Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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VI.
Artus.

Inhalt.

Artus war von Karidol aufgebrochen, um dem rothen Ritter nachzuziehen, welchen die Tafelrunde in ihre Genoßenschaft aufnehmen wollte. An den Ufern des Plimizöl läßt er sich wegen der Nähe von Monfalväsche und des Gralsheeres von seinen Rittern geloben, ohne seine ausdrückliche Erlaubniss nicht zu streiten. Parzival, den der Zufall dahin führt, versinkt beim Anblick dreier Blutstropfen im Schnee ganz in Gedanken an Kondwiramur. So findet ihn ein Knappe Kunnewarens, der es als einen Schimpf für die Tafelrunde beschreit. Segramors wirkt sich Erlaubnis zum Kampf aus, wird aber von dem bewustlosen Parzival abgestochen. Gleiches Schicksal hat Keie, der im Fall den rechten Arm und das linke Bein zerbricht, womit Kunnewarens Schmach an ihm gerochen ist. Gawan reitet unbewaffnet hinaus, erkennt Parzivals Zustand und wirft ein Tuch über die Blutstropfen. Parzival kommt zu sich und reitet mit Gawan zu Artus, wo ihn Kunneware als ihren Ritter empfängt, kleidet und schmückt. Artus und seine Ritter bitten ihn, Genoß der Tafelrunde zu werden, die zwar zu Nantes geblieben ist, hier aber durch ein rundgeschnittenes Tuch vorgestellt wird. Ueber dem Festmal erscheint Kondrie la Sorziere, die ungeheure Botin des Grals, erklärt die Tafelrunde für entehrt durch die Mitgliedschaft Parzivals (dessen Namen und Geschlecht hier zuerst verlautet) und flucht diesem, weil er bei Anfortas Qual und den Wundern des Grals nicht gefragt habe. Dann lädt sie zur Befreiung der vier zu Chatelmerveil gefangen gehaltenen Königinnen ein. Gleich darauf erscheint Kingrimursel und fordert Gawanen, als den Mörder seines Herrn und Vetters Kingrisin, zum Zweikampf, der nach vierzig Tagen zu Schampsenzon vor dem König Vergulacht von Askalon Statt haben soll. Klamide wird auf Parzivals Fürsprache mit Kunnewaren verlobt. Ekuba, die heidnische Königin von Janfuse, erzählt Parzival von seinem Bruder Feirefiss. Parzival verzichtet auf die Tafelrunde, gelobt sich dem Gral und reitet traurig und an Gott verzweifelnd hinweg. Auch Gawan rüstet sich zu seiner Fahrt, Ekuba schifft sich ein, Artus zieht gen Karidol und Orilus mit Klamide gen Brandigan, wo seine Hochzeit mit Kunnewaren feierlich begangen wird.

 

        280   Wenn ich euch nun sagen soll,
Wie Artus von Karidol
Und von seinem Lande schied,
Wie ihm sein Ingesinde rieth –:
5   Er ritt, so thut die Mär uns kund,
Auf seinem und auf fremdem Grund
Nun schon den achten Tag umher,
Jenen aufzusuchen, der
Sich nennen ließ den Ritter roth
10   Und ihm so viel Ehre bot.
Denn ihn schied von langem Gram,
Der Ithern das Leben nahm
Und Klamiden und Kingronen
Sandte zu den Bretonen
15   An seinen Hof zu guter Stunde.
Er wollt ihn an die Tafelrunde
Ziehn, ihr Genoß zu werden:
Drum scheut' er nicht Beschwerden.

Er sucht' ihn über Berg und Thal.

20   Es hatten Alle zumal,
Die jemals Schildesamt erprobt,
Dem König Artus angelobt:
Wo sie sähen Ritterschaft,
Daß sie, bei ihres Eides Kraft,
25   Nur dann mit Jemand föchten,
Wenn sie's erbitten möchten,
Daß er sie ließe streiten.
Er sprach: »Wir müßen reiten
In manches Land, das kühne Degen
Zählt, die uns bestreiten mögen:
281   Da droht uns mancher scharfe Sper.
Wollt ihr dann rennen kreuz und quer
Wie freche Rüden, deren Band
Abgestreift des Meisters Hand,
5   Das geschäh mir nicht zu Willen;
Den Tollmuth will ich stillen.
Ich geb euch Urlaub, thut es Noth;
Bis dahin haltet mein Verbot.«

Dieß Gelübde habt ihr wohl vernommen.

