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Zwey und zwanzigstes Capitel.

Am Abende dieses Tages fand Pietro, der irr in der Stadt umhergestreift war, angelockt und gejagt zugleich von dem Trompeten- und Hörner- und Paukengetön der sich übenden und sammelnden Scharen, – Malgheriten beschäftigt, eine schöne Rüstung aufzustellen, und daran zu schmücken, was noch nicht im vollkommen zierlichen Stande war.

»Das soll dein, Pietro; sagte sie, mit bleichen, lächelnden Wangen zu ihm gewandt. Seitdem hier von dem Bulgarenkriege die Rede gewesen ist, habe ich für dich diese herrliche Tracht bestellt, und Heute ist sie gerade zur rechten Zeit fertig geworden. Wohl gut! Nur so kannst du genesen, und gönnt mir, Euch die neuen Waffen anzuproben, edler Marchese von Castelfranco.«

Freudeglühend faßte Pietro nach dem leuchtenden Heldenschmucke, aber bald die Hand wieder sinken lassend, sprach er: »das ist nicht für mich. Könnte ich denn dich so einsam zurückbleiben sehen, Malgherita?«

»Warum nicht?« entgegnete sie mit schmerzlicher Gelassenheit. »Mit mir ist es nun doch einmahl vorbey. Wozu soll ich noch vollends niederziehn, was in eigenthümlicher Freyheit vielleicht wieder fest in das Himmelblau emporschauen kann. Pietro, ich rathe dir Gutes: Rück' in das Feld.«

»Um meiner Standarte untreu zu werden!« murmelte ingrimmig der Ritter. »Denn fühl' es in dir selbst, Malgherita, was könnte mir wohl noch ein heiliges und festes Zeichen seyn, wär' ich im Stande gewesen, dich, das geweihete Bild, dem ich durch Eid und Schmerz und Freude so tausendfältig angehöre, zu verlassen! Sage mir nichts weiter davon, und laß den Bulgarenkampf nur toben, wie er Lust hat. Mich geht er für das Mahl nichts an.«

Malgherita wollte nicht nachlassen von ihrem Begehr, und es erhub sich ein eben so ernster als liebevoller Streit unter den Beyden. Da klirrten die Thüren des Gemaches, und herein trat eine hohe geharnischte Mannesgestalt. –

»Nun, Thiodolf mag entscheiden, er kommt eben zur rechten Stunde!« rief Malgherita aus.

Aber Pietro sah dem riesigen Ankömmling scharf entgegen, und sprach: »Thiodolf, mein Waffenbruder, wo hast du denn deinen Stierhelm gelassen? Man wird ja irre an dir, ob du es bist, oder nicht!« –

Da sprach der Geharnischte aus seinem Eisenkorbe dumpf hervor: »Pietro hat Recht, daß er hier bleibt. Und Malgherita, wie darfst du ihn forttreiben wollen? Arme Einsiedlerin Du! Sag' an, wo ist, o wo ist denn dein Tristan, deine traurige Freude, verunglücktes Weib!«

Malgherita sank bebend und weinend in Pietro's Arm; der gepanzerte Gast schlug einen Helmsturz auf; da starrten gespenstisch des großen Freyherrn Züge daraus hervor, und er wandte sich, und schritt aus dem Gemach.

Als nun Thiodolf endlich selbst mit heiter wehmüthigem Gesicht, zum Abschiednehmen herein kam, fand er seine Freunde noch ganz verstört. Pietro erzählte ihm, was vorgefallen sey, und Thiodolf, in die alte vertrauliche Weise, die er seither um der feinen Sitte willen abgelegt hatte, zurückfallend, sagte:

