Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        Der Landgraf sprach ihm ins Gewißen:
10   »Herr, es geschah mit euerm Wißen,
Daß ich dem Herren Gawan
Auf des Plimizöls Plan
Frieden gab in euer Land.
Hatt ich doch euer Wort zu Pfand:
15   Trüg ihn her sein kühner Muth,
So stünden wir dafür ihm gut,
Nur Einer sollt ihn hier bestehn.
Herr, das ließt ihr nicht geschehn.
Meine Genoßen mögen das bedenken,
20   Ob ihr so uns dürfet kränken.
Wißt ihr der Fürsten nicht zu schonen,
So achten wir nicht mehr der Kronen.
Soll man euch ehrlich nennen,
Ehrlich müßt ihr bekennen,
25   Daß ich euer Vetter sei.
War ein Kebsschlich dabei
Meinerseits, war das erwiesen,
Ihr hättet mich schon längst verwiesen.
Ich bin ein Ritter, hoff ich doch,
An dem man niemals Tadel noch
416   Fand, und will's erwerben,
Des ledig auch zu sterben
Zu Gott hab ich die Zuversicht,
Er verhängt mir Solches nicht.
5   Doch von wem die Märe wird vernommen,
Artusens Neffe sei gekommen
In meinem Schutz gen Schamfanzon –
Sei's Franzose, sei's Breton,
Provenzale, Burgondois,
10   Galizier oder Punturtois,
Hören die von Gawans Noth,
Hab ich Preis, der ist dann todt.
Mir macht sein ängstlicher Streit
Schmal das Lob, den Tadel breit.
15   Es nimmt mir alle Freude hin
Und giebt mir Schande zum Gewinn.«

Als diese Rede geschah,
Stand ein Mann des Königs da,
Der Liddamus den Namen trug;416, 20. In diesen Worten sieht Lachmann (XX) eine Anspielung auf Chrestiens Gewohnheit, die Personen der Fabel nicht mit Namen zu nennen. Uebrigens ist der Name Liddamus, der an Lygdamus bei Tibull erinnert, befremdend genug.

20   So nennt ihn Kiot oft genug.
Kiot le Chanteur, dem war
Wohl die Kunst offenbar
So zu singen und zu sprechen,
Daß nie der Dank ihm darf gebrechen.
25   Kiot ist ein Provenzal,
Der die Mär von Parzival
Fand in arabischem Buch.
Wie ers französisch übertrug,
So wirds, wenn mir der Sinn nicht fehlt,
Von mir im Deutschen nacherzählt.

417  

Fürst Liddamus brach zornig aus:
»Was soll in meines Herren Haus
Der seinen Vater erschlug
Und ihm so nah die Schande trug?

5   Hält mein Herr auf seinen Werth,
Er muß es richten mit dem Schwert.
So vergilt Ein Tod den andern Tod:
Gleich sei hier wie dort die Noth.«

Nun seht wie dort Herr Gawan stand:

10   Da ward ihm Sorge erst bekannt.

Da sprach Kingrimursel:
»Wer sich im Drohen zeigt so schnell,
Der sollt auch eilen in den Streit.
Der Raum sei eng oder weit,

15   Man erwehrt sich euer leicht.
Herr Liddamus, vor euch vielleicht
Wär noch zu retten dieser Mann:
Hätt er euch noch so viel gethan,
Ihr ließets ungerochen.
20   Ihr habt hier zu viel gesprochen;
Man würd euch eher glauben,
Daß euch Niemands Augen
Noch zuvorderst sahn im Streit.
Stäts war euch Kampf ein Herzeleid,
25   Ihr bliebt gern weit davon entfernt.
Ihr habt auch wohl noch mehr gelernt:
Wo ihr Kampf saht beginnen,
Floht ihr wie ein Weib von hinnen.
Ein Fürst, der euerm Rathe glaubt,
Dem steht die Krone schief zu Haupt.

418  

»Wohl hätt ich ohne Schanden
Im Kreiße bestanden
Gawan den Degen unverzagt:
Das hatten wir uns zugesagt.

