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Anfortas hatte die Templeisen oft vergebens gebeten ihn sterben zu laßen; auch war er zu schwach gewesen, die Augen lange genug vor dem Gral verschloßen zu halten. Die Wiederkehr der Planeten Jupiter oder Mars hatten seine Schmerzen so geschärft, daß er laut aufschreien muste; köstliche Gerüche und heilkräftige Steine, die das Spannbette schmückten, brachten nur wenig Linderung. Als Parzival ankommt, bittet er auch diesen um den Tod, weil er ihm nicht andeuten darf, was er zu thun habe. Zur Dreifaltigkeit flehend wirft sich Parzival dreimal vor dem Grale zur Erde und fragt dann den Oheim, was ihm fehle. Augenblicklich wird Anfortas gesund und über alle Vergleichung schön. Da Parzival als König des Grals anerkannt ist, bringt ein Templer die Nachricht, daß Kondwiramur, von Kiot begleitet, unterwegs sei und schon den Plimizöl erreicht habe. Indem ihr Parzival entgegenreitet, spricht er erst bei Trevrezent vor, der jetzt seine frühere Aussage wegen der gefallenen Geister, die bei dem Grale wären, zurücknimmt und erklärt, er habe ihn damit nur von dem vergeblichen Trachten nach demselben zurückbringen wollen. Er bittet den Einsiedler um seinen stäten Rath, reitet weiter und erreicht am Morgen den Plimizöl, wo ihn Kiot zu der Gattin und den Kindern führt. Mit jener bleibt er allein bis zum vollen Morgen und sieht nun nach fünfjähriger Trennung seine frühere Sehnsucht an derselben Stelle erfüllt. Nach der Messe läßt er seinen Sohn Kardeiß zum Könige seiner Erblande krönen, worauf die von diesem belehnten Mannen mit ihm heimziehen. Indem Parzival nun mit Loherangrin und den Templern gen Monsalväsche zieht, besucht er Sigunens Klause, findet sie über dem Sarge des Geliebten todt und läßt sie neben ihm bestatten. Nach dem festlichen Empfange Kondwiramurs wird der Gral hereingetragen, und Alles wiederholt sich wie bei Parzivals erster Anwesenheit, nur daß er dießmal der König ist, und Alles mit Freuden, ohne die Lanze, begangen wird. Feirefiss sieht als ein Heide den Gral nicht, aber seine Trägerin, Repanse de Schoie, nimmt sein Herz so gefangen, daß er Sekundillens vergißt und seine falschen Götter abzuschwören bereit ist. Parzival, der ihn jetzt duzt, weil er als König des Grals so reich ist wie er, übernimmt die Vermittlung. Am Morgen wird er im Tempel getauft, empfängt Repansen zum Pathengeschenk und sieht nun den Gral. Die Schrift an diesem verordnet hierauf, wer künftig aus seiner Schar fremden Ländern zum Herrn gesandt werde, solle Fragen über seine Herkunft verbieten. Vergebens bittet Feirefiss, daß ihm Anfortas oder Loherangrin nach dem Morgenlande folgen. Als er mit seinem Weibe und Kondrieen, die ihm als Botin voranreist, und im Geleite des Burggrafen von Karkobra den Hafen erreicht, war seinem Heere die Nachricht von Sekundillens Tode zugegangen. In Indien, wo er das Christentum verbreiten ließ, gebar ihm Repanse einen Sohn, welcher Priester Johannes hieß, ein Name, den nach ihm dort alle Könige führten. Loherangrin ward der jungen Herzogin von Brabant zum Gemahl gesandt; von einem Schwan im Nachen gezogen, stieg er zu Antwerpen ans Land und verbot jene Frage. Als diese dennoch nicht unterblieb, schied er, obwohl ungern, von dannen und ließ Schwert, Horn und Ring zurück.
