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Gawan, aus dessen Zweikampf mit Kingrimursel auch zu Barbigöl nichts geworden ist, weil sich seine Unschuld und nahe Verwandtschaft mit Vergulacht herausstellt hatte, begegnet, indem er nach dem Grale forscht, einem verwundeten Ritter, lehrt dessen Freundin das Blut durch ein Rohr aus der Brustwunde ziehn, verfolgt den Sieger nach Logrois, findet dort Orgelusen, die Herzogin des Landes, und wirbt um ihre Minne. Da er trotz ihrer schnöden Antworten darauf besteht ihr zu dienen, so heißt sie ihn ihr Pferd aus einem nahen Baumgarten holen, wo ihn alle Leute vor der Herzogin warnen. Er bringt ihr gleichwohl das Pferd, sie besteigt es ohne seine Hülfe und heißt ihn vorausreiten. Unterwegs pflückt er ein Heilkraut für jenen Wunden, worüber Orgeluse spottet. Ein missgeschaffner Knappe der Herzogin, Malkreatüre, Kondriens Bruder, reitet ihr auf elender Mähre nach und beleidigt Gawan, der ihn züchtigt und zu Boden wirft, sich aber an seinem igelborstigen Haar die Hand verletzt. Sie kommen zu dem verwundeten Ritter, der erst vor Orgelusen warnt, dann dem Gawan durch List sein Pferd entführt und sich als Urjan zu erkennen giebt, dem Artus auf Gawans Fürbitte die verwirkte Todesstrafe in eine Ehrenstrafe verwandelt hat. Für Gawan bleibt nur jene elende Mähre übrig, die er unter den Spottreden der Herzogin zuletzt doch besteigt. Sie kommen endlich an das Ziel, wo ihm ein Kämpe der Herzogin, Lischois Giwellius, der schon Urjan besiegt hat, auf stattlichem Pferde entgegenreitet, indes Orgeluse sich von einem Fährmann über Waßer setzen läßt. Jenseits sehen über vierhundert Frauen aus den Fenstern eines herlichen Schloßes dem ungleichen Kampfe zu. Lischois wird besiegt; sein Pferd aber, das Gawan für das ihm von Urjan entführte Ross Gringuljet erkennt, nimmt Plippalinot, der Fährmann, als Zins des Kampffeldes in Anspruch. Er überläßt ihm dafür den Besiegten, wird von dem Fährmann bewirthet und von Benen, dessen Tochter, gepflegt.
503 | Wir nahn seltsamen Mären, Die der Freude können wehren Und wieder Hochgemüthe bringen: Sie schwanken zwischen beiden Dingen. |
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Gekommen war des Jahres Frist, |
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10 | Doch auch jetzt blieb ungerochen Kingrisins des Königs Mord. Wohl hatte sich Gawanen dort Vergulacht, sein Sohn, gestellt. Ihre Sipp erkannte da die Welt,503, 14. Gawans und Vergulachts Verwandtschaft erklärt sich aus dem Briefe Gachmurets an Belakane, nach welchem Mazadan der gemeinschaftliche Stammvater Gandeins und des Artus war. Gandein war nach 420, 8 Vergulachts Großvater, und Artus bekanntlich Gawans Mutterbruder. |
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15 | Und den Kampf verbot der Sippe Macht, Zumal der Graf Eckunacht Den Mord begangen hatt allein, Des Gawan schuldig sollte sein. Da ward versöhnt Kingrimursel |
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20 | Mit Gawan dem Degen schnell.