5   Auch hätten wir den Kampf gefochten,
Wenn wir vor dem Könge mochten.
Dem zürn ich nun, ich sag es laut;
Ich hätt ihm Beßres zugetraut.
Gelobt, Herr Gawan, mir fürwahr,
10   Daß ihr von heut nach einem Jahr
Mir im Kampf wollt Rede stehn,
Falls es nämlich kann geschehn,
Daß mein Herr euch läßt das Leben:
So wird euch Kampf von mir gegeben.
15   Ich sprach euch an am Plimizöl;
Nun sei der Kampf zu Barbigöl
Vor Meljanz dem König hehr.
Der Sorgen ein ganzes Heer
Trag ich bis zu jenem Tag,
20   Da ich mit euch fechten mag:
Da wird mir Angst und Noth bekannt
Durch eure wehrliche Hand.«

Da gab Gawan der Degen werth,
Wie der Landgraf begehrt,

25   Sein Wort und seine Sicherheit.
Zu neuer Red indes bereit
War der Herzog Liddamus.
Er hatt in seiner Rede Fluß
Die Worte wohl verflochten,
Wie alle hören mochten.

419  

Er sprach, es war ihm Sprechens Zeit:
»Komm ich je zu einem Streit,
Ob ich Fechtens mich befleiße
Oder schmählich ausreiße,

5   Ob ich verzagt da zage,
Ob Preis und Ruhm erjage,
Herr Landgraf, ohne Schonen
Laßt nach Verdienst mich lohnen.
Versagt ihr mir dann euern Sold,
10   So bin ich mir doch selber hold.«

So sprach der reiche Liddamus:
»Wollt ihr sein Herr Turnus,
Wohlan, so will ich Tranzes werden:419, 12. 13. Anspielung auf Heinrich von Veldecks Eneit (8473–8683), wo Turnus den Tranzes wegen seiner Feigheit schilt, die dieser eingesteht.
Straft mich, habt ihr erst Beschwerden

15   Und überhebt euch nicht dergleichen.
Wenn ihr der Fürsten meinesgleichen
Der Höchste wärt, was nicht sein wird –
Ich bin auch Fürst und Landeswirth.
Ich habe in Galizia
20   Manche Burg fern und nah
Bis hinaus nach Vedron.
Was ihr und jeder Breton
Mir da zu Schaden möchtet thun,
Da flöh doch nie vor euch ein Huhn.

25  

»Von den Britten ist hieher gekommen,
Gegen den ihr Kampf habt übernommen:
So rächt den Blutsfreund und den Herrn;
Mir aber bleibt mit Kämpfen fern.
Euerm Ohm (ihr wart sein Mann),
Der dem das Leben abgewann,

420   Rächt es an dem; ich that ihm nichts,
Und wenn mir recht ist, Niemand sprichts.
Euern Oheim brauch ich nicht zu klagen:
Sein Sohn soll jetzt die Krone tragen,
5   Der ist zum Herrn mir hoch genug.
Die Köngin Fleurdamur ihn trug;
Sein Vater war Kingrisein,
Sein Ahne König Gandein.
Auch kam es hier nicht in Vergeß,
10   Daß Gachmuret und Galoes
Ihm Oheime waren.
Vor Lug will ich mich wahren:
Ich darf mit Ehren wohl mein Land
Zu Lehn empfahn von seiner Hand.

15  

»Wen zu fechten lüstet, thu er das.
Bin ich selbst zum Streite laß,
Doch ist mir unverhohlen:
Wer im Kampfe Preis kann holen,
Dem dankt es manches stolze Weib.

