Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        200   Nach seiner großen Arbeit
War wenig Labung bereit.
Ihm war so hold die Bürgerschaft,
Sie schwor ihm Treu aus Herzenskraft,
5   Er müß ihr Herr und König sein.
Die Köngin willigte darein
Ihn zum Amis zu haben,
Da er so hohe Gaben
An Kingron bewiesen.
10   Zwei braune Segel fließen
Sah man von der Mauer Thurm.
Die verschlug in ihren Hafen Sturm.
Um der Kiele Ladung stand es so,
Daß all die Bürger wurden froh:
15   Sie führten nichts als Speise;
So fügt' es Gott der weise.

Sie stoben von den Zinnen
Die Beute zu gewinnen
Den Kielen zu, ein hungrig Heer.

20   Am Fleische trugen sie nicht schwer:
Wie die Läuber mochten fliegen,
Die magern, und sich biegen,
Nicht bauchsatt strotzend bis zum Kinn.
Der Marschall der Königin
25   Ließ den Schiffen Frieden geben:
Er gebot bei Leib und Leben,
Niemand solle sie berühren.
Die Verkäufer hieß er führen
In die Stadt vor seinen Herrn.
Der bezahlte doppelt gern
201   Den Werth all ihrer Habe:
Ihnen schien das große Gabe.
Sie ließen ihre Waare theuer:
Den Bürgern troff es nun ins Feuer.

5  

Jetzt wär ich gerne Söldner hier;
Denn da trinkt nun Niemand Bier,
Sie haben Wein und Speise viel.
Da that, wie ich euch sagen will,
Der edle Ritter Parzival.

10   Zuerst in Bißen klein und schmal
Theilt' er die Kost mit eigner Hand,
Zumal den Besten all im Land:
Er wollte speisentwöhnte Magen
Nicht Ueberfülle laßen tragen.
15   Sein Maß erhielt ein Jeder so;
Sie wurden seines Rathes froh.
Zu Nacht beschied er ihnen mehr,
Der nicht zu lose war noch hehr.

Ums Beilager frug man da:

20   Er und die Köngin sprachen Ja.
So mäßig hielt er sich die Nacht,
Es würd ihm sicherlich verdacht
Bei mancher Frau in unsrer Zeit.
Daß sie so an Lüsternheit
25   Sitt und Zucht verlieren
Und doch sich gerne zieren!
Sie zeigen Gästen keusche Sitte;
Doch wohnt in ihres Herzens Mitte
Das Widerspiel der Geberde.
Dem Freunde heimliche Beschwerde
202   Schafft ihre Zärtlichkeit.
Sich selbst bezwingt zu jeder Zeit
Ein getreuer stäter Mann,
Der auch der Frauen schonen kann.
5   Er denkt wohl, und es ist auch wahr:
»Um Minne sah mich manches Jahr
Diesem holden Weibe dienen;
Nun ist der Tag erschienen,
Da sie mir lohnt: nun lieg ich hier.
10   Genügt auf ewig hätt es mir,
Wenn ich mit meiner bloßen Hand
Rühren durft an ihr Gewand.
Ließ' ich nun von edler Scheu,
So schien ich selbst mir ungetreu.
15   Soll ich im Schlaf sie stören
Und uns beide so entehren?
Holde Kunde vor dem Schlaf
Vernimmt, wer Frauenkeusche traf.«
So lag auch der Waleise,
20   Der sich fürchtet keiner Weise.

Den man den rothen Ritter hieß
Der Königin ihr Magdtum ließ;
Sie wähnte doch, sein Weib zu sein:
Ihr Haupt trug bei des Morgens Schein

25   Seiner Minne halb ein Band.
Da gab ihm Burgen und Land
Die Frau mit magdlichem Sinn;
Längst war ihr Herz schon sein Gewinn.

