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478 | »Meinen Vater Frimutel verloren Wir früh: da ward nach ihm erkoren, Der seiner Söhne ältester war, Zum Vogt des Grals und seiner Schar. |
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5 | Anfortas wars, der Bruder mein: Ihm ziemte wohl der Krone Schein, Obgleich wir Kinder waren. Als mein Bruder zu den Jahren Kam, daß ihm der Bart entsprang, |
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10 | Solcher Jugend thut die Minne Zwang. Sie pflegt sie allzusehr zu plagen: Das muß man ihr zum Tadel sagen. Als Herr des Grals nach Minne streben, Die ihm die Schrift nicht nachgegeben, |
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15 | Ist sträfliche Vermessenheit, Die Seufzer bringt und Herzeleid. »Mein Herr und Bruder wählte sich |
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20 | Wer sie war, das steh dahin. In ihrem Dienst hielt er sich so, Daß ihn alle Zagheit floh. Da ward von seiner starken Hand Zerbrochen mancher Schildesrand. |
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25 | Zu manchem Abenteuer Trieb ihn Liebesfeuer: Ward Einer öfter noch bestanden In allen ritterlichen Landen, Solches Willens war er frei. Amor war sein Feldgeschrei: |
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479 | Der Feldruf ist zur Demuth Eben auch nicht allzugut. »Einst ritt der König allein |
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5 | Aus nach Abenteuern: Minne sollt' ihm Freude steuern, Denn noch zwang ihn Minne sehr. Mit einem giftigen Sper Ward er in einer Tjost so wund, |
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10 | Daß er nimmermehr gesund Wird, der süße Oheim dein. Getroffen war sein Schambein. Ein Heide wars, der mit ihm stritt, Wider ihn tjostierend ritt, |
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15 | Geboren von Ethnise, Wo aus dem Paradiese Gefloßen kommt der Tigris. Der Heide meinte für gewiss, Den Gral sollt er gewonnen haben. |
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20 | In den Sper sein Name stand gegraben. Er suchte ferne Ritterschaft: Einzig um des Grales Kraft Strich er über Meer und Land. Von seinem Streit uns Freude schwand. |
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25 |
»Man muste wohl als tapfer preisen |
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480 | Den Heiden hat er dort erschlagen; Den wollen wir mit Maßen klagen. »Als der König kam, erblichen |
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5 | Da griff ein Arzt ihm in die Wunde Und fand das Eisen dort zur Stunde. Die Spitze war von innen hohl: Draus floß das Gift zur Wunde wohl. Aus zog der Arzt die Splitter wieder. |
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10 | Da fiel ich zum Gebete nieder Und gelobte Gott aus Herzenskraft, Daß ich aller Ritterschaft Hinfort entsagen wollte, Daß Gott doch helfen sollte |
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15 | Meinem Bruder aus der Noth. Fleisch verschwur ich, Wein und Brot, Und was man blutger Speisen wüste, Daß ihrer nimmer mich gelüste. Da hub das Volk erst an zu klagen, |
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20 | Lieber Neffe, laß dir sagen, Daß ich des Schwerts mich abgethan. Sie sprachen: »Wer wird fortan Dem Gral zum Schirmer taugen?« Da weinten lichte Augen. |
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25 |
»Man trug den König vor den Gral, |
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481 | Da ich mich hatt ergeben In dieses arme Leben, Und des Grales Herschaft Ruht' auf seiner schwachen Kraft. |
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5 | Von Gift war seine Wunde naß. Was man Arzneibücher las, Die gaben keiner Hülfe Lohn. Wider Aspis, Ecidemon, Ehkontius und Lisis, |
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10 | Jecis und Meatris, Der argen Schlangen heißes Gift, Was man dafür verordnet trifft, Und andre giftge Würme, Was ein Arzt dafür zum Schirme |
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15 | An Kräutern weiß und Würzen (Laß den Bericht dir kürzen), Nichts sollte helfen können: Gott wollt es nicht vergönnen. »Da schickten wir zum Geon |
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20 | Boten und zum Fison, Zum Euphrates und Tigris, Den vier Flüßen aus dem Paradies, So nah ihm, daß sein Ruch so fein Noch nicht verflogen könnte sein: |
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25 | Ob ein Kraut geschwommen käme, Das uns aus der Trauer nähme. Das war verlorne Arbeit: Erneut war unser Herzeleid. »Wir versuchtens noch in mancher Weise. |
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482 | Das Sibylle dem Aeneas bot Wider alle Höllennoth, Wider des Phlegetons Dunst und Rauch Und andrer Höllenflüße auch: |
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5 | Mit Mühn und Sorgen mancherlei Schafften wir das Reis herbei, Ob der grausame Sper Vielleicht im Höllenfeuer wär Vergiftet und gelöthet, |
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10 | Der uns viel Freud ertödtet.
