Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Capitel.

Der Religionsunterricht Thiodolfs nahm einen seltsamen Gang, und die zwey Bischöfe, welche zu seiner Bekehrung abgeordnet waren, irrten sich beynahe selbst untereinander über die wunderlichen Dinge, die während dieses Geschäftes vorfielen. Bald sagte Thiodolf, einem freundlichen Kind vergleichbar, zu Allem, was man ihm zu sprach: Ja, und hörte mit anmuthigem Lächeln und vergnügtem Kopfnicken stundenlang zu. – Dann aber gab es auch wieder Lehren, wo der junge Held fest auf derselben Stelle stehen blieb, wie ein zürnendes, ungebändigtes Roß, und sich auf gar keine Weise bedeuten ließ. Ja, es kam wohl bisweilen gar zu so heftigen Ausbrüchen, daß er seinen Lehrern die Versicherung gab, sie seyen halbherzige Bursche, werth, daß er sie aus den Wäringermauern hinaustreibe; nur einzig und allein gelte ihm dazu des Kaisers Gesetzesordnung zu ehrenwerth und lieb.

Auf solche harte Reden erwiederte ihm ein malen der älteste seiner Lehrer, wenn er sich nicht geduldiger und sittiger füge, werde man ihn Augenblicks verlassen, wo er dann wohl den unheimlichen Mächten, die bereits so wilde Gewalt über sein Leben übten, auf ewig anheim fallen müsse. – Kopfschüttelnd sah Thiodolf die Bei- den an.

Endlich erhub er seine Stimme, und sagte: »Leute, wenn Ihr wirklich glaubt, was Ihr zu glauben vorgebt, wenn Ihr's so recht mit ganzer Seele glaubt – wie kann es Euch da in den Sinn kommen, mich zu verlassen um einiger Scheltworte willen? Den lieben, weißen Christ hatten sie gegeißelt und geschmäht und getödtet, und dennoch kam er sogar wieder aus dem Grabe heraus, um allen armen Sündern zu helfen, selbst dem mit, der ihm den Speer in die Seite gebohrt hatte. – Ach, Ihr mögt mir schöne Nachfolger des weißen Christes sein. Gewiß, Euch schlägt unter Euern prächtigen Röcken weit ein anderes Herz, als ihm unter seinem Lammeskleide schlug: Geht doch in Euch, Kinder; thut, wie er es that, als er die Taubenkrämer und Geldwechsler aus dem Tempel warf, da soll es schon besser werden mit Euerm Herzen und mit meiner Bekehrung auch.«

Die Bischöfe schlugen ihre Augen vor ihm nieder, und waren versucht, zu glauben, er prüfe nur, im Herzen aber sey er ein weit geförderter, ihnen sehr überlegener Christ. Doch merkten sie bald wieder an überkühnen Einfällen und heidnischen Anrufungen, er stehe noch in seinem alten, verwirrten Glauben mitten inne, und bloß vor einzelnen Lichtblicken eines edlen Gemüthes glühe ihm die bald verlodernde Fackel der rechten Wahrheit auf Augenblicke an. Dann arbeiteten sie um so hoffnungsvoller an seiner Bekehrung, und ließen auch schon deswegen nicht ab, weil der Kaiser, der den jungen Helden liebte, ganz Konstantinopolis, das ihn fast vergötterte, die Augen mit innigem Verlangen auf den Ausgang dieser Angelegenheit heftete. Dennoch kam man um keinen Schritt vorwärts; vielmehr ward Thiodolf immer kälter und trotziger gegen seine Lehrer, und gönnte ihnen nur selten einen freundlichen Blick. Auf ihre Klagen darüber pflegte er zu erwiedern:

»Wenn Ihr die Rechten wärt, Kinder, ginge Alles seinen rechten Gang, und ich wäre schon längst der Rechte auch. Aber so wollt Ihr wohl an einer Glocken läuten, und zieht gewaltig am Strange, nur der Klöppel fehlt Euch drinnen, und die ganze Arbeit ist umsonst und um nichts.«

Dabey ward seine Sinnesart immer ernster und wehmüthiger, denn je weniger er dazu gelangen konnte, den weißen Christ zu verstehen, je inniger sehnte er sich nach ihm, und pflegte dann wohl öfters am Abend mit trübem Blick zu Malgheriten zu sagen:

»Vergebliches Suchen! Das sind gewiß die Runenworte, die eine böse Zauberfrau bei meiner Geburt in ein Lindenholz eingeschnitten hat. Wie lange irr' ich schon nach Isolden umher! Und nun auch such' ich so ämsig den weißen Christ! Und keine von beyden theuern Gestalten weiß ich zu finden. Ach, sie wollen sich auch wohl gar nicht von mir finden lassen, sie spielen Verstecken mit mir!«

Am frischesten und schnellsten fühlte er nach solchen Stunden die Freude wieder bey sich einziehn, wenn er mit Philippos Waffenspiele trieb. Der Edelknabe hatte vom Kaiser Vergunst erhalten, den bevorstehenden Feldzug unter Thiodolfs Führung mitzumachen, und deßhalb in der Wäringerburg gleich jetzt die nöthigen Vorübungen anzustellen. Kraft und freudige Zuversicht funkelten aus des Heldenjünglings Augen und belebten seine Glieder, vorzüglich wenn die Rosse vorgeführt wurden, und es galt, sie zu gewagten Sprüngen zu treiben, oder von ihnen herab den Speer zu werfen mitten im wildesten Lauf. Auch war es, als kennten die ritterlichen Thiere den jungen Edelknecht, und hätten ihn sehr lieb, weßhalb Thiodolf öfters zu ihm zu sagen pflegte:

»Es ist hübsch, daß in Eurer Griechensprache Philippos, so viel bedeutet, als Roßlieb in der unsern, und deine Aeltern haben gut gethan, dich also zu benennen.«


 << zurück weiter >>