20   Ich will um Niemand meinen Leib
Verleiten in zu scharfe Pein.
Was sollt ich solch ein Wolfhart sein?
Mir ist zum Kampf der Weg versperrt,
Die Kampfgier hat mich nie genärrt.
25   Würdet ihr mir nimmer hold,
Ich folgte eher Rumold,
Der dem König Gunther rieth,
Da er von Worms gen Heunland schied:420, 22–28. Die hier sich häufenden Anspielungen auf die deutsche Heldensage sollte ich, soweit sie sich auf die Nibelungen beziehen, nicht zu erklären brauchen. Die unersättliche Streitlust Wolfharts, die aus andern Gedichten dieses Sagenkreises bekannter ist, spiegelt sich auch in den Nibelungen, wo er 2230–40 sterbend nicht beklagt sein will, weil er von Königshänden niedergeschlagen seinen Tod wohl vergolten habe. Rumold, der auch in den Nibelungen gegen den Zug nach dem Hunnenlande stimmt, und sich dabei echt küchenmeisterisch ausdrückt, spricht in den uns erhaltenen Strophen nicht gerade vom Schnittenbähen, obwohl die Wallersteiner Handschrift (a) diesem näher tritt; wäre es eine scherzhafte Uebertreibung Wolframs, so läge ihr doch keine Feindseligkeit, eher Wohlgefallen an unserm Heldenliede zu Grunde. Die Erwähnung Sibichs und Ermenrichs läßt sich aus den Nibelungen nicht erklären, da beide in einen diesem Gedicht fremden Theil des deutschen Heldengesangs gehören. Ermenrich ist der Oheim Dietrichs von Bern und wird als Kaiser von Rom gedacht; sein Rathgeber Sibich, der eine persönliche Beleidigung an dem Kaiser zu rächen, ihm zum Verderben seines ganzen Geschlechtes räth, wird eben so feige als treulos dargestellt.
Lange Schnitten bat er ihn zu bähn,
Im Keßel fleißig umzudrehn.«

421  

Da sprach der Landgraf muthesreich:
»Euer alten Sitte thut ihr gleich,
Die wir Alle fürwahr
An euch gewohnt sind manches Jahr.

5   Ihr rathet mir zum Streit, und doch
Thut ihr, wie da rieth ein Koch
Den kühnen Nibelungen,
Da sie zogen unbezwungen
Hin, wo an ihnen ward gerochen,
10   Was sie an Siegfried einst verbrochen.
Herr Gawan gebe mir den Tod
Oder fühle meiner Rache Noth.«

»Da thut ihr recht,« sprach Liddamus.
»Doch was sein Oheim Artus

15   Besitzt und die von India,
Was man da je von Schätzen sah –
Wer mir das all zu eigen brächte,
Ich laß es ihm, eh daß ich fechte.
Nun behaltet euern Ruhm und Preis:
20   Segramors bin ich nicht, Gott weiß,
Den man um Fechtgier binden muß;
Ich erwerbe doch der Könge Gruß.
Sibich hat nie ein Schwert gezogen:
Er war stäts bei denen, die da flohen.
25   Dennoch muste man ihn flehn:
Großer Gab und starker Lehn
Schenkt' ihm Ermenrich genug,
Ob er nie ein Schwert durch Helme schlug.
Für euch, Herr Kingrimursel, schaut
Ihr keine Schramm auf meiner Haut:
422   So bin ich gegen euch gesinnt.«
König Vergulacht beginnt:
»Schweiget eurer Wechselreden.
Unbescheiden find ich euch Jedweden,
5   Daß ihr mit Worten seid so frei.
Allzunah bin ich dabei
Zu sothanem Wortgefecht:
Es steht so euch als mir nicht recht.«

Das geschah auf dem Saal,

10   Wo seine Schwester war zumal;
Neben ihr stand Herr Gawan
Und manch andrer werthe Mann.
Der König sprach zur Schwester sein:
»Nun nimm den Gesellen dein
15   Und den Landgrafen auch mit dir.
Die mir Gutes gönnen, folgen mir,
Daß sie mir rathen, was ich thu.«
»Deine Treue,« sprach sie, »nimm dazu.«

Da ging der König Raths zu pflegen.

20   Die Königstochter nahm dagegen
Ihres Oheims Sohn und ihren Gast;
Das dritte war der Sorgen Last.
Wie es ihr gar trefflich stand,
Nahm sie Gawanen bei der Hand
25   Und führt' ihn in ein nah Gemach.
»Wärt ihr nicht heil,« die Schöne sprach,
»Alle Lande hätten Ungewinn.«
An der Hand der Königin
Ging da König Lotens Sohn.
Ohne Schande durft ers schon.

423  

Zu der Kemenaten ein
Trat die Köngin mit den Zwein;
Von den andern blieb sie leer:
Dafür sorgten Kämmerer;

5   Nur der klaren Mägdelein
Durften viel bei ihnen sein.
Die Königin in Ehren pflag
Gawans, der ihr am Herzen lag.
Zugegen war der Landgraf auch;
10   Der schied sie nicht von solchem Brauch.
Viel Sorge trug die werthe Magd
Für Gawan, wurde mir gesagt.