»So war es nicht mit ihm bewandt. |
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15 | Wie ihn seiner Treu Gelust Zwingt, durchbeißt er sich die Brust, Läßt das Blut den Jungen in den Mund; Er aber stirbt zur selben Stund. Da nahmen wir des Vogels Blut, |
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20 | Ob seine Treu uns käm zu gut, Und strichens auf die Wunden, So gut als wirs verstunden: »Das half uns keine taube Nuß. |
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25 | Das dünkt der Jungfrau Reinheit groß: Es schlummert ein in ihrem Schooß. Wir verschafften uns des Thieres Herz Wider des Königs Schmerz; Wir nahmen den Karfunkelstein Aus des Thieres Hirnbein, |
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483 | Der da wächst unter seinem Horn. Wir bestrichen ihm die Wunde vorn, Tauchten drein den Stein sogar; Doch blieb sie giftig wie sie war. |
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5 |
»Das that uns mit dem König weh. |
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10 | Das Kraut hat zu der Sterne Lauf Unerforschlichen Bezug), Ob uns vielleicht des Drachen Flug Noch im Kraute möchte frommen Bei der Sterne Wiederkommen |
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15 | Und des Mondes Wandeltag, Der der Wunde Schmerz zu mehren pflag: Des Krautes edle Eigenschaft Erwies mit nichten ihre Kraft. »Wir knieten betend vor dem Gral. |
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20 | Da stand daran mit einem Mal Geschrieben, daß ein Ritter käme: Wenn dessen Frage man vernähme, So wär das Uebel abgethan; Hätt aber Kind, Magd oder Mann |
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25 | Ihn gewarnt, der Frage zu gedenken, So möge sie nicht Hülfe schenken: Der Schade währe fort wie eh Und brächte nur noch schärfres Weh. Die Schrift sprach: »Habt ihr das vernommen? Aus Warnung kann nur Schade kommen. |
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484 | Auch frag er in der ersten Nacht; Hernach zergeht der Frage Macht. Hört man zur rechten Zeit ihn fragen, Soll er des Grales Krone tragen, |
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5 | Und sich der Kummer enden: Die Hülfe will Gott senden. Das mag Anfortas Heil verleihn; Doch soll er nicht mehr König sein.« »Also lasen wir am Gral, |
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10 | Daß Anfortasens Qual Damit ein Ende nähme, Wenn uns die Frage käme. Wir brachten an die Wunden, Wovon wir Lindrung oft empfunden, |
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15 | Nardensalben, Theriak, Und was von ihm empfing den Schmack, Nebst dem Rauch von lignum Aloe: Ihm war doch allewege weh. Damals zog ich hieher; |
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20 | Ich finde wenig Freude mehr. Der Ritter ist seitdem gekommen: Daraus erwuchs uns wenig Frommen; Schon hab ich dir von ihm gesagt. Nur Unpreis hat er dort erjagt, |
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25 | Daß er das bittre Ungemach Ersah und zu dem Wirth nicht sprach: »Herr, wie stehts um eure Noth?« Da seine Einfalt ihm gebot, Daß er solche Frage mied, Wie großes Heil darum ihn flieht!« |
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Sie klagten lange sich ihr Leid. |
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5 | Ich weiß uns selber nicht zu speisen, Will uns nicht Gott die Mittel weisen. Meine Küche rauchet selten: Des must du heut entgelten Und, so lang du willst, bei mir verkehren. |
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10 | Viel Wurzeln zwar dich kennen lehren Wollt ich, ließ es zu der Schnee: Gott gebe, daß er bald zergeh! Nun brechen wir ihm Eibensproßen; Dein Ross hat beßre Kost genoßen |
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15 | Zu Monsalväsche oft als hie; Gleichwohl trefft ihr beide nie Den Wirth, ders lieber gönnte, Wenn mans hier haben könnte.« Sie gingen aus, der Nahrung nach. |
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20 | Parzival des Futters pflag; Wurzeln grub der Wirth, der weise: Das war ihre beste Speise. Seiner Regel nicht vergaß Der Wirth: wie viel er grub, er aß |
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25 | Kein Würzlein vor der None. Um der nächsten Stauden Krone Hing ers und suchte mehre. Manchen Tag zu Gottes Ehre War er nüchtern gegangen, Fand er nirgend Wurzeln hangen. |
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Die zwei Gesellen nicht verdroß, |
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5 | Dann wuschen sie die Hände sich. An einem Stricke säuberlich Trug Eibenzweige Parzival Fürs Ross. So gingen sie zumal Zu ihrem Sitz heim vor die Kohlen. |
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10 | Mehr Speise konnte Niemand holen: Da war gesotten noch gebraten; Ihre Küche war gar unberathen. Parzival in seinem Sinne, Bei der herzlichen Minne, |
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15 | Die er zu seinem Wirthe trug, Meinte doch, es wär genug Und so gut als einst bei Gurnemans, Und da zu Monsalväsch im Glanz Schöner Jungfraun Zug vorüberging |
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20 | Und er die Kost vom Gral empfing.