Geschieden ritten sie hindann, |
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25 | Da musten mit den Händen Sie Tjoste viel versenden. Wer des Grals begehrte, Der muste mit dem Schwerte Sich hohen Preis erschwingen. So soll man Preis erringen. |
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Wie es Gawan ergangen sei, |
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5 | Das fraget, die es sahen: Jetzt soll ihm Streiten nahen. Eines Morgens ritt Herr Gawan |
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10 | Sah er durchbohrt von einer Lanze Und ein Pferd, das Frauenreitzeug trug; Zaum und Sattel reich genug. Gebunden zu dem Schilde War das Ross an eine Linde. |
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15 | Da dacht er: »Wer dieß Weib wohl ist, Die solcher Kühnheit sich vermißt, Daß ein Schildesrand ihr frommt? Wenn sie mit mir zu streiten kommt, Wie soll ich da mich schützen? |
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20 | Mir möcht ein Fußkampf nützen. Will sie mit mir ringen, Sie mag zu Fall mich bringen: Auf einen Fußkampf will ich sinnen, Ob es mir Haß bringt oder Minnen. |
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25 | Und wenn es Frau Kamille wär,504, 25. Anspielung auf Heinrich von Veldecks Eneit (8734 ff.), wo Kamille, die Tochter des Turnus, die Trojaner durch persönliche Tapferkeit besiegen hilft. Die mit ritterlicher Wehr Vor Laurentum Preis erstritt, Wär sie stark, wie die dort ritt, Ich versucht es doch mit ihr, Böte sie mir Kampf allhier.« |
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Der Schild war auch zerhauen: |
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5 | Mit dem Lanzeneisen weit. Also malt sie der Streit; Den Schildrern würd es nicht vergolten, Die sie also malen wollten. Hinter der Linde breitem Stamm |
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10 | Saß eine Frau, an Freuden lahm, Auf dem grünenden Klee. Der that groß Herzeleid so weh, Keinem Troste gab sie Raum. Gawan ritt zu ihr um den Baum: |
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15 | Da lag ein Ritter ihr im Schooß, Um den ihr Jammer war so groß. Er grüßte sie gar minniglich: |
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20 | Harsch von des Schmerzens Grimme. Vom Rosse sprang Herr Gawan: Dem durchstochenen Mann Lief das Blut in den Leib. Gawan frug des Ritters Weib, |
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25 | Ob der Ritter lebe, Ob schon im Tode schwebe? Da sprach sie: »Herr, er lebt wohl noch: Unlange, dünkt mich, währts jedoch. Mir zum Troste sandt euch Gott: Nun rathet treulich, sonder Spott; |
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506 | Ihr habt solch Leid schon mehr gesehn. Laßt die Wohlthat mir geschehn, Daß ich eure Hülfe schaue.« »Gerne,« sprach er, »Fraue. |
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»Diesem Ritter spart' ich Sterben, |
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10 | Er ist nicht so gefährlich wund: Das Blut ist seines Herzens Last.« Da riß er von dem Lindenast Den Bast und krümmt' ihn wie ein Rohr (Er war der Heilkunst nicht ein Thor) |
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15 | Und schobs dem Wunden in den Leib. Zu saugen bat er dann das Weib, Bis ihr das Blut entgegen floß Und dem Ritter neue Stärke sproß, Ihm auch die Sprache wieder ward. |
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20 | Er gewahrte Gawans Gegenwart: Da dankt' er sehr dem Degen, Und es brächt ihm Gottes Segen, Daß er ihn schied von Unkraft. Er frug, ob er um Ritterschaft |
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25 | Gekommen wär gen Logrois? »Ich kam auch fern von Punturtois Hier Aventüre zu erjagen. Nun muß ichs immerdar beklagen, Daß ich so nah geritten bin. Ihr sollts auch meiden, habt ihr Sinn. |
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»Ich dachte mir nicht solchen Schluß. |
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5 | Mit einer Tjost untadelig. Die sauste mir so hurtiglich Durch den Schild und durch den Leib. Doch half mir dieses gute Weib Auf ihrem Pferd an diese Statt.« |
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10 | Gawanen er zu bleiben bat; Doch Gawan sprach, er wolle sehn, Wo ihm der Schade wär geschehn: »Erreich ich Logrois Thor, Oder ereil ich ihn davor, |
