Jeremias Gotthelf
Die Käserei in der Vehfreude
Jeremias Gotthelf

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Nun, der Ehestreit hat seine vortreffliche Seite: er gibt Gelegenheit, Frieden zu machen und dann die Süßigkeit desselben zu empfinden. Wir müssen sagen, so ein Ehesturm dauerte auf dem Dürluft nicht lange; gewöhnlich gab es Bysluft darauf, und nach diesem spannte Peterli seine Segel auf. »Ja«, sagte Eisi tags darauf, »sieh, wie du es machst, aber Geld muß sein. Geh zu Eglihannes, der kann dir helfen, der hat Geld vom Käshandel, den ihr Löffle ihm überlassen, hättet es doch auch brauchen können; sag ihm, er solle dir geben, es gehört nicht einem allein, es gehört dir auch, oder sag, du wollest mit ihm gmeinen. Lue, kein kommoderer Handel ist auf Gottes Welt als der, wo man nichts zu kaufen braucht, sondern bloß verkaufen kann.« Peterli trappete zu Eglihannes, aber er kam übel an. Der begehrte auf wie ein Rohrspatz: Er wollte, er hätte mit dem ganzen Handel nichts zu tun. Die Käse seien so unwert wie Steine auf den Straßen, er könne zu hundert Wirten laufen, ehe ihm einer einen abnehme, und nicht etwa für bares Geld, sondern erst in einem oder einem halben Jahre zahlbar, wo ja kein Mensch wisse, ob er noch lebe oder einen Kreuzer habe, um zu zahlen, wo nichts gewiß sei, als daß dann wohl der Käs werde gefressen sein. Wenn er nicht den Befehl hätte, sie zu verkaufen, wie er könne und möge, er besönne sich zweimal, ehe er es so machen täte. Er habe schon manchmal im Sinn gehabt, die ganze Sache ihnen darzuwerfen, denn er möge es machen, wie er wolle, bleibe ihm doch der Schmutz auf dem Ärmel, und was für Schaden er auch habe, müsse er am Ende doch noch gestohlen und betrogen haben. Er kenne die Donners Schelmen durch und durch: was sie an sich selbsten wüßten, das trauten sie Andern, und wenn er den ganzen Tag in ihrem Nutzen sich die Beine abliefe, schlage ihm am Abend so ein verfluchtes Kalb zum Dank fast den Kopf ab. Aber habe der nur Geduld, dem wolle er es eintreiben, daß der sein Lebtag an Eglihannes denke. Dem wolle er sein Gschleipf im Nägeliboden vertreiben ein- für allemal, es sei Spott und Schande fürs ganze Dorf, daß man so etwas dulde. Er hätte geglaubt, der Pfarrer sage etwas dazu, aber der sei so nichtsnutz als Andere, ein Tagedieb, stehle dem lieben Gott die Sonne ab und der Regierung das Geld. Aber wenn niemand was sage, so sei gottlob Eglihannes noch da; der schweige nicht, er wüßte nicht warum! Man sieht, Eglihannes gehörte vollständig zu den erleuchteten Kindern dieser Welt, welche den Splitter in Anderer Augen sehen, den Balken im eigenen aber nicht, oder welche an Andern strafbar finden, wozu sie sich selbst berechtigt glauben.

Es dünkte Peterli, der Mann rede schön, das sei einer von denen, welche es sicher gut mit dem Vaterlande meinten, und was die Leute über ihn gesagt, zum Beispiel daß er ihn mit dem Briefe betrogen und ihm bloß ein Bettlergeld ausgezahlt, glaubte er nicht. Es ist merkwürdig, man weiß nicht, soll man darüber weinen oder lachen, aber man muß immer wieder darauf zurückkommen, wie leichtgläubig und wie mißtrauisch, wie wankelmütig und festgläubig die meisten Leute sind, und zwar immer verkehrt, halten fest am Glauben von Lug und Trug, stehen wetterwendisch von jeder Wahrheit ab, trauen den Schlechtesten und sind unzugänglich für den Rat der besten Freunde. Sollte uns eigentlich nicht wundern, stammen wir Gesindel ja sämtlich von Eva her, die diese seltsamen Eigenschaften, welche entschieden fortgeschritten sind, bereits im Paradiese entwickelte.