Sein getreuer Wirth, der greise, |
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25 | Der dirs so gerne gönnte, Wenn er dich laben könnte.« »Herr,« sprach Parzival dawider, »Gott seh nie huldreich auf mich nieder, Wenn je mich beßer hat geletzt, Was ein Wirth mir vorgesetzt.« |
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Die Speise, die man auftrug hier, |
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5 | Man könnte mit mir beizen Ohne mich viel zu reizen (Wenn ich Habicht oder Sperber hieße), Daß ich auf die Beute stieße, Hätt ich keinen vollern Kropf; |
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10 | Der Hunger blähte mir den Schopf.
Was spott ich der Getreuen hier? |
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15 | Warum sie waren freudenarm, Oftmals kalt und selten warm. Aus gottgetreuem Herzen Trugen sie die Schmerzen In erwählter Armut Stand. |
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20 | Von des Allerhöchsten Hand Empfingen sie dafür den Sold; Gott war und ward noch Beiden hold. Zum Stall ging nach dem kargen Mal |
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25 | Der nach dem Ross noch nicht geschaut. Mit betrübter Stimme Laut Der Wirth zum Ross sprach: »Mir ist leid Deines Kummers Bitterkeit Des Sattels wegen, der dich ziert Und der Anfortas Wappen führt.« |
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Da dem Ross geschehen war sein Recht, |
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5 | Dürft ichs vor Beschämung sagen, So wollt ich euch mein Unglück klagen. Doch eure Güte wird verzeihn: Zu euch muß meine Zuflucht sein. Solche Schuld hab ich mir aufgebürdet, |
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10 | Wenn ihr darum mich haßen würdet, Müst ich dem Trost entsagen In allen meinen Tagen Unerlöst von Reue. Ihr sollt mit Rath der Treue |
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15 | Beklagen meine Thorheit. Der auf Monsalväsch zu jener Zeit Sah des Königs Ungemach Und doch keine Frage sprach, Das bin ich unselger Mann! |
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20 | So hab ich Armer missgethan.«
Der Wirth sprach: »Neffe, was sagst Du? |
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25 | Da dich Einfalt so ums Heil betrog. Gab dir Gott fünf Sinne doch: Die haben übel dich berathen. Sprich, welchen Beistand sie dir thaten In der entscheidenden Stunde Dort bei Anfortasens Wunde? |
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»Doch will ich Rath dir nicht versagen: |
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5 | In der Menschheit ist ein wilder Zug: Oft wird zu früh die Jugend klug; Will dann das Alter Thorheit üben Und seine lautre Sitte trüben, So wird das Weiße schwarz zumal, |
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10 | Wird die grüne Jugend fahl, Und weder hier noch dort gedeiht Rechter Sinn und Würdigkeit. Könnt ich dich noch ergrünen Und das Herz dir so erkühnen, |
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15 | Daß du den Preis erjagtest, An Gott nicht mehr verzagtest, So möcht es dir gelingen Solche Würde zu erschwingen, Daß es Ersatz wohl hieße. |
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20 | Gott selbst dich nicht verließe.
