Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

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Änneli hatte keine verweinten Augen mehr, als es heim, kam, und am Abend ging es mit weniger Bangen. Als im Heimgehen das Spiel sich wiederholte, dachte es bei sich: Vielleicht kommt wieder jemand und nimmt mir sie ab, oder wenn ich mich ihrer nicht achte, werden sie wohl von selbst müde werden. Da fuhr hinter einem Ofenhaus, welches an der Straße stand, Ammanns Felix hervor, hieb mit einer gewaltigen Peitsche auf die Buben ein, griff dann zwei verdutzten Buben nach den Köpfen, haarete sie, daß ganze Wolken davonfuhren, schlug ihnen die Köpfe zusammen, daß sie krachten, nahm dann wieder die Peitsche und geißelte ihnen hinterher um die Beine, daß sie heulend und schreiend davonstoben.

Einer der von Felix Geliebkoseten war Dürlufteisis Benzli, der also zum zweiten Male heulend und schreiend heimkam. Das war für Eisis Mutterbrust zu viel. Daß sie dem Felix die Pferde geworfen, sagte Benzli begreiflich nicht. Felix mußte auch von der Nägelibodenbäuerin verhexet sein. Sie habe es ihm angetan, sagte Eisi; das verfluchte Luder schicke nicht umsonst einen solchen Lockvogel in die Käserei, man könne sehen, was es gebe. Wenn eine Andere es so triebe, man würde sie mit dem Hurentrommler zum Lande aus führen. Aber der Moore wolle es das Handwerk legen, es sei gut dafür. An Ammanns Felix konnte Eisi nichts machen; der könne ihns dauern, sagte es. Es meinte, es wäre das Kürzeste, wenn es gleich diese Nacht hinunterginge und das Haus an allen vier Ecken zugleich ansteckte. Sie hätten stark gearbeitet, schliefen demnach wohl hart, möglich wärs, die Donnere blieben alle drin, dann wärs gut. Das Kürzeste wärs, aber es gruse ihm doch. Kämen sie etwa wieder, so hätte es ds Tüfels Plag, und es könnte sich damit versündigen. Das Richtigste sei das Erste: es lasse sie totbeten. Damit versündige es sich nicht, rühre keine Hand an, und wenn es um so länger gehe, so müsse die Hexe doch auch um so länger raxen (sterben) und leiden und müsse am Ende doch noch erfahren, wer ihr das Teufelswerk eingetrieben.

So kalkulierte Eisi und machte sich am folgenden Morgen mitten aus der strengsten Arbeit auf, um sein Vorhaben auszuführen. Wir wollen Eisi nicht begleiten, es ist genug, wenn wir sagen, daß es ganz befriedigt heimkam und sagte, es werde bald was Neues geben, die Leute würden zu reden haben und die Lällen (Mäuler) aufsperren bis an die Ohren, und dann würden Viele kommen, ihm die Hand reichen und sagen: »Eisi, du bist immer das Kuraschiertest; was Keinem in Sinn kommt, tust du. Wenn man dich nicht hätte, weiß Gott, wie es noch gegangen wäre!« Weiter sage es nichts. Aber wer vor dem Nägeliboden vorbeigehe, solle sich achten, was die Bäuerin für ein Gesicht mache, und wer im Herbst dort vorbeigehe, solle dort der Bäuerin nachfragen, und wenn sie komme und ihm Bescheid gebe, so wolle Eisi rittlings auf seiner Katze dem Teufel zu. Mehr sage es nicht, und risse man ihm den Kopf ab. Wenn es nur nicht vergesse, an jedem Morgen und jedem Abend sieben Wochen lang exakt um die gleiche Zeit drei dürre Bohnen über die Achsel auf den Mist zu werfen in den drei heiligen Namen.

In der Vehfreude gab es indessen auch noch sozusagen Menschen, und zwar auch solche, welche sich auf verblümte Redensarten verstanden. Bald darauf kam Sepp einmal vom Felde zurück; es gesellte sich einer seiner alten Kameraden zu ihm und sagte: »Sepp, wenn du es nicht ungern haben willst, so will ich dir was sagen, denn es wäre doch gut, wenn du dich in acht nehmen würdest«. Nun erzählte dieser ihm, was für einen Lärm die Dürluftbäuerin ihnen gemacht und wie man gewisse Nachricht hätte, dieselbe ließe Sepps Frau totbeten. Das war Sepp wohl stark. Er erzählte, was dem Buben begegnet sei, was sie am Abend für ein Gebrüll gehört, aber weiter hätten sie nichts daraus gemacht. Das Mädchen hätte ihnen nichts gesagt, sie hätten wohl gesehen, daß ihm etwas fehle, aber da es nichts gesagt, so habe man ihns auch nicht gefragt, sondern gedacht, entweder bessere es sich, oder wenn es böser komme, werde es schon reden. Nicht daß er sich fürchte, aber wegen den Leuten müsse dem Spiel doch ein Ende gemacht werden, auf die eine oder auf die andere Weise. Als Sepp heimging, dachte er, seiner Frau dürfe er davon nichts sagen, müsse überhaupt sorgen, daß sie es nicht vernehme; sie könnte es doch zu Herzen fassen, und besonders in den Umständen, in welchen sie sei, sei das weit gefährlicher, als was Eisi und sein Beten an ihr machen könnten.

