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Zehntes Capitel.

An der köstlichen Tafel saßen nebeneinander, zunächst dem Kaiser, die beyden Fürstinnnen, welche man mit gleichem Nahmen Zoe nannte, auf des Kaisers linker Seite seine andere, noch viel ernstere und bleichere Tochter Theodora. Thiodolfs, des jungen Hauptmannes Platz war ziemlich entfernt von dem Kaiser und den erhabnen Frauen, aber weil der Alleinherrscher oft seine Worte an ihn richtete, und er ihnen in kühner, bisweilen seltsam ausgedrückter, aber immer kraftvoller Rede nicht ohne Lieblichkeit zu begegnen wußte, schien es doch fast, als sey eben er der Mittelpunkt des ganzen Mahles. Auch die junge blühende Zoe wandte ihre strahlenden Blicke öfters gegen ihn hin, und davor ging es jedesmahl wie ein Blumenbeet in seinem Herzen auf, so daß er nicht umhin konnte, in seinen Reden der ihm so gar theuern Lieder und Mährchen seines vaterländischen Eilandes zu gedenken. –

»Zoe wünscht eines Eurer Nordischen Lieder zu hören;« sagte der Kaiser, und meinte damit seine Tochter. Thiodolf aber trug, so oft dieser Nahme klang, einzig und allein die blühende Zoe im Sinn, und erwiederte daher mit fröhlicher Begeisterung: »o mächtiger Herr, was irgend von zarten Blumen auf unsern Haiden aufgehen kann, gehört so gerne der lieblichen Fürstinn zu.« – Die ältere Zoe neigte sich freundlich gegen den Nordmann, und indem er sein Haupt vor der jüngern senkte, ward Niemand, weil die beyden Frauen beisammen saßen, des Irrthumes gewahr, als vielleicht die jüngre Zoe selbst.

Auf des Kaisers Wink brachte man dem Jüngling eine Zither, und dieser hub folgendermaßen zu singen an, sich wohl hüthend, daß es ihm mit dem zarten Instrument nicht wieder eben so ergehe, wie es ihm in Achmets Schlosse mit Haruns Zither ergangen war:

     »Leben, aller Labung Rebe,
Lieber, wall'nder Hauch Altvaters,
Vieler Zungen Spiel versucht es
Fern und nah dich zu benahmen.
Wie dich Nordmann preist, du weißt es;
Vita, ruft dich Römers Lied an.
Zwischen Griechen schwirrt es zärtlich:
Zoe, schönstes Leben, Zoe!«

Weil man nun am Hofe die nordländische Sprache von den Wäringern so ziemlich hatte verstehen lernen, begriffen Kaiser und Damen und Ritter den artigen Sinn des Liedes, und mit den beyden Fürstinnnen Zoe ging es wie vorhin. Die ältere neigte sich gegen Thiodolf, Thiodolf sich gegen die jüngere, und diese las aus seinen leuchtenden Blicken recht gut, wem das Lied gegolten hatte; sie lächelte still heimlich vor sich hin, ohne daß die Uebrigen aus ihrem Mißverstand gekommen wären. Denn wie alle Höflinge nur immer die Thronfolgerin im Auge hatten, meinten sie, jedem Andern müsse es eben so ergehen.

Da fügte es sich, daß Thiodolf einen Blick auf das Gesicht der bleichen Fürstinn Theodora fallen ließ. Sie schaute sehr ernst nach ihm herüber, fast wie eine Vision, die an Tod und Ewigkeit mahnend, urplötzlich zwischen den Freudelichtern eines Festes, nur einem Einzigen sichtbar, herauschwebt; verwirrt sah er zu Boden, und gab die Zither weg.

Die Tafel ward bald darnach aufgehoben, Thiodolf wandelte in herbstlicher Abenddämmerung wie im halben Traum der Wohnung Pietro's und Malgheritens zu. Die blühende Gestalt der holden Zoe wankte blumenartig vor seinem innern Sinn, und jedes freundliche Wort, jedes liebliche Lächeln oder Grüßen, das sie ihm gespendet hatte, streute Sonnenlichter über ihn aus, aber dann war es, als komme Theodora, und breite mit bleichen Händen einen großen schwarzen Mantel zwischen ihn und die schöne Fürstinn, Eins dem Andern verdeckend – »was heute in mir los ist, rief er ungeduldig, mag der wissen, welchen die Christen den Teufel nennen!«

»Ihr flucht ja ordentlich;« sagte Bertram lächelnd, indem er ihm aus einer Nebengasse zufällig entgegentrat.