Sie waren bei einander so
In unschuldger Liebe froh

203   Zwei Tage bis zur dritten Nacht.
Ans Umfangen hat er oft gedacht,
Zumal es seine Mutter rieth;
Gurnemans ihn auch beschied,
5   Daß Mann und Frau untrennbar sein:
Sie verflochten Arm und Bein.
Wenn ich euch berichten soll,
Ihm gefiel die Nähe wohl:
Den alten immer neuen Brauch
10   Uebten da die beiden auch.

Wohl war ihnen, war nicht weh.
Nun höret auch, wie Klamide,
Da er die Heerfahrt begann,
Unfrohe Botschaft gewann.

15   Einen Knappen hört' er sagen,
Des Rösslein Sporen wund geschlagen,
Daß auf dem Plan vor Pelrapär
Ritterschaft geschehen wär,
Scharf genug, von Heldenhand:
20   »Bezwungen ist der Seneschant;
Des Heeres Führer Kingron
Fährt zu Artus dem Breton.
Das Kriegsheer liegt noch vor der Stadt,
Wie scheidend er befohlen hat.
25   Euch und euerm Doppelheer
Steht noch Pelrapär zur Wehr.
Die Stadt verficht ein Ritter werth,
Der anders nichts als Streit begehrt.
Von euern Söldnern hört ich Kunde.
Zu Hülfe von der Tafelrunde
204   Sei der Königin gesandt
Ither von Kukumerland.
Des Wappen zog für sie zu Feld,
Und ohne Tadel trugs der Held.«

5  

Der König warf dem Knappen ein:
»Kondwiramur begehrt ja mein,
Und ich will sie und auch ihr Land.
Kingron mein Seneschant
Mir mit Wahrheit entbot,

10   Die Stadt bezwinge Hungersnoth;
Mir aber werde zum Gewinn
Die Huld der werthen Königin.«

Der Knapp erwarb da nichts als Haß;
Mit dem Heer der König zog fürbaß.

15   Ein Ritter ihm entgegen ritt,
Der auch sein Ross mit Sporen schnitt.
Der sagt' ihm gleiche Kunde.
Klamide gewann zur Stunde
Einen unmuthschweren Sinn:
20   Es daucht ihn großer Ungewinn.

Ein Fürst sprach in des Königs Bann:
Was Kingron auch hat gethan,
Uns vertrat er nicht im Streit,
Nur seine eigne Mannheit.

25   Sollen, wär er erschlagen,
Zwei Heere drum verzagen,
Dieß und jenes vor der Stadt?
Den Herrn er Muth zu fassen bat:
»Versuchen wir es noch einmal;
Und wehrt sich ihre Minderzahl,
205   Sie werden so von uns bekriegt,
Daß ihre Freude bald erliegt.
Freund' und Mannen sollt ihr mahnen,
Die Stadt bedrohn mit zweien Fahnen.
5   Wir mögen hier im Weiten
Wohl zu Ross mit ihnen streiten;
Zu Fuße nahen wir den Thoren:
So ist ihr Gegenstreit verloren.«
Den Rath gab Galogandres,
10   Der Herzog von Gippones:
Die Bürger brachte Der in Noth;
Er fand auch vor der Stadt den Tod.
Mit ihm auch der Graf Narant;
Er war ein Fürst aus Uckerland;
15   Und von den Söldnern mancher Mann,
Den man erschlagen trug hindann.

Nun höret andre Märe,
Wie die Bürger vor dem Heere
Schützten des Walles Räume.

20   Sie nahmen lange Bäume
Und stießen starke Stecken drein:
Das schuf den Stürmenden Pein,
Wenn die Stämme niedergingen
An Seilen, die in Rädern hingen.
25   Das wurde Alles fertig, eh
Zum Sturm heranzog Klamide
Nach des Marschalls übelm Abenteuer.
Sie hatten griechisches Feuer
(Mit der Speise kam es in das Land):
Der Feinde Rüstzeug ward verbrannt,
206   Ihre Ebenhöhn und Mangen,
Was auf Rädern kam gegangen,
Igel, Katzen und dergleichen,
Die musten vor dem Feuer weichen.

