Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

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So kam Peterli auch einmal voll Groll neben dem Nägeliboden vorbei, er hatte Geld gesucht und niemand ihm geben wollen; er hörte seine Kühe von weitem und kein Mäuschen im Nägeliboden und brach in Donner und Blitz laut aus, denn Peterli war ehrlich, konnte seine Gedanken nicht verbergen, was in ihm sich regte, gab er unwillkürlich laut und ohne Vorsicht von sich. Da kam es ihm plötzlich in die Ohren: »Was willst? Was kommt dich an?« Wie unser Peterli erschrak! Er meinte, es sei der Teufel, den er beschworen, der jetzt nach seinem Begehren frage. Vor dem graute ihm, er segnete sich mit den drei höchsten Namen. »Nit nötig«, sagte die Stimme, »vor denen weiche ich nicht. Aber was fluchst so mörderlich und meinst jetzt, der Teufel stehe vor dir, hast ein böses Gewissen, Nachbar?« Da erschrak Peterli sehr, denn jetzt wußte er, es war der Nägelibodenbauer; aber ob nun eben erst der Teufel nicht weit sei, das wußte er nicht, es kam ihm sehr verdächtig vor allweg. Indessen, der Nägelibodenbauer fragte treuherzig: »Tat ich dir was zuleid, oder was hast?«

Peterli war nicht böse, und eigentlicher Haß fußete nicht in seiner Seele. Er gehörte zu den vielen Menschen, die in guten Stunden einer treuherzigen Ansprache ihr Herz alsbald öffnen, einem guten Wort nicht widerstehen und handkehrum vernagelt sind gegen die bestgemeinten Worte und für die besten Freunde nichts haben als mit Aufweisungen verstopfte Ohren. »Hab nichts wider dich«, sagte Peterli, »aber verflucht taub machen mich deine Kühe, kein Ketzer tut sMaul auf « »So«, lachte der Nägelibodenbauer, »wünschtest ihnen etwa gute Nacht und dankten dir nicht?« »Dumm«, sagte Peterli; »hörst nicht, wie meine brüllen und wollen nicht schweigen, mag machen, was ich will; prügeln hilft auch nicht, Eisi hats schon probiert.« »Probier und gib ihnen zu fressen. Wenn eine von meinen anfängt zu muckeln, füll ich den Bahren mit Heu, dann brauchen sie das Maul fürs Fressen, haben zum Brüllen keine Zeit«, antwortete der Nägelibodenbauer. »Gib du zu fressen, wenn du kein Heu hast und sonst nichts. Meinst, das wäre mir nicht auch in Sinn gekommen?« sagte Peterli. »So kauf Heu«, erwiderte der Nägelibodenbauer. »Du hast dich dessen ja nicht zu schämen, es ist ja Mancher im Dorfe, der es schon getan hat.« »Kauf Heu, wenn du kein Geld hast«, sagte Peterli. »Meinst, du seiest allein gescheit und das wäre mir nicht auch in Sinn gekommen? So dumm, als du meinst, bin ich nicht.« »Aber«, fragte Sepp verwundert, »was willst dann? Eins von beiden wirst du denn doch tun müssen.« »Ja müesse, wo Könne e Kunst ist! Ich war um Geld aus, aber da war niemand daheim, und da bin ich nun, und wenn du Rat weißt, so gib ihn, aber nit so dummen wie vorhin, den jedes Kind mit fünf Fingern greifen kann«, sagte Peterli.

