Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Karl Siebrecht steht in seinem Zimmer. Er hat sich rasiert und gewaschen, nun zieht er sich sonntagsmäßig an. Er will auf Herrn von Senden einen guten Eindruck machen. Er will zeigen, daß er wirklich vorangekommen ist.
Nun hört er Fräulein Palude nebenan mit jemand sprechen. Es ist nicht die Stimme des rothaarigen, sommersprossigen Lehrlings Egon Bremer, es ist eine andere Stimme. Einen Augenblick erwägt Siebrecht, ob er nicht durch die Wohnungstür statt durch die Ladentür das Haus verlassen soll. Die Stimme da drüben ist ihm leider sehr bekannt. Er schüttelt unmutig den Kopf, immer erst das Unangenehme.
»Morgen, Franz«, sagt er und tritt in den Laden. »Was, bist du so früh schon in der Stadt? Oder hast du wirklich mal deinen Fuhrhof kontrolliert? Not täte es!«
»Nanu?!« antwortet Franz Wagenseil ziemlich überrascht. »Du bist ja mächtig pampig schon am frühen Morgen! Was fehlt denn meinem Fuhrhof bleistiftweise?«
»Die Aufsicht fehlt ihm! Alle Tage sind die Pferde saumäßiger geputzt und schlechter gefüttert! Die Wagen werden wohl überhaupt nicht mehr geschmiert, was, Franz? Und wie steht es mit den Planen, die du mir schon vorige Woche fest versprochen hattest? Drei Wagen fahren noch immer ohne Planen.«
Franz Wagenseil bleibt diesen Beschwerden gegenüber erstaunlich friedlich. »Die Planen? Ja, sind die denn noch immer nicht da? Die müßten doch längst da sein!«
»Natürlich sind sie nicht da, und das weißt du auch ganz gut, Franz! Du hast deinem Futtermeister, als er dich daran erinnerte, ja gesagt, ich könnte dir mit meinen Planen im Mondschein begegnen, du kauftest keine!«
»Ja«, sagt Franz Wagenseil gekränkt, »wenn du mit meinem Futtermeister unter einer Decke steckst!«
»Hast du das gesagt, oder hast du das nicht gesagt, Franz?«
»Ich schmeiße den Kerl raus!« schreit der Fuhrherr. »So ein versoffener Hund, mich bei dir zu verklatschen!«
»Also hast du's gesagt«, stellt Karl Siebrecht unerbittlich fest. »In drei Tagen sind die Planen also da, Franz, sonst schaffe ich auf deine Kosten welche an!«
»Dem Kerl werde ich es heimzahlen! Noch heute fliegt er raus!«
»Das wäre gar nicht schlecht. Ich bin ganz überzeugt, er treibt einen blühenden kleinen Haferhandel, und ich darf bei deinen Gäulen die Rippen zählen. Dann übernimmst du für eine Weile das Füttern und Putzen, Franz – du sollst sehen, wie gut das dem Stall und dir tut! Die Faulenzerei taugt nicht für dich.«
»Faulenzerei«, ruft Franz Wagenseil empört. »Hast du 'ne Ahnung, was ich um die Ohren habe! Jetzt stellen wir gerade die Eisenkonstruktion vom zweiten Gewächshaus auf.«
»Ohne dich werden sie die aber wohl kaum hochkriegen, Franz«, spottete Karl Siebrecht. »Ist sonst noch was? Ich habe eine Verabredung.«
»Ein bißchen Geld hätte ich gerne«, meint Wagenseil fast verlegen. »Ich habe da eine kleine Rechnung.«
»Wieder einen Vorschuß auf die Wochenabrechnung? Fräulein Palude, haben wir Geld da?«
Karl Siebrecht braucht Fräulein Palude gar keinen Wink zu geben: »Keine zehn Mark habe ich in der Kasse«, antwortet sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Du olle Zicke!« schimpft Wagenseil im plötzlichen Zorn los. »Den Quatsch kenne dich doch noch von mir her! Du lügst! Immer stopft die Geld in alle möglichen Ecken, das ist doch ihr Fimmel! Zur Löhnung muß Geld da sein, als wenn nicht erst der Chef und dann die Arbeiter kämen!«
»Ich bin nicht mehr Ihre Angestellte, Herr Wagenseil, gottlob!« sagt Fräulein Palude spitz. »Für Sie bin ich immer Fräulein Palude!«
»Was bist du?« schreit Franz Wagenseil und fuchtelt mit den Fäusten. »Eine olle Zicke bist du und bleibst du ...«
»Laß den Unsinn jetzt, Wagenseil!« sagt Karl Siebrecht scharf. »Damit imponierst du hier keinem einzigen Menschen. Also, du hast es gehört: es ist kein Geld da, du mußt dich also bis zur nächsten Abrechnung gedulden. Auf Wiedersehen, Franz, ich muß jetzt gehen!«
Franz Wagenseil hat sich sofort gefaßt, er nimmt sich heute überhaupt erstaunlich zusammen. »Einen Augenblick noch, Karl, ich möchte dich unter vier Augen sprechen, nur ein paar Minuten.«
»Aber wirklich nur für ein paar Minuten«, antwortet Siebrecht und läßt den Fuhrherrn in das Nebenzimmer vorangehen. Und zu Fräulein Palude: »Sobald der Kontoauszug fertig ist, bringen Sie ihn mir.«
»Sofort!« sagt Fräulein Palude und beginnt, eifrig zu schreiben.