Quacksalbern, Wahrsagern, Schweinehändlern, Aufweisern, politischen und häuslichen, Aufweisern von allen Sorten, kurz den bösen Geistern und kleinen Teufelchen, welche der große Teufel in die Welt treibt wie die Gergesener ihre Schweine ins Acherum, wird geglaubt, und man bleibt beim Glauben, und werde man hundertmal angeschmiert und tausendmal angelogen. Die, welche die Wahrheit reden und zum wahren Wohl, sieht man an wie die Kuh ein neues Tenntor, brummelt in Bart: »Schmöckt«, dreht sich und geht ab. Peterli war von Eglihannes betrogen worden, man hatte es ihm gesagt, er hatte gedacht, möglich wärs, und jetzt ging er von ihm in der Überzeugung, er sei doch ein braver Mann, der rede von der Leber weg. Es nehme ihn nur wunder, was die Leute gegen diesen braven Mann hätten, daß sie ihn nicht könnten ruhig lassen.

Woher diese Verkehrtheit, Verrücktheit, möchten wir sagen? Ach, sie hat leider einen nur zu richtigen (guten wollen wir nicht sagen) Grund. Diese Halunken und Halunkinnen (denn darin lassen die Weiber den Männern den Vorrang nicht), gemeine und vornehme Staatskünstler und Haarkünstler lassen halt gewissenlos die Künste spielen, welche ihr Urvater, der Teufel, im Paradies in Kurs gebracht. Gott der Vater hat dem Menschen den Trieb nach dem Höheren, nach dem Himmel als eine Himmelsgabe beigegeben. Dieser Trieb ward eben vom Teufel mißbraucht; er butterte der Eva ein, sie solle nicht warten, was Gott wolle, ein Satz, und sie sei ihm gleich. Den gleichen modus procedendi gehen seine Nachkommen, schmieren die Augen sanft ein, stacheln dagegen alle Lüste auf, reizen sie durch die reizendsten Versprechungen, versprechen die reizendsten Befriedigungen, und während sie dem Einen den Balg streichen, die Augen verschmieren, den Mund mit Honig salben, das Haupt bis an den Himmel strecken, Dampfwagen an die Füße binden und sieben Himmel vor die Seele stellen, verlügen sie Gott, verlästern die Vergangenheit, verleumden alle Nächsten und die brävsten am stärksten. Sich selbst streichen sie mit Leim an, kleben sich Fecken hintenauf, malen sich Pfausbacken auf, glänzend in Huld und Liebe, und gebärden sich als himmlische Schutzengel voll Gnade und Güte, und um sich als solche zu bezeigen, seufzen sie bei den Einen andächtiglichst, und bei den Andern fluchen sie mörderlichst, je nach der Empfänglichkeit. Und nun, das zieht, und zieht um so mehr, je mehr einer des Lobes, Streichelns, Anstreichens, Balsamierens nötig hat, je mehr er überhaupt nötig hat, je deutlicher ihm sein Gewissen vom Gegenteil sagt, je unheimlicher es einem in der Nähe der Wahrheit wird, je weniger Kraft einer zum Ringen hat, je kommoder ihm so diese Art von Teufelssprung wäre, je behaglicher es ihm ist in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit, je verfluchter ihm jede Verbesserung seiner Person ist; denn es ist kurios, je wilder einer schreit nach Verbesserung seiner Lage, desto wütender haßt er und schlägt nach dem, der ihm Verbesserung seiner Person anrät.

