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Neuntes Capitel.

Die Scharen hatten von beyden Seiten ihre ersten Stellungen wieder, die kaiserliche Tuba blies Halt, Hofritter sprengten zu den zwey Führern, den Befehl bringend, man solle zur Heerschau in aller Pracht vor dem kaiserlichen Wagen vorüberziehn. Der Kämmerer Michael Androgenes wollte die Sendung zu Thiodolf doch nicht das zweytenmahl übernehmen, und beeilte sich, nach Helmfrids Geschwadern Bothe zu werden.

Die Nordlandshörner bliesen; den wohlgekannten vaterländischen Klängen nach rückten die Haufen in zierlich geordneten Abtheilungen heran, Helmfrid mit den Seinen zuerst. Thiodolf sah sich die Art und Weise des alten Wäringerfürsten genau ab, und es freute ihn, daß derselbe, nach dem er grüßend vorbeygezogen, zurückgesprengt kam, und bey dem kaiserlichen Wagen halten, blieb, während die Geschwader einander feyerlich im Vorbeirücken folgten. – »So,« dachte er, »kann ich mir die edlen Herrn und vorzüglich auch die zarten Frauen recht ordentlich besehen.«

Als nun an ihn die Reihe kam, und er sich mit kriegerischem Gruße neigte, da richteten sich Aller Augen in freundlicher Neubegier auf ihn hin, und unter diesen zwey wunderschöne aus einem himmlisch blühenden Mädchenangesichte hervor, das sich ihm zur Linken des Kaisers kundgab. Nun ward es ihm erst recht von Herzen lieb, daß er bey den Wagen halten bleiben sollte. Kaum vorbeygezogen, so warf er auch schon den arabischen Rappen herum, und jagte nach dem angewiesenen Platze zurück, so feurigen Schwunges, und nachher so gewaltig sein Roß anhaltend, daß der brausende Hengst zornig in die Höhe stieg, und mit einer riesigen, geharnischten Wucht ein Zeitlang wie zwischen Fall und Feststehen schwankte. Thiodolfs ruhiger Blick fiel dabey auf die holde Mädchengestalt. Er sah die rosigen Wangen in Schreck erbleichen, hörte einen Ausruf der Besorgniß wie Silberglockenlaut leise zwischen den blühenden Lippen hervorschweben, und streichelte seinem Rappen, ordentlich wie dankbar, den rehschlanken Hals. Der Kaiser fragte, warum er nicht durch das Thal vorgesprengt sey. –

»Großmächtiger Herr,« entgegnete Thiodolf, »da hätt' ich ja lieber mein edles Roß mit eigner Hand erstechen wollen, als es hintreiben über Weiber und Kinder, die sich da so hübsch und freundlich gesammelt hatten, um den Spaß mit anzusehen. Es war ein recht jämmerlicher Anblick, wie sie weinten und durcheinander liefen. Ich ward nicht eher wieder froh, als bis sie droben auf den Höhen in voller Sicherheit an zu lachen fingen.« –

»Ihr seyd ein sehr weichherziger Soldat;« sagte der Kaiser mit freundlichem Lächeln. –

»Ja,« erwiderte Thiodolf treuherzig, »gegen gute Freunde ganz ausnehmend, vorzüglich gegen Weiber und Kinder. Zertritt ja doch wohl ein rechter Kerl nicht einmahl ein freundliches Blümchen ohne Noth.« –

Der Kaiser neigte die Hand gegen ihn, und stellte ihn selbst den beyden Damen vor, die mit ihm im Wagen saßen. Da erfuhr er, die zu des Kaisers Rechten sey dessen Tochter Zoe; die holde Schönheit zur Linken, die des Jünglings Auge so fest auf sich gezogen hatte, und ihn jetzt mit süßem Erröthen anlächelte, heiße gleichfalls Zoe, und sey des Kaisers Nichte. Dann ward ihm gebothen, zur Mittagstafel im Pallaste zu erscheinen, und auf einen entlassenden Wink des Herrn sprengte er anmuthig grüßend wieder an die Spitze seiner vorbeygerückten Scharen.

Während sie in die Stadt hinein zogen, und er sich wieder mit Helmfrid zusammengefunden hatte, sagte er: »so bitt' ich Euch doch, lieber Meister, wie geht das zu, daß die Zoe, welche des Kaisers Tochter ist, eines so reitzenden Blumenkindes Nachbarin seyn mag, als die andre Zoe zur Linken des Herrschers? Das paßt ja gar nicht zusammen. Lieber gleich Winter gegen Frühling über, wie damals, als Muhme Gunhild neben Malgheritchen saß; aber so betrübter Spätsommer, wie die liebe ältliche Zoe gegen ihre leuchtende Muhme – fürwahr, es nimmt sich gar zu unerfreulich aus.«

»Rechte darüber mit dem Himmel, welcher beyde dem Kaiser nahe gestellt hat,« entgegnete der lächelnde Helmfrid. »Lange mit vergeblicher Erwartung dem Thron entgegen lebend, und erst vor wenigen Jahren im schon greisenden Alter dazu gelangt, scheint unser Kaiser die freudlosen Wolken seines Daseyns auch auf seine Töchter vererbt zu haben. Die älteste, Eudocia, ist bereits in das Kloster getreten, die jüngste, Theodora, lebt als ihre strenge Schülerin, und erscheint nur bey großen Festen, wie vielleicht heute Mittag, am Hofe; Zoe, die mittlere, geht wohl ebenfalls einem trüben einsamen Alter entgegen, obgleich sie Aussicht zur Thronfolge hat; denn wer sollte die Neigung der ernsten, schwermüthigen Fürstinn auf sich ziehn?«

»Ja, das weiß ich nicht,« sagte Thiodolf, »und es liegt mir auch im Grunde sehr wenig daran. Von der jungen, blühenden Zoe sollt Ihr mir erzählen, die ihren Nahmen, der ja in der Griechensprache Leben heißt, mit vollem lieblichem Rechte führt.«

»Die!« entgegnete Helmfrid. »Nun, sie ist eine weitläufige Verwandte des Kaisers, und es ruht keine Hoffnung der Thronfolge auf ihr.«

»Ach lieber, tapfrer Herr,« seufzte Thiodolf, »Ihr seyd doch fürwahr schon recht sehr alt geworden! Damals beim Lindenhügel hättet Ihr gewiß nicht dergleichen Antworten gegeben.«

Helmfrid zog die Braunen wie im Zorn zusammen; plötzlich aber auf den Goldschild blickend, den ihm Thiodolf zurück gebracht hatte, sagte er bloß: »Du wunderlicher Knab!« und wiegte den Kopf lächelnd hin und her.

In der Wäringerveste schmückten sich die beyden Helden prächtig zum kaiserlichen Mahl, ihr Gewaffen sorgfältig glättend, und an Borten und Gürteln noch Köstlicheres umlegend, als sie bey der Heerschau getragen hatten. Dann zogen sie feyerlich den Weg zum Pallaste hinauf.


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