5  

Kingron indes, der Seneschant,
Kam zu Bretagne in das Land
Und traf den König Artus an
Im Jägerhaus in Briziljan;
Das hieß mit Namen Karminal.

10   Da thät er, wie ihn Parzival
Geheißen, der ihn hin gesandt;
Kunnewaren de Lalant
Bracht er seine Sicherheit.
Das Fräulein war hoch erfreut,
15   Daß so getreulich ihre Noth
Zu Herzen nahm der Ritter roth.

Die Mär ward allwärts bald vernommen.
Als vor den König war gekommen
Der bezwungne werthe Mann,

20   Ihm und den Seinen sagt' er an,
Was Parzival durch ihn entbot.
Kei erschrak und wurde roth.
»Bist du es,« sprach er, »Kingron?
Avoi, wie manchen Breton
25   Hat überwunden deine Hand,
Du Klamides Seneschant!
Mag mirs dein Sieger nie verzeihn,
Dein Amt soll dir Empfehlung sein.
Der Keßel ist uns unterthan,
Mir hier und dir zu Brandigan.
207   Hilf mir. daß Kunnewar die Maid
Um breite Krapfen mir verzeiht.«

Er bot kein ander Schmerzengeld.
Wollt ihr nun hören, was im Feld

5   Vor Pelrapär geschehen sei?
Mit dem Heer zog Klamide herbei.
Da wurde bald zum Kampf geschritten:
Die Innern mit den Aeußern stritten.
Sie hatten Trost und frische Kraft,
10   Man fand die Helden wehrhaft:
So behielten sie das Feld.
Ihr Landesherr, der junge Held,
Stritt den Seinen weit vorauf;
Da standen alle Pforten auf.
15   Wenn er die Arme fechtend schwang,
Sein Schwert durch harte Helme klang,
Die Ritter, die er niederschlug,
Die fanden Marter genug:
Man stach mit Schwerterspitzen
20   Sie durch des Halsbergs Schlitzen.
Die Bürger thaten Rachsucht kund
An Manchem, der schon fährlich wund:
Drum wollt es Parzival nicht leiden;
Er schalt: da musten sie es meiden.
25   Zwanzig sie lebend fingen,
Eh aus dem Streit sie gingen.

Parzival ward wohl gewahr,
Daß Klamide mit seiner Schar
Nicht kämpfte vor den Pforten,
Vielmehr an andern Orten.

208   Da ritt der junge kühne Held
Hinaus auf ungebahntem Feld.
Das Heer umreitend kam er da
Des Königs Kriegsfahne nah.
5   Da wurden erst mit großem Schaden
Die in des Königs Dienst beladen.
So kühn die Bürger stunden,
Daß ihnen bald verschwunden
Die Schilde waren vor der Hand;
10   Auch Parzivals Schild verschwand
Von Schüßen und von Schwerterschlägen.
Frommt' es wenig gleich die Degen,
Die Feinde musten doch gestehn,
Daß sie nie kühnern Mann gesehn.
15   Galogandres die Fahne trug,
Das Heer ermahnt' er wohl genug;
An des Königs Seite lag er todt.
Klamide kam selbst in Noth;
Ihm und den Seinen wurde weh:
20   Den Kampf verbot da Klamide.
Da hatte muthig sich verschafft
Des Sieges Preis die Bürgerschaft.

Parzival der werthe Degen
Ließ die Gefangnen wohl verpflegen

25   Bis an den dritten Morgen.
Das äußre Heer war in Sorgen.
Da ließ der junge Wirth bei Zeit
Die Gefangnen frei auf ihren Eid.
»Sobald ich Botschaft schicke,
Lieben Freunde, kehrt zurücke.«
209   Man behielt nur ihre Eisenwehr;
Entwappnet kehrten sie ins Heer.