»Gott will dich durch mich belehren. |
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25 | An sein Ziel zurückgefunden, Das war zu spüren an den Wunden Und an dem späten Frühlingsschnee. Dann that der Frost ihm grimmig weh, Dem süßen Oheime dein. Der Sper must in die Wund hinein, |
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490 | Daß eine Noth der andern Noth Half: der Sper war blutigroth. »Einiger Sterne Rückkehrtage |
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5 | Wenn sie ob einander stehn, Feindselig sich vorübergehn. Auch bleibt die Wunde nicht verschont, Wenn im Wechsel steht der Mond. In der jetzt benannten Zeit |
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10 | Faßt den König grimmes Leid: Ihm thut der scharfe Frost so weh, Sein Fleisch wird kälter als der Schnee. Da man ein Gift nun, glühendheiß, An der Sperspitze weiß, |
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15 | So wirds den Wunden aufgelegt: Der Frost gleich aus der Wunde schlägt Und legt wie Glas sich um den Sper; Das alsdann nur Niemand mehr Von dem Eisen lösen kann. |
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20 | Trebüschet wars, der weise Mann, Der zwei Meßer schuf mit Silberklingen: Mit denen läßt es sich vollbringen. Die Kunst hatt ihn ein Spruch gelehrt An unsres Königes Schwert. |
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25 | Man hört wohl sagen vom Asbest, Daß er sich nicht verbrennen läßt; Doch fiel von jenem Glas darauf, Gleich schlugen helle Flammen auf, Und der Asbest verbrannte gar: Wie ist dieß Gift so wunderbar! |
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»Er kann nicht reiten, kann nicht gehn, |
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5 | Beim Mondeswechsel wird ihm weh. Brumbane heißt ein naher See: Da tragen sie ihn hin: beim Fischen Soll ihn da milde Luft erfrischen. Das nennt er seinen Waidetag; |
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10 | Doch was er dort erbeuten mag Bei so schmerzlicher Beschwer, Er bedarf zu Hause mehr. Davon erscholl die Märe, Daß er ein Fischer wäre. |
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15 | Das Märchen läßt er walten. Er hat doch feilgehalten Nie Salmen noch Lampreten; Könnt er vor Schmerz sich retten!« Da unterbrach ihn Parzival: |
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20 | »Ich fand den König auch einmal Ankern auf den Wellen, Den Fischen nachzustellen Oder zur Kurzweile. Ich ritt manche Meile |
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25 | Den Tag auf waldgen Straßen. Pelrapär hatt ich verlaßen Erst um den mitten Morgen. Am Abend trug ich Sorgen, Wo meine Herberg möchte sein: Da bot sie mir mein Oheim.« |
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»Nicht gefahrlos war die Fahrt,« |
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5 | Mag da den Reisenden frommen. Mit Schrecken hat das oft vernommen, Wer da den Tod empfing im Streit: Sie nehmen Niemands Sicherheit, Sie setzen Leben gegen Leben. |
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10 | Zur Buß ists ihnen aufgegeben.«
»Dennoch kam ich ohne Streit |
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15 | Sah ich am Abend Jammers voll. Ach wie laut der Wehruf scholl! Ein Knapp herein zur Thüre sprang: Von Jammer gleich der Saal erklang. Der trug in seinen Händen |
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20 | Einen Schaft zu den vier Wänden; Der Sper daran war blutigroth: Das schuf dem Volke Jammers Noth.« Der Wirth sprach: »Heftiger als je |
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25 | Denn so kündigte sein Nahn Uns der Stern Saturnus an. Der pflegt mit großem Frost zu kommen. Drauf legen mochte da nicht frommen, Wovon wir Lindrung sonst empfunden: Man stach den Sper ihm in die Wunden. |
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493 | Saturnus steigt so hoch empor; Die Wund empfand den Frost zuvor: Die Kälte kam erst hinterdrein. Es eilte sich nicht so zu schnein; |
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5 | Die andre Nacht erst fing es an, Obgleich mit ihr der Lenz begann. Groß Leid alles Volk beschwerte, Da man so dem Frost des Königs wehrte.« Da sprach der fromme Trevrezent: |