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15 | So steht er Rede mir dafür. Ich frag ihn, was er rächt' an dir.« »Das thu nicht,« sprach der wunde Mann: »In Wahrheit ich dir sagen kann, Kein Kinderspiel ist solch Erkecken; |
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20 | Es mag wohl heißen Angst und Schrecken.«
Gawan die Wunde verband |
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25 | Mit Blut war ihre Spur begoßen, Als ob ein Hirsch da wär geschoßen; Das ließ nicht irr ihn reiten. Er sah in kurzen Zeiten Logrois die stolze Veste: Die lobten alle Gäste. |
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Die Veste schien ein löblich Werk. |
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5 | Der Burg läßt man noch heut die Ehre, Daß Sturm auf sie vergeblich wäre. Ihr bangte nicht vor solcher Noth, Wer immer ihr sein Haßen bot. Den Berg umgab ein Garten, |
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10 | Edler Bäume drin zu warten. Granaten, Feigen, Oel und Wein Und andre Früchte süß und fein Zog man in der Fülle drin; Da Gawan ausritt, kreuzt' er ihn. |
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15 | Da sah er unter sich zumal Seines Herzens Freud und Qual. Ein Brunnen aus dem Felsen schoß: |
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20 | Daß er entzückt vom Anblick war, Aller Frauenschöne Blütenflor. Außer Kondwiramor Sah die Welt so schöne nie. Lauter, klar und süß war sie, |
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25 | Dazu gefüg und kurtois: Orgeluse hieß sie de Logrois. Die Märe sagt, man sah an ihr Reizung sehnender Begier, Augenweide sonder Schmerzen, Einen Spannerv aller Herzen. |
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Gawan grüßte sie mit Neigen. |
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5 | Daß ihr mich gerne bei euch habt, So hat mich Freude reich begabt; Mehr mag kein Mann erwerben. Ich will damit ersterben, Daß mir kein Weib so wohl gefällt.« |
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10 | »Nun weiß ich, wie's mit euch bestellt,« Sprach sie zu ihm und sah ihn an. Ihr süßer Mund darauf begann: »Mit euerm Lobe haltet ein; |
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15 | Ich will nicht, daß ein jeder Mund Mir sein Urtheil mache kund. Wär Jeglichem mein Lob gemein, Die Würde dauchte mich gar klein – Den Weisen wie den Dummen, |
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20 | Den Geraden wie den Krummen: Wo blieb' ihm wohl zu trachten Zeit Nach dem Preis der Würdigkeit? Ich will mein Lob behalten, Daß die Weisen sein nur walten. |
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25 | Herr, ich weiß nicht, wer ihr seid; Doch daß ihr reitet, dünkt mich Zeit. »Mein Urtheil läßt euch drum nicht frei: |
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510 | Was macht' euch Minnelohns gewiss? Mancher seine Augen schmiß, Auf Schleudern möchts gelingen Sie zu sanfterm Wurf zu bringen, |
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5 | Wenn er zu sehn nicht meidet, Was ihm das Herz zerschneidet. Laßt walzen eure tolle Gier Nach andrer Minne denn zu mir. Dient nach Minne eure Hand, |
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10 | Hat euch Aventür gesandt Nach Minnelohn für Ritterthat, Den Lohn ihr nicht von mir empfaht; Ihr mögt wohl Schande hier erjagen, Soll ich euch die Wahrheit sagen.« |
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Da sprach er: »Frau, ihr redet wahr: |
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20 | Nun zeigt mir weiblichen Sinn. Wars gleich nicht euer Wille, Ihr singt mich in der Stille. Nun löset oder bindet, Da ihr mich willig findet, |
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25 | Hätt ich euch, wo ich wollte, Daß ich Alles gern erdulden sollte.« Sie sprach: »So führt mich mit euch hin. |
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511 | Ich wüste gern, ob ihr der seid, Der meinethalb sich wagt in Streit; Thut es nicht, es frommt euch sehr. Wollt ihr meines Raths noch mehr, |
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5 | Und will mir folgen euer Herz, So such es Minne anderwärts. Wenn ihr meine Minne wollt, Entgeht euch Freud und Minnesold. Wollt ihr mich hinnen führen, |
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10 | Wird euch Angst das Herz umschnüren.«
Da sprach mein Herr Gawan: |