Die Aeußern sprachen, ob sie roth
Von Trünken waren; »Hungersnoth

5   Trugt ihr dort, ihr Armen.« –
»Nein, sparet das Erbarmen,«
Sprachen die gefangnen Helden:
»Sie haben Speise, laßt euch melden,
Lägt ihr hier noch ein volles Jahr,
10   Für sich und euch genug fürwahr.
Die Köngin hat den schönsten Mann,
Der jemals Schildesamt gewann.
Er ist gewiss von hoher Art,
Der aller Ritter Ehre wahrt.«

15  

Da dieß erhörte Klamide,
Da that ihm erst sein Kummer weh.
Da schickt' er Boten in die Stadt
Und ließ entbieten: »Wen sich hat
Die Königin zum Mann genommen,

20   Wagt es der zum Kampf zu kommen,
Und hat sie ihn dafür erkannt,
Daß er sie selber und ihr Land
Mir im Kampfe dürfe wehren,
So biet ich Frieden beiden Heeren.«

25  

Als das Parzival vernahm,
Und ihm solche Botschaft kam,
Daß ein Zweikampf sollt entscheiden,
Der Unverzagte sprach mit Freuden:
»Meine Treue steh zu Pfand:
Im innern Heer rührt keine Hand

210   Sich um meinethalben mehr.«
Zwischen dem Graben und dem äußern Heer
Ward geschloßen dieser Friede.
Da bewehrten sich die Kampfesschmiede.

5  

Da bestieg der König von Brandigan
Ein gewappnet Kastilian,
Das hieß mit Namen Guverjorz;
Von seinem Neffen Grigorz,
Dem König von Ipotente,

10   Mit manchem reichen Präsente
Hatt es erhalten Klamide
Von Norden übern Uckersee.
Ihm bracht es Graf Narant daher
Und tausend Söldner in der Wehr;
15   Nur den Schild nehm ich aus.
Ihnen war die Löhnung auch voraus
Gesichert bis ins vierte Jahr,
Spricht die Aventüre wahr.
Grigorz ihm sandte Ritter klug,
20   Fünfhundert: jeglicher trug
Den Helm aufs Haupt gebunden,
Die im Kampfe furchtlos stunden.
Da hatte Klamides Heer
Pelrapär zu Land und Meer
25   So umseßen und umlegen,
Die Bürger musten Kummer hegen.

Hinaus ritt Parzival der Held
Auf das entscheidende Feld,
Wo Gott bezeigen sollte,
Ob er ihm laßen wollte

211   Das Kind des Königs Tampentär.
Stolzlich fuhr er einher,
Eh aus dem Galopp entschloß
Zum vollsten Rennen sich das Ross.
5   Gewappnet wars für alle Noth;
Von Sammet eine Decke roth
Auf der eisernen lag.
An sich selber zeigt' er diesen Tag
Rothen Schild und rothes Kleid.
10   Klamide begann den Streit.
Einen kurzen unbeschabten Sper
Bracht er zur Tiost daher,
Und nahm damit den Anlauf lang.
Guverjorz gewaltig sprang.
15   Wohl getiostieret ward
Von den beiden jungen ohne Bart
Und sonder Falieren.
Von Leuten noch von Thieren
Geschah wohl nie so harter Kampf;
20   Von den müden Rossen stieg der Dampf.

Sie hatten so gefochten,
Daß die Rosse nicht mehr mochten:
Die stürzten von der Arbeit,
Zumal, nicht zu verschiedner Zeit.