»Also was ist?« fragt Karl Siebrecht, nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hat. »Ich sage dir aber gleich, Franz, Geld gibt es nicht! Ich habe mir das hin und her überlegt, die ganze Vorschußgeschichte muß aufhören. Du gerätst bloß immer tiefer in die Tinte. Richte dich mit dem ein, was dir zusteht, du verdienst genug.«
»Du hast ja ganz recht, Karl«, antwortet Franz Wagenseil nachgiebig. »Es soll auch von jetzt an aufhören, ich verspreche dir das. Nur heute mußt du mir noch aushelfen, Karl! Ein allerletztes Mal, wirklich.«
»Ich habe das vom allerletzten Mal nun einmal zu oft gehört, Franz! Es ist endgültig Schluß, sage ich dir. Es gibt kein Geld mehr!«
»Ach, sei doch nicht so! Sieh mal, Karl, ich kann wirklich nicht dafür. Da hat mir dieser Trottel aus dem Ruhrgebiet die Heizungsanlage für die beiden Gewächshäuser mit Nachnahme geschickt. Damit konnte ich doch nicht rechnen.«
»Wieviel –?«
»Es klingt ja ein bißchen viel, aber du mußt bedenken, dafür ist auch der Wert vorhanden. Das ist kein verpulvertes Geld! Wenn die Gewächshäuser erst fertig sind, repräsentieren die doch einen Wert von Zehntausenden!«
Karl Siebrecht ekelte dies Geschwätz geradezu. »Wieviel –?« fragte er wieder.
Wagenseil wagte es. »Dreitausendzweihundert ...« sagte er und sah den jungen Mann erwartungsvoll an.
»Dreitausendzweihundert ...« wiederholte Karl Siebrecht.
In seinem Kopf erschienen die Ziffern 4263,50, er zog 3200 ab, blieben ungefähr tausend. Das hieß, sie mußten noch mindestens ein Jahr sparen, um wieder so weit zu sein, wie er heute war. Ein Jahr? Und wie oft würde Franz Wagenseil in diesem Jahr mit neuen Forderungen kommen?