»Ja, Peter, da ist guter Rat teuer«, sagte Sepp; »ich wüßte vielleicht einen, aber du wirst ihn kaum viel schätzen.« »Das ist die Frage«, sagte Peterli, »probiere!« »He«, antwortete Sepp, »wenn ich dir vierzig bis fünfzig Taler auf dein Käsgeld hin vorstrecken würde?« »Vexier nicht«, sagte Peterli. »Ich lasse mir nicht gern den Speck durchs Maul ziehen.« »Spaß apart, du dauerst mich«, sagte Sepp, »und, um aufrichtig zu sein, deine Kühe auch; ihr Brüllen ist mir erleidet, ich kann es nicht mehr hören. Du weißt vielleicht nicht, daß ich etwas geerbt habe und daher etwas bei Gelde bin, das ich in diesem Augenblicke nicht brauche. Es ist dies das erstemal in meinem Leben, daß ich so zweg bin. Heu brauche ich gottlob nicht zu kaufen, ja wenn ich wüßte, wie lange der Winter dauert, wie mein Kleeacker den Winter aushält, so könnte ich vielleicht noch etwas entbehren. Ich habe nicht nötig, im Stall zu ändern, meine Kühe sind so ziemlich greiset und versorget dazu. Vielleicht, daß etwas Weniges sein muß, aber allweg kann ich es machen, ohne zuzusetzen. Wenn dir damit geholfen ist, so soll es dir angeboten sein. Ich weiß, wie weh es einem tut, wenn man nicht weiß, wo aus, wo ein, und wie wohl es tut, wenn man Hülfe findet.« »Daran hätte ich nicht gedacht«, sagte Peterli, »das wäre mir nicht in Sinn gekommen, daß du mir helfen könntest. Warest sonst noch tiefer darin als ich; ich glaubte oft, es überschlage dich.« »Und hättest Freude daran gehabt?« fragte Sepp. »Nit apart«, sagte Peterli; »aber allweg wäre es mir lieber gewesen, es überschlage dich als mich.« »Danke«, sagte Sepp. »Allweg will ich es dir nicht aufzwingen, es wird sich schon brauchen; dachte bloß, es möchte dir ein Gefallen sein.« »Allweg ists einer«, sagte Peterli, »und ich hätte es von dir nicht erwartet. Aber was willst für das Geld, und was ists für Geld; es ist doch Geld wie anderes, es werden Päckli oder Fünfunddreißiger sein?« »Es ist nit Hexegeld«, sagte Sepp, »und nit vom Tüfel, und wenn du mir dasselbe wiedergibst, wenn das Käsgeld kommt, so begehre ich weiter nichts. Im Schaft trüge es mir auch nichts ab.« »Selb wär brav«, sagte Peterli. »Will noch mit Eisi reden; wenn es ihm recht ist, so nehme ich es gern. Wann soll ich es holen? Wann ist es dir anständig? Oder soll ich etwa warten, bis deine Frau nicht daheim ist?« »Warum soll die nicht daheim sein, fürchtest du sie etwa?« »Nit deswegen«, sagte Peterli, »aber ich glaubte, du hättest es vielleicht nicht gern, wenn deine Frau wüßte, daß du mir Geld gebest, weil du sie nicht gefragt hast.« »Es heißt nicht jede Eisi«, sagte Sepp lachend. »Komm du nur, wenn es dir anständig ist; meine Frau hast du nicht zu fürchten; was ich mache, ist ihr recht, und was sie macht, ist mir recht. Daneben will ich dir das Geld nicht aufbringen, hörst, ich gebe es dir zu Gefallen und den Kühen zuliebe die mich erbarmen, mag sie nicht mehr hören.«

»Dankeigist emel einist, gute Nacht, schlaf wohl«, sagte Peterli und ging den Weg hinauf. Als er von Sepp weg war, huschte eine Gestalt an ihm vorüber, welche er in der Dunkelheit nicht recht erkannte. »Ists ihn, oder ists ihn nicht?« brummte er vor sich hin. »Einen solchen Gang hat sonst niemand im Dorfe, aber was täte Ammanns Felix hier um diese Zeit?«

Als Sepp ins Haus kam, erzählte er seiner Frau, was es draußen gegeben. Diesmal hatte Peterli doch ein wenig Recht, als er fragte, was die Frau dazu sagen werde. Als Bethi hörte, was Sepp gemacht, wurde es recht von Herzen böse. »Du bist doch der ärgste Lappi von der Welt, einen dümmern hat unser Herrgott sicher nicht gemacht! Zum ersten Male, seit wir Mann und Frau sind, haben wir einen Kreuzer Geld im Hause, der nicht längst verheißen ist, der bei uns ein wenig erwarmen könnte. Und was machst mit ihm? Es wird dir wind und angst, ihm abzukommen; gehst da an den Weg nachts und wartest, bis jemand kommt, der ihn dir dr Gottswille abnehmen will, und das ist endlich der Peterli, von dem du wohl weißt, wie er zweg ist und wie er es meint oder viel, mehr sein Eisi; wenn die uns noch heute auf die Gasse bringen und dem Teufel zujagen könnte, sie sparte es nicht bis morgen. Da hast du gute Augen, wenn du das Geld wieder siehst, und wie bald könnten wir es nötig haben oder etwas damit abzahlen, wenn wir es sonst machen könnten! Ja, es ist doch nichts dümmer auf der Welt als so ein Mann, bsunderbar wenn einer Sepp heißt. Was wird Eisi für eine Freude haben, wenn die unser Geld in die Finger kriegt!«