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15 | Zu edler Minne Gewinnst Gehört vorher und nachher Dienst.« Sie sprach: »Mir Dienst zu geben Müßt ihr wehrlich leben Und mögt doch Schande wohl erjagen; |
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20 | Mein Dienst bedarf keines Zagen. Nehmt jenen Pfad (es ist kein Weg) Ueber jenen hohen Steg, Zu jenem Baumgarten, Meines Pferdes dort zu warten. |
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25 | Ihr seht und hört da Leute viel, Tanz, Gesang und Saitenspiel, Flöt und Trommel nimmer ruhn. Geht hindurch, was sie auch thun, Zu meinem Pferde, das da steht, Und löst es, daß es mit euch geht.« |
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Gawan von dem Rosse sprang. |
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5 | Es anzuheften mit dem Riemen: Ob ihm die Bitte wohl geziemen Möchte, daß sie es nähme, Bis er mit ihrem käme? »Ich sehe wohl, was euch beschwert,« |
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10 | Sprach sie: »laßt mir hier stehn das Pferd: Ich verwahr es bis ihr wieder kommt, Obgleich der Dienst euch wenig frommt.« Da bot mein Herr Gawan |
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15 | »Nun haltet mir es, Fraue.« »Wie thöricht ich euch schaue!« Sprach sie: »wo eure Hand geruht, Griff' ich dahin, das ziemte gut!« Da sprach der minnegehrende Mann: |
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20 | »Dieß Ende griff ich niemals an.« »So will ich es empfangen. Erfüllt nun mein Verlangen Und holt mir schnell hierher mein Pferd: So reit ich mit, wie ihr begehrt.« |
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25 | Das schien ihm freudiger Gewinn. Eilends ging er von ihr hin Ueber den Steg zur Pforten. Viel Frauen sah er dorten Und der jungen Ritter viel Bei Tanz, Gesang und Saitenspiel. |
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Nun hatte mein Herr Gawan |
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5 | Die des Baumgartens pflagen. Ob sie standen oder lagen, Oder saßen in Gezelten, Da vergaß doch Einer selten, Sein nahes Unheil zu betrauern: |
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10 | Man hört' es Mann und Weib bedauern. Auch sprachen ihr genug: »Unsrer Herrin listger Trug Will diesen Mann verleiten In große Fährlichkeiten: |
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15 | O weh, daß er ihr folgen will Zu so kummervollem Ziel!« Manch ein Edler ihm entgegen ging, |
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20 | Man sah ihn einem Oelbaum nahn Und dem daran gebundnen Pferd. Auch war tausend Mark wohl werth Das Reitzeug samt dem Zaume. Mit breitem Bart am Baume, |
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25 | Wohl geflochtenem und grauen, Mocht er einen Ritter schauen Auf einer Krücke lehnen: Dem entschoßen helle Thränen, Daß Gawan zu dem Pferde ging, Obwohl er freundlich ihn empfing. |
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Er sprach: »Ist guter Rath euch werth, |
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5 | So begebt euch selber sein. Verflucht soll unsre Herrin sein, Daß sie so manchen werthen Mann Um sein Leben bringen kann.« Gawan sprach, er ließ' es nicht. |
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10 | »Weh, so ergeht ein Schreckgericht!« Sprach der graue Ritter werth. Die Halfter löst' er von dem Pferd Und sprach: »Ihr sollt nicht länger stehn: Laßt dieß Pferd denn mit euch gehn. |
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15 | Der das Meer gesalzen hat, Der geb in eurer Noth euch Rath. Seht zu, daß euch nicht höhne Meiner Herrin Schöne: Die ist bei der Süße sauer |
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20 | Wie bei Sonnenschein ein Regenschauer.«
»Nun walt' es Gott,« sprach Gawan |
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25 | Das Ross ging einen schmalen Weg Zum Thor aus über jenen Steg. Seines Herzens Herrin fand Er dort; ihr diente dieses Land. Wie ihr sein Herz entgegenflog, Viel Leid sie doch ihm drin erzog. |
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Unterm Kinne das Band |
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5 | Die hat Schalkheit im Sinne Und denkt nur, wie sie Streit beginne. Wie sie sonst gekleidet war? Macht' ich das euch offenbar, Und nennte jedes Kleidungsstück – |
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10 | Das erläßt mir wohl ihr lichter Blick.