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10 | »Ihres Jammers war kein End, Als den Sper die Wunde heischte, Der ihr eigen Herz zerfleischte; Ihrer Klage Jammerton Glich einer neuen Passion.« |
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15 |
Zum Wirthe sprach da Parzival: |
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20 | (Das Recht verlieh ihm Gottes Segen) Des Grals, ihm dienen für und für. Der Gral ist streng in seiner Kür: Sein sollen Ritter hüten Mit entsagenden Gemüthen. |
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25 | Wenn dann die hohen Sterne kehren, Muß Jammer all dieß Volk beschweren, Die Jungen wie die Alten. Gott ließ den Ingrimm walten Allzulange wider sie: Wird ihnen Trost und Freude nie? |
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»Neffe, nun bericht ich dir, |
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5 | Sie nehmen junge Kinder an Von hoher Art und wohlgethan, Auserwählt von Gottes Hand. Wird dann herrenlos ein Land, Das eines Königs begehrt |
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10 | Aus der Schar des Grals, das wird gewährt. Wohl wird des Volks ein Solcher pflegen: Denn ihn begleitet Gottes Segen. »Gott schafft die Männer heimlich fort; |
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15 | Darum war kein Hinderniss, Als der König Kastis Herzeleidens hat begehrt: Mit Freuden ward sie ihm gewährt. Deine Mutter ward ihm angetraut; |
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20 | Doch nicht genoß er seiner Braut: Es kam der Tod und grub sein Grab. Zuvor er deiner Mutter gab Waleis und Norgals Mit Kanvoleis und Kingrivals: |
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25 | Das ward ihr öffentlich gegeben. Der König sollt unlange leben: Zu seiner Heimat fuhr er wieder; Da legt' er sich zum Sterben nieder. Die Königin und ihr Doppelland Erwarb da Gachmuretens Hand. |
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»Der Gral giebt Jungfraun unverstohlen, |
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5 | Des Grales Schar zu mehren: Das wird die Schrift dann lehren. »Frauenminne muß verschwören |
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10 | Gebührt ein Weib, an Tugend rein, Und jenen, welche Gott gesandt Zu Herren herrenlosem Land. Die Vorschrift ließ ich unbeachtet, Da das Herz nach Minne mir getrachtet. |
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15 | Mir rieth die blühnde Jugend Und werthen Weibes Tugend, Daß ich in ihrem Dienste ritt Und oft in blutgem Kampfe stritt. Mich dauchten so geheuer |
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20 | Die wilden Abenteuer, Daß ich nicht mehr turnierte. Ihre Minne führte Mir ins Herz der Freude Schein: Da wollt ich ernsten Kampf nicht scheun. |
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25 | Zu ferner wilder Ritterschaft Zwang mich ihrer Minne Kraft, Daß ich ihre Gunst erkaufte. Der Heid und der Getaufte Galten mir im Streite gleich: Ich dachte, sie wär lohnesreich. |
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»Ich trug um sie Beschwerde |
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5 | Wollt ich schöne Tjoste reiten, So must ich vor Gaurivon streiten; Auch hab ich manche Tjost gethan Vor dem Berge Feimorgan. Manch schöne Tjost ward mir verliehn |
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10 | Vor dem Berg Agremontin. Wer des Innern Trotz will dämpfen, Der muß mit feurgen Männern kämpfen; Die äußern Völker brennen nicht, Wie Mancher dort den Sper auch bricht. |
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15 | Als am Rohas ich im Steierland Abenteuer sucht' und fand, Da kamen tapfre windsche Männer Entgegen mir als Lanzenrenner. »Ich fuhr von Sevilla |
