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Die Heerhaufen der Griechen und Nordmannen rückten bald wieder ins Feld, und zwar immer vorwärts, um dahin zu dringen, wo endlich der ganz überwundene Feind die Hand würde biethen müssen, zu einem Frieden, wie er allein des Kaisers Würde und seiner Unterthanen Ruhe sichern konnte. Wohl empfanden Helmfrid und Thiodolf mit jedem Schritte, Wladimir seye nun wirklich beym Heer angekommen, aber sie strengten sich um so rüstiger an, der heldenmüthigen Kraft zu begegnen. Die andern Kriegsobersten konnten nicht begreifen, warum ihnen jetzt Alles so schwer werde, und oft so zweydeutig ausfalle, da ja doch die Bulgaren nur eine unbedeutende Verstärkung an Mannschaft erhalten hätten.
Es ging schon wieder hoch in den Sommer, da lagerte sich einstmahlen das Heer bey seinem zwar mühsamen, aber dennoch stets siegreichen Vordringen in einem Thale, dessen Zugänge von allen Seiten gut mit Wachen zu Roß und Fuß besetzt waren. Hier am Ufer eines kühligen Baches, zwischen den Schatten reich belaubter Gesträuche, brach der Abend mild und labend herein, und als die Sterne heraufzogen, sanken aller Kriegsleute Augen, sich auf die Sorgfalt der wachhaltenden Gefährten verlassend, in einen süßen Schlummer.
Auch Thiodolf hatte die seit vielen Tagen bey Kampf und Heerfahrt angestrengten Sinne dem Hauche des süßen Schlummers dahingegeben, und um ihn hielten Träume ihr seltsames Spiel. Bald war er auf Island, und Oheim Nesiolf und Muhme Gunhild klagten, daß die Alfen, die gaukelnden Lieblinge, ihnen gar keinen Frieden ließen mit Fragen nach ihm; aber sie blickten ihn dennoch sehr liebevoll an; nur der Wolf gähnte mürrisch, legte sich unter des Oheims Sessel, und wollte von seinem jungen Herren gar nichts mehr wissen. Dann wieder umblühten ihn unversehens die Gärten des Pallastes in Konstantinopolis; durch die fernen Laubgänge tönte des Sängers Romanus Zitherspiel, und zwey hohe Blumen zur Linken und Rechten gewannen nach und nach das Ansehen Zoe's und Isoldens. Thiodolf wandte sich mit großer Anstrengung – denn es war, als hielten ihn unzerreißbare Netze zurück – nach Isolden hin, und wollte ihr Leid und Liebe klagen, und seine eigne Unwürdigkeit –
Da schlug eine Klinge hart tönend auf seinen Schild, der dicht neben ihm im Grase lag. Aus dem Traum emporfahrend, sah Thiodolf den alten, schweigenden Reitersmann neben sich stehen. Schauerlich sah es im Sternenlichte aus, wie die langen, greisen Barteslocken aus den Ringen der Halsberge über den dunkeln Küras hinrollten.
»Was willst du Wahnsinniger?« fragte Thiodolf, unmuthig, Isoldens Bild mit der einsamen Nacht zu vertauschen, und wollte so eben sich wieder zum Schlafen zurücklegen. Da klirrte des alten Reitersmannes Helmsturz. Unwillkürlich sah Thiodolf in das freygewordne Antlitz hinein, und die Züge des großen Freyherrn starrten ihm, noch kennbar in der unsichern Nachtbeleuchtung, gespenstisch daraus entgegen. Mit einem Schrei des Entsetzens faßte Thiodolf nach seinen Waffen, und fuhr in die Höhe. Da war der Helmsturz schon wieder herunter geklirrt, und die ganze Gestalt hinter einigen dunkeln Bäumen verschwunden.