Da Gawan zu der Frauen ging, |
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15 | Da ihr durchaus mir dienen wolltet: Ihr miedets gern, wenn ihr nicht tolltet!« Er sprach: »Wie hart ihr euch geberdet, Ich weiß, daß ihrs ersetzen werdet. Es ehrt euch, einst dieß Schelten |
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20 | Mit Güte zu vergelten. So lange dien euch meine Hand, Bis ihrs zu lohnen Muth gewannt. Wollt ihr, ich heb euch aus das Pferd.« Sie sprach: »Das hab ich nicht begehrt: |
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25 | Eure unbewährte Hand Greife nach geringerm Pfand.« Sie wandte sich, ergriff den Zügel, Aus den Blumen sprang sie in die Bügel. Sie bat ihn: »Reitet vor im Trab: Es wäre Schade, käm ich ab |
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516 | Von so würdigem Gesellen,« Sprach sie: »Gott mög euch fällen.« Wer meinem Rathe folgen will, |
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5 | Daß er sich nicht verspreche, Bis er weiß, was sie verbreche, Und bis er wahrhaft hat erkannt, Wie es um ihr Herz bewandt. Rache nehmen könnt auch ich |
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10 | An der Frauen minniglich Für Alles, was sie an Gawan In ihrem Zorn hat missgethan, Oder was sie künftig noch verbricht; Ungerochen laß ichs nicht. |
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15 |
Da gehabte ungeselliglich |
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20 | Wenig Trost mir würd erhoffen. Von dannen ritten beide Alsbald auf lichte Haide. Gawan nahm eines Krautes wahr, Des Wurzel Wunden heilsam war. |
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25 | Eilends von seinem Pferde Schwang er sich zur Erde: Er grub sie, stieg dann wieder auf. Sie ließ dem Spotte freien Lauf Und sprach: »Kann der Geselle mein Arzt zugleich und Ritter sein, |
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517 | Er mag sich Nahrung wohl erjagen, Versteht er, Büchsen feil zu tragen.« Da sprach zu ihr Gawanens Mund: »Einen Ritter fand ich wund |
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5 | Unter einer Linde. Wenn ich ihn wieder finde, Soll ihn die Wurzel heilen, Sein Uebel all zertheilen.« Sie sprach: »Das seh ich gerne: |
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10 | Vielleicht, daß ichs erlerne.«
Ein Knapp ritt hinter ihnen her; |
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15 | Nicht ganz geheuer schien er ihm. Malkreatür hieß das Ungethüm, Dieser Knappe, der fiere. Kondrie la Sorziere War sein schönes Schwesterlein. |
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20 | Ihr Ebenbild auch wird er sein, Wär er nicht männlichen Geschlechts. Hauzähne trug er links und rechts, Wie der Eber hat, der wilde, Ungleich einem Menschenbilde. |
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25 | Auch war das Haar ihm minder lang – Das Kondrien auf das Maulthier sank – Gleich Igelsborsten, scharf wie Glas. Bei dem Waßer Gangas, Zu Tribalibot im Land der Inden Sind solcher Leute mehr zu finden. |
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Unser Vater Adam, |
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5 | Auch kannt er eines Jeden Art, Dazu der Himmelssterne Fahrt, Der Planeten all, der sieben, Und welchen Einfluß sie üben, Und wuste aller Wurzeln Kraft |
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10 | Und einer jeden Eigenschaft. Da seine Kinder zu den Jahren Kamen, daß sie selbst gebaren Und erzeugten Menschenfrucht, Vor Unmaß warnt' er sie mit Zucht. |
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15 | Wenn seiner Töchter Eine trug, Die ermahnt' er oft genug: Den Rath er selten unterließ, Daß er sie Kräuter meiden hieß, Die Menschenfrucht verkehrten |
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20 | (Einst sein Geschlecht entehrten): »Anders denn uns Gott ersonnen, Da er mich zu bilden hat begonnen,« Sprach er: »Darum, liebes Kind, Sei zum eignen Heil nicht blind.« |
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25 |
Die Frauen waren Frauen halt: |
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519 | Doch rein verblieb sein Wille. Die Köngin Sekundille, Die Feirefiss mit Rittershand Erwarb, ihr Herz und auch ihr Land, |
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5 | Die hatt in ihrem Königreich, Die lautre Wahrheit meld ich euch, Der Leute viel seit alten Tagen, Die so entstellt das Antlitz tragen Von manchem fremden Muttermal. |