Das Gesinde im Dürluft war immer falsch an seiner Meisterschaft; wer wollte, konnte vernehmen, was dort ging. Solches Ausfragen war nun Sepps Sitte nicht, aber diesmal, dachte er, sei es erlaubt. Wenn sie so um sein Haus sich kümmerten, dürfe er ihnen die Aufmerksamkeit wohl erwidern. Schon am folgenden Tag hatte er Gelegenheit, ein Knechtlein zu fragen, wie es ihm oben im Dürluft gefalle. »Wenn ich sagte, gut, so lög ich«, antwortete der Bursche. »Wird nicht sein«, sagte Sepp, »die Meisterfrau ist eine gar Kurzweilige. Was macht sie Neues?« Da sah das Bürschlein Sepp mit einem schiefen Blick an, um zu erforschen, wie er es meine. Als er Sepps Gesicht ganz unschuldig sah, sagte er: »Weiß aparti nichts, kaum viel Guts«. Sepp schwieg. Bald darauf sagte der Bursche: »Was gibst mir, wenn ich dir was sage? Aber Ihr müßt mich nicht verraten«. »Es kommt darauf an«, sagte Sepp. »Ists was wert, so soll es dein Schade nicht sein, ists aber nur Gstürm, so nimmt es mich nicht wunder. Daneben habe nicht Kummer; was ich vernehme, kann ich behalten«. »Was meinst, ist das was wert?« fragte das Knechtlein und erzählte nun von den drei Bohnen und wie das bedeute, daß so wie die Bohnen verfaulen, auch Sepps Frau verfaulen solle. »Wird nicht sein«, meinte Sepp. »Wohl ists, könnt es selbst sehen; kommt am Morgen, wenn es heitern will, oder am Abend, wenn es dunkelt. Es liegt ein Haufen Holz neben dem Mist, dort könnt Ihr Euch verbergen.« »Gut«, sagte Sepp, »sollst für einmal Dank haben, und ist die Sache, wie du sagst, ein schönes Trinkgeld dazu«.

Am folgenden Morgen, als es dunkelgrau war draußen, ging Eisi, noch in Nachthaube und Gloschli (Unterrock), hinaus, kehrte dem Mist den Rücken, nahm eine Bohne und warf sie in Anrufung des Vaters auf den Mist. Da stand plötzlich eine schwarze Gestalt vor ihm, um den Kopf war sie dunkelrot, als ob Flammen durch die Haare züngelten, rief, indem sie eine Ohrfeige flädern ließ: »Und im Namen des Teufels und des Donnerguegs!«, und damit klatschte die zweite Ohrfeige, daß Eisi rücklings in die Mistgrube fiel, das braune Wasser über ihm zusammenspritzte und nichts sichtbar war als die Beine, die am Himmel Hülfe zu suchen schienen. Als Eisi den Kopf wieder fand, ihn aus dem dunkeln Bade hob, schnopsete es lange und gurgelte und schnopsete, und lange fiel es ihm nicht ein, aufzustehen aus dem kalten Bade, bis endlich Peterli dazu kam und rief: »Bist näbefür trappet? Chumm doch use!« Das war Lebensgeist für Eisi, es fuhr auf im Unterrock, die Nachtkappe war verloren gegangen, und sah eben wirklich nicht anmutig aus. »Tüfel, wie siehst du aus!« rief Peterli. »Komm zum Brunnen, ich will dich abwaschen, dann schlüf no ungere i dr Jungfere Bett, bis wieder erwarmet bist.« Der gute Peterli gönnte, wie es schien, der Jungfer währschafte Gerüche besser als sich selbsten. Aber Eisi schoß neben Peterli hinein ins Haus und nicht in der Jungfer Bett, sondern zu Peterlis großem Schrecken ins Ehebett und unter die Decke, daß nichts von ihm sichtbar blieb. Da fand Peterli nichts zu machen, und das Melken pressierte; er machte sich dem Stalle zu, allerlei brummend, was offenbar auf Unzufriedenheit deutete, doch bloß auf eine zerdrückte.

