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Helmfrid wollte sich beeilen, diese innern Gemächer des Pallastes zu verlassen, in welche außer dem Kaiser und seiner Bedienung Niemand hinein gehörte, als der auf unmittelbare Vergunst den Alleinherrscher zu sprechen hatte, aber Thiodolf meinte, man seye doch nun einmahl hier, und einem Ehrenmanne sein Eigenthum zurück zu geben, müsse an jedwedem Orte der Erden für recht und schicklich gelten. Damit zog er die von Harun abgeholten Juwelen hervor, und händigte sie dem Kaufherrn ein. –
»Ihr wäret nicht darum gekommen, lieber Bertram,« setzte er hinzu, »wenn ich mir auch allenfalls mein Silberschwert durch die Brust gerannt hätte. Denn seht, mit meinem letzten Rufe wollt' ich Meister Helmfriden Alles übergeben, und da wär' es in sorgsame und zuverlässige Hand gekommen. Nun aber erzählt mir von Isolden.«
»Es ist in der That hohe Zeit, daß wir diese Zimmer verlassen,« sagte Bertram. »Ihr seyd, wie ich höre, ein besoldeter Kriegsmann geworden, lieber Thiodolf, und müßt Euch nun hübsch nach dem Willen dessen richten, den Ihr für Euern Oberherrn erkennt.«
»Das ist auch wahr!« entgegnete Thiodolf, und eilte nach der Thür', begehrend jedoch, Bertram solle ihm gleich unterweges angeben, was er von Isolden erfahren habe. Das war aber nicht viel mehr, als Glykomedon bereits gegen den jungen Isländer herausgesprochen hatte, denn aus derselben Quelle wußte Bertram es auch, nur daß er noch hinzufügte, ihm seyen Spuren aufgegangen, daß Isolde bis auf diese Stunde in Konstantinopolis tief verborgen lebe; doch könne er davon nichts deutlicheres sagen bis auf nähere Kundschaft. –
»Die soll bald zu Stande kommen,« erwiederte Thiodolf. »Man braucht ja nur die ganze Stadt durch zu fragen, von einem Zimmer zum andern, dann findet sich's leicht.«
Aber Helmfrid führte ihn auf einen Balkon hinaus, an welchem man eben vorbeykam, zeigte ihm das Gedränge der Häuser, und sagte: »das ist noch nicht das Fünfttheil der Stadt. Nun frag' einmahl von Zimmer in Zimmer, mein Knab', und gieb Acht, wie weit du damit kommst.« –
Thiodolf seufzte tief, und sprach: »das geht nun freylich nicht so flink und leicht, wie ich mir's gedacht hätte. Aber gehen muß es doch. Ein rechter Nordmann weiß sich auch im wildesten Wald zu rechte zu finden. Bleiben wir noch lange hier?«
»Vor Frühlingsanfang,« entgegnete Helmfrid, »rücken wir nun wohl in kein Feldlager hinaus.« –
»O der ganze Winter!« rief Thiodolf. »Da müßt' es wunderlich zugehen, wenn ich Isolden nicht fände. Himmel, die muß ja leuchten durch alle Nebelwolken herdurch und zwischen Felsgesteinen hervor, so daß sie sich nun und nimmermehr lange verstecken kann.«
Helmfrid und Bertram führten ihren jungen Freund durch die Gärten des Pallastes, durch mannigfach herrliche Gebäude, dergleichen sein Auge noch nimmer gesehen hatte, und die staunende Bewunderung hielt ihn oftmahlen wie versteinert fest, aber dennoch blieb Isoldens Nahme fast beständig auf seinen Lippen, – der Gedanke an Isolden in seiner Brust. Nur als sie in den prachtvollen Hippodromos eintraten, war es, als verdrängten die Erz- und Marmorgestalten an den Wänden für einen Augenblick Alles, was sonsten in seiner Seele lebte und webte. –
»Das sind Norderhelden!« rief er aus. »Das sind Niflungen und Asen und Ginkungen, und der da mit dem Drachen ist zweifelsohn der großmächtige Sigurd. Hey, wie er den Faffner zusammendrückt.«
»Ganz Unrecht hast du nicht, mein Knab',« entgegnete Helmfrid. »Wenigstens kommt es auf Aehnliches heraus, wenn sie auch hier diese Bilder anders nennen. Und unsre Nordersagen leben im väterlich asiatischen Lande noch, welches nur durch einen einzigen Meeresarm von hier geschieden ist. Auch haben wir Wäringer der vaterländischen Heldenlieder viele mit herein gebracht, und die Poeten haben es nachgesungen in mannigfachen Dichtungen. So wirst du vielleicht Sigurds Thaten auf unserer Schaubühne noch in recht schönen, griechischen Versmaßen dargestellt stehen. Ich habe schon öfters meine Lust daran gehabt.«
»Das ist gar sehr erfreulich«, sagte Thiodolf, und konnte erst von dem ehrnen Sigurd Schlangentödter nicht fortkommen. Endlich aber riß er sich dennoch los, sprechend: »ich muß vor allen Dingen noch Heute Abend zu Malgheritchen gehen, und zu meinem lieben Waffenbruder Pietro. Denn schaut, die Abendsonne blickt schon so schräg und wehmüthig auf uns herein; ich wette, die kleine Frau weint über ihr Kind; mir klopft es auch im Herzen, wie feuchte Sehnsucht nach dem heimischen Herd – es kann ihr und mir nichts Besseres widerfahren, als daß wir uns miteinander aussprechen, und, wenn es Noth thut, ausweinen auch.«
Helmfrid wollte ihm einen Wäringer mitgeben, um ihn in der großen Stadt zurechtzuweisen, aber Thiodolf sagte: »dahin –darf keiner mit mir gehen, nicht einmahl Ihr, Meister Helmfrid, und nicht einmahl mein herzlieber Bertram. Fremder und Störenfrid – das ist bey diesem Besuche ein und dasselbe Wort. Beschreibt mir nur hübsch, wie ich zu gehen habe; gebt mir die Richtung nach den Weltgegenden, und für den Heimweg nach den Gestirnen, denn die werden dann wohl schon hoch am Himmel stehen«
Da that Helmfrid nach des Jünglings Verlangen, und machte ihm den Gang nach Pietro's Wohnung deutlich, und den Rückweg in die Burg der Wäringer, wo die neue isländische Schar bereits untergebracht war. –
»Schon gut,« entgegnete Thiodolf, »und schönen Dank! Isländer und Isländer verstehen sich leicht. Laßt Euch für mein Zurechtfinden nicht bange seyn.«
Und damit flog er in luftiger Pfeilesschnelle die angewiesene Straße entlang.