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10 | Da sagte man ihr von dem Gral In Anfortas Königreiche, Daß sich seinem Reichthum nichts vergleiche. Das schien ihr wunderbar genug. Mancher Strom in ihrem Lande trug |
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15 | Statt Sand und Kiesel edle Steine. Gebirge hatte sie, nicht kleine, Von lauterm Goldgesteine darin. Da sprach die edle Königin: »Wie gewinn ich Kunde von dem Mann, |
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20 | Dem der Gral ist unterthan?« Geschenke schickte sie alsbald, Zwei Menschen seltsam von Gestalt, Kondrien und ihren Bruder, hin. Noch mehr sandt ihm die Königin, |
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25 | Das Niemand wüste zu vergelten; Zu Kaufe findet man es selten. Dann sandte Anfortas der gute, Der immer war von mildem Muthe, Orgelusen de Logrois Diesen Knappen kurtois; |
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520 | Weiblicher Gelüste Mal Schied ihn aus der Menschheit Zahl. Der Wurzeln und der Sterne Sohn |
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5 | Der sein geharrt mit holden Sitten. Malkreatüre kam geritten Auf einer Mähre schwach und krank, An allen Vieren lahm von Gang Sie strauchelt' oft zur Erde, |
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10 | So daß auf beßerm Pferde Selber Frau Jeschute ritt, Da ihr Parzival erstritt Von Orilus die alte Huld, Die sie verloren sonder Schuld. |
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15 |
Der Knappe blickte Gawan an, |
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20 | Daß ihr meine Herrin führt hindann. Ihr werdet unterwiesen, Daß euch die Leute priesen, Führet ihr dabei nicht schlecht. Doch seid ihr ein gemeiner Knecht, |
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25 | Klopft man euch so den Rücken aus, Daß ihr gerne miedet solchen Strauß.« Gawan sprach: »Wohl nie empfand |
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521 | Mir erläßt man solche Pein. Wollt ihr vor der Herrin mein Mit schnöden Worten mir begegnen, So soll euch Antwort niederregnen, |
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5 | Die euch wohl für Zürnen gilt. Wie scheusslich ihr auch seid und wild, Mir zu dräuen mögt ihr sparen.« Da griff ihn bei den Haaren Gawan und schwang ihn unters Ross. |
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10 | Der Knappe, den sein Fall verdroß, Warf Blicke grimm und fürchterlich. Seine Igelborsten rächten sich Und verschnitten Gawan so die Hand, Daß er sie blutigroth befand. |
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15 | Ihn verlachte drum die Fraue: Sie sprach: »Wie gern ichs schaue, Thut ihr zwei euch alle Schmach!« Sie ritten fort; das Pferd lief nach. Sie kamen hin, wo er den wunden |
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20 | Ritter kurz zuvor gefunden. Getreulich auf die Wunde band Ihm die Wurzel Gawans Hand. Der Wunde sprach: »Wie ging es dir, Seit du geschieden bist von mir? |
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25 | Die Frau ist, die du mitgebracht, Auf deinen Schaden nur bedacht: Durch ihre Schuld ist mir so weh. In aive étroite malvoiée Half sie mir zu starken Tjosten, Die mich Blut und Leben kosten. |
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522 | Behältst du Leben gern und Leib, So laß dieß trügerische Weib Und wende dich hinweg von ihr. Ein warnend Beispiel schau an mir. |
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5 | Doch nähms noch gutes Ende, Wenn ich wo Ruhe fände: Hilf mir dazu, getreuer Mann.« Da sprach mein Herr Gawan: »Gern helf ich dir, nach deiner Wahl.« |
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10 | »In der Nähe steht ein Hospital,« Fuhr der wunde Ritter fort: »Wär ich in wenig Stunden dort, Da fänd ich Ruhe lange Zeit. Meiner Freundin Ross steht dort bereit, |
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15 | Das uns beiden wohl den Rücken lieh': Heb sie drauf, mich hinter sie.« Da band der wohlgeborne Gast |
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20 | Der Wunde rief: »Hinweg von mir! Ihr tretet mich, o Ungemach!« Er zogs ihr fern: die Frau ging nach Sanft und mit gemeßnem Schritt; Sie war im Einverständnis mit. |
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25 | Gawan auf das Pferd sie schwang, Derweil der wunde Ritter sprang Auf Gawanens Kastilian: Wohl dünkt mich, das war missgethan. So ritt er mit der Frauen hin: Das war ein sündlicher Gewinn. |