787 | Anfortas mit den Seinen trug Leid und Jammer noch genug. Ihre Treue ließ ihn in der Noth: Er bat sie oftmals um den Tod. |
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5 | Dem Tod auch könnt er nicht entgehn, Doch ließen sie den Gral ihn sehn: Da fristet' ihn des Grales Kraft. Er sprach zu seiner Ritterschaft: »Ich weiß wohl, war euch Treue kund, |
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10 | Mein Leid erbarmt' euch gleich zur Stund. Wie lange soll die Qual mir währen? Sicher, Rechenschaft gewähren Müßt ihr dafür dereinst vor Gott. Stäts war ich gern euch zu Gebot, |
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15 | Seit ich zuerst die Waffen trug. Entgolten hätt ichs nun genug, Was Uebles je von mir geschah, Wenn euer Einer das ersah. Wollt ihr der Untreu euch erwehren, |
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20 | So erlöst mich, bei des Helmes Ehren Und bei des Schildes Orden: Inne seid ihr oft geworden, Schiens euch werth darauf zu achten, Daß die mit mir vollbrachten |
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25 | Manches ritterliche Werk. Ich habe manchmal Thal und Berg In Tjosten überritten Und mit dem Schwerte so gestritten, Es mochte wohl den Feind verdrießen: Des laßt ihr wenig mich genießen. |
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788 | Ich aller Freude waiser Traun vor dem Himmelskaiser Verklag ich einst euch Alle. Ihr kommt zu ewgem Falle, |
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5 | Wenn ihr mich nicht bald befreit. Mein Jammer wär euch billig leid. Ihr habt gesehn und auch vernommen, Wie mir dieß Unglück ist gekommen: Wie taugt' ich euch zum Herren noch? |
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10 | Viel zu früh erfahrt ihrs doch, Wenn ihr das Heil verwirkt an mir. O weh, wie übel handelt ihr!« Sie würden endlich ihn erlösen, |
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15 | Euch machte Trevrezent bekannt, Was dort am Gral geschrieben stand. Sie erharrten abermals den Mann, Dem dort die Freude gar zerrann, Und der hülfreichen Stunde, |
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20 | Da die Frage käm aus seinem Munde.
Auf eine List sann Anfortas: |
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25 | Es mocht ihm lieb sein oder leid, Da zwang ihn seine Schwachheit, Daß er offen that die Augen: Da must er Leben saugen Und konnt im Tode nicht erkalten. So pflegten sies mit ihm zu halten |
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789 | Bis an den Tag, da Parzival, Der bunte Feirefiss zumal, Froh gen Monsalväsche ritten. Auch kam die Zeit mit schnellen Schritten, |
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5 | Daß Mars oder Jupiter Wie zornglühend zog daher Und sich der Stelle wieder nahten (Dann war der König schlimm berathen), Wo sie zu Anfang stunden. |
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10 | Das that an seinen Wunden Anfortas weh mit solcher Qual, Die Fraun und Ritter allzumal Hörten sein Geschrei ertönen. Mit Jammerblicken und mit Stöhnen |
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15 | Gab er seinen Jammer kund. Er war ohn alle Hülfe wund, Helfen konnten sie ihm nicht; Jedoch die Aventüre spricht, Nun sei die wahre Hülf ihm nah. |
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20 | Beim Mitleid ließen sie es da.
Wenn die scharfe bittre Noth |
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25 | Man legt' ihm auf den Teppich hin Dann Pigment und Terpentin, Moschus und Aromata. Die Luft zu reingen lag auch da Ambra und Theriak genug: Das war ein süßer Wohlgeruch. |
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790 | Sobald man auf den Teppich trat, Jeroffel, Kardemom, Muskat Lag, die Lüfte zu durchsüßen, Gebrochen unter ihren Füßen. |
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5 | Wie das mit Tritten ward zerdrückt, So war die Nase gleich erquickt. Von Lignum Aloe war sein Feuer; Das sagt' euch schon ein Abenteuer. Als Stollen an dem Spannbett prangen |
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10 | Sah man aus Horn gedrehte Schlangen. Daß das Gift beruhigt sei, Waren Wurzeln mancherlei Auf die Kissen ausgesät. Nur gesteppt und nicht genäht |
