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Ein und zwanzigstes Capitel.

Nach und nach indeß erhub sich ein unzufriedenes Murmeln unter den Zuschauern. Man blickte von allen Seiten nach dem kaiserlichen Sitze empor, und als man sah, wie der Herrscher mit zürnenden Blicken Anstalt machte, die verstörte Schaubühne zu verlassen, barg sich der allgemein erregte Unwille länger nicht mehr. Unter lauten Verwünschungen – die Griechen hatten noch so viel vom Blut ihrer Väter in sich, um die Unterbrechung eines Schauspiels als eine Entweihung zu betrachten, – stand Alles von seinen Sitzen auf, und drängte nach der Orchestra hinab, den kühnen Frevler zu fangen, vergessend seines noch kaum so hoch gefeyerten Heldenruhmes, nichts vor Augen habend, als das gegenwärtige Vergehen. Philippos und die Wäringer gebothen Ruhe, und legten zum Schutz ihres Obersten Hand an das Schwert, da sie aber einzeln und zerstreut in der unermeßlichen Volksmenge standen, konnten sie ihr keinen Damm entgegen setzen, und vermehrten nur das Getümmel; Weiber und Kinder schrien ängstlich im Gedränge; Margherita von Pietro beschützt, schien keiner Gefahr zu gedenken, sondern streckte nur vom Rande des Amphitheaters, wo sie stand, sehnsuchtsvoll ihre Arme, wie nach einer Vision, nach dem Kinde hinüber; Thiodolf hatte es aus dem Drachenleibe hervorgehoben, und in seine Arme genommen, es mit freundlichen Worten herzend und begütigend während die zürnende Volksmenge großentheils schon in die Orchestra hinabgeströmt war, und sich nach der Treppe zu der Bühne hinandrängte.

Da schien Thiodolf erst dieses Gelärms inne zu werden. – »Ruhig, mein Herz, sagte er zu dem Kinde; sie sollen dir nichts thun.« Er übergab es dem Meister Romanus, der eben erst mit blutendem Arm aus der Drachengestalt gestiegen war, trat alsdann gegen die Treppe der Orchestra vor, und rief, die Klinge einigemahl blitzschnell um sein Haupt wirbelnd: »will mich hier Jemand sprechen?«

Es schwieg Alles auf einen Augenblick, wie gebannt. Aber die Entferntern huben alsbald ihr Schelten und Verwünschen wieder an, drängten nach vorwärts, und wagten es sogar, mit Messern, und was ihnen sonsten zur Hand war, nach der Bühne zu werfen.

Da schwoll in Thiodolfs Geist die alte, finstre Kraft des Berserkerzorns, seit so lange schon von ihm gewichen, wieder ingrimmig, beherrschend empor; einzelne, drohende Laute stieß er aus, die im Theater zerstreuten Wäringer riefen's mit vielfach schmetterndem Tone, wie ein Unglück bringendes Echo ihm nach; es war an dem, daß ein furchtbares Blutbad beginne, und sühnungslose Zwietracht ihre Fackel schwinge über Stadt und Land.

Urplötzlich theilte sich das Volk vor einer weißen Gestalt, die das Amphitheater herunter, durch die Orchestra geschritten kam. Wo sie sich nahte, schwieg das Getümmel, und ein leises Gemurmel: »sehet da die heimliche Helferin«, breitete sich weiter und weiter nach allen Seiten aus, so daß endlich eine Stille über dem Schauplatz lag, die nur durch Thiodolfs und der Wäringer einzelnes Schlachtrufen unterbrochen ward.

Die weiße Gestalt stieg aus der Orchestra die Stufen nach der Bühne hinan, nahm dem blutenden Romanus das Kind vom Arm, und hüllte es beruhigend in ihre Schleyer; dann trat sie neben Thiodolf, um auch dessen Zorn zu beschwichtigen. Aber die Menge war indes im erneuten Grimm losgebrochen, und Thiodolf, die Zähne zusammengebissen, das Auge fürchterlich rollend, reitzte sie mit höhnenden Worten noch wilder auf. Da stellte sich die heimliche Helferinn mit drohend hochgehobener Hand zwischen ihn und das Volk, ausrufend:

»Mein Leben an das seine! Ich gebiethe Euch Allen, tretet in Demuth und Ruhe zurück. Wer es wagt, zu trachten nach diesem geweiheten Heldenhaupt, seye verwünscht und verloren in Zeit und Ewigkeit!« –

Alles neigte sich voll tiefer Ergebung vor diesen feyerlichen Strafworten; nur Thiodolf schäumte noch im alten Berserkergrimm, und wollte dem durch die Orchestra zurückweichenden Volke nach, da wandte sich die zierliche Herrinn gegen ihn, lüpfte ihre Schleyer ein wenig, und flüsterte:

»Ach Thiodolf, hast du mich denn ganz vergessen?«

Und wehmuthsvoll in seine Knie sank der Norderheld, in leisen Worten seufzend:

»O Isolde, o meine himmlische Herrin Isolde!« –

Aber wie ein mächtiges Hünengebilde stieg in der noch volksgedrängten Orchestra ein schwer geharnischter, riesengroßer Rittersmann empor, der streckte die eine Hand nach Pietro und Malgheriten, die andre nach Thiodolf und Isolden aus, laut rufend:

»Der Vaterfluch ist gelöst. Freud' und Frieden über alle meine Kinder!«


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