe, und dahinter riesige Luxusbadehotels. Und unter dieser blendenden Märchenstadt stand: »Mac Allans Städte in zehn Jahren.«

Die oberen zwei Drittel des Riesenplakates waren sonnige Luft. Und ganz oben, am Rande, zog ein Aeroplan, nicht größer als eine Möwe. Man sah, daß der Pilot etwas mit der Hand über Bord warf, das anfangs wie Sand aussah, dann aber rasch größer wurde, flatterte, sich ausbreitete, zu Zetteln wurde, von denen einzelne dicht über der Stadt so groß waren, daß man deutlich lesen konnte, was darauf stand: »Kauft Baustellen!«

Dieser Entwurf stammte von Hobby, der nur an den 111 Kopf zu klopfen brauchte und die großartigsten Dinge kamen heraus.

Am gleichen Tag lag das Plakat in entsprechendem Format allen großen Zeitungen bei. Jeder Quadratfuß New Yorks war damit bedeckt. In allen Bureaus, Restaurants, Bars, Saloons, Zügen, Stationen, Ferryboats, überall stieß man auf die Wunderstadt, die Allan aus den Dünen stampfen wollte. Man belächelte, bestaunte, bewunderte sie, und am Abend kannte jedermann Mac Allans City ganz genau: ganz New York glaubte schon in Mac Allan City gewesen zu sein!

In der Tat, dieser Bursche verstand es, von sich reden zu machen.

»Bluff! Bluff! Fake! The greatest bluff of the world!«

Aber unter zehn, die »Bluff« schrien, sah man immer einen, der die Hände rang, die andern an den Schultern schüttelte und sich blau schrie:

»Bluff? Nonsense, Mann! Nimm deinen Kopf zusammen! Mac macht es!!! Wir sehen uns wieder! Mac ist ein Kerl, der alles macht, was er sagt!«

Waren diese Riesenstädte in Zukunft überhaupt wahrscheinlich und möglich? Das war die Frage, an der man sich die Köpfe einstieß.

Schon am nächsten Tage brachten die Zeitungen die Antworten der berühmtesten Statistiker, Nationalökonomen, Bankiers, Großindustriellen. Mr. F. says: –! Sie stimmten alle darin überein, daß allein schon die Verwaltung des Tunnels und der technische Betrieb viele Tausende von Menschen erfordern würde, die an und für sich respektable Städte füllten. Der Passagierverkehr zwischen Amerika und Europa würde sich nach Ansicht der einzelnen Kapazitäten zu drei Vierteln, nach jener anderer zu neun Zehnteln dem Tunnel zuwenden. Heute waren täglich rund 112 fünfzehntausend Menschen zwischen den Kontinenten unterwegs. Mit der Eröffnung des Tunnels würde sich der Verkehr versechsfachen, ja – nach einigen – verzehnfachen. Die Ziffern konnten ins Unfaßbare emporschnellen. Ungeheure Menschenmassen würden täglich in den Tunnelstädten eintreffen. Es war sogar möglich, daß diese Tunnelstädte in zwanzig, fünfzig und hundert Jahren Dimensionen annehmen würden, die wir Menschen von heute mit unseren kleinlichen Maßstäben gar nicht auszudenken vermochten.

Allan führte nun Schlag auf Schlag.

Am nächsten Tag gab er die Bodenpreise bekannt.

Nein, Allan war nicht so schamlos, die gleichen Unsummen zu verlangen, die man in Manhattan forderte, wo man den Quadratmeter mit Tausend-Dollarnoten auslegen mußte, nein, aber trotzdem waren seine Preise unverschämt und machten den stärksten Mann mundtot. Die Real-Estate-Agenten tanzten, als ob sie Gift genommen hätten. Sie machten Bewegungen, als hätten sie sich Finger und Mundwerk verbrannt. Oh, hehe! Sie schlugen Beulen in ihre steifen Hüte: Mac! Wo war er, dieser Schurke, der ihre Hoffnungen zerschmettert hatte, in einigen Jahren ein Vermögen zu verdienen! Woher nahm er das Recht, alles Geld in die eigenen Taschen zu schieben?

Es lag haarklar auf der Hand: dieser Fall Allan war die größte und kühnste Bodenspekulation aller Zeiten! Allan, dieser Schurke, hatte Sandhaufen hektarweise eingekauft und verzapfte sie in Quadratmetern! – In der billigsten Zone seiner verfluchten Schwindelstädte – die noch gar nicht existierten. – verhundertfachte, in der teuersten Zone vertausendfachte er sein Geld.

Die Spekulation versteinerte! (Aber die einzelnen Spekulanten behielten einander argwöhnisch im Auge. Sie witterten geheime Attentate, Truste, Konzerne!) Wie eine 113 feindselig geschlossene Phalanx stand sie Allans unverschämten Forderungen gegenüber. Allan hatte noch dazu die Nerven, zu verkündigen, daß er dieses »günstige« Angebot nur drei Monate offen lassen werde. Sollte er! Es würde sich ja zeigen, ob es Liebhaber gab für seine Schmutzpfützen – hoho! – Narren, die einfaches Wasser für Whisky bezahlten – – –

Und es zeigte sich!

Gerade jene Schiffahrtskompagnien, die Allan mit Feuer und Gift auf den Leib gerückt waren, sicherten sich die ersten Baustellen, Kaie, Docke. Lloyds Bank schluckte einen ungeheuren Brocken, das Warenhaus Wannamaker folgte.

Nun mußte man! Man mußte! Jeden Tag veröffentlichten die Zeitungen neue Ankäufe – sinnlose Summen für nichts als Sand, Geröll – in einer Bluffstadt! – aber man mußte, wollte man nicht zu spät kommen. Es gab Geschichten in der Welt, deren Ausgang man nie voraussagen konnte.

Never my God to thee, – es gab kein Zurück mehr . . .

Allan machte keine Pause. Er hatte die Öffentlichkeit auf die nötige Temperatur gebracht und er wollte von dieser Temperatur profitieren.

Am vierten Januar lud er die Welt auf einer Riesenseite in allen Zeitungen zur Zeichnung der ersten drei Milliarden Dollar ein, von welcher Summe zwei Drittel auf Amerika und ein Drittel auf Europa entfallen sollten. Eine Milliarde sollte durch Aktien, der Rest durch Shares aufgebracht werden.

Die Subskriptionseinladung enthielt alles Wesentliche über Baukosten, Eröffnung des Tunnels, Rentabilität, Verzinsung, Amortisation. Dreißigtausend Passagiere täglich angenommen, würde sich der Tunnel schon rentieren. Es sei aber ohne Zweifel täglich mit vierzigtausend und 114 mehr zu rechnen. Dazu kämen die enormen Einnahmen für Fracht, Post, pneumatische Expreßpost und Telegramme . . .

Es waren Zahlen, wie die Welt sie noch nie gesehen hatte! Verwirrende, beschwörende, unheimliche Zahlen, die einem Atem und Verstand raubten!

Die Zeichnungsaufforderung war von den Gründern und Großaktionären des Syndikats, den blendendsten Namen der Staaten, den führenden Banken unterzeichnet. Als Chef des finanziellen Ressorts tauchte zur größten Überraschung New Yorks ein Mann auf, der aller Welt als »Lloyds right-hand-man« bekannt war: S. Woolf, bisher Direktor von »Lloyds Bank.«

 


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