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15 | War das Pfellel, drauf er lehnte, Ein Seidenstoff von Nauriente; Das Polster drunter war palmaten. Das Spannbett war auch sonst berathen Mit theuern Edelsteinen |
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20 | Und mit anders keinen. Stränge haltens aneinander Vom Geweb der Salamander: Das sind die Borten darunter. Ihn machte Freude nicht zu munter. |
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25 | Reich wars nach allen Seiten: Es möge Niemand streiten, Als hab er Beßres je gesehn. Es war kostbar und schön Von edeln Steinen aller Art; Ihre Namen sind uns aufbewahrt: |
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Karfunkel und Selenit, |
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5 | Unio und Ophthallmius, Epistites Keraunius, Gagatrom, Heliotropia, Panterus, Androdragma, Prasem und Sagda, |
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10 | Hematites, Dionysia, Achates und Chelidon, Sardonix und Chalkophon, Karneol und Jaspis, Echites und Iris, |
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15 | Gagates und Lyncurius, Abesto und Cecolithus, Galaktida, Hyacinthus, Orites und Enydrus, Absinth und Alabandina, |
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20 | Chrysoelekter, Hiennia, Smaragd und Magnes, Sapphix und Pyrites. Daneben standen hier und da Türkissen und Lipparea, |
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25 | Chrysolithen und Rubinen, Paleisen und Sardinen, Adamas und Chrysopras, Diadoch und Topas, Medus und Malachit, Berillus und Peanit. |
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Einige lehrten hohen Muth; |
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5 | Wers zu erproben wuste. So künstlich fristen muste Man Anfortas: der schuf dem Herzen Seines Volkes große Schmerzen. Doch bald wird Freude hier vernommen. |
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10 | Schon ist gen Monsalväsch gekommen, Von Joflanz geritten heut, Dem alle Sorge war zerstreut, Parzival, sein Bruder und die Magd. Man hat mir nicht genau gesagt, |
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15 | Wie viel es Meilen waren. Sie hätten Kampf erfahren; Doch weil Kondrie ihr Geleit, Blieben sie davon befreit. Sie waren einer Vorhut nah: |
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20 | Auf schnellen Rossen kamen da Viel Templeisen angefahren, Gewappnet, die so klug doch waren, Daß sie am Geleite sahn, Ihnen solle Freude nahn. |
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25 | Wohl rief ihr Rottenmeister da, Als er die Turteltauben sah Glänzen von Kondriens Kleid: »Ein Ende hat all unser Leid: Mit des Grales Wappen eingetroffen Ist, auf den wir täglich hoffen, |
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793 | Seit uns Angst und Noth umstricken. Gebt acht: nun will uns Freud erquicken.« Feirefiss Anschewein |
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5 | Wider Jene zu reiten, Und wollte selber streiten. Kondrie erfaßte seinen Zaum: Da war zu seiner Tjost nicht Raum. Die rauche Magd begann zumal |
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10 | Zu ihrem Herren Parzival: »Solche Schilde, dieß Panier Sollt ihr kennen lernen hier. Sie zählen zu des Grals Geleit Und sind euch immer dienstbereit.« |
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15 | Da sprach der werthe Heide: »Den Streit ich gern nun meide.« Da schickte Parzival Kondrien |
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20 | Welch Heil für sie gekommen wäre. Da sprangen die Templeisen Vom Pferd vor dem Waleisen, Vor dem sie grüßend stunden, Den Helm vom Haupt gebunden. |
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25 | Sie empfingen Parzival zu Fuß: Ein Segen dauchte sie sein Gruß. Sie begrüßten auch mit Fleiß Diesen Heiden schwarz und weiß Und ritten weinend, ob in Freuden, Gen Monsalväsch dann mit den Beiden. |
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Da fanden sie zahllose Schar, |
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5 | Schien ihre Ankunft doch zu freun. Feirefiss Anschewein Und sein Bruder Parzival, An der Stiege vor dem Saal Wurden sie wohl empfangen. |
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10 | In den Saal ward gegangen.