»Nun«, sagte Sepp, »ich kann ihm ja wieder absagen, wenn du es so ungern hast. Er dachte daran, du möchtest es nicht gern haben, und fragte, wann er kommen solle, daß du es nicht merkest.« »So«, antwortete Bethi, »so, sagte er das? Nein, jetzt expreß mußt du das Geld geben. Er wird an sein Eisi gedacht haben und wie das tut, wenn er einen Tritt versetzt, den es nicht befohlen. Er muß nicht meinen, daß ich sei wie sein Drache; jetzt gibst du es ihm, und sollten wir nicht einen Batzen davon wiedersehen. Mit der möchte ich mich um kein Geld zusammenzählen lassen. Ich mag ihr am Ende die Freude gönnen, ist es doch besser, wir können ihnen helfen, als wir müßten an sie kommen, da kämen wir an saure, magere Kost. Es besserte uns so ungsinnet, einen Zehnten zu geben wollen wir uns nicht weigern, es ist eigentlich nur recht und billig.« »Das Geld ist nicht verloren«, sagte Sepp; »beim Käsgeld kann ich es wieder nehmen«. »Selb wär gut«, sagte Bethi, »aber zähle nicht darauf, du weißt nicht, wie das noch geht und was es ihnen zieht.« »Ho«, sagte Sepp, »das kann man am ersten Stoß abnehmen, so viel wie damals zieht es ihnen allweg wieder.« »Selb weißt eben nicht«, sagte Bethi, aber weiter wollte es nicht eintreten, sondern begann zu schnarchen. Es sei ein gspässig Volk, das Weibervolk, dachte Sepp und schnarchte dann ebenfalls.

Was hätte er erst gesagt, wenn er droben im Dürluft das Gespräch zwischen Peterli und Eisi gehört! »Los neuis«, sagte Peterli zu seinem Eisi. »Hast Geld?« fragte dieses hastig. »Es ist mir verheißen«, sagte Peterli; »weißt, von wem?« Eisi riet und riet, und immer falsch, verlor endlich die Geduld und sagte: »Dr Tüfel möcht das erraten, gib Bericht, von wem hasts?« »Vom Nägelibodenbauer, der hat es mir verheißen«, sagte Peterli. Da schrie Eisi laut auf, als obs der Teufel wirklich auf der Gabel hätte. »Was? Von dem und seiner Hexe? Daß du mir nicht ds Herrgotts bist, von dem einen Kreuzer anzunehmen, das ist Hexengeld, und dQuittanz wirst solle mit Blut oder roter Tinte schreiben! Was sinnest aber, zu denen zu gehen, um nach Geld zu fragen! Für so etwas muß man ein Kalb sein, wie du bist.« »Ich ging nicht apart zu ihnen«, entschuldigte sich Peterli und erzählte den Hergang, nur mit dem Unterschied, daß er dem Erscheinen Sepps einen etwas dunklern, geheimnisvollen Anstrich gab. Natürlich tat Eisi nun noch wüster, betitelte Peterli noch tapferer, wollte noch weniger vom Gelde wissen; wegen acht Kaibenkühen verkaufe es dem Teufel seine Seele noch lange nicht, dafür sei sie ihm noch lange nicht feil, sagte es. He, das werde doch nicht so gefährlich sein, sagte Peterli; allweg könne man dafür tun. Es solle doch nur an die Kühe denken, die könne es mit seiner Seele nicht füttern, die wollten Heu. »Dr wüestest Uflat bist, selb ist wahr«, sagte Eisi. »Meinst, ich habe es wie du, an meiner Seligkeit sei mir nichts gelegen! O nein, ich habe Böses genug auf der Welt, e sellige Ma u sövli King, my Seligkeit wott ih nit no vrspile, dert wott ih de einist guet ha: Sunndi all Tag u sust, was mih guet düecht!« »So geh«, sagte Peterli ungeduldig, »und füttere du die Kühe, ich will mit allem nichts mehr zu tun haben. Ich soll alles ausstehen und auslaufen, und wenn ich alles ausgestanden, so ist am Ende nichts gut. Jetzt habe ich einmal genug, jetzt lue du.«