's ist also klar, und mit Pelzhandschuhen kann man es greifen, warum Peterli dem Eglihannes immer wieder hold ward und ihm glaubte. Und ebenso klar wird es jedem sein, wie Eisi voll Freude ward, als Peterli ohne Geld heimkehrte, aber mit solchem Gerede; denn wer weiß nicht, wie einem rechten Weibe von Eisis Schlage eine währschafte Klatscherei und eine tapfere Verleumdeten über Geld und Kaffee gehen, ja über alles ihm Himmel und auf Erden! Eisi fuhr fast aus der Haut vor Glück und alsbald bei seinen besten Freundinnen herum und teilte ihnen Ärgernisse mit, welche zwischen Himmel und Erde noch nicht erlebt worden, schloß eine Art Tugendbund, um dem Donnerwerk ein Ende zu machen, welches über das ganze Dorf nur Schande brächte, welche noch Kinder und Kindeskinder entgelten müßten. Aufpassen müsse man zu jeder Zeit; es stünde selbst Schildwache Tag und Nacht, wenn nur eines nicht wäre. Es hätte Dinge erfahren, für kein Geld ließe es sie vors Maul; wenn die Leute sie wüßten, der Nägeliboden würde verbrannt mit allem, was darin wäre. Nur das wolle es sagen, daß wenn es je Hexen gegeben, woran ja kein vernünftiger Christenmensch zweifle, so wüßte es eine, und zwar eine von den verfluchtesten, und wenn die Nägelibodenbäuerin verbrannt wäre, so wäre der Hexe auch geschehen, was ihr von Gott und Rechtes wegen gehört. Einmal geschehe es doch, der Krug gehe zu Wasser, bis er breche, dann werde es ihnen im Dürluft ungsinnet bessern und nicht alles verhexet und verhagelt und Unglück und Unsegen in allem sein.

Einstweilen mußte Eisi sich leiden, und statt aus der Klemme kam es immer enger drein. Es wurde mit Peterli tätig, die so gut greiset gewesenen und so ungreiset gewordenen Kühe vorweg abzustoßen. Kühe, die vor acht Monaten mit Ehrerbietung in den Stall geführt worden, wurden jetzt mit Hohn und Schimpf hinausgezerrt und -gestüpft. Die armen Tiere erfuhren die Wandelbarkeit der Menschengunst; wären sie Ratsherren oder Deputierte gewesen, es hätte ihnen nicht ärger ergehen können. Gewöhnlich brachte sie Peterli von den Märkten wieder heim und hatte nichts gewonnen, als daß der Spaziergang den Tieren nur größern Appetit gemacht hatte. Endlich gelang es ihm, eine Kuh zu verkaufen. Als er ausbezahlt werden sollte, gab man ihm für den größten Teil der Kaufsumme eine Obligation, welche so gut als bares Geld sein sollte oder noch besser, sie plage ihn nicht auf dem Heimweg, wie das Geld durch sein Gewicht tun würde. Peterli hatte ein Gefühl, die Sache könnte nicht recht sein, und biß nicht gern an. Aber das Glück, eine Kuh los zu sein, war so groß, daß er sich bereden ließ und das Papier nahm. Auf dem Heimweg schon traf er Eglihannes und wollte es bei ihm gegen bar umsetzen. Der lachte aber, daß er Peterli vorkam wie der Leibhaftige, und erklärte ihm, das Gschriftli sei keinen faulen Kreuzer wert. Das Beste sei, er suche die Kuh wieder zu kaufen und gebe dann das Gschriftli ebenfalls daran.