Da lagen nach des Hauses Sitten |
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15 | Da musten Beide zum Empfang Niedersitzen, nur so lang, Bis sie die Rüstung abgethan. Dann kam ein Kämmerer heran, Der Kleider brachte, reiche, |
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20 | Ihnen beiden gleiche. Auch all die Schar der Ritter saß. Man trug von Gold (es war nicht Glas) Manch theuern Becher in den Saal. Feirefiss und Parzival |
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25 | Tranken und gingen dann Zu Anfortas dem traurgen Mann. Ihr habt wohl schon vernommen, daß |
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795 | Fröhlich, doch mit Kummers Klage: »Mit Schmerz erharrt' ichs lange Tage, Werd ich künftig von euch froh. Wohl war euer Abschied so, |
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5 | Daß ihr es billig jetzt bereut, Wenn euch mir zu helfen freut. Ward jemals Preis von euch gesagt, Hier ist mancher Ritter, manche Magd:795, 9. Diese Frage, welche die Genesung des Anfortas zur Folge hat, geschieht zur Erfüllung des Orakels, welche die Schrift des Grals 483, 20–28 gegeben hat, wonach die Genesung des Anfortas von der Frage Parzivals abhängig sein sollte. Unbegreiflich ist, wie Immermann, Reisejournal S. 365 schreiben mochte: »Die Frage, die Parzival thun soll, um den Jammer in Monsalvas zu heben, und die er nicht thut, ist ein sonderbarer Moment. Die gewöhnlichen Auffaßungen von Durchbildung zum Religiösen durch Suchen und Schmerz reichen hier nicht aus. Der Gral, der nie irrende, hat ein Orakel gegeben, welches gleichwohl nicht erfüllt wird: denn als der erwählte König später zum Heiligtum gelangt und die Genesung des Anfortas bewirkt, hat er ja längst den Grund des Leides erfahren.« Das Orakel wird erfüllt: denn die Frage geschieht und bewirkt die Genesung; auch ist Parzival, obgleich er jetzt längst den Grund des Leides erfahren hat, nicht gewarnt worden; noch 795, 15 hütet sich Anfortas ihn zu warnen. Daß die Frage, obgleich sie für Parzival keiner Antwort mehr bedarf, dennoch geschehen muß, beweist im Gegentheil, daß der Gral auf die buchstäbliche Erfüllung seines Orakels hält. Immermann mischt aber eine andere hiehin gar nicht gehörige Seite ein, nämlich Parzivals Durchbildung zum Religiösen durch Suchen und Schmerz, welche Auffaßung allerdings hier ausreicht. Als aber Parzival zur Erlösung des Anfortas diese Frage thut, ist seine eigene innere Geschichte längst zu Ende; auch hat ihn nach Kondriens Meldung 781, 16 die Schrift des Grals schon zum Herrn des Gralreichs berufen. St. Marte verfällt, indem er Immermann zu widerlegen sucht, in lauter Irrtümer. Bittet, daß man mir den Tod |
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10 | Vergönnt, so endet meine Noth. Ist euer Name Parzival, So entziehet meinem Blick den Gral Sieben Nacht nur und acht Tage, So hat ein Ende meine Plage. |
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15 | Euch anders warnen darf ich nicht: Heil euch, wenn Hülf euch nicht gebricht. Eur Gesell ist hier ein fremder Mann, Dessen Stehen ich nicht dulden kann. Was sorgt ihr nicht für sein Gemach?« |
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20 | Parzival mit Weinen sprach:
»Sagt mir, wo der Gral hier liege. |
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25 | Dreimal zur Dreifaltigkeit, Daß des traurgen Mannes Leid Jetzt ein Ende möcht empfahn. Der Held stand auf und sprach alsdann: »Oheim, was fehlet dir?« Der für St. Silvestern einen Stier795, 30. In der Legende vom h. Silvester, welche nach Wolframs Zeit Konrad von Würzburg bearbeitete (ed. Wilhelm Grimm Gött. 1841), streitet der Papst Silvester vor dem Kaiser Konstantin, den er von dem Aussatze geheilt hat, mit den Juden über den Vorzug des christlichen oder jüdischen Glaubens. Ein Jude raunt einem Stier den Namen seines Gottes ins Ohr, und augenblicklich fällt das Thier todt zur Erde nieder. Silvester aber macht, was der Jude nicht konnte, den Stier durch Anrufung Christi wieder lebendig, durch welches Wunder die Juden sich überwunden bekennen und die Taufe empfangen. Diese Legende würde Wolfram schwerlich hier angezogen haben, wenn sie nicht in der Heilung Konstantins durch Silvester ein näher verwandtes Moment enthielte. Hartmanns armen Heinrich, der nach dem Iwein gedichtet ist, muß Wolfram nicht gekannt haben, sonst hätte er wohl hier seiner gedacht. |