»Ey Malgheritchen, liebes Malgheritchen, da hast du dich aber fürwahr recht sehr versündigt, daß du den Pietro von dir treiben wolltest. Hat er denn minder zu büßen, als du? Sollte er noch eine neue Schuld auf seinen Nacken laden, und so hinausrücken in den Kampf? Malgheritchen, das geht für einen Kriegsmann gerade am allerwenigsten. Die Rüstung wiegt nicht schwer, des Feindes Streiche auch eben nicht, aber ein einziges Körnlein Schuld – Kind, es lastet dermaßen, daß selbst dem freudigsten Herzen krank und wehe davon werden mag, wenn die Hörner zum Angriff blasen, und der Tod kürend umher schreitet durch das Feld. Ich habe nicht gerade überviel böse Verantwortlichkeit auf meinem Herzen, aber was ich trage, ist mir ein schweres Gepäck, und darum taug' ich so sehr gut zum Abmahner. Halte dir künftig so wunderliche Einfälle hübsch von der Seele, Malgheritchen, und es wird den Erscheinungen nicht oft mehr zugelassen werden, dich zu erschrecken. Für jetzt aber, liebe Kinder, wollen wir der ganzen Geschichte vergessen. Pietro bleibt bey Malgheriten, Malgherita bey Pietro, und ich will Euch noch etwas recht anmuthiges vorsagen, was mir heute begegnet ist.«

Damit ließ er sich vertraulich zwischen ihnen nieder, und hub. Folgendes zu erzählen an:

»Der edle Sänger, welcher vor Kurzem hier auf seinen Reisen eingetroffen ist, und den Nahmen Romanus führt, begegnete mir heut' Nachmittag, als ich an den kaiserlichen Gärten hinritt. Er war mir mit seinen Klängen noch sehr erinnerlich von einem gewissen Abend her, – das macht mir nun freylich keine sondere Ehre, und wollt mich auch nicht genauer darnach fragen, lieben Freunde, – kurz ich hielt unwillkürlich den Zügel meines Rappen an. Romanus sahe mir freundlich in's Gesicht, rührte die Saiten, und sang eine Weise, die etwa folgendermaßen klang:

   ›Aslauga schlief im hohlen Bau der Zither,
Ihr Weinen ward nur süß'rer Sangeslaut.
O Wunderkind, gezeugt von einem Ritter,
Von Flammen einst, statt Düften, überthaut
Wie bergen jetzt dich goldner Saiten Gitter,
Wie bist von Lied und Ton du ganz umbaut?
Und ach, der Sänger, sonst der Sorg' entnommen,
Durch dich hat ernste Sorg' er überkommen!‹

›Freund,‹ sprach ich zu ihm, ›was meint ihr mit diesen Versen?‹ –

›Herr,‹ sprach er zurück, ›das ist einen Dichter allzuviel gefragt. Was ich Euch aber davon sagen kann, ist, daß mir die schöne nordische Aslaugengeschichte vor Euerm Anblick einfiel, und daß es mir um nicht viel bequemer, aber doch um vieles lustiger und gefahrloser ergeht, als dem König Heimer, der das Sigurdskind in der Zither mit sich herum trug.‹ –

Darauf trat er in die Büsche zurück, und mir ward ganz wunderlich zu Muthe, so daß sich mir seine und des König Heimers Gestalt ordentlich in einander wirrten. Ihr werdet aber freylich an der Geschichte wohl nichts sonderbares finden, lieben Freunde, wie mir das eben, nun ich damit zu Ende bin, erst einfällt.«

»Sonderbares!« wiederholte Malgherita nachdenklich. »Lieber Thiodolf, was willst du doch nur damit? Ist es etwas sonderbares, das mich der Geist meines Vaters unablässig verfolgt, oder ist es das auch wohl nicht? Sieh' nur, das ist ein Maß, welches für mich gar nicht mehr vorhanden ist. Aber herzbewegend, süß und wehe zugleich – das ist mir deine Geschichte. Spricht sie ja doch von einem Kinde, von einem verwaisten, verlorenen Kinde; o mein Tristan!«

Und heißweinend drückte sie ihren Eheherrn an sich, wohl fühlend, daß sie vollends habe vergehen müssen, wenn auch dieser in die ferne Welt von ihr fortgezogen sey.

Der Abschied von Thiodolf war schwer und ernst, und dennoch sahen die bekümmerten Aeltern ihren Freund mit einer Art von Freude ziehn. Ging es ihnen nicht fast wie ein Hoffnungsschimmer auf, daß der treue Thiodolf abermals eine Strecke fernen Landes durchmaß? Wenn Tristan noch lebte, konnte er nicht eben so gut auf diesem Heerzuge wieder gefunden werden als anderwärts? –

Wir wollen uns nicht über diese seltsamen Erwartungen wundern. Kennen wir es ja doch aus eigner Erfahrung recht gut, das immer sagende, nimmer verzagende Menschenherz!


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