10   Nun hört, wohin uns ist gekommen
Parzival der Waleis.
Ueber Nacht der Schnee war leis
Doch dicht auf ihn herab geschneit.
Es war jedoch nicht Schneiens Zeit,
15   Wenn ich die Kunde recht vernahm.
Artus der maienhafte Mann,281, 16–22. Diese schöne Stelle beweist, wenn man unserm Dichter nicht eine große Belesenheit in französischen Romanen zutrauen will, daß außer Hartmann, Wolframs Vorgänger, schon andere in Deutschland von Artus gedichtet hatten, jedoch wie es scheint mit wenigem Glücke: denn nach Anm. zu 143, 21–144, 4 war es doch erst Hartmann, der die Einführung des Artus und seiner Tafelrunde durchsetzte.
Was man je von ihm sang und sprach,
Das geschah an einem Pfingstentag
Oder in des Maien Blütenzeit.
20   Wie man mit süßer Lust ihn freut!
Meine Märe hat viel andern Brauch:
Sie kleidet sich in Schnee wohl auch.

Seine Falkner von Karidöl
Ritten Abends an den Plimizöl

25   Beizen. Schade traf sie dort:
Ihnen flog der beste Falke fort;
Der hob hinweg sich balde
Und blieb die Nacht im Walde:
Ueberkröpfung verbrockte,
Daß kein Köder mehr ihn lockte.

282  

Er blieb die Nacht bei Parzival.
Ihnen war der Wald unkund zumal;
Auch litten beide sehr an Frost.
Als der Tag erschien im Ost,

5   War ihm ganz verschneit der Weg.
Da ritt er durch das Waldgeheg
Pfadlos über Stock und Stein.
Der Tag gab immer lichtern Schein,
Auch hellte sich des Waldes Raum;
10   Doch lag gefällt ein mächtger Baum
Auf einem Plan, zu dem er bog
(Und Artus Falken nach sich zog),
Wo wohl tausend Gänse lagen:
Da vernahm man ihr Gagagen.
15   Hurtig flog er unter sie,
Der Falk, und traf die Eine hie,
Daß sie ihm mit Noth entging,
Unterm Ast des Baumes Schutz empfing.
Ihrem hohen Flug geschah da Weh.
20   Aus ihren Wunden auf den Schnee
Fielen drei Blutstropfen roth:
Die schufen Parzivalen Noth.

Seine Treue sah man da:
Als er die Blutszähren sah

25   Auf dem Schnee, der war so weiß,
Da gedacht er: »Wer hat seinen Fleiß
Gewandt auf diese Farben klar?
Kondwiramur, dir fürwahr
Nur gleichen diese Farben.
Mich läßt Gott an Glück nicht darben,
283   Da ich hier dein ein Gleichniss fand.
Gepriesen möge Gottes Hand
Und seine ganze Schöpfung sein!
Kondwiramur, hier liegt dein Schein.
5   Da der Schnee dem Blute Weiße bot,
Das Blut den Schnee gefärbt so roth,
Kondwiramor,
Dem vergleicht sich dein beau Korps:
Das erlaß ich dir nicht.«
10   Ihm schwebte vor ihr Angesicht,
Wie ers jene Nacht sah prangen,
Zwei Zähren an den Wangen,
Das dritt an ihrem Kinne.
Er pflag getreuer Minne
15   Zu ihr ohn alles Wanken.
So versank er in Gedanken,
Daß er da hielt mit Unbedacht:
Ihn zwang der starken Minne Macht.
Solche Noth gab ihm sein Weib.
20   Dieser Farbe glich der Leib
Von Pelrapär der Königin:
Die nahm ihm die Besinnung hin.

So hielt er da, als ob er schlief'.
Erkennt ihr ihn, der zu ihm lief?