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796 | Vom Tode lebend wandeln hieß, Der Lazarum erstehen ließ, Derselbe half, daß Anfortas Alsbald zu vollem Heil genas: |
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5 | Was der Franzose nennt Florie, Den Glanz er seiner Haut verlieh. Parzivals Schönheit war nun Wind, Und Absalons, Davidens Kind, So Aller, die wie Vergulacht |
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10 | Die Schönheit erblich hergebracht, Auch Gachmuretens Schönheitspreis, Als er dort zu Kanvoleis Einzug hielt so wonniglich – All ihre Schönheit dieser wich, |
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15 | Die Anfortas aus Siechheit trug. Gott kann der Künste noch genug. Da braucht' es weiter keine Wahl: |
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20 | Parzival ward anerkannt Als König und Gebieter dort. Man fände wohl an anderm Ort So leicht nicht zwei so reiche Männer (Von Reichtum bin ich zwar kein Kenner) |
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25 | Als Parzival und Feirefiss. Zu Dienst sich Männiglich befliß Dem Wirth und seinem Gast zumal. Ich weiß nicht der Rasten Zahl, Die Kondwiramur geritten kam Gen Monsalväsch wohl ohne Gram. |
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797 | Sie hatte Alles schon vernommen: Ihr war die Botschaft gekommen, Ein Ende hätt all ihre Noth. Von dem Herzogen Kiot |
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5 | Und noch manchem werthen Degen War sie auf waldgen Wegen Gen Monsalväsch geführt, bis dort Wo Segramors, ihr kennt den Ort, Aus dem Sattel war gewichen, |
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10 | Und ihr der blutge Schnee geglichen. Da sollte Parzival sie finden: Des mocht er gern sich unterwinden. Ein Templer bracht ihm jetzo Märe: |
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15 | Höfscher Ritter große Zahl. Nicht lang besinnt sich Parzival: Mit Eingen von des Grales Heer Zu Trevrezenten reitet er. Den Klausner freute herzlich, daß |
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20 | Es also stund um Anfortas, Daß er von jener Tjost nicht starb Und ihm die Frage Heil erwarb. »Gottes Kraft ist unermeßen! Wer hat in seinem Rath geseßen? |
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25 | Wer weiß ein Ende seiner Macht? Zu Ende wird es nie gedacht Von allen Himmelschören dort. Gott ist Mensch und seines Vaters Wort. Gott ist Vater und Sohn zugleich, Sein Geist ist aller Hülfe reich.« |
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798 | Zu Parzival begann er da: »Ein Wunder ists, wie nie geschah, Da ihr mit Zorn zum Himmel saht, Daß sein dreieinig ewger Rath |
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5 | Euer Trachten ließ gelingen. Ich log, euch abzubringen Vom Gral, wies um ihn stünde (Gebt mir Buße für die Sünde; Gehorsam will ich jetzt euch sein, |
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10 | Schwestersohn und Herre mein): Daß die vom Weltenmeister Ausgetriebnen Geister Harrend schwebten um den Gral, Ob ihnen Gnade würd einmal. |
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15 | Also sprach ich dort zu euch. Doch Gott ist stäts sich selber gleich, Er streitet ewig wider sie, Und Gottes Huld wird ihnen nie. Wer seinen Lohn davon will tragen, |
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20 | Der muß dem Bösen widersagen: Ewiglich sind sie verloren, Sie haben selbst den Fall erkoren. Ihr mühtet euch, das war mir leid, Umsonst in ganz vergebnem Streit. |
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25 | Daß wer den Gral sich möcht erstreiten, War unerhört zu allen Zeiten; Ich hätt euch gern der Müh entnommen. Doch anders ist es nun gekommen, Euch kam von Oben der Gewinn; Zur Demuth wendet nun den Sinn.« |
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Zum Oheim sprach der Waleis da: |