»Nein«, sagte er hart. »Es ist ganz ausgeschlossen, Franz. Jedes Wort darüber ist umsonst. Ich gebe dir das Geld nicht.«
»Du mußt es mir geben!« antwortete Franz Wagenseil verbissen. »Du kannst mich nicht sitzenlassen.« Fast bittend: »Sieh mal, Karl, ich habe dich damals auch nicht sitzenlassen, ich habe dir in Gang geholfen.«
»Daran hast du mich oft genug erinnert, Franz, und darum bin ich schon viel zu lange nachgiebig gewesen. Weil du mir aber einmal in Gang geholfen hast, besitzt du kein Recht, mich jetzt zugrunde zu richten. Ich sage dir, es ist Schluß!«
»Ich muß die Heizung einlösen! Was soll ich mit Gewächshäusern ohne Heizung?«
»Laß sie stehen, wie sie sind. Es wird in zwei, drei Jahren auch noch Heizungen zu kaufen geben. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie dein Konto bei uns steht, Franz? Lassen Sie sehen, Fräulein Palude – Ja, so ist es richtig. – Bitte, Franz, du hast bereits jetzt elftausendsiebenhundert Mark Schulden bei uns.«
»Das ist Lüge!« schrie Wagenseil wütend. »Das ist Betrug! Das hat diese verdammte Zicke hier angerichtet, die ist bloß wütend, daß ich sie nicht mit gnädiges Fräulein anrede. Das erkenne ich nicht an! Tausend Mark habe ich vielleicht Vorschuß, womöglich auch zweitausend, ich muß das erst zu Hause nachsehen.«
»Beruhige dich, Franz. Wir wollen jetzt Posten für Posten miteinander durchgehen. – Danke schön, Fräulein Palude, ich brauche Sie im Augenblick nicht mehr. – Außerdem gibt es Quittungen über jede Summe von deiner Hand.«
»Ach, Quittungen –! Ich scheiß auf Quittungen!« schrie Wagenseil wutentbrannt. »Quittungen kann jeder Hornochse nachmalen, soviel er will.«
»Überlege dir ein wenig, was du sagst, Franz«, antwortete Karl Siebrecht kalt ... »Du kannst aber ruhig so weiterreden, wenn du von mir hinausgeworfen werden willst.«
»Was sind das hier für sechshundert Mark im Januar?! Hier steht ›Faktura von Porer sechshundert Mark‹, ich kenne keinen Porer! Ihr kreidet mir wohl all eure Rechnungen an, was? Dann könnt ihr wunderbar elftausendsiebenhundert Mark an den Schluß schreiben!«
»Das ist der Pelzmantel, mein lieber Franz, den du deiner Frau zu Weihnachten geschenkt hast. Der Kürschner wollte ihn im Januar wieder holen, weil du nicht bezahltest. Du gabst mir den Auftrag, zu zahlen.«
»Darüber hast du aber keinen schriftlichen Beleg«, grinste Wagenseil höhnisch. »Ich bestreite, daß ich dir den Auftrag zum Zahlen gegeben habe!«
»Schön, ich werde den Pelzmantel heute noch von deiner Frau abholen lassen. Das übrige kannst du ja dann mit deiner Else ausmachen!«
»Ach die, die kann mir im Mondschein begegnen!«
»Es müssen dir allmählich ein bißchen viel Menschen im Mondschein begegnen. Wie denkst du dir nun den Ausgleich deiner Schuld?« Wagenseil schwieg verbissen.
»Ich schlage dir vor, wir behalten von nun an drei Viertel deines Guthabens aus den Abrechnungen ein. Dafür werde ich die Entlohnung der Kutscher übernehmen. Die Lohnsummen werden dir natürlich belastet. Ich will nur, daß die Kutscher regelmäßig ihr Geld kriegen.«
»Einverstanden!« sagte der Fuhrschnell schnell. »Unter einer Bedingung –«
»Unter welcher Bedingung?«
»Daß du mir jetzt noch einmal dreitausendzweihundert Mark gibst. Sagen wir dreitausenddreihundert, dann habe ich gerade fünfzehntausend Mark Schulden bei dir! Das ist eine hübsche glatte Summe, mit der läßt sich auch viel besser rechnen.«
»Nein«, sagte Karl Siebrecht nach kurzem Überlegen. »Ich habe dir gesagt, du kriegst kein Geld mehr von mir, und dabei bleibt es. Elftausendsiebenhundert sind schon viel zuviel, du wirst fast ein Jahr zu tun haben, bis du davon wieder runter bist!«
»Ich muß aber meine Heizungen bezahlen!« sagte Wagenseil hartnäckig. »Ich mache mich nicht vor meinen Nachbarn lächerlich. Die Gewächshäuser müssen fertig werden.«
»Dann nimm eine Hypothek auf deine Villa auf.«
Wagenseil lachte. »Soviel Hypotheken, wie da schon drauf ruhen! Ich sehe schon das Dach nicht mehr vor Hypotheken.«
»Ja«, sagte Karl Siebrecht. »Dann ...« Er überlegte: »Ich will dir noch einen Vorschlag machen, Franz. Wir lösen unseren Vertrag, und du übereignest mir deinen Fuhrhof mit allem lebenden und toten Inventar. Dafür streiche ich deine Schuld und gebe dir noch dreitausenddreihundert Mark obendrein! Damit ist dein Fuhrgeschäft über und über bezahlt.«
»Und wovon soll ich dann leben?« rief Wagenseil.