So mochten nun die Beiden
Bei der Königin verbleiben,

15   Bis der Tag ließ seinen Streit;
Die Nacht kam: da war Eßenszeit.
Moraß, Wein, Lautertrank
Brachten Jungfraun um die Mitte schwank
Und Speise zu dem Tische:
20   Fasan, Rebhühner, Fische
Und manchen Kuchen blank und hell.
Gawan und Kingrimursel
Waren ledig großer Noth.
Da es die Königin gebot,
25   Aß Jeder, was er sollte
Und was er eßen wollte.
Vergebens wehrten die Degen
Antikonien vorzulegen.
Soviel man kniender Schenken fand,
Keinem brach der Hosen Band:
424   Mägdlein warens, in den Jahren,
Wo sie die Reize frisch bewahren.
Darob bin ich unerschrocken,
Trugen sie gekraust die Locken
5   Wie der Falke sein Gefieder:
Ich streite nicht dawider.

Nun hört, bevor der Rath sich schied,
Was man dem Herrn des Landes rieth.
Ihm war manch weiser Mann gekommen,

10   Den hatt er in den Rath genommen.
Ein Jeder sprach, wie ihn gedäuchte,
Daß ihn sein bester Sinn erleuchte.
Da erwogen sie es hin und her;
Ums Wort auch bat der König hehr.

15  

Er sprach: »Jüngst ward mit mir gestritten.
Ich kam um Aventür geritten
In den Wald Lächtamreis.
Ein Ritter, der zu hohen Preis
Wohl an mir sah in dieser Wochen,

20   Flüglings hatt er mich gestochen
Hinters Ross ohn alle Wahl.
Da zwang er mich, daß ich den Gral
Ihm gelobte zu erwerben.
Wollt ich nicht ersterben,
25   So must ich leisten Sicherheit,
Wie er mich zwang im Ritterstreit.
Nun rathet: denn es ist mir Noth.
Mein bester Schild war für den Tod,
Daß ich zum Schwure hob die Hand,
Wie ichs frei euch eingestand.

425  

»Er ist durch Kraft und Mannheit hehr.
Noch gebot der Held mir mehr:
Daß ich sonder arge List
Innerhalb Jahresfrist,

5   Wenn ich den Gral nicht hätt erworben,
Zu ihr käm, der angestorben
Die Krone sei zu Pelrapär
Von ihrem Vater Tampentär.
Hätt ich zu der mein Aug erhoben,
10   Ich sollt ihr Sicherheit geloben.
Er entbot ihr, dächte sie an ihn.
Das gab ihm freudigen Gewinn:
Er sei's, der sie befreit hab eh
Von dem König Klamide.«

15  

Als diese Rede kam zum Schluß,
Wieder sprach da Liddamus:
»Erlauben mir die Herrn ein Wort;
Die Reihe kommt an sie sofort.
Was ihr gelobt habt jenem Mann,

20   Das mag erfüllen Herr Gawan,
Der's Gefieder schlägt aus euerm Kloben:
Vor uns allen mög er hier geloben,
Daß er euch den Gral gewinne.
So laßt mit guter Minne
25   Ihn denn von hinnen reiten,
Den Gral euch zu erstreiten.
Wir müsten All die Schmach beklagen,
Würd er in euerm Haus erschlagen.
Nun vergebt ihm seine Schuld
Und behaltet eurer Schwester Huld.
426   Er erlitt hier große Noth
Und muß nun reiten in den Tod.
So weit die Erd umwogt das Meer,
Stand nie ein Haus so wohl zur Wehr
5   Als Monsalväsch; nicht eben breit
Führt hin ein rauher Pfad durch Streit.
Laßt ihn schlafen diese Nacht;
Sagt ihm Morgen was wir hier erdacht.«
Beifall ward dem Rath gegeben.
10   So behielt Herr Gawan hier das Leben.