25   Kunnewars Garzon war ausgesandt:
Er sollte gegen Laland,
Als er vor dem Wald gewahrte
Einen Helm mit mancher Scharte
Und einen Schild arg verhauen
Und zwar im Dienst seiner Frauen.
284   In voller Rüstung hielt ein Held
Wie zur Tjost hier ausgestellt
Mit hoch empor gekehrtem Schaft.
Der Garzon lief heim aus aller Kraft.
5   Sicher hätt ihn nicht verschrien
Dieser Knapp, erkennt' er ihn,
Daß er seiner Herrin Ritter wär:
Als träfe Bann und Acht ihn schwer,
Hetzt' er das Volk hinaus an ihn:
10   Er wollt ihm schaffen Ungewinn.
So verging er sich an höfschem Brauch;
Nun, los war seine Herrin auch.284, 12. Losheit, so milde der Sinn des Wortes sein mag, das im andern Zusammenhang selbst Anmuth bedeutet, liegt in Kunnewarens Wesen nicht. Mit der Herrin ist daher wohl nicht sie, sondern die Königin Ginover gemeint, die uns aus andern Gedichten als lose bekannt ist.

Höret wie der Knappe schrie:
»Fi, o fi! Fi, o fi!

15   Fi, verzagte Tafelrunder!
Zählt man Gawanen für ein Wunder,
Und diese Ritter allzumal
Zu ehrenwerther Degen Zahl,
Und Artusen, den Breton?«
20   Also rief der Garzon.
»Die Tafelrunde steht entehrt!
Die Schnüre hat man euch versehrt.«
Die Ritter hoben großen Schall:
Man hörte fragen überall,
25   Welch Waffenwerk da wär gethan.
Nun hörten sie, ein einzger Mann
Halte dort, zur Tjost bereit.
Da gereute sie der Eid,
Den jüngst Artus hatt empfangen.
So schnell, es war nicht mehr gegangen,
285   Lief hinaus oder sprang
Segramors, der stäts nach Streiten rang.
Wo der glaubte Kampf zu finden,
Mit Stricken muste man ihn binden,
5   Sonst wollt er bei dem Tanze sein.
Nirgend ist so breit der Rhein,
Säh er jenseits am Gestade
Kämpfen, würd er nach dem Bade
Nicht tasten, ob es warm ob kalt,
10   Ins Waßer spräng der Held alsbald.

Eilends lief der Jüngling
Zu Artusens Zeltbering,
Da noch der werthe König schlief.
Segramors ihm durch die Schnüre lief.

15   Zu des Zeltes Thüre drang er ein,
Von Zobel eine Decke fein
Entriß er ihnen, die da lagen
Und noch süßen Schlafes pflagen,
So daß sie musten wachen
20   Und seines Unfugs lachen.
Seiner Base rief er: »Königin,
Ginover, Gebieterin,
Es weiß die Welt, wir sind verwandt;
Auch ist es kund im ganzen Land,
25   Um Fürsprache fleh ich dich.
So hilf mir, Herrin, und sprich
Ein Wort bei Artus, daß dein Gatte
Eine Gnade mir gestatte:
Ein Abenteuer ist nicht fern;
Ich wär zur Tjost der Erste gern.«

286  

Zu Segramors Herr Artus sprach:
»Du weist, wie mir dein Mund versprach,
Nach meinem Willen zu verfahren
Und dich vor Vorwitz zu bewahren.

5   Wird von dir hier eine Tjost gethan,
Darnach will mancher andre Mann,
Daß ich ihn laße reiten,
Sich auch Preis zu erstreiten.
Doch damit schwächt sich unsre Wehr.
10   Wir nahn uns Anfortasens Heer,
Das von Monsalväsche fährt
Und seinen Wald mit Kämpfern wehrt.
Da wir nicht wißen, wo die stehn,
So kann uns Schade viel geschehn.«

15  

Ginover bat Artus so,
Daß Segramors wurde froh.
Daß sie ihm das Abenteur erwarb,
Daß er da nicht vor Freude starb,
War viel, so hatte sich der Held.

20   Da hätt er wahrlich um kein Geld
Belaßen all des Ruhmes Zoll,
Den diese Fahrt ihm bringen soll.

Der junge Stolze sonder Bart,
Sein Ross und er gewappnet ward.