»Wovon jeder lebt: von deiner Arbeit! Überlege doch, Franz, das mit der Villa und den Gewächshäusern, das ist doch alles Unsinn! Du verstehst nichts von der Gärtnerei, fange wieder eine vernünftige Arbeit an. Du bist doch der Kerl dazu, sich immer wieder hochzukrabbeln, du bist doch das reine Stehaufmännchen!«
»Nein«, sagte der Fuhrherr finster. »Du redest mich nicht dumm, Karl. Den Fuhrhof behalte ich, und den Vertrag lösen wir nicht.«
»Das soll mir recht sein. Du weißt, ich habe schon in Erinnerung an frühere Zeiten immer gern mit dir gearbeitet. Aber kümmere dich wieder mehr um die Pferde. Wie sehen die Geschirre aus? Die Hälfte davon ist schon mit Bindfaden geflickt!«
»Gib mir Geld, und die Geschirre sollen in Ordnung kommen!«
»Du kriegst fünfzehn Mark am Tage für das Gespann, für hundertfünf Mark in der Woche bekomme ich tausend Gespanne in Berlin! Und außerdem kriegst du deinen Gewinnanteil, der noch sehr viel höher ist, und für den du gar nichts tust. Nein, Franz, du wirst deine Geschirre allein flicken müssen, auch dafür gebe ich dir kein Geld.«
»Dann sollen die Wagen fahren, wie sie wollen. Mir ist das scheißegal, was die Leute von deiner Firma denken!«
»Wenn die Leute aber schlecht von meiner Firma denken, gehen die Einnahmen zurück, und auch du bist geschädigt!«
»Soll doch alles in den Klump gehen!« schrie Wagenseil. »Entweder du gibst mir jetzt die dreitausenddreihundert Mark oder ich ...«
Er brach ab und sah Karl Siebrecht finster grübelnd an.
»Diese dreitausenddreihundert Mark sind für die Heizung bestimmt«, fing Karl Siebrecht unermüdlich wieder an. »Dann hast du also eine Heizung. Nun ein paar Fragen, Franz: Sind die Maurerarbeiten schon bezahlt?«
Wagenseil schwieg.
»Sind die Erdarbeiten bezahlt?«
Wagenseil schwieg. – »Hast du das Glas schon gekauft? Komposterde für die Beete? Kohlen für die Feuerung? Hast du das Geld für die Kulturen? Für die Gehälter? Hast du ein, zwei, drei Jahre Zeit, bis die Anlagen Ertrag bringen?« – Immer finsteres Schweigen. – »Du sitzt heute schon völlig fest, Franz! Mach dich los von dem ganzen Zeug und fang wieder frisch an.«
»Das Geld für das andere hat Zeit. Wenn ich heute die Heizung eingelöst habe –!«
»Bist du übermorgen, spätestens nächste Woche nach neuem Geld wieder hier. Ich kenne dich doch, Franz!«
»Ich schwöre dir, wenn du mir heute mein Geld gibst, komme ich nie wieder um Vorschuß zu dir!«
»Schwöre lieber nicht, Franz, denn du kannst den Schwur nicht halten. Aber wenn du deiner Sache so sicher bist, daß du hier schwören willst, so kannst du auch ein schriftliches Abkommen mit mir treffen. Wir vereinbaren, daß unser Vertrag erloschen ist und daß der Fuhrhof in meinen Besitz übergeht, wenn du noch einmal wegen Vorschuß zu mir kommst! Dafür erhältst du dreitausenddreihundert Mark.«
»Darauf willst du also raus!« sagte Franz Wagenseil höhnisch. »Du willst mich aus der Firma raushaben! Und ich habe dich erst zu was gemacht! Was warst du denn damals? Ein Rumtreiber, ein Straßenjunge, und das ist nun dein Dank!« Er holte Atem, Karl Siebrecht sah ihn nur stumm an. »Du schwimmst im Gelde«, fuhr der andere bitter fort, »ich habe es ja eben gehört, jeden Augenblick kannst du Tausende bezahlen. Und ich, durch den du erst was geworden bist, laufe herum und habe keine zehn Mark in der Tasche! Mir verweigerst du alle Hilfe!«