Man pflag des kühnen Helden
Die Nacht so, hört ich melden,
Daß er ruhte wohlgeborgen.
Als andern Tags um mitten Morgen

15   Aus der Messe kam die Menge,
War im Saale groß Gedränge
Von Pöbel und von werther Schar.
Der König, wies beschloßen war,
Ließ Gawanen vor sich bringen.
20   Er wollt ihn zu nichts Anderm zwingen,
Als man schon vernommen hat.
Nun seht, wie dort sich mit ihm naht
Antikonie die schöne Maid;
Ihres Oheims Sohn gab ihr Geleit
25   Und Mancher aus des Königs Bann.
Die Köngin führte Gawan
Vor den König an der Hand;
Ein Blumenkranz ihr Haupt umwand.
Den Blumen nahm den Preis ihr Mund:
In dem Kränzlein keine stund,
427   Die so glühend war und roth.
Wem den Kuss sie gütlich bot,
Der mochte wohl den Wald verschwenden
Mit Lanzenbrechen sonder Enden.

5  

Nun folgt mir, wenn ich grüße
Mit Lob die reine, süße
Antikonie,
Die von Falschheit wuste nie:
Denn sie lebt' in solcher Weise,

10   Nie ward ihrem Preise
Ein zweifelnd Wort verwoben.
Die sie hörten loben,
Jeder Mund erwünscht' ihr froh,
Daß ihren Preis immer so
15   Verschone Tadels trübe Lauge.
Weitreichend wie ein Falkenauge
War des Balsams lichter Schein an ihr.
Dieß rieth ihr würdige Begier:
Die süße wonnigliche Maid
20   Sprach mit Wohlgezogenheit:

»Hier bring ich, Bruder, dir den Degen,
Den du mir selbst befahlst zu pflegen:
Laß ihms zu Gute kommen;
Gewiss, es wird dir frommen.

25   Treue steht dir beßer an
Als den Haß der Welt empfahn
Und meinen, könnt ich haßen,
Den lehr mich, zu dir laßen.«

428  

Da sprach der werthe junge Mann:
»Das thu ich, Schwester, wenn ich kann;
Dazu gieb selber deinen Rath.
Dich dünkt, ich habe Missethat

5   Meiner Würdigkeit verwoben,
All mein Preis sei zerstoben:
Wie taugt' ich dann zum Bruder dir?
Und dienten alle Kronen mir,
Die gäb ich hin auf dein Gebot:
10   Dein Haß wär meine höchste Noth.
Ich verschmähe Freud und Ehre,
Wird sie mir nicht nach deiner Lehre.
Herr Gawan, laßt euch bitten:
Ihr kamt um Preis geritten:
15   So thut es um des Preises Huld
Und helft mir, daß um meine Schuld
Schwinde meiner Schwester Groll.
Eh ich sie verlieren soll,
Verzeih ich euch mein Herzeleid,
20   Wollt ihr mir geben Sicherheit,
Daß ihr mir treulich werbt sogleich
Um des Grales Königreich.«

So ward der Zwist geendet,
Gawan hinaus gesendet,

25   Daß er mit des Schwertes Blitz
Werbe nach des Grals Besitz.
Auch verzieh der Landgraf jetzt
Dem König, der ihn schwer verletzt,
Daß sein Geleit er nicht geehrt:
Das geschah vor all den Fürsten werth.

429  

Die Waffen waren aufgehangen.
Da kamen auch daher gegangen
Gawans Knappen, ihm ein lieber Fund:
Im Streite ward ihm keiner wund.

5   Ein gewaltger Mann der Stadt,
Der ihnen Frieden erbat,
Fing sie, um sie zu schonen:
Die Franzosen und Bretonen,
Oder aus welchem Land sie sind,
10   Ob starker Knapp, ob kleines Kind,
Die wurden frei zurückgesandt
Gawan dem Degen auserkannt.
Als ihn die Kinde wiedersahn,
Geschah groß Küssen und Umfahn:
15   Wie sie sich weinend an ihn hingen!
Doch mit Thränen, die der Freud entspringen.

