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Zwanzigstes Capitel.

Unter keiner andern Decke, als der des klar gewölbten, südlichen Frühlingshimmels leuchtete der prächtige Schauplatz mit seinen emporstrebenden Sitzen voll geschmückter, erwartungsfroher Menschen, gleich einer halbgefüllten, unermeßlichen Rose. Ueber den Hintergrund der theils noch verhüllten Bühne sahen die blühenden asiatischen Ufer jenseit des Propontis, und ein Theil des blauen Meeres selbst hervor, die Seele mit großen Gedanken und lieblichen Bildern zum voraus erfüllend. Wohlgefällig strahlte die noch hochstehende Sonne in das festliche Gewimmel.

Von allen Seiten gab man dem rühmlichen Thiodolf und seiner Gesellschaft ehrerbietig Raum, und er gelangte bis an den vordersten Rand des Amphitheaters, dicht vor sich die Orchestra, wo der Chor seine feyerlichen Aufzüge zu begehen hatte. Dort ließen sie sich nieder, und verlangend strebten des jungen Norderhelden Blicke nach der glänzenden Schaubühne hin, wo der große Sigurd Schlangentödter, der auch in die Reihe seiner Ahnen gehörte, nun bald im verherrlichenden Spiel erscheinen sollte.

Die Ankunft des kaiserlichen Hofes verkündend schmetterten Trompeten. Das laute, fröhliche Gesumse schwieg, in ehrfurchtsvoller Stille erhob sich Alles von seinen Sitzen, und alle Augen starrten nach dem Mittelpunkte des Amphitheaters empor, wo beim zweyten Trompetenstoße der Kaiser, seine Töchter und die blühende Zoe erschienen, umringt von Hofdienern und Trabanten vieler Art. Der Kaiser grüßte gnädig nach allen Seiten über die sich tief Beugenden hin, aber sichtlich vermied er es, nach der Gegend, wo Thiodolf in seinem goldnen Stierhelme funkelte, auch nur einen einzigen freundlichen Blick zu werfen. Von da an blieb der Wäringerfürst stolz und gleichgültig stehen, ohne sich weiter zu verneigen, und sobald mit dem dritten Trompetenstoße die kaiserliche Familie Platz genommen hatte, und Jedermann sich niederließ, wandte auch er sich, behaglich zwischen Pietro und Malgherita gesetzt, nach dem Theater, so unbefangen und freudig auf die Erscheinung Sigurds hoffend, als gäbe es keinen griechischen Kaiser in der Welt.

Der Vorhang, der das Proscenium noch bedeckt hielt, rollte nach altgriechischer Sitte herab, und verschwand. Man sah ein Klippenthal dargestellt, von Eichen überschattet, von Tannen durchwachsen, von jungfräulich schlanken Mayen durchleuchtet, und während die Südländer staunend die fremde Natur, und der Maler und Bildner Kunst bewunderten, schlugen Thiodolfs und aller Wäringer Herzen hoch vor heimatlichen Gedanken, und füllten sich ihre Augen mit begeisterten Thränen.

Das Vorspiel der Tragödie hub an. Aus einer rauhen Felsburg, die den Hintergrund einnahm, traten zwey riesige Gestalten hervor, durch den Kothurn zu ihrer wundersamen Höhe gesteigert, vermöge der kunstreichen, das ganze Haupt überdeckenden Larven in eine fremde, gigantische Eigenthümlichkeit hinüber gezaubert, ihre ganze Bildung und Tracht angemessen der schauerlichen Ideen. Es waren die beyden Brüder Fafner und Reigen, die ihren magischen Vater Hreidmar um des Schatzes willen erschlagen hatten, und nun selbst miteinander in Streit geriethen; vorzüglich des verhängnißvollen Andwarsringes halber, welchen der Dichter als den durch das Schicksal bedingten Mittelpunkt des ganzes Bildes, mit kühner Absichtlichkeit streng' hervorzuheben bemüht schien. Fafner griff nach dem Aegershelm, setzte ihn auf sein Haupt, und schwang das furchtbare Schwert Hrotte. Da wich Reigen erschrocken zurück, und Fafner sprach:

     »Nun sollst du bald noch furchtbarlicher mich erschaun:
In Drachenbildung wandl' ich zaubernd meinen Leib,
Und hüthe so des reichen Goldes für und für.
Denn Gold ist auf dem Erdenrund das Herrlichste,
So daß, es zu bewahren, Alles sich geziemt,
Und wärfe man die menschlich holde Zier des Leib's
Auch weg, ergehend sich fortan in Graungestalt!«