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5 | War sie mir lieb; das ist sie noch. Ich wünsche deinen Rath jedoch, So lang uns noch nicht schied der Tod: Du riethest mir einst in großer Noth. Ich ziehe meinem Weib entgegen: |
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10 | Die zog daher auf waldgen Wegen Bis an des Plimizöls Gestad.« Der Held um seinen Urlaub bat. Da befahl ihn Gott der gute Mann; |
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15 | Den Gesellen war der Wald wohl kund. Am Morgen fand er lieben Fund, Manch Gezelt aufgeschlagen: Aus dem Lande Brobarz, hört ich sagen, War manches Banner eingesenkt |
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20 | Und mancher Schild davor gehängt: Seines Landes Fürsten lagen dort. Der Waleis frug, an welchem Ort Die Königin selber läge, Und ob eigner Kreiß sie hege? |
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25 | Da zeigte man ihm, wo ihr Zelt Mit eignem Umkreiß stand im Feld, Von andern Zelten rings umfangen. Herzog Kiot von Katelangen War heut erwacht bei Zeiten: Da sah er diese reiten. |
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Noch war des Tages Schimmer grau; |
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5 | Der alte Mann erseufzt von Herzen, Da er Schoisianens denkt mit Schmerzen: Die er zu Monsalväsch erworben, War bei Siguns Geburt gestorben. Entgegen ging er Parzival |
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10 | Und empfing ihn mit den Seinen all. Den Marschall der Königin, Durch einen Junker bat er ihn, Den Rittern gut Gemach zu schaffen, Die er da halten sah in Waffen. |
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15 | Ihn selber führt' er an der Hand, Wo er der Köngin Kammer fand. Ein klein Gezelt von Buckeram, Wo man die Rüstung von ihm nahm. Noch ahnte nichts die Königin. |
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20 | Kardeiß und Loherangrin Fand bei ihr liegen Parzival (Wer zählt da seiner Freuden Zahl?) In einem hohen weiten Zelt, Und rings umher ihr zugesellt |
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25 | Lagen klarer Fraun genug. Kiot die Decke von ihr schlug, Er hieß die Königin erwachen, Sie sollte fröhlich sein und lachen. Sie blickt' empor und sah den Mann; Sie hatte nur das Hemde an. |
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801 | Die Decke hurtig um sich schwang, Auf den Teppich vor dem Bette sprang Kondwiramur, das schöne Weib; Ihr Gemahl umfing ihr auch den Leib. |
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5 | Man sagte mir, sie küssten sich. Sie sprach: »So hat das Glück mir dich Gesendet, Herzensfreude mein!« Sie hieß ihn willkommen sein. »Nun sollt ich zürnen, kann nicht, ach! |
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10 | Heil sei der Stunde, Heil dem Tag, Die mir brachten diesen Kuss, Davon mein Trauern schwinden muß. Nun hab ich, was mein Herz begehrt, Allen Sorgen ist der Sieg verwehrt.« |
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15 |
Nun erwachten auch die Kindelein, |
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20 | Nicht lang bedachte Kiot sich, Er befahl die Knaben fortzutragen; Man hört' ihn auch den Frauen sagen, Daß sie aus dem Zelte gingen. Das thaten sie, doch erst empfingen |
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25 | Sie ihren Herrn nach langer Reise. Kiot der höfische und weise Befahl der Köngin ihren Mann; Die Jungfraun führt' er all hindann. Noch begann es kaum zu tagen; Die Winden wurden zugeschlagen. |
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Nahm ihm einst bewusten Sinn |
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5 | Kondwiramur, die Beides hat. Nie hatt er Hülf an andrer Statt Empfangen für der Minne Noth, Ob manch edles Weib ihm Minne bot. In süßer Kurzweile lag |
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10 | Er bis zu vollen Morgens Tag.
Neugierig nahte Kiots Schar: |
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15 | Ihr Schild hat Lanzenstöß erlitten, Von Schwertern war er auch zerschnitten. Von Sammet oder Seidentuch War das Kleid, das Jeder trug. Keinen Harnisch trugen mehr die Stolzen, |
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20 | Nur an den Füßen Eisenkolzen.