Peterli gehorchte, und damit es recht gehe, ging Eisi mit an den Markt, wo sie die Kuh vermuteten. Da war sie wirklich. Peterli kaufte sie richtig um einige Taler teurer wieder, aber als er das Papier an Zahlungsstatt geben wollte, nahm man es ihm nicht ab, jetzt sollte er bar zahlen. Man denke sich, was Eisi dazu sagte! Das ging fürchterlich hin und her, und Peterli lief Gefahr, eine ganze Kuh und noch Geld dazu verhandelt zu haben. Die Gesetze und die Handhaber derselben hätten ihn durchaus nicht geschätzt. Der ganze Gesetzboden scheint ein Lätschenbrett, eingerichtet zum Fang des dummen Publikums und zur Mästung einer Klasse von Leuten, von denen die Einen das Publikum zum Lätschenbrette treiben, die Andern, am Lätschenbrette angestellt, dort des Publikums harren und das herbeigetriebene abfängt Stück für Stück, als wären es Leipziger Lerchen. Wahrscheinlich lauerte bereits in einer Ecke die Spinne, welche am Netz geholten und das Aussaugen gesetzlich vermitteln sollte, wir wollen nicht sagen von Staates wegen, denn wir halten denn doch gewisse Leute, wie sie sich auch gebärden mögen, noch lange nicht für den Staat, aber für kreuzdumm halten wir das Bernervolk, das dürfen wir bekennen. Zehnten und Bodenzins hat es abgeschafft und ergibt sich mit Haut und Haar, mit Leib und Seele einer fremden Familie zur Leibeigenschaft und läßt sich von Burschen hudeln und beuteln, wie selten noch der erbärmlichste Lappi gehudelt und gebeutelt ward. (Ist anders geworden, der Bär ist erwacht.)

Nun, aber diesmal gelang es nicht. Der Wirt stand für Peterli männlich ein. Es nehme ihn wunder, ob so etwas gehen dürfe, er wolle es probieren; das sei bewiesen, daß Peterli die Gschrift nicht selbst gemacht, sondern vom gegenwärtigen Verkäufer erhalten habe, daß dieser sich nicht Barzahlung vorbehalten, oder wenn auch, es doch nicht beweisen könne. Er müsse das Papier da nehmen, sonst müsse er ihm vor den Richter; er wisse Sachen mehr als genug zum Hängen von ihm, es nehme ihn wunder, ob er ihn nicht wenigstens ins Zuchthaus bringe. Der Wirt sprach so bündig und fluchte so derb, daß dem Burschen doch angst ward. Der Teufel sei ein Schelm, dachte er, und die Wirte nicht schlecht an bei ihm, ihnen habe er gar zu viel Kundsame zu verdanken. Wenn der Wirt den Handel übernehme, könnte er fehlen oder ihn in andere verwickeln, daß endlich der Richter müßte, wenn er auch nicht wollte. Er brüllte nun auch schrecklich, aber der Wirt kannte diese Tonart und erschrak nicht; er wußte, daß dieselbe gewöhnlich dicht vor dem Rückzug geblasen wird. Er hielt männlich aus, und Peterli kam seiner Gschrift wieder los, aber er kriegte seine hungrige Kuh wieder, und manchen Taler hatte er doch verloren.

Ja, und wenn es Peterli noch bei dem Kühelend allein geblieben wäre! Aber nun kam eben mehr und mehr die Heunot, die Notwendigkeit des Heukaufens. Man denke sich nun, wie es der Peterli hatte auf seinem magern Hofe und dünnen Geldseckel! Er vermochte nicht Stroh zu füttern, nicht Heu zu kaufen, nicht die Kühe totschlagen zu lassen und selbst zu essen, der war in der Klemme! Da sein Haus auf der Höhe stand, hörte man seiner Kühe Gebrüll über das ganze Dorf; er konnte mit keinem Lieb sie zu bescheidenem Schweigen bringen, sie hatten keinen Sinn für Liebe, sondern nur für Heu, doch hätten sie vielleicht auch Korn gefressen, aber solches erhielten sie so wenig als der verlorene Sohn die Treber, nach denen sein Herz, das heißt sein Hunger ihn zog. Er wäre längst gern im Dunkeln um Heu ausgefahren, der Mut dazu fehlte ihm nicht, aber das Geld. Er suchte welches und fand es nicht, sein Kredit stand auf gar miserabeln Füßen. Das machte ihn böse, aber noch böser das Stillschweigen der Kühe im Nägeliboden. Das waren merkwürdige Kühe, Sonderbündler. Wie auch andere Kühe brüllten, sie halfen nicht mit, sie schwiegen; sie unterschieden sich dadurch ganz von den Hunden, welche alle bellen, wenn einer bellt, so daß es einem fast scheinen möchte, als hätten Zeitungsredakteure, und namentlich radikale, an ihnen ein Exempel genommen.


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