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20 | Auf dem Meere gen Sicilia, Durch Friaul bis gen Aglei.496, 21. Aglei ist Aquileja. »Die meisten andern hier genannten Oertlichkeiten wißen wir nicht nachzuweisen; Friaul, Steier und die Drau sind bekannt, aber weder der Rohas noch die Greian. Einige sind auch fabelhaft, wie die Berge zu Agremontin und Famorgan. Mit einem feurigen Ritter 496, 12 hat auch Feirefiss gekämpft 812, 20.« So schrieb ich zur ersten Auflage. Seitdem hat M. Haupt (Berichte 1846, S. 133, 1853 26. Febr.) den Rohas als den Rohitscher Berg im steirischen Saangau, die weiterhin erwähnte Greian, die in die Drau fällt, als den Grajenabach, der bei Pettau mündet, nachgewiesen; selbst die weite Stadt Gandein (die wîten Gandîne 498, 25) in der Drauebene bei Pettau. Der Dichter selber erinnert bei ihrem Namen an Gachmurets Vater Gandin. Die Beziehungen zwischen Steiermark und dem Königsgeschlecht von Anjou werden dadurch bedeutungsvoller, daß Gandin nach 101, 7 den schwarzen Panther im Wappen führte, während ein weißer im grünen Felde das steirische Wappen bildete. Vgl. oben S. 339. Das Natürlichste schiene nun, daß unser Dichter und nicht schon sein vorgeblicher Gewährsmann Kiot diese Anklänge in das Gedicht gebracht hätte. Diese Vermuthung erklärt aber M. Haupt für ganz unerlaubt. »Dieß widerspräche der Treue, mit der er (Wolfram) sonst sichtlich dem folgt, was ihm Guiots Gedicht überliefert hatte, und wo er in Anspielungen, die nicht in die Fabel eingreifen, deutscher Gegenden erwähnt, da reicht seine Ortskenntniß niemals räumlich so weit. (Vgl. §. 6 am Schluß.) Wir werden also was von der Steiermark gesagt ist, zu den andern Räthseln des Parzival stellen müßen, zu den deutschen Namen Fridebrant, Isenhart, Herlint, Hernant, Schiltung, Heuteger und zu dem norwegischen Groenlandsfylki. Es ist ein wohlfeiler aber haltloser Einfall, daß von allem diesem in Guiots Gedicht nicht gestanden, daß Wolfram das alles hinzugethan habe.« Sollen alle jene deutschen Namen in dem französischen Gedichte gestanden haben? Wie würden sie französisch gelautet haben? Wären nicht Schiltung und Heuteger, vielleicht auch Fridebrant bis zur Unerkennbarkeit entstellt worden? Und sollten wir unserm Dichter so viel Einsicht in die Lautverhältnisse zutrauen, daß er die entsprechenden deutschen Formen herausfand? Kiot hätte diese verbundenen deutschen Namen nur aus deutscher Quelle schöpfen können: die näher liegende Ansicht, daß sie aus dieser unmittelbar in Wolframs Gedicht gelangten, wird durch ihre Wohlfeilheit eher empfohlen als verleidet, so lange die entgegengesetzte noch kein Halt stützt. Desto dankenswerter sind die Aufschlüße über die steiermärkischen Oertlichkeiten; sie liegen aber von unseres Dichters Heimat nicht zu weit ab. Wie das Lechfeld, wie Köln und Mastricht, der Hafen zu Witsand 761, 28, so konnten ihm, aber schwerlich dem Kiot, auch der Name der Stadt Gandin und das steiermärkische Wappen bekannt sein, wenn er auch dieses öfter von ihm genannte Land nie betreten hatte. Der romanisch klingende Name Gandin mochte ihm gelegen kommen, wenn er zu den alliterierenden Gachmuret und Galoes den dritten suchte. Vgl. oben S. 522[?]. Oder will man zu den andern Räthseln im Parzival auch das noch stellen, wie der Provenzale Kiot dazu kommen sollte, Gesetze zu beobachten, die nur in Deutschland bei der Namengebung walteten? In unserm Gedichte ist ihre Anwendung zu häufig, als daß an Zufall zu denken wäre. Ich erinnere nur an Hernant und Herlinde, an Kingraun und Klamide, Kiot von Katelangen, Kanvoleis und Kingrivals, Klauditte von Kanedig, an Iblis und Ibert, Jofreit Fils Idöl, Obie und Obilot, an Thasme und Thabronit 739, 24. 25, an Patrigalt und Portugal, Poitewin von Prienlaskros, Garschiloie von Grünland, Galogandres und Gippones (205, 9, 10) u. s. w. Vielleicht gehören selbst Orgeluse und Anfortas, Eisenhart von Assagog, Kailet und Killirjakak, Meljanz und Meljakanz hieher. Am stärksten tritt die Absichtlichkeit bei Gurnemans de Graharz hervor. Diesen Namen selber hat zwar Wolfram schwerlich erfunden: er fand ihn wohl schon in Hartmanns Ereck 1631 und mit andern Namen, die er benutzt zu haben scheint, in Chrestiens gleichnamigem Gedicht; aber er hat den Anlaut durch Gurnemans ganzes Geschlecht bis ins dritte Glied festgehalten. Gurnemans Sohn ist Gurzgri, dessen Sohn Gandilus 429, 20. Vermutlich ist auch der andere Sohn Gurzgris, der junge Delfin von Graswaldane, Schionatulander, so wie sein Oheim Schenteflur mit anlautendem G zu