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Edison Bio machte immer noch glänzende Geschäfte mit ihrem wöchentlich neuen Tunnel-Film.
Sie zeigte die schwarze Wolkenbank, die ewig über dem Materialbahnhof in Mac City steht. Sie zeigte die unübersehbare Armee von Waggons, die von tausend qualmenden Lokomotiven aus allen Staaten Amerikas hierhergeschleppt wurden. Verladebrücken, Drehkrane, Laufkatzen, Hochbahnkrane. Sie zeigte das »Fegfeuer« und die »Hölle« voll rasender Menschen, der Phonograph gab gleichzeitig den Lärm wieder, wie er, zwei Meilen hinter der »Hölle« durch die Stollen tobte. Obwohl durch einen Dämpfer aufgenommen, war der Lärm so 173 überwältigend und entsetzlich, daß das Auditorium sich die Ohren zuhielt.
Edison Bio zeigte die ganze Bibel der modernen Arbeit. Und alles mit einem bestimmten Ziel: dem Tunnel!
Und die Zuschauer, die sich vor zehn Minuten an einem schauerlichen Melodrama ergötzt hatten, fühlten, daß all die bunten, rauchenden und dröhnenden Bilder der Arbeit, die die Leinwand zeigte, nichts anderes waren als Szenen eines weitaus größeren und mächtigeren Dramas, dessen Held ihre Zeit war.
Edison Bio verkündete das Epos des Eisens, größer und gewaltiger als alle Epen des Altertums.
Eisengruben in Bilbao, Nordspanien, Gellivara, Grängesberg Schweden. Eine Hüttenstadt in Ohio, die Luft ein Aschenregen, die Schlöte dicht wie Lanzen. Flammende Hochöfen in Schweden, Feuerzacken ringsum am nächtlichen Horizont. Inferno. Ein Eisenhüttenwerk in Westfalen. Paläste aus Glas, Maschinen, vom Menschen ersonnen, Mammute mit ihrem zwerghaften Erzeuger und Lenker zur Seite. Eine Gruppe dicker Teufel, turmhoch, schwelend, die Hochöfen, umschnürt von Eisengürteln, zuweilen Feuer gegen den Himmel speiend. Die Erzkarren sausen hinauf, der Ofen wird beschickt. Die Giftgase brausen durch die Bäuche der dicken Teufel und erhitzen den Wind auf 1000 Grad, so daß Kohle und Koks von selbst zu glühen beginnen. 300 Tonnen Roheisen schmilzt der Ofen am Tage. Das Stichloch wird angestochen, ein Bach von Eisen schießt in die Gießhalle, die Menschen glühen, ihre Totengesichter blenden. Die Bessemer- und Thomasbirnen, geschwollene Spinnenleiber, Stockwerke hoch, bald stehend, bald liegend, vom Druck des Wassers bewegt, Luft durch das Eisen blasend, Feuerschlangen und Funkengarben weit hinausspeiend. Glut, Hitze, Hölle und Triumph! Die Martinsöfen, die Rollöfen, die 174 Dampfhämmer, die Walzwerke, Rauch, Funkentänze, brennende Menschen, jeder Zoll Genie, Sieg. Der Eisenblock glüht und knistert, läuft über die Walzenstraße zwischen den Walzen hindurch, streckt sich wie Wachs, wird länger, länger, läuft zurück durch das letzte Profil und liegt da, heiß und schwitzend, schwarz, besiegt, fertig: »Krupp, Essen, walzt eine Tunnelschiene.«
Zum Schluß: Ein Stollen in einem Kohlenbergwerk. Ein Pferdekopf, ein Pferd, ein kleiner Junge in hohen Stiefeln, der daneben hergeht, ein endloser Zug von Kohlenkarren dahinter. Ewig nickt das Pferd mit dem Kopf, stapft der Junge, bis er ganz nahe ist und mit seinem geschwärzten, fahlen Gesicht ins Publikum grinst.
Der Konferencier: »Solch ein Kohlenjunge war Mac Allan, der Erbauer des Tunnels, vor zwanzig Jahren.«
Ein ungeheurer Jubel bricht los! Der menschlichen Energie und Kraft jubelt man zu – sich selbst, seinen eigenen Hoffnungen!
In dreißigtausend Theatern führte Edison Bio die Tunnelfilme täglich vor. Es gab kein Nest in Sibirien und Peru, wo man die Filme nicht sah. So war es natürlich, daß all die Höchstkommandierenden des Tunnelbaus ebenso bekannt wurden wie Allan selbst. Ihre Namen prägten sich dem Gedächtnis des Volkes ein wie die Namen von Stephenson, Marconi, Ehrlich, Koch.
Nur Allan selbst hatte noch nicht Zeit gehabt, sich den Tunnelfilm anzusehen, obgleich die Edison Bio wiederholt versucht hatte, ihn an den Haaren hineinzuziehen.
Denn die Edison Bio versprach sich einen besonderen Erfolg von dem Film: »Mac Allan sieht sich selbst im Edison Bio.« 175