25   Da begannen beide mit Behagen
Den Helmen Feuer zu entschlagen;
Sie durften sich nicht lange ruhn:
Hier war vollauf für sie zu thun.
Die Schilde splitterten so sehr,
Als ob mit Federbällen wer
212   Spielend würfe in den Wind.
Doch spürte Gachmuretens Kind
Müdigkeit an keinem Gliede.
Da wähnte Klamide, der Friede
5   Würd ihm gebrochen von der Stadt.
Seinen Kampfgenoßen bat
Der Held, daß er sich selber ehrte
Und den Mangenwürfen wehrte:
Denn Schläge gingen auf ihn schwer,
10   Wie ein Mangenstein gewesen wär.
Ihm ward von Parzival entgegnet:
»Nicht Steine sind es, was hier regnet,
Dafür ist meine Treue Pfand.
Gäbe dir Frieden meine Hand,
15   Dir bräche nicht der Mangen Schwenkel
Haupt und Brust, dazu den Schenkel.«

Klamiden zwang Müdigkeit;
Die kam ihm noch zur Unzeit.
Wer Sieg verloren, Sieg gewonnen,

20   Das bringt der Kampf nun an die Sonnen.
Doch brachte Niederlage
Hier Klamide in Klage.
Zu Boden lag er gezückt,
Von Parzivals Hand gedrückt,
25   Daß Blut ihm schoß aus Ohr und Nasen;
Das färbte roth den grünen Rasen.
Das Haupt entblößt' ihm Jener hier
Vom Helm und von dem Härsenier.
Entgegen sah dem Todesschlag
Der bezwungne Mann. Der Sieger sprach:
213   »Nun bleibt mein Weib wohl von dir frei:
Lerne jetzt was Sterben sei.«

»Nicht doch, kühner Degen werth.
Dir ist jetzo gemehrt

5   Der Preis schon dreißigfaltig,
Da du meiner bist gewaltig
Wie kann der Ruhm dich höher tragen?
Nun mag Kondwiramur wohl sagen,
Daß ich der Unselge bin,
10   Und du erwarbst des Glücks Gewinn.
Du hast dein Land nun erlöst,
Wie der sein Schiff vom Riffe stößt:
Von hinnen trägts die Welle flott.
Meine Macht wird zu Spott;
15   Mannesstolz und hoher Sinn
Weicht von mir und fährt dahin.
Was hülfe dir mein Sterben?
Ich muß Schande doch vererben
Auf alle Nachkommen.
20   Du hast Preis und Frommen:
Thust du mir mehr, das ist nicht Noth.
Ich trage den lebendgen Tod,
Da ich von ihr geschieden bin,
Die das Herz mir und den Sinn
25   Mit Gewalt gefangen nahm,
Ob es mir nie zu Gute kam.
Nun muß dir sieglos meine Hand
Sie überlaßen und ihr Land.«

Da gedachte, dem Gott Sieg beschied,
Wie einst Gurnemans ihm rieth,

214   Daß zu kühner Mannheit
Gezieme Barmherzigkeit.
Diesem Rathe folgt' er nach;
Zu Klamide der Degen sprach:
5   »Dem Vater von Liaßen,
Ich will dirs nicht erlaßen,
Dem bringe deine Sicherheit.«
»Nein, Herr: dem hab ich Herzeleid
Gethan: ich schlug ihm seinen Sohn:
10   Da wägtest du mir übeln Lohn.
Wegen Kondwiramur
Focht mit mir Schenteflur;
Auch wär ich todt von seiner Hand,
Half mir nicht mein Seneschant.
15   Es hatt ihn in das Land Brobarz
Gurnemans de Graharz
Gesandt mit starken Heeres Kraft.
Da thaten gute Ritterschaft
Neunhundert Ritter, die wohl stritten
20   Und geschiente Rosse ritten:
Fünfzehnhundert Söldner auch,
Gewappnet all nach Kriegsgebrauch,
Nur den Schild nehm ich aus:
Bloß der Same kam davon nach Haus.
25   So vernichtet' ich sein Heer;
Du nahmst mir jetzt der Helden mehr.
Ich muß Ehr und Freud entbehren:
Was willst du noch begehren?