lesen, und wirklich finden wir im Ereck 1690 Ganatulander geschrieben, obgleich die Identität der Person hier so wenig feststeht als bei Gandilus, den gleichfalls schon Hartmann und Chrestien im Ereck nennen. Ob Titurel, Ither von Gahevieß, Galogandres und Galoes, Marlivliot (Manfilot) von Katelange u. A., die sich bei Chrestien so wenig wiederfinden als Ganatulander, mit diesen erst aus Wolframs Gedicht in die späte Handschrift von Hartmanns Ereck gerathen sind, oder dem deutschen Dichter eine andere Recension des französischen Gedichts vorlag als uns, steht dahin. Jedenfalls ergiebt sich, daß Wolfram diese Namen nicht von Kiot zu borgen brauchte. Weh, o weh und heia hei! Daß ich jemals deinen Vater sah! Denn ich fand und sah ihn da. |
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25 | Zu Sevilla zog ich ein, Als der werthe Anschewein Eben Herberg genommen. Seine Fahrt macht mir das Herz beklommen, Die er that gen Baldag, Wo er in einer Tjost erlag, |
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497 | Wie ich dich selber hörte sagen. Ewig muß ich ihn beklagen. »Mein Bruder ist ein reicher Mann. |
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5 | Wenn er mich heimlich von sich sandte. Wenn ich von Monsalväsch mich wandte, Sein Insiegel nahm ich da Und führt' es gegen Karkobra: Da fällt ins Meer der Plimizöl |
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10 | In dem Bistum Barbigöl. Auf seinen Siegelring berieth Mich da der Burggraf, eh ich schied, Mit Gefolg, und was ich nöthig fand Zu einem Zug ins Heidenland |
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15 | Oder anderm Abenteuer; Da war ihm nichts zu theuer. Ich kam allein gen Karkobra; Bei der Heimkehr ließ ich wieder da Das Gesind und alle andern Stücke |
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20 | Und ritt gen Monsalväsch zurücke.
»Nun höre, lieber Neffe mein: |
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25 | Seines Weibes Herzeleid, Und hatte doch zu keiner Zeit Mein Angesicht zuvor gesehn. Auch war ich, muste man gestehn, Schön, wie kein Mann gesehn noch ward; Noch hatt ich damals keinen Bart. |
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498 | Als er in meine Herberg fuhr, Da verneint ich es und schwur Manchen ungestabten Eid. Er hielt sich drauf mit Sicherheit; |
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5 | Zuletzt gestand ichs insgeheim. Mit großen Freuden fuhr er heim. »Sein Kleinod verehrt' er mir; |
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10 | Grüner als der Klee ist sie: Ich ließ sie aus dem Steine Bilden, den mir gab der Reine. Zum Knappen ließ er mir Itheren: Das Herz gab seinem Neffen Lehren, |
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15 | Daß aller Falsch an ihm verschwand, Dem König von Kukumerland. Wir durften Fahrt nicht länger meiden Und musten von einander scheiden. Da zog er in des Baruchs Land; |
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20 | Zum Rahos fuhr ich selbst zuhand.
Von Cilli kam ich hingeritten. |
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25 | In die weite Stadt Gandein: Sie ists, nach der der Ahnherr dein Einst Gandein ward genannt. Da machte sich Ither bekannt. Diese Stadt liegt dort genau, Wo die Greian in die Drau, |
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499 | Ein goldreich Waßer, rinnet. Da ward Ither geminnet, Als er deine Muhme fand. Sie beherschte dieses Land; |
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5 | Ihr Vater, Gandein von Anschau, Gab sie diesem Land zur Frau. Lammire wurde sie genannt;499, 7. Ithers Gemahlin Lamire scheint also Gachmurets Schwester. Eine andere Schwester, Fleurdamur, ist oben 420, 6 als Gemahlin Kingrisins und Mutter Vergulachts und Antikoniens erwähnt. Denn schwerlich ist Kingrisin ein jüngerer Bruder Gachmurets, da von Kingrisins Sohn Vergulacht 420, 10 gesagt wird, Gachmuret und Galoes seien seine oeheime gewesen, was nur Mutterbrüder bedeuten kann, da Vaterbrüder veter hießen. Aber Steier heißt das Land. Durchstreifen muß der Lande viel, |
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10 | Wer Schildesamt verwalten will.