Nicht mehr zum Schlafen stand ihr Sinn. |
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25 | Von dem tapfern Kriegesheer, Das Klamiden einst stand zur Wehr. Als die Messe war begangen, Wurde Parzival empfangen Würdiglich von seinem Bann, Manchem Ritter kühn und wohlgethan. |
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Des Zeltes Winden nahm man ab. |
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5 | »Waleis und Norgals, Kanvoleiß und Kingrivals Gehört zu vollem Recht ihm an Mit Anschau und Bealzenan. Erwächst er einst zu Mannes Kraft, |
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10 | So helft, daß ihr ihm die verschafft. Gachmuret mein Vater hieß, Der mirs als rechtes Erbe ließ. Da mir das Glück verhalf zum Gral, So empfanget ihr an diesem Mal |
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15 | Eure Lehn von meinem Kinde, Wenn ich euch treu befinde.« Das geschah von Herzen gern. |
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20 | Weiter Lande manches Ende. Gekrönet wurde da Kardeiß; Er bezwang auch später Kanvoleiß Und mehr von Gachmuretens Land. An des Plimizöls grünem Rand |
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25 | Ward ein weiter Kreiß gemeßen, Wo sie zu Mittag sollten eßen. Sie nahmen eilends Trank und Speise Und schickten sich zur Heimreise. Die Zelte brach das Heer darnieder; Mit dem jungen König fuhr es wieder. |
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Das Ingesind und viel Jungfrauen |
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5 | Und seine Mutter wohlgethan: Also ritten sie hindann Gen Monsalväsche balde. »Eines Tags in diesem Walde Sah ich eine Klause stehn,« |
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10 | Sprach Parzival, »und drinne gehn Einen klaren Brunnen schnelle: Wenn ihr sie wißt, weist mich zur Stelle.« Sie wüsten eine, ward gesagt Von den Gefährten: »eine Magd |
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15 | Wohnte klagend auf des Freundes Sarg; Ihr Herz die lautre Güte barg. Unser Weg geht nah vorbei; Ihr Herz ist selten Jammers frei.« Der König sprach: »Ich will sie sehn.« |
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20 | Die Andern ließens gern geschehn.
Sie ritten vorwärts trabend |
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25 | Durch den Felsen brach man zu ihr ein. Seiner Base halber ließ den Stein Parzival vom Sarge heben. Schön gebalsamt wie im Leben Lag Schionatulander da. Man legte sie dem Helden nah, |
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805 | Die ihm magdtumliche Minne gab Im Leben, und verschloß das Grab. Kondwiramur begann zu klagen Ihres Oheims Tochter, hört' ich sagen, |
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5 | Mit großen Schmerzen unerlogen: Schoisiane hatte sie erzogen, Die Mutter der gestorbnen Maid, Als Kind, drum trug sie um sie Leid, Die Muhme nannte Parzival, |
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10 | Wenn Wahrheit spricht der Provenzal.
Noch wust um seiner Tochter Tod |
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15 | Die Wahrheit sag ich recht und schlecht. Da thaten sie der Reis ihr Recht Gen Monsalväsch in tiefer Nacht. Die Stunden harrend zugebracht Hatte Feirefiss mit freudgem Herzen. |
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20 | Man entzündete viel Kerzen, Als wär entbronnen rings der Wald. Einen Templer von Patrigalt Sah man bei der Köngin reiten. Der Hof war räumig: an den Seiten |
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25 | Stand harrend manch gesondert Heer. Sie empfingen all die Köngin hehr, Den Wirth und auch sein Söhnelein. Da trug man Loherangrein Zu seinem Oheim Feirefiss: Da der sich schwarz und weiß erwies, |
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806 | Wollt ihm das Kind den Mund nicht leihn; Dem Kleinen muß man Furcht verzeihn. Das belustigte den Heiden. |
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5 | Auf dem Hofe, wo die Königin War abgestiegen; Hochgewinn War Allen ihre Kunst fürwahr. Man führte sie, wo Frauen klar Sie zu empfangen sich beflißen. |
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10 | Anfortas und Feirefissen Mochte man bei den Frauen An der Stiege höfisch schauen Repanse de Schoie, Von Grünland Garschiloie |
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15 | Und Florie von Nonel Trugen klare Haut und Augen hell, Dazu magdtumlichen Preis. Da stand auch, schwanker als ein Reis, Der Gut' und Schönheit unverloren |
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20 | War, zur Tochter ihm geboren, Ril, dem Herrn von Jernise, Die reine Magd Anflise. Von ihr stand Klarischanz nicht weit, Von Tenabrock die süße Maid, |
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25 | An lichter Farbe unverkürzt, Trotz Ameisen schlank geschürzt. |