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Wenige Tage darauf ließ der Kaiser den jungen Isländer zur ungewohnten Stunde in seine Kammern berufen. Ganz allein saß der alte ehrwürdige Regent hinter einem Tisch, vor sich eine große, aufgeschlagne Bibel.
»Was meinst du zu diesem Buche, junger Mensch?« redete er ihn an. »Wohl wußt' ich von Anfang her, daß du nicht zu seinen strengsten Bekennern gehörtest, aber jetzt hat mir einer meiner Diener berichten wollen, du verwürfest den Glauben daran gänzlich und offenbar.«
»Mein großmächtiger Herr, die Antwort ist ein wenig schwer;« entgegnete Thiodolf. »Weiß ich doch noch gar nicht, welch ein großes, herrliches Buch es ist, das Ihr da vor Euch liegen habt. Handelt es aber vom lieben, weißen Christ, und steht vor allem die Geschichte mit drin, wie er am See Tiberias seinen treuen Jüngern erschien –«
»Ja, das Alles steht in diesem Buch,« erwiederte der Kaiser, »und, Thiodolf, wenn Ihr den Inhalt so lieb habt, warum bekennt Ihr Euch nicht dazu?«
»Lieber Herr,« sagte Thiodolf, »man kann etwas sehr lieb haben, und es dennoch nur gar schlecht verstehen. So geht es mir mit dem weißen Christ. Für einen milden guten Geist seh' ich ihn an; aber wie er oder überhaupt irgend ein Mensch Gottes Sohn seyn kann, versteh' ich dennoch nicht. Da stell' ich mich lieber weit ab, um ihm weder durch träumerisches Anschreyen, noch durch freches Verwerfen Unrecht zu thun.«
»Du wirst mir beynahe noch lieber in deiner männlichen Weigerung,« sagte der Kaiser nachdenklich. »Und dennoch muß ich darüber wieder von dir lassen; wenigstens so gnädig und huldreich nahe bleiben, wie bis auf den heutigen Tag, kann ich dir nicht.«
»Das ist schlimm, lieber, freundlicher Herr,« sagte Thiodolf, »aber in Alles, was nicht zu ändern steht, muß sich ein rechter Mann ungestörten Muthes finden. Deshalb verfügt nur sogleich, was Euch das Rechte dünkt.«
»Es sind unter meinen zahllosen Scharen manche Kriegsleute, welche die ewige Wahrheit der Religion noch nicht ergriffen hat,« sagte der Kaiser; »ja, selbst viele meiner Wäringer stehen mit Euch in einem und demselben Fall. Bleibt also, dafern Ihr es wollt, mein ritterlicher Hauptmann nach wie vor, aber aus meines Mahles Bechern zu trinken, an meiner Seiten zwischen den edlen Frauen meines Hofes zu sitzen, das ist ein Vorrecht, welches nur Christen ziemt. Ich darf und will Euch nicht wieder laden, Thiodolf, bis Ihr das Bad der heiligen Taufe empfangen habt.«
»O,« sagte der Jüngling, »da kann es leichtlich kommen, daß ich hiermit von Eurer Tafel Abschied nehme auf Nimmerwiedersehen. Und aller Ehr' und Freude ungeachtet, die mir auf diese Weise entgeht, mag es doch vielleicht recht, recht sehr gut seyn, daß es gerade so kommt, und nicht anders. Im Uebrigen, Herr – ich hätte mich vielleicht schon früher taufen lassen, denn ehemals kam es mir ziemlich gleichgültig vor, daß man eben Wasser über mich hingösse, und spräch' ein Paar Worte dazu. Nun aber hab' ich mir vorgenommen, ich will entweder ein recht fester Jünger seyn aus der Schar des lieben ehrwürdigen weißen Christs, oder gar keiner.«
»Nimm doch Unterricht in den Lehren des Christenthumes, Thiodolf, mein lieber Sohn,« sagte der Kaiser. »Ich will zwey meiner gelehrtesten Bischöfe zu dir senden.«
»In Gottesnahmen, mein gnädiger, freundlicher Herr!« rief der Jüngling aus. »Und wenn sie nur halb so tüchtig und eifrig lehren, als ich zu lernen gedenke, wird Alles ohne Zweifel bald und gut gethan, seyn.«
Der Kaiser neigte sich, gnädig entlassend, indem er noch hinzufügte: »wenn du dich etwa in den kaiserlichen Gärten ergehest, Thiodolf, und mir oder den Prinzessinnnen begegnet, brauchst du deßhalb nicht auszuweichen: Wir würden dich ungern so auf einmahl gänzlich vermissen, und ein zufälliges Zusammentreffen geht nicht gegen meine Würde und Pflicht.«
Thiodolf schritt dankend und mit leichtem Herzen hinaus. Bisher hatte es ihn wohl oftmahlen gedrückt, daß man thue, als gehöre er zu den Christen, und er stehe ja dennoch mit Leib, und Seele draußen in dem wilden, von uralten Götzenbildern und Opferherden durchfunkelten Wald.
Michael Androgenes drückte sich mit einiger Scheue seitwärts an die Wand, indem Thiodolf aus den kaiserlichen Kammern kam. Der junge Wäringerhauptmann blieb vor ihm stehen, und blickte ihn eine geraume Zeit lächelnd an. Endlich sagte er:
»Ihr werdet ja wahrhaftig immer blässer und blässer, mein lieber Kämmerling, Was soll denn das bedeuten? Ach so, nun fällt mir's ein! Ihr denkt daran, daß die Galerie sehr nahe ist, über die ich damals den Glykomedon halsbrechender Weise hinauswarf. Seyd ruhig. Euch thu' ich nichts. Denn seht, der Glykomedon hatte mir viel, viel mehr in meinem Leben verstört, als Ihr, liebes Herrlein, das je werdet im Stande sein. Vielmehr, mein guter Kämmerling, habt Ihr mir einen großen Dienst erwiesen mit Euern Berichten; auch sehe ich jetzt die Sitten und Rechte des Pallastlebens viel besser, als damals, ein. Mit Gott, Herr Kämmerling, und meinen besten Dank.«
Thiodolf Schritt raschen, leichten Ganges fürder, und Michael Androgenes setzte seine verlegenen Bücklinge fort, bis ihm das Lachen seiner Genossen kund gab, der gefürchtete Nordmann seye schon längst aus den Sälen hinaus.