Als er ausgemolken hatte und zum Frühstück ins Haus kam, fand er noch kein Feuer in der Küche, alles wie Sturm, im Stübli die Mutter weinend, und unter der Decke hervor sah man bloß noch Eisis Nase, verstand endlich die Frage: »Wo ist er, wo ist er?« »Meinst mich?« sagte Peterli. Da fuhr Eisis ganzer Kopf unter der Decke hervor, akkurat wie eine Kugel aus der Kanone, nur nicht so geschwind, und schrie den Peterli an: »So, bist du da? Wenn man dich am nötigsten hätte, so bist nirgends; du bist nichts, gar nichts und ich eine arme, verlassene Frau! Wo ist er, ist er nicht mehr da?« Endlich brachte man Eisi zu zusammenhängender Rede und vernahm, wie der Teufel ihm erschienen sei ganz schwarz, aber mit feurigem Kopfe, und als es die erste Bohne geworfen, habe er ihm zwei Ohrfeigen gegeben im Namen des Teufels und des Donnerguegs, daß es ganz sturm ins Güllenloch gefallen sei und fast ersoffen wäre. Kein Mensch hätte ihm zu helfen begehrt, und wenn er ihns genommen, kein Hund hätte es ihm abgejagt, und doch hätte es das für alle getan und nicht für sich allein. Es müsse sich irgendwo verfehlt haben, es wisse nicht wo. Jetzt könne es aber jemand anders auch probieren, es begehre nichts mehr davon, es hätte an einem Male genug. »O Herr Jeses, o mein Gott, was hab ich ausgestanden! Wollte nur, ihr hättet ihn auch gesehen und alle die, welche glauben, es gebe keinen. Wenn er nur fort ist und nicht wieder kommt! Aber wenn er einmal den Weg weiß, so hats gefehlt, man kommt ihm nicht los, ach Gott!« So jammerte Eisi und fuhr über Peterli aus, als wenn der eigentlich an allem schuld wäre. Er hätte sollen witziger sein und abwehren, oder er hätte wissen sollen, daß der Teufel komme, und ihm dännehelfen mit der Mistgabel. Aber es sei nichts mit ihm und gebe nichts aus ihm.

Weiter schadete das Erlebnis Eisi nicht, nur warf es keine Bohnen mehr auf den Mist, und nachts ging im Dürluft niemand allein und ohne Licht zum Hause hinaus, und wenn auch Zwei beisammen waren und eine Laterne hatten, so wurden sie doch des Grausens nicht los, bis sie wieder drinnen waren. Deswegen aber war die Nägelibodenbäuerin Eisi nicht lieber; es fürchtete sie jetzt und sagte, mit der wolle es lieber nichts zu tun haben, aber zu erleben hoffe es, daß er mit ihr abfahre oder man sie einmal im Bett finde, das Gesicht im Nacken und die Zunge einen Schuh lang zum Maul heraus. Merken möge, wer schmöcken könne, mit wem sich die Hexe abgebe, Gott bhüet uns davor! Es kam der Nägelibodenbäuerin wohl, daß wir zwei- bis dreihundert Jahre älter geworden, sonst hätte sie erfahren müssen, wie heiß das Feuer ist oder wie kalt das Wasser.

Als Sepp das Knechtlein wieder ansichtig wurde, fragte er wieder, was es Neues gebe im Dürluft? Einstweilen hätten sie am Alten genug, antwortete das Knechtlein. »Da hast etwas zu einem Schoppen«, sagte Sepp, drückte ihm ein Halbguldenstück in die Hand und ging weiter. Verwundert sah der Knecht ihm nach und begriff nichts an der Sache. Er glaubte fest an des Teufels selbsteigene Erscheinung, dachte nicht von ferne daran, daß Sepp ihn in seiner alten schwarzen, aber rot ausgeschlagenen Metzgerkutte selbst vorgestellt hatte. Was sollte jetzt das Trinkgeld? Wahrscheinlich richtete es Sepp im Namen des Teufels aus oder doch, weil er der erhaltenen Nachricht wegen den Teufel berufen konnte. Es ward ihm plötzlich himmelangst, das Geld ward heiß wie eine feurige Kohle, er warf es von sich, so weit er vermochte, betrachtete wochenlang seine Hand, ob sie nicht schwarz werden wolle, schüttelt bis dato bedenklich das Haupt und sagt, er könne auch etwas erzählen, wenn er wolle.


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