Da war bei ihm von Kornewal
Komte Laiz Fils Tinal.
Dann war ein edel Kind dabei,

20   Dük Gandilus, Fils Gurzgrei,
Der um Schoi de la Kour erstarb,
Wo manche Frau noch Leid erwarb.
Liaße war des Kindes Base.
Ihm waren Augen, Mund und Nase
25   Recht aus der Minne Kern geschnitten;
Bei aller Welt wars wohlgelitten.
Dazu sechs andre Kindelein.
Diese acht Jungherren fein,
Alle von edler hoher Art,
Hatte Geburt schon wohlbewahrt.
430   Sie waren ihm als Neffen hold
Und dienten ihm um seinen Sold:
Was er zu Lohn gab? Würdigkeit
Und gute Pflege jederzeit.

5  

Gawan sprach zu den Kindelein:
»Wohl euch, süße Neffen mein:
Mich dünkt, ihr würdet mich beklagen,
Hätten sie mich hier erschlagen.«
Zutrauen mocht ers ihnen wohl:

10   Sie waren so noch Jammers voll.
Er sprach: »Ich hatt um euch viel Leid:
Wo wart ihr, da mir kam der Streit?«
Sie sagtens ihm, und Keiner log.
»Ein junger Sperber entflog,
15   Da ihr saßet bei der Königin;
Da liefen wir und jagten ihn.«

Die da stunden, saßen
Und zu spähen nicht vergaßen,
Die sahen wohl, Herr Gawan

20   War ein tapfrer, höfscher Mann.
Der König ihm gewährte,
Da er Urlaub begehrte,
Dazu das Volk allgemein,
Bis auf den Landgraf allein.
25   Die Beiden nahm die Königin
Und Gawans Junker mit sich hin.
Sie führten sie, wo von Jungfrauen
Sie gute Pflege sollten schauen:
Mit Zucht nahm ihrer dienend wahr
Manche Jungfrau schön und klar.

431  

Als sich vom Mal erhob Gawan
(Wie Kiot mir bezeugen kann),
Aus herzlicher Treue
Erwuchs groß Leid aufs Neue.

5   Der Held begann zur Königin:
»Frau, behalt ich klugen Sinn,
Und schenkt mir Gott das Leben,
Muß ich dienstlich Bestreben
Und ritterlich Gemüthe
10   Eurer weiblichen Güte
Zu Diensten immer kehren.
Ihr hört des Heiles Lehren,
Aller Falschheit habt ihr obgesiegt,
Euer Preis all andre überwiegt:
15   So muß das Glück euch Heil gewähren.
Urlaub laßt mich, Frau, begehren:
Den gebet mir und laßt mich fahren;
Eure Zucht mög euern Preis bewahren.«

Sein Scheiden schuf ihr Herzenspein.

20   In ihr Weinen stimmten ein
Viel schöner Jungfrauen klar.
Die Königin sprach offenbar:
»Hätt ich mehr euch mögen frommen,
So wär mir Freude nicht benommen;
25   Doch blüht euch hier kein beßrer Frieden.
Glaubt mir. wird euch Pein beschieden,
Oder bringt euch Ritterschaft
In sorgenvollen Kummers Haft,
So wißet, mein Herr Gawan,
Mein Herz hat immer Theil daran,
432   Am Verlust wie am Gewinn.«
Die viel edle Königin
Küsste da Gawanens Mund.
Der ward an allen Freuden wund,
5   Daß er schon muste scheiden.
Leid war es sicher Beiden.

Die Knappen hattens wohl bedacht,
Seine Pferd' ihm vor den Saal gebracht,
Daß er auf dem Hof sie finde,

10   Wo Schatten gab die Linde.
Auch war dem Landgraf gekommen
Sein Gefolge (so hab ich vernommen):
Da ritt er mit ihm vor die Stadt.
Gawan ihn draußen freundlich bat,
15   Daß er sich bemühe
Und mit seinen Leuten ziehe
Gen Beaurosch: »Scherules ist dort:
Sie bitten ihn, daß er sie fort
Geleite gen Dianasdron.
20   Da wohnt mancher Breton:
Der bringt sie wohl dem König hehr
Oder der Königin Ginover.«
Das versprach Kingrimursel:
Urlaub nahm der Degen schnell.
25   Gringuljet nach kurzer Zeit
Stand wie sein Herr im Eisenkleid.
Seine Neffen, die Kindelein,
Küsst' er und die Knappen sein.
Nach dem Grale, wie sein Eid gebot,
Ritt er allein zu großer Noth.

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