Er schritt in die Felsenburg zurück, und Reigen blieb in nachdenklichen Zweifeln stehen. Nicht lange währte es, da kam Fafner in Drachenbildung feuerspeiend aus der wüsten Veste wieder hervor. Der zitternde Reigen verbarg sich hinter eine Klippe, Fafner, aber zog triumphierend auf der Schaubühne umher, und stieß höhnische Worte aus gegen Alle, die ihm etwa das Gold abzugewinnen vermeinten. Kühn und dennoch ohne widerwärtige Verzerrung war hier die menschliche Gestalt mit der drachenartigen zu einem wunderbaren Ganzen verbunden. Vorzüglich blickte das medusenähnliche Antlitz in furchtbarer Schönheit ergreifend umher, und bewegte sich dazu auf eine höchst kunstreiche und lebendige Weise. Fast alle Zuschauer bebten zusammen, als nun Fafner in die Orchestra herabgeschritten kann, und in der Pforte, welche man die charonische zu nennen pflegte, unter den vordersten Sitzen des Amphitheaters verschwand. Aber Thiodolfs Herz klopfte von Fechterlust, einen Gang mit dem Drachen zu versuchen, denn ihm war der Gedanke an Bühne und Spiel schon fast untergegangen, vor der lebendigen Darstellung der wohlvertrauten Nordersage; und nun trat vollends Reigen wieder heraus mit diesen Worten, welche durch die künstliche Verstärkung seines Sprachtones aus der Larve vor in gewaltiger Kraft über die Versammlung hinrollten:

     »Und gilt es denn, du kühner, frevelhafter Thor,
Daß Gold fortan die Losung sein soll in der Welt,
Und wer's am besten hüthen kann, den Kranz sich pflückt,
Da bring ich wider deinen schupp'gen Drachenleib
Was höhres dir in's Fechten – einen Heldenleib!
Wohlauf nun Bruder Drache! Sigurd rückt heran!«

Der Vorhang zog sich wieder verhüllend empor, der Prolog war geendet. Nichts vernahm Thiodolf von dem, was Pietro und Malgherita von der Kunst des Dichters, der Darsteller und der Bildner zu ihm sprachen. Sein Geist war bey der Besiegung des furchtbaren Golddrachen, und mit feurigen Augen starrte er nach der Bühne, ob sich nun der Sigurd bald zeigen werde, und ob es auch ein rechter, ächter Sigurd sey, Einer, von denen sich so ein Sieg erwarten lasse. Im schlimmsten Falle war er gesonnen, ihm zu helfen.

Abermals senkte sich der Vorhang, und ließ das Proscenium frey. Man sah, wie Sigurd und Reigen rechts aus der Ferne herankamen, und aus Aller Brust hob sich bey Erblickung des schön geschmückten jungen Helden ein freudiges Ach! Thiodolf aber murmelte zweifelnd in sich hinein:

»Anmuthig genug sieht der Jüngling aus, und hoch und schlank ist er auch. Aber ich fürchte, der thut's ihm nicht. Er könnte seine Waffen um vieles besser tragen.«

Das Zauberschwert zu der That ward hier gleich zur Stelle geschmiedet und geprüft, und während es glühte, entzündete Reigen des jungen Helden Brust zu kühner Begier nach dem Andwarsring. Auf die Sprüche des unheimlichen Schmidts zogen in magischer Gestaltung Brynhilldur und Gudrun, von andern weissagenden Bildern, umspielt, über das Thal hin. Der junge Sigurd entbrannte, Thiodolf noch weit lebhafter, und ganz sein selbst vergessend, – da hörte man unter dem Amphitheater das Tosen des nahen Drachen, daß die mehrsten Zuschauer vor den furchtbar dröhnenden Klängen zitterten; Sigurd und Reigen verbargen sich; Fafner wandelte unter tiefen, gehaltenen Posaunentönen aus der charonischen Pforte hervor. Aber noch war er die Treppe aus der Orchestra nach der Bühne kaum in seltsam schauerlichen Bewegungen hinangekommen, da flog Thiodolf gewaltigen Schwungs, die blitzende Klinge Rottenbeißer in seiner Rechten, ihm nach, und mitten auf der Bühne holte er ihn ein, und traf ihn, daß zerspalten und krachend das Medusenhaupt von einanderbrach, und ein schneller Blutstrom draus hervor rieselte. Ein wunderschönes Knäblein richtete sich, halb erschreckten, halb drohenden Blickes aus der zerstörten Larve in die Höhe, noch zum Theil gedeckt durch den schirmenden Arm eines Mannes, welchen der mächtige Hieb getroffen hatte; und wie das herrliche Kind zürnte und schalt, das Blut über das seltsame Zaubergebilde herabquoll, Thiodolf aber mit gesenktem Schwerte, nach und nach zur Besinnung kommend, daneben stand, blieb das Volk eine lange Zeit hindurch staunend und stumm, wie vor einer neuen, schönern Erscheinung, welche die Kunst des Meisters Romanus unerwartet hervorgerufen habe.


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