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Malgherita hatte indes dem Besuche Thiodolfs, den ihr Pietro bey ihrem Erwachen ankündigte, mit schmerzlichem Verlangen entgegen gesehen. Er brachte zwar – das wußte sie nun gewiß – keine Nachricht von Tristan, und wenn sie sich auch selbst darum schalt, daß sie je ein so thöricht grundloses Hoffen habe aufkommen lassen, war dessen Vereitelung dennoch ein neuer Pfeil in ihre Brust. Dagegen leuchtete mit Thiodolf die ganze rosige Vergangenheit wieder auf, und es war ihr immer, als könne alles Heil, dessen ihr Leben noch empfänglich sey, nur unter dem Schatten seines Schildes zu ihr gelangen.
Als er nun eintrat, ging sie ihm stillweinend entgegen, und legte sich, wie eine Schwester dem ältern, Vaterstelle vertretenden Bruder, an seine Brust. Pietro, durch das Leid der holden Frau im eignen Kummer aufgeregt, lehnte ein gesenktes Haupt an die Schulter des Freundes, und – zwar mit feuchtem Auge, aber in ernstlächelnder Kraft – stützte Thiodolf die geliebten Zweye, und drückte sie starken Armes an seine Brust.
»Malgherita, dein Vater lebt noch, und nimmer ist ein Gespenst dir erschienen.«
Das waren die ersten Worte, die er sprach, und mit feyerlicher Beruhigung, gleich Orgeltönen, drangen sie durch Malgheritens Brust. Sie richtete das Köpfchen empor, wie es die Blumen zu thun pflegen, wenn in der Morgenkühle ihre noch thauschweren Kelche der erste Strahl der Sonne trifft. Thiodolf sprach weiter, und erzählte, wie der große Freyherr ihn errettet, und er selbst darauf so glücklich gewesen sey, nach dem schauerlichen Wiedererkennen die ernste Gabe mit gleich ernster Rückzahlung zu vergelten. Daß nachher kein Gefecht mehr vorgefallen war, gab die Gewißheit, das Verschwinden des edlen Reisigen deute auf kein Unheil, das ihm widerfahren sey, vielmehr darauf, daß er das Heer im Mißvergnügen über die begonnene Friedlichkeit verlassen habe, denn nur im Kampfgetümmel schien ja seine hohe, schwer verletzte Seele zu gesunden. –
»Ohne Zweifel,« fügte Thiodolf hinzu, »wankt er jetzt wieder geheimnißvoll durch das Treiben dieser ungeheuern Stadt. Sollte er Euch also abermals erscheinen, so erschreckt nicht, edle Frau, sondern denkt, daß Ihr Euern lebenden Vater vor Euch seht, der ungeachtet aller finstern Verwünschungen nicht von seinem Kinde lassen kann, und so nahe an Euch bleibt, um deren Euch und ihn beglückende Lösung wohl bald mit frohen, versöhnten Augen zu schauen.«
»Amen!« sagte Malgherita, und leitete ihren Freund in ein Zimmer, wo die Dreye vor den letzten Feldzügen oftmahls in traulichen Gesprächen beisammen gesessen hatten. – »Ihr bringt mir eine weit andere Gabe,« sprach sie, »als ich er hofft hatte, mein rühmlicher Freund, aber nichts destoweniger eine Gabe von unendlicher Erhebung und Kraft, mehr, als sie mein armes, schuldverstörtes Leben je hätte erwarten dürfen.«
Thiodolf vernahm ihre Worte nicht mehr. Seine Blicke, wie eine ganze Seele, hielt ein Bild gefangen, das neben jenem, früher von Isolden an ihre Schwester gesandten hing, und zweifelsohn aus derselben zarten Meisterhand hervorgegangen war. Wie das erstere, war auch dieses in zwey Hälften getheilt. Auf der einen zeigte sich der Leichnam eines jungen, nordisch gewaffneten Helden, an dessen Bahre Isolde klagend stand, und einen Myrthenzweig über den blutigen, lorbeergeschmückten Helm herabfallen ließ, auf der andern sah man die bleiche Prinzessinn Theodora, wie sie am Klosterchor mit ausgebreiteten Armen die trauernde Isolde begrüßte, und ihr ein Nonnengewand entgegen hielt. Worte standen dießmahl auf den Bildern nicht. Aber welch ein Gefühl durchschauerte Thiodolfs Brust, als er an der Heldenleiche seine eignen Züge, seine ganze Bewaffnung auf's genaueste wieder erkannte! Um ihn also, um ihn hatte Isolde geweint, auf sein, als eines rühmlich Gefallenen Haupt, war der Myrthenzweig aus ihrer Hand gesunken, und die Klosterpforten hatten die holde Trauernde aufgenommen in ihrem undurchdringlichen Rund. Er kniete nieder vor das Bild, streckte seine Hände darnach aus, und weinte, wie ein Kind. Malgherita erzählte ihm, als Konstantinopolis um seinen vermeinten Tod getrauert habe, sey die schöne Stumme mit diesem Bilde gekommen; seitdem scheine Isoldens Leben in den stillen Klostermauern ohne Bild und Laut gänzlich verklungen. Thiodolf erhub sich gefaßt von seinen Knien, trocknete die Augen, sah das Bild freundlich an, und sprach, ihm zulächelnd:
»Den Göttern sey Dank, daß ich nicht Laomedon geworden bin, und auch auf keine Weise beschlossen hatte, es zu werden. So darf ich mich deiner nicht unwerth fühlen, du selige, für dieses Leben mir auf immer entschwundene Gestalt!«
Pietro und Malgherita sahen ihn staunend an, und wollten um eine Erklärung dieser Worte bitten, aber Thiodolf kam ihnen zuvor, sprechend
»Kinder, das ist ein ernstes Geheimniß, aber ein schönes; eine Art von Prüfungsfeuer war es, wenn Ihr wollt. Es ist überstanden, und ich, Preis sey dem hohen Allvater! – ich habe mich erzeigt als ein Enkel des uralten Asmundurstamms. Auch ist ein Kranz mir geworden, des alle meine Ahnen sich freuen müssen, und heller leuchten in seinem Wiederschein, sogar der große Odin selbst, der von Gotheim in das Menschenland herüberkam. Hat mich das erhabenste Weiß der Erden, hat mich Isolde ja geliebt! Wahrlich, Kinder, in all meinem Schmerze sollt Ihr einen noch weit freudigern, kraftvollern Thiodolf an mir haben fortan!«