»Ich will dich sanftre Wege weisen:
Fahre zu den Bretaneisen

215   (Kingron ist vor dir hingeritten)
Zu König Artus dem Britten.
Dem sollst du Grüße von mir sagen.
Bitt ihn, daß er mir helfe klagen
5   Eine Schande, die ich dort gewann.
Mich lachte eine Jungfrau an:
Daß man die deshalb zerbleute,
Das reut mich, wie mich nichts noch reute.
Sag ihr, es sei mir leid;
10   Bring ihr deine Sicherheit
Und leiste willig ihr Gebot
Oder nimm von mir den Tod.«

»Soll dieses Urtheil gelten,
Ich will es nicht beschelten,«215, 14. Ein gefundenes Urtheil anfechten hieß: es schelten. J. Grimm.

15   Der König sprachs von Brandigan:
»Diese Fahrt wird gethan.«
Das gelobt' ihm, eh er schied,
Den seine Hochfahrt verrieth.
Parzival der Weigand
20   Sein müdes Ross wiederfand.
Er hob den Fuß darnach nicht auf,
Ohne Stegreif sprang er drauf,
Daß umwirbelten mit Schall
Des zerhaunen Schildes Scherben all.

25  

Die Bürger hatten frohe Zeit,
Die Aeußern nichts als Herzeleid
Und in allen Gliedern Weh.
Man brachte König Klamide
Hin, wo seine Helfer waren.
Die Todten ließ er aufbahren

216   Und bringen zu des Grabes Rast.
Das Land räumte mancher Gast.
Der werthe König Klamide
Ritt gen Löver an die See.

5  

Die von der Tafelrunde
Waren zu der Stunde
Versammelt in Dianasdron
Mit König Artus dem Breton.
Sag ich euch keine Lüge dran,

10   Zu Dianasdron der Plan
Muste Zeltstangen tragen
Mehr als im Spessart Stämme ragen.
So zahlreich war das Hofgelag,
Womit Artus den Pfingstentag
15   Beging und all die Frauen.
Da waren auch zu schauen
Paniere viel und mancher Schild,
Jeder mit eignem Wappenbild,
Vor manchem schön geschmückten Zelt.
20   Es nähme Wunder jetzt die Welt:
Wer könnte all die Zeltlachen
Solchem Heer von Frauen machen?
Da wähnt' auch jede Frau fürwahr,
Sie verlör den Preis der Schönheit gar,
25   Wenn sie nicht ihren Ritter hätte.
Käm ich selbst an solche Stätte
(Da waren so viel junge Herrn),
So brächt ich doch mein Weib nicht gern
In ein so groß Gemenge!
Ich scheue Volksgedränge.
217   Vielleicht, daß Einer zu ihr spräche,
Daß ihn ihre Minne stäche,
Er könne nie gesunden:
Wenn sie heile seine Wunden,
5   Er woll ihr dienen ewiglich.
Mit ihr von dannen höb ich mich.

Genug gesprochen ist von mir:
Nun hört, wie König Artus hier
Sein Zelt mit Schnüren hatt umzogen.

10   Davor mit Freuden ungelogen
Aß mit ihm das Ingesind,
Manch werther Mann zu Falschheit blind
Und manche stolze Fürstin,
Die nichts als Tjoste trug im Sinn.
15   Sie schoß den Freund dem Feind entgegen:
Kam zu Schaden da der Degen,
So zart war ihr Gemüthe,
Daß sie's vergalt mit Güte.

Klamide der Jüngling

20   Ritt mitten in den Zeltbering.
Verdecktes Ross, umstählten Leib
Sah an ihm Artusens Weib,
Doch Helm und Schild verhauen.
Das sahen all die Frauen,
25   Wie er zu Hofe war gekommen;
Ihr habt zuvor wohl schon vernommen,
Wer zu solcher Fahrt ihn zwang.
Nun stieg er ab. Durch groß Gedrang
Must er, eh er sitzen fand
Frau Kunnewaren de Lalant.

