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In dem Halbkreise, welchen die herrliche Konstantinopolis um das Meer zieht, gab es an einem klaren Herbsttage vielfach fröhliches Gewimmel. Die müßige Menge drängte sich jubelnd nach dem Strande hinab, Herolde riefen, an Fenstern und auf Balkonen prangte ein Blumenbeet reitzender, geschmückter Frauen, denn die Wächter hatten verkündet, der große Wäringeroberst, der fürstliche Helmfrid komme von seinem Zuge zurück, mit wehenden, fröhlichen Wimpeln, noch zwey andre nordländische Barken in seinem Geleit.
Während man nun vom Strande mit freudiger Neubegier den Fahrzeugen entgegen sah, richteten sich von diesen nicht minder verlangende Blicke nach dem Ufer hinauf. Pietro und Malgherita, obgleich von Kindheit her an edle Pracht gewöhnt, mußten doch beynahe die Augen senken vor so vieler überraschender Herrlichkeit. Aber auch aus dem mittagshellen Seespiegel funkelte das Leuchten der umkränzenden Paläste, Kirchen und Thürme zurück. Obenher zog eine milde, himmelblaue Luft über die goldstrahlenden Dächer und Kuppeln und Bildsäulen fort, sie mit freundlichen Sonnenlichtern umblitzend. Man hörte schon näher und näher das Gesumse der volkreichen Stadt. Einzelne Musiklaute von kriegerisch einher prunkenden Scharen oder fröhlichen Festgelagen klangen darunter hervor. Da ward Thiodolf in jeder Minute ernsthafter und stiller, und sagte endlich mit schamglühenden Wangen zu dem großen Helmfrid gewandt:
»Herr, was soll ich da unter den prachtvollen, klugen Leuten! Die haben wohl von jeglicher Sitte das allerbeste und lieblichste abgelernt, wie man das schon ihren Gebäuden anmerken kann. Ich werde drinnen anzusehen seyn, wie ein Bär in einem Lustgarten. Wären sie doch nur belagert, oder sonst in irgend einer entsetzlichen Noth, der man durch die Waffen abhelfen möchte, da wollte ich unter sie hintreten, rettend und erfreuend, daß sie mich lieben und ehren sollten, sie möchten wollen oder nicht, – aber so! Lieber Waffenmeister, nehmt Euch meiner ein wenig an, oder vielmehr recht sehr, denn glaubt mir, es wird außerordentlich nöthig thun.«
»Es ist damit nicht so schlimm, wie es dir vorkommt, entgegnete Helmfrid. Meinst du denn, mein edler Knab', sie wüßten dort in den leuchtenden Mauern nicht, was es mit einem rühmlichen Normannasohn auf sich hat? Da kennen sie ja uns Wäringer schon seit so vielen, thatenreichen Jahren. Ich stehe dir dafür, sie sollen dich allwärts empfangen, wie es einem Helden gebührt. Aber freylich mildere und holdere Sitten sollst du annehmen, und du wirst es auch, denn Milde und Huld sind so fest in dein adeliches Gemüth gewurzelt, daß sie gar nicht anders können, als die schönsten Blüthen treiben. Für heute will ich dich gleich vor den großmächtigen Griechenkaiser führen.«
»Das ist wohl einer der gewaltigsten Fechter auf aller Welt?« fragte Thiodolf.
»Nein,« antwortete Helmfrid, »das wüßt' ich nicht von ihm zu rühmen. Vielmehr hat er wohl noch wenig andre Kämpfe gesehen, als die zur Feyerlichkeit und zum Ergötzen vor ihm gehalten werden. Aber der Herr aller Griechenlande ist er dennoch, und wie wir unwillkürlich vor einer hohen Heldengestalt Ehrfurcht empfinden, ahnend, wem Gott eine so gewaltige Leibesrüstung anvertraut habe, der werde auch eine Vollmacht wohl innerlich gar kraftvoll mit sich führen, – sollte uns da nicht ernsthaft und demühtig zu Sinne werden, wenn wir vor einem Menschen stehen, in dessen Lenkung ein so großer Theil von Europa und Asia gelegt ist?«
»Fürwahr,« sagte Thiodolf, »solch ein Herr ist ein gar mächtiger Riese, und ich denke mich so gegen ihn aufzuführen, daß er zufrieden seyn kann mit mir.«
»Da sollst du auch noch manchen Speer für ihn werfen, und manchen Klingenschwung für ihn thun,« sprach Helmfrid, und der Jüngling rüttelte freudig an Rottenbeißers Silbergriffe, worauf der Alte ihn lächelnd fragte: »Willst du nun noch zurück von dieser strahlenden Hauptstadt?« –
»Zurück?« erwiederte Thiodolf befremdet. Das ist mir nun und niemahlen eingefallen. Wo denkt Ihr auch hin, mein theurer, alter Herr? Ach, wenn Ihr wüßtet, was ich in Konstantinopolis zu suchen habe. Aber ob Ihr es auch nicht wißt, das – haltet mir's zu Gute – hättet Ihr doch immer wissen sollen, daß meines Gleichen überhaupt nicht so gar leicht an das Zurückgehen denkt. »
Der alte Held blickte seinen Zögling mit großer Freudigkeit an; die Schiffe landeten unter lautem Jubelgeschrey des Volks. Helmfrid, schnell an den Strand gesprungen, ordnete alsbald an, daß eine Sänfte für Malgherita herbeykam, und die trauernde Mutter, die vor jedem lachenden Kinderköpfchen ihr Auge schmerzhaft verhüllte, nach ihrem Begehr unter Pietro's Begleitung aus dem Gewimmel fort in eine stille abgelegene Wohnung geführt ward. Thiodolf sollte sich der weile unter den edlen Rossen, die man vorbrachte, damit die Heimgekehrten nach dem kaiserlichen Pallaste reiten könnten, eines auswählen. Er sprang auf das erste, beste, aber es sank stöhnend unter ihm zusammen. Schnell machte er sich davon los, schlug es mit der beherzten Faust vor den Kopf, daß es regungslos liegen blieb, und sagte: »das arme Thier mag wohl vorhin schon kreuzlahm gewesen sein; nun quält sich's doch nicht weiter. Ich aber will den Weg lieber zu Fuße machen,« – Da ließ ihm jedoch Helmfrid einen brausenden Araberhengst von kohlschwarzer Farbe vorführen, der sich lustig unter dem Jünglinge bäumte, und seine eigne Freude daran zu haben schien, wie ihn der neue Reiter so kräftig bändigte.
Wie man durch die Straßen hinritt unter jubelndem Hörnerschall, flogen viele Blumen und Kränze von den Balkonen aus schönen Frauenhänden herab. Thiodolfs Herz schwoll hoch in kühner Freudigkeit; nur wußte er nicht, ob er es verstehen werde, nach hiesiger zierlicher Sitte zu grüßen und zu danken, und brachte deßhalb das Auge kaum vom Boden. Als er aber bemerkte, Helmfrid neige den Speer auf gewöhnliche nordische Kriegerart, that er lustig, das Gleiche, und von da an blieb weder Fenster noch Balkon, wo schöne Frauenaugen lachten, von ihm unbegrüßt, und der Araberhengst schäumte vor den Sporenstößen, mit welchen ihn ein Ritter zu den zierlichsten und gewagtesten Sprüngen trieb.