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Darüber klagte Gawan sehr; |
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5 | Ihr süßer Mund versetzte da: »Als ich euch zuerst ersah, Schient ihr vom Ritterorden; Dann seid ihr Arzt geworden, Und ein Fußknecht gar zuletzt. |
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10 | Doch nicht verzweifeln dürft ihr jetzt: Ihr habt der Künste so viel inne. Gelüstet euch noch meiner Minne?« »Ja, Herrin,« sprach Herr Gawan: |
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15 | Nichts Liebres wüst' ich auf der Welt. Sei Einer noch so hoch gestellt, Er möge Kron und Scepter tragen, Der Erde höchstes Glück erjagen, Böt er mir das für den Gewinn: |
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20 | So räth mir meines Herzens Sinn, Daß ich ihm Alles laßen wollte, Wenn mir eure Minne blühen sollte. Kann ich sie nicht erwerben, So muß ein bittres Sterben |
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25 | Sich bald an mir erzeigen. Ihr verwüstet euer Eigen: Bin ich gleich ein freier Mann, Für euer Eigen seht mich an: Das ist eur wohlerworben Recht. Nennt mich Ritter oder Knecht, |
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524 | Garzon oder Vilan. Es ist fürwahr nicht wohlgethan, Verschmäht ihr meinen Dienst mit Spott: Ihr versündigt euch vor Gott. |
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5 | Käme mir mein Dienst zu gut, Ihr ließet spöttischen Muth. Gesetzt, er thäte mir nicht leid, Er schmäht doch eure Würdigkeit.« Nun ritt zurück der wunde Mann |
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10 | Und sprach: »Bist dus, Gawan? Was ich dir noch schuldig war, Das ist dir nun vergolten gar: Da deine mannliche Kraft Mich fing in harter Ritterschaft |
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15 | Und mich gefangen brachte heim Zu Artus, deinem Oheim: Vier Wochen, noch ists unvergeßen, Must ich da mit den Hunden eßen.« »Du bist es,« sprach er, »Urjan? |
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20 | Jetzt wünschest du mir Schaden an, Den trüg ich sonder alle Schuld: Ich erwarb dir noch des Königs Huld. Dein schnöder Sinn dich so berieth, Daß man von Schildesamt dich schied; |
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25 | Man nahm dir das gemeine Recht, Weil du eine Magd geschwächt Friedbrüchig durch verruchten Zwang. König Artus mit dem Strang Hätt es sicherlich gerochen, Hätt ich nicht für dich gesprochen.« |
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»Was dort geschah, du stehst nun hier. |
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5 | Dem folg ich, weil ich kluggesinnt. Es schickt sich beßer, weint ein Kind Als ein vollbärtger Mann. Dieß Ross behalt ich, weil ich kann. Spornstreichs ritt er so von hinnen; |
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10 | Leid war Gawanen sein Beginnen.
»Herrin, dieß war der Verlauf: |
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15 | Da ward als Botin seinem Land Eine Jungfrau zugesandt. Auf Abenteuer kam da auch Hergeritten dieser Gauch: Er war hier fremd und sie nicht minder. |
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20 | Da rieth sein wüster Sinn dem Sünder, Daß er mit der Jungfrau rang Und sie zu seinem Willen zwang. Am Hof vernahm man das Geschrei: Laut rief der König: heiahei! |
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25 | Es war geschehn vor einem Wald; Wir eilten Alle hin alsbald. Der ich voraus den Andern fuhr, Ich fand des Missethäters Spur: Gefangen führt' ich alsdann Vor den König diesen Mann. |
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»Mit uns geritten kam die Maid. |
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5 | Das unbefleckte Magdtum. Auch erwarb er kleinen Ruhm: Denn wehrlos ist der Frauen Hand. Zum Zorne war mein Herr entbrannt, Artus der getreue Mann: |
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10 | »Die ganze Welt,« so hub er an, »Muß die verruchte That beklagen. Weh, daß der Tag je muste tagen, Bei dessen Licht sie ward vollführt; Weh, daß das Urtheil mir gebührt, |
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15 | Und daß ich heute Richter bin.« Er sprach zur Jungfrau: »Habt ihr Sinn, So nehmt Fürsprechen an und klagt.« Das war der Jungfrau leicht gesagt, Sie that wie ihr gerathen war; |
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20 | Da stand der Ritter große Schar. |