Es war nicht an der Zeit, dem gespenstischen Wesen lange nachzuforschen, denn so wie Thiodolf um sich blickte, sah er auf den Höhen rings umher Gestalten, die schon durch den bloßen dunkeln Abriß ihrer Bildung gegen den hellern Sternenhimmel sich als fremde, feindselige Heereshaufen kund gaben. Daß die Feldwachen allzu mal erschlagen oder gefangen seyn mußten, fuhr wie ein Blitz durch Thiodolfs Gemüth; das Wie zu ermessen, ließ der Augenblick nicht zu. An das Schild schlagen, ins Heerhorn stoßen, rüstig den Angriff beginnen, und die Umzinglung mit kühnem Anfall brechen, – das war Alles, was sich jetzt thun ließ, und es geschah von Thiodolfs Seite mit ächter Nordmannskraft. Man war schnell zu Rosse, schnell ging es bergan auf die feindlichen Scharen, aber eben so schnell stürzten diese bergunter in die Reihen der halb Ueberfallnen hinein. Es war fast das Gegenstück zu dem Angriff, welchen Thiodolf nach Philippos Rath vor einigen Monden gegen die Bulgaren ausgeführt hatte. Verworren toste der mächtige Kampf durch das Thal.
Mit Freuden bemerkte Thiodolf einigemahl unter den wild schwärmenden Fußknechten, die fast das ganze Heer des Feindes bildeten, eine hohe Reitergestalt, die winkend und rufend auf und nieder flog, und das ganze Treffen zu lenken schien – »Das muß Wladimir seyn, der rächende Liebhaber der schönen Wlasta!« sprach er in sich selbst, und rief den Reiter an, sich mit ihm zu messen. Aber der schien in seiner Feldherrneile die Ausforderung des Einzelnen zu überhören, welches ihm Thiodolf auch nicht übeldeuten konnte; doch um desto eifriger wünschte er sich, ihm irgendwo zu begegnen.
Schon längst war ihm der junge Bulgarenheld wieder aus den Augen gekommen, da erhub sich von einer andern Seite des Thales herüber lautes Jubelgeschrey der Feinde. Thiodolf machte Halt, und horchte hoch auf, ob er vielleicht mit den Reiterscharen, die er gesammelt hatte, an irgend einer Stelle entscheidender einhauen könne. Da kam Philippos athemlos zu ihm herangesprengt. –
»Helmfrid liegt!« rief er ihm zu. »Der junge Bulgarenfürst Wladimir warf ihm eine Schlinge über das Haupt, und riß ihn so von seinem Perserhengste herab. Es ist eine ganze Schar mit Säbeln und Pfeilen über ihm. Hilf du ihm, Meister, ich selbst bin wund.« –
Zugleich auch taumelte er von seinem Gelben auf den Rasen hinab.
Frage nicht erst, lieber Leser, mit welcher Eile Thiodolf, sobald er die Stelle von Helmfrids Gefahr erforscht hatte, dahin sprengte. Wenn du ein rechter Kriegsmann bist, oder desgleichen, kannst du es von selbst ermessen.
Thiodolf brachte Hülfe in der höchsten Noth. Der greise Held hatte seinen Speer in den Boden fest eingepfählt, und hielt sich daran, wie an einem Anker fest, während Wladimir sein Roß spornte, und an dem übergeworfnen Seile den Gefallnen mächtig nach sich zog. Wenige Wäringer deckten blutend diesen mit ihren Schilden, viele andre lagen todt neben dem Heerführer, ein ganzer Schwarm von Barbaren drang ringsumher hauend und stechend gegen ihn los.
Aber wie Thiodolfs Reiter einhieben, fuhr Alles auseinander; auch Wladimir ließ vom Seile los, genöthigt, sich der Streiche des jungen Hauptmannes zu erwehren, von denen er doch bald das Blut über sein Haupt herunter rieseln fühlte, worauf ihn, sein flüchtiges Roß, dessen er nicht mehr ganz Herr war, scheu aus der Schlacht trug. Ihn vermissend, ließen alle bulgarischen Geschwader nach und nach vom Kampfe ab. Der Ueberfall war zurückgeschlagen, das Feld blieb rühmlich dem kaiserlichen Heere.