»Ja, wahrhaftig, sieh mich an, sieh das Büro an, das alles erzählt dir davon, wie sehr wir im Geld schwimmen. Ich habe keine Villa, Franz. Ich habe zwei Anzüge. Die paar Tausender auf der Sparkasse habe ich in fast zwei Jahren mit Kalli von unserem Gehalt gespart, Rieke hat auch mitgeholfen.«
»Gehalt!« lachte Franz Wagenseil spöttisch. »Ihr habt gut von euren Gehältern sparen! Ihr setzt sie euch so hoch an, wie ihr wollt!«
»Ich bekomme dreihundert Mark im Monat und Kalli Flau zweihundertfünfzig.«
»Und das soll dir einer glauben?!« Wagenseil versuchte zu lachen. »Wo bleiben denn all die Gelder, die ihr einnehmt?«
»Aber bei dir, Franz, bei dir! Ich kann dir aus den Büchern nachweisen, daß du fast vier Fünftel der Roheinnahmen bekommst. Von dem letzten Fünftel bezahle ich alles: Beifahrer, Büro, Telefon, Steuern, Gehälter – alles. Du hast den günstigsten Vertrag von der Welt, Franz, ich war ein dummer Junge, als ich ihn mit dir abschloß!«
»Und aus dem Vertrag willst du mich rausdrängen! Das sieht dir ähnlich! Aber daraus wird nichts, dafür bin ich dir zu schlau! Der Vertrag ist ganz klar, du darfst deine Gespanne nur von mir nehmen.«
»Habe ich je etwas anderes getan? Habe ich auch nur den Versuch gemacht, mich mit einem anderen Fuhrherrn in Verbindung zu setzen?«
»Das wäre dir auch teuer zu stehen gekommen.« Die Stimmung von Franz Wagenseil war umgeschlagen. Er sah finster und grüblerisch aus. Siebrecht betrachtete ihn argwöhnisch. Hinter diesem veränderten Benehmen steckte etwas. »Du willst mir also das Geld nicht geben, Karl?«
»Nein!«
»Überlege es dir gut, Karl. In einer Woche wärst du vielleicht froh, so billig wegzukommen.«
»Drohungen haben gar keinen Zweck, Franz, du bekommst kein Geld!«
»Und ich bekomme doch Geld!« rief Franz Wagenseil plötzlich triumphierend. »Ich bekomme alles Geld, was du hast, und noch mehr!« Er starrte dem jungen Mann ins Gesicht, höhnisch, mit einer bösen Freude. Plötzlich lachte er los. »Und du Idiot hast mir noch selbst den Rat gegeben, wie ich dich reinlege!« Dann hörte er auf zu lachen. Es schien ihn schon zu reuen, daß er soviel gesagt hatte. »Morgen, Karl«, sagte er plötzlich und wollte gehen.
»Einen Augenblick, Franz!« rief Karl Siebrecht.
Der Fuhrherr blieb stehen, sein Gesicht veränderte sich. »Willst du mir das Geld also doch geben, Karl?« fragte er. »Das ist vernünftig von dir!«
»Da!« zeigte Karl Siebrecht auf den Tisch. »Da – steck dir deinen Kontoauszug ein. Du wirst ihn in der nächsten Zeit brauchen, um die Zahlen zu vergleichen. Von nun an werden fünfundsiebzig Prozent deines Anteils zum Ausgleich einbehalten.«
Der Fuhrherr wurde blaß. Dann ballte er zornig den Auszug zusammen und warf ihn in eine Ecke. »Da! Das ist dein Kontoauszug wert«, schrie er. »Du willst also Krieg mit mir führen, du Lausejunge, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist! Du sollst was erleben!«
»Ich will nicht Krieg mit dir führen, Franz. Ich will dir ein wenig kaufmännische Ordnung beibringen. Wenn du aber Krieg willst, so sollst du ihn haben.« Er sah den Franz Wagenseil kühl an.
Der lachte auf. »Du Junge, du!« rief er. »Du sollst was erleben! Du sollst mich noch kennenlernen!«
»Ich kenne dich schon!« sagte Karl Siebrecht.
Da ging Franz Wagenseil – er lachte. Mit einer wahren Freude dachte er daran, daß dieser Jüngling noch keine Ahnung davon hatte, wessen Franz Wagenseil alles fähig war.