Da fing Eisi an zu heulen und sagte: »Du bist doch der Wüstest auf dem Erdboden, sage ich einmal ein Wörtlein zur Sache, die doch so gut mein als dein ist, so tust wie ein Untier; es ist ein Elend, kein vernünftiges Wort kann man mit dir reden! Du hast gehört, daß ich mit dem Gelde nichts zu tun haben will, aber ich habe nicht gesagt, daß du es nicht nehmen sollest! Willst du es probieren, meinetwegen!« »So«, sagte Peterli, dem der Tubak doch wohl stark war, »an meiner Seele Heil und Seligkeit ist dir also nichts gelegen?« »Du hast doch heute apart den Zankteufel im Leibe«, begehrte Eisi auf, »und kannst nichts als die Worte verdrehen! Dir ist das Geld verheißen worden und nicht mir, ich will nichts damit zu tun haben, weil es mir schaden soll! Dir tut es nichts, wenn du dich in acht nimmst; rühre es nur nicht an und gib nichts Schriftliches, so tut es dir nichts. So was sollte doch einem, der Grichtssäß werden möchte, in Sinn kommen!« »Aber wie machen und es nicht anrühren?« sagte Peterli. »Löhl, was du bist, weißt dir doch auch gar nicht zu helfen! Er soll dir das Geld vorzählen, dann fordere ein Säckli und sage, er solle es hineintun und mit drei Knöpfen verbinden, dazu sage die drei heiligen Namen für dich; so gib es wieder ab, und der soll sie auftun, von dem du das Heu kaufst. Machst es so, was sollte es dir schaden?« demonstrierte Eisi. »Warum sagst das nicht gleich?« sagte Peterli; »tust erst so wüst und brüllest dr Gring voll.« »Warum soll ich nicht das Recht haben zu brüllen so gut als du?« entgegnete Eisi. »Und hast du mir gesagt, wie du das Geld nehmen wollest und daß ich nichts damit zu tun haben soll? Du Sturm, was du bist! Lieber lebendig brägeln ließ ich mich als mit dem kleinen Finger das Geld anrühren. Das muß sauberes Geld sein: halb vom Tüfel und halb vom Mannevolk und Ammanns Felix! Wenn ich den Lumpenbub nur einmal erblicken könnte, dem wollte ich die Nägelibodenbäuerin und ihr Mensch eintreiben, daß er an mich denken sollte sein Lebtag!« »Wärest bei mir gewesen«, sagte Peterli, »vielleicht hättest etwas von Ammanns Felix gemerkt.«

Als nun Eisi hörte, was Peterli gesehen, da sagte es Peterli erst wüst, daß er ihm dieses nicht alsbald gesagt. »E selligi Sach! «sagte es; »vielleicht hättest mir gar nichts gesagt, wenn ich dir nicht den Verstand gemacht!« Doch diesmal machte es Eisi kurz mit dem Wüstsagen, die Freude über diese Entdeckung war zu groß. »So hätten wir den, und Eglihannes hatte doch recht! Sagte ich nicht immer, das sei ein rechter Mann, und wenn sie alle so wären, so wäre dSach gut! Jetzt warte du nur, jetzt muß die Sach an die Sonne und unter die Leute, wie es heißt in der Gschrift: Es ist nichts so fein gesponnen, es muß doch an die Sonnen. Da sieht man, der alte Gott lebt noch! Wart nur, Felix, und dir, du Täsche, will ih dr Plätz mache, daß du dein Lebtag daran denken sollst!«

Vor Freude konnte Eisi selbe Nacht nicht schlafen, es konnte die Füße gar nicht stille halten unter der Decke. Schon vor Sonnenaufgang wäre Eisi ins Dorf gelaufen mit seiner Entdeckung, wenn Peterli nicht gesagt hätte: »Nimm dich in acht, was du machst. Vernehmen sie es unten, was du für einen Lärm machst, ehe ich das Geld habe, so bekomme ich es nicht.« »Du hast recht«, sagte Eisi, »man kann warten, man bringt die Sache nur noch besser an Tag. Mit dem Vernehmen wäre es nicht gefährlich, wer wollte es ihnen sagen, es meint es niemand gut mit ihnen, denn sie ist eine Wüste. Es hat mir schon manche arme Frau geklagt, dort sei nichts zu machen, man möchte dort zutragen, was man wolle, und Sachen, wo wohl der wert wären; man bekomme nie etwas als das gewöhnliche Bettlerbrot, und man könne nicht einmal wissen, ob es dBlättere freue oder nicht, so wenig erzeige sie ein Gutmeinen.«


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