»Ach, mit Euch zu sprechen,« rief Thiodolf, »Ihr sonnenheller, mittagsstiller Mensch, da wär' auch jede andre Stunde geschickter dazu, als eben diese hier! Ich bin nicht viel besser, als verrückt.«

Damit eilte er ungeduldig vorüber, und Bertram lächelte ihm nach: »wirst schon zur Ruhe kommen, du treues, schäumiges Meer. Das ist eben des Himmels beste Gunst, wenn er Stürme, reinigend und prüfend, hinschickt über deines Gleichen.«

Pietro und Malgherita waren derweile in staunendes Betrachten eines Bildes vertieft, das ihnen auf eine räthselhafte Art zugekommen war. Auch als Thiodolf zu ihnen eintrat, konnten sie sich von ihrem Hinschauen nicht abmüßigen. Sie winkten ihn nur schweigend herbey, und rückten die Kerzen so, daß er das Gemälde besser überschauen konnte.

Seit dem ersten Blick, welchen er auf die Tafel warf, stand der Gast nicht minder geblendet und staunend, als Wirth und Wirthin da. Was ihn zuerst ergriff, war Isoldens Gestalt in Pilgerkleidung, wie sie sich vor der Pforte eines herrlichen Klosters neigte, als um Einlaß bittend. Aber in der Pforte stand eine bleiche, ernste Frau, aus deren Munde die Worte gingen: »Vor den Demüthigen thun die Häuser des Herrn sich auf; vor den Stolzen schließen eherne Riegel sie zu. Komm wieder, meine Tochter, wenn du anders geworden bist.« – Und auf einer andern Abtheilung der Tafel sah man abermals Isoldens Gestalt, in Mitten einer dunkeln, ärmlichen Wohnung, betend vor einem Cruzifix; vielfaches Arbeitsgeräth umher zeigte an, womit sie die Stunden ausfülle, welche nicht das Gebeth ausschließlich in Anspruch nehme. Aus ihrem Munde gingen die Worte: »Herr, wenn ich so weit erniedrigt werden soll, als ich mich vor dem selbst erhöhet habe, wo soll ich dann hinsinken?«

Wie sich nun die Beschauer des Bildes nach und nach in Worten verständigten, ergab sich, ein schönes, stummes Mädchen habe heute Morgen die Tafel abgeliefert, und seye alsdann sogleich wieder verschwunden. –

»Daß Isolde das Bild gemalt hat,« sagte Malgherita, »daran ist kein Zweifel. Schon von Kindheit an ruhte der Geist unseres großen Ahnherrn nicht nur in Hinsicht ihres ernsten, stolzen Gemüthes auf ihr, sondern auch die Meisterherrschaft über Griffel und Farbe war mit auf sie vererbt. Wie diese Gestalten gefertigt sind, so kühn und sauber, so fleißig und frey, so hochgewaltig in jedem Zuge – Ihr Freunde, Niemand in der Welt kann so malen, als Isolde allein.«

»O Isolde,« – sagte Thiodolf demüthig, und ließ das Haupt sinken, – »mußt du mich auf diese Weise an dich mahnen? Wohl hattest du Recht, ich war deiner nicht werth. Aber du herrliche Sonne, du gehst wieder auf an meinem Himmel, und alles Nebelbethören der Nacht entweicht.«

Pietro und Malgherita verstanden seine Worte nicht, und auf ihre Fragen entgegnete er bloß: »Es ist schon Alles wieder gut; aber freylich, es hätte recht schlimm werden können. Pfui, daß ein Nordmannsherz so gar kindisch und leichtfertig schlagen kann.«

Indem schaute er wieder festern Blickes auf das Bild, und rief aus: »Die bleiche Frau, welche Isolden von der Klosterschwelle zurückweist, ist wahr und wahrhaftig die Prinzessinn Theodora. Isolde muß in Konstantinopolis seyn, und trockne nur deine Augen, Malgheritchen. Die soll uns nun in wenigen Tagen wieder zur Seite stehen.«


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