218  

Da sprach er: »Herrin, seid ihrs wohl,
Der ich willig dienen soll?
Zum Theile zwingt mich zwar die Noth.
Euch entbietet Dienst der Ritter roth:

5   Eur Schimpf soll euch nicht grämen,
Er will ihn auf sich nehmen;
Auch hofft er, Artus wirds beklagen.
Ihr wurdet seinethalb geschlagen.
Frau, ich bring euch Sicherheit,
10   So gebot der Sieger mir im Streit.
Gern leist ichs, wenn es euch gefällt.
Mein Leben war dem Tod verfällt.«

Kunneware de Lalant
Führt' ihn an der Eisenhand

15   Hin wo Frau Ginover saß,
Die ohne den König mit ihr aß.
Keie von dem Tisch erstund,
Da ihm die Märe wurde kund:
Sie kam ihm schrecklich ungelegen;
20   Kunnewaren freute sie dagegen.

Da sprach er: »Frau, daß dieser Mann
Die Reise hat hieher gethan,
Dazu hat ihn die Noth bewogen;
Doch wähn ich, hat man ihn betrogen.

25   Ich war mit jener Prügeltracht
Euch zu beßern bedacht:
Zum Lohne wird mir euer Groll.
Jedoch, wenn ich euch rathen soll,
Gönnt dem Ritter abzulegen;
Zu stehn verdrießt den Degen.«

219  

Ihm ließ die Jungfraue zier
Lösen Helm und Härsenier.
Als man die von ihm streift' und band,
Klamide ward bald erkannt.

5   Auch sein Seneschant Kingron
Erkannt' ihn und erschrak davon.
Er sah den Herren überwunden:
Seine Hände wurden gewunden,
Sie huben an zu krachen
10   Wie die dürren Spachen.

Den Tisch zurücke stieß zuhand
Klamides Seneschant.
Er frug den Herrn um neue Mär
Und fand ihn aller Freuden leer.

15   Er sprach: »Ich bin zu Schaden geboren:
Mir ging solch herlich Heer verloren:
Nimmer sog der Mutter Brust,
Der erlitten schmerzlichern Verlust.
Doch schmerzt mich meiner Leute Tod
20   Noch minder: Minnemangelsnoth
Lästet auf mich solche Last,
Mir ist Freude fremd und Frohsinn Gast.
Kondwiramur macht mich greis.
Pontius Pilatus weiß
25   Nicht von solcher Höllenqual,
Der arme Judas nicht einmal,
Der unsern Heiland Jesus
Verrieth mit treulosem Kuss.
Wie das ihr Schöpfer rächte,
Die Noth ich tragen möchte,
220   War von Brobarz die Königin
Und ihre Huld mein Gewinn,
Daß ich sie sanft umfinge,
Wie es mir dann auch ginge.
5   Ihre Minne leider hofft nicht mehr
Der König von Iserterre.
Land und Volk von Brandigan
Mag stätes Leid davon empfahn.
Meines Oheims Sohn Mabonagrein220, 9. Mabonagrein ward zu Brandigan von Ereck erschlagen. Vgl. zu 178, 11–26.
10   Litt auch dort zu lange Pein.
Nun bin ich, Artus, König hehr,
Geritten in dein Land hieher,
Bezwungen von Ritters Hand.
Du weist, daß dir in meinem Land
15   Viel zu Leide ward gethan.
Das vergiß nun, werther Mann,
Dieweil ich hier gefangen bin,
Und gieb dich solchem Haß nicht hin.
Kunneware, hoff ich, werde
20   Mich bewahren vor Gefährde,
Die meine Sicherheit empfing,
Als ich gefangen vor sie ging.«
Artus verzieh ihm seine Schuld,
Der Vielgetreue schenkt' ihm Huld.