»Nun dauert mich mein Knappe roth, |
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15 | Gott hat ihrer nicht vergeßen; Er kann sie wohl nach Gliedern meßen. Willst du mit Gott in Frieden leben, Sollst du dafür ihm Buße geben. Ich muß dir jammernd künden: |
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20 | Du trägst zwei Todsünden. Ithern hast du erschlagen; Auch deine Mutter sollst du klagen, Der ihre große Treue rieth, Daß sie aus diesem Leben schied, |
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25 | Da du von ihr geschieden. Nun folge mir, hienieden Büße deine Missethat, Daß wenn einst dein Ende naht, Irdsche Drangsal dir erwirbt, Daß dort die Seele nicht verdirbt.« |
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Weiter ohne Zornes Hast |
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5 | »Herr, dieß Ross hab ich erstritten, Da ich von Sigunen kam geritten, Die ich vor ihrer Klause sprach. Einen Ritter flüglings stach Ich dann herab und zogs hindann; |
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10 | Von Monsalväsche war der Mann.« Der Wirth sprach: »Blieb er denn am Leben, Dem es Anfortas hat gegeben?« »Herr, ich sah ihn heil entgehn Und fand dieß Ross mir nahe stehn.« |
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15 | »Des Grales Volk berauben .Und dabei doch glauben Seine Freundschaft zu gewinnen, Das ist thöricht Beginnen.« »Herr, ich nahms in offnem Streit. |
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20 | Wer deshalb mich der Sünde zeiht, Der prüf erst näher, wie es kam: Er erschlug das meine, dem ichs nahm.« Wieder sprach da Parzival: |
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25 | Trug? Den Mantel lieh sie mir.« Der Wirth sprach: »Neffe war er ihr (Sie ist auch deine Muhme). Sie lieh ihn nicht zu eitelm Ruhme: Du solltest dort Gebieter sein Des Grals und ihr, nicht minder mein. |
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501 | Dein Oheim gab dir auch ein Schwert, Das dir mit Sünden nun gehört, Da leider keine Frage kund That dein wohlberedter Mund. |
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5 | Laß die Sünde bei den andern stehn; Zeit ists, daß wir zur Ruhe gehn.« Nicht Bett noch Kissen ward gebracht: Sie lagen auf dem Stein zu Nacht; Ihrem herlichen Geschlecht |
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10 | War solch ein Lager nicht gerecht.
So blieb er bei ihm vierzehn Tage. |
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15 | Der Held trug die Beschwerde, Daß sein süßer Trost ihm werde, Da ihn der Wirth von Sünde schied, Mit gutem Rath ihn wohl berieth. »Wer wars,« so frug einst Parzival, |
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20 | »Der in der Kammer lag beim Gral, Grau von Haar, von Antlitz hell?« Der Wirth sprach: »Das war Titurel. Der ist deiner Mutter Ahne: Zuerst ward des Grales Fahne |
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25 | Zum Schutz befohlen seiner Hand. Ein Siechtum, Podagra genannt, Hält ihn gelähmt ans Bett gebunden. Seine Farb ist nimmer doch geschwunden. Den Gral erblickt sein Angesicht; Drum mag er auch ersterben nicht. |
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502 | Der Greis giebt ihnen guten Rath. In seiner Jugend manchen Pfad Ritt er zu tiostieren. Willst du dein Leben zieren |
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5 | Und immer würdiglich gebahren, Die Frauen zu haßen must du sparen. Fraun und Pfaffen, wie bekannt, Unbewehrt ist beider Hand; Doch schirmt die Pfaffen Gottes Segen. |
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10 | Dein Dienst soll ihrer treulich pflegen, So wird dereinst dein Ende gut. Der Pfaffheit zeige holden Muth: Was auf Erden sieht dein Angesicht, Das vergleicht sich doch dem Priester nicht. |
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15 | Sein Mund verkündet uns das Wort, Das unser Heil ist, unser Hort; Auch greift er mit geweihter Hand An das allerhöchste Pfand, Das je für Schuld verliehen ward. |
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20 | Ein Priester, der sich so bewahrt, Daß er sich ganz ihm hat ergeben, Wer könnte heiliger leben?« Das war der Beiden Scheidetag. |
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25 | »Deine Sünden laß mir hier: Gottes Huld erfleh ich dir. Leiste, was ich dir gesagt, Und halt fest dran unverzagt!« Von einander schieden sie; Ihr mögt euch selber denken wie. |