25  

Da erfuhr Weib und Mann,
Der König von Brandigan
Sei geritten vor das Zelt.
Da gabs ein Drängen auf dem Feld!
Es erscholl die Märe weit und breit.
Höflich um Geselligkeit

221   Bat der freudenlose Mann:
»Ihr solltet, Frau, mich Herrn Gawan
Empfehlen, bin ichs anders werth;
Ich weiß wohl, daß ers selbst begehrt.
5   Euch ehrt er und den Ritter roth,
Wenn er leistet eur Gebot.«
Artus bat seiner Schwester Sohn
(Ohne das geschäh es schon),
Sich dem König freundlich zu erweisen.
10   Willkommen wurde da geheißen
Von der Tafelrunder Reihe
Der bezwungne Falschesfreie.

Zu Klamide sprach Kingron:
»Weh, daß dich jemals ein Breton

15   Sah in seinem Haus bezwungen!
Mehr Reichtum, als Artus errungen,
Und mehr der Helfer hattest du,
Und deine Jugend dazu!
Muß Artus Preis dadurch empfangen,
20   Daß Kei im Zorn sich hat vergangen
An einer edeln Fürstin,
Die aus unschuldigem Sinn
Sich den mit Lachen hat erwählt,
Den man wahrlich ungefehlt
25   Mag krönen mit dem höchsten Preise!
Wohl wähnen jetzt die Bretaneise
Ueber allen andern hoch zu stehn;
Doch ohn ihr Zuthun ists geschehn,
Daß in den Tod hier ward gesandt
Der König von Kukumerland,
222   Und daß mein Herr den Sieg ihm ließ,
Der schon jenen niederstieß.
Der Selbige bezwang auch mich
Ohne verhohlnen Schlich:
5   Man sah aus Helmen Feuer wehn,
In den Händen sich die Schwerter drehn.«

Da sprach die Tafelrunde,
Reich und arm aus Einem Munde,
Unrecht habe Kei gethan.

10   Begnügen wir uns jetzt hieran
Und gehn zurück auf unsrer Spur.
Das wüste Land ward blühnde Flur,
Wo Parzival die Krone trug;
Da war auch Freud und Lust genug.
15   Gelaßen hatt aus Pelrapär
Ihm sein Schwäher Tampentär
Licht Gestein und rothes Gold.
Das vertheilt' er so, daß man ihm hold
Ward um seine Milde.
20   Paniere, neue Schilde
Sah man sein Land verzieren
Und fleißiglich turnieren
Ihn und all die Seinen.
Oft ließ die Kraft erscheinen
25   An seines Landes Grenzmark
Der junge Degen kühn und stark.
Da priesen für die beste
Stäts seine That die Gäste.

Nun hört auch von der Königin:
Wie käm ihr größerer Gewinn?

223   Die junge süße Werthe
Hatte, was ihr Herz begehrte.
Ihre Minne blühte wonniglich,
Nicht Wank noch Wandel zeigte sich.
5   Sie hat des Mannes Werth erkannt;
Jedweder an dem andern fand:
Er war ihr lieb, sie ihm noch mehr.
Wenn nun melden soll die Mär,
Daß sie sich musten scheiden,
10   So wächst Leid den beiden.
Auch dauert mich das werthe Weib:
Ihr Volk, ihr Land, ja Seel und Leib
Schied seine Hand von großer Noth;
Dagegen sie ihm Minne bot.

15  

Eines Morgens sprach der Werthe,
Daß es mancher Retter hörte:
»Mags euch gefallen, Fraue,
So erlaubt mir, daß ich schaue
Wie's um meine Mutter steh.

20   Ob ihr wohl sei oder weh,
Das ist mir völlig unbekannt.
Ich treffe, reit ich in ihr Land.
Wohl auch Abenteuer an.
Wenn ich darin euch dienen kann,
25   So bleib ich eurer Minne werth.«
So hatt er Urlaub begehrt.
Er war ihr lieb, die Märe sprichts,
Darum versagte sie ihm nichts.
Von allen seinen Mannen
Schied er allein von dannen.

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