25   Aus fuhr Segramors roi
Galoppierend über jeune Bois,
Sein Ross hoch über Stauden sprang.
Manche goldne Schelle klang
An der Deck und an dem Mann:
Man hätt ihn wohl nach dem Fasan
287   Geworfen in ein Dornicht.287, 1–4. Diese Anspielung auf ein bekanntes deutsches Volksmärchen hat Wilh. Grimm K. M. III. 110 S. 199 (neue Ausg. 191) erläutert. »Ein auf Tod und Leben gefangener Zauberer hat einen nie fehlenden Pfeil und schießt damit einen Falken aus hoher Luft, der in Sumpf und Dornen fällt. Die Häscher sollen ihn darin suchen, er hebt nun den Schwabentanz zu pfeifen an und sie müßen tanzen, und darnach tanzt das ganze Gericht und alles Volk: so wird er von seiner Hinrichtung befreit.« Vgl. Wolf DMS. S. 24, wo der Vogel, bei Wolfram ein Fasan, eine Schnepfe ist.
Wer ihn zu suchen wär erpicht,
Der fänd ihn wieder an dem hellen
Klang der läutenden Schellen.

5  

So fährt der unberathne Held
Zu dem, den Minnezauber hält.
Doch schlägt und sticht er keinen Schlag,
Bis ihm sein Mund den Frieden brach.
Besinnungslos hielt Parzival.

10   Ihn zwang des Blutes dreifach Mal,
Dazu die strenge Minne,
Die auch mir oft raubt die Sinne
Und mir das Herz unsanft bewegt.
Ach, ein Weib ists, die mir Noth erregt:
15   Will sie mich also zwingen
Und mir nimmer Hülfe bringen,
So wird sie selbst der Schuld geziehn:
Ich muß von ihrem Troste fliehn.

Nun hört auch von jenen Beiden,

20   Von ihrem Kommen, ihrem Scheiden.

Segramors sprach also:
»Ihr gebahret, Herr, als wärt ihr froh,
Daß hier ein König liegt mit seinem Heer.
Die beiden wiegen euch nicht schwer:

25   Dafür müßt ihr ihm Buße geben,
Ich verliere denn mein Leben.
Ihr seid auf Streit zu nah geritten;
Doch will ich erst euch höflich bitten:
Ergebt euch meiner Gewalt,
Sonst wäg ich solchen Lohn euch bald,
288   Daß euer Fallen rührt den Schnee.
Beßer, ihr ergebt euch eh.«

Parzival der Drohung schwieg;
Frau Minne gab ihm andern Krieg.

5   Die Tjost zu bringen warf sein Pferd
Segramors der Degen werth.
Auch wandte sich das Kastilian,
Drauf Parzival der kühne Mann
Noch der Besinnung ohne saß
10   Und das Blut mit Augen maß.
Da ward sein Blick davon gekehrt
Und der Preis ihm neuerdings gemehrt:
Denn als er nicht mehr sah das Blut,
Zu sich selber kam der Degen gut.

15  

Hier ritt Segramors Roi.
Parzival nahm den Sper von Troyes,
Der zäh war und feste,
Dazu bemalt aufs Beste,
Wie er ihn vor der Klause fand:

20   Den senkt' er nieder mit der Hand.
Eine Tjost empfängt er durch den Schild,
Die er mit einer Tjost vergilt,
Daß Segramors der Recke
Lag auf der schnee'gen Decke,
25   Und der Sper doch ganz verblieb,
Der ihn aus dem Sattel trieb.
Parzival ritt ohne Fragen
Hin, wo die Tropfen lagen:
Als die sein Auge wieder fand,
Frau Minne knüpft' ihn an ihr Band.
289   Er sprach dabei nicht das noch dieß;
Besinnung wieder von ihm ließ.

Segramors Kastilian
Hob sich zu seinem Stall hindann;

5   Er selbst auch muste sich erheben,
Wollt er sich zur Ruh begeben.
Sonst legt man sich um auszuruhn,
Das pflegt ihr selber wohl zu thun.
Welche Ruhe fand er in dem Schnee?
10   Darin zu liegen thät mir weh.
Zum Schaden stäts gesellt sich Spott;
Dem Glücklichen half immer Gott.

Des Königs Heer lag wohl so nah,
Daß es Parzivalen sah,

15   Und was mit ihm geschehen war.
Er ließ den Sieg der Minne gar,
Die Salomonen auch bezwang.
Jetzo währt' es nicht mehr lang,
Bis Segramors ins Lager kam;
20   Ob ihm Einer gut war oder gram,
Er empfing sie Alle gleich:
Austheilt' er scheltend manchen Streich.

Er sprach: »Habt ihr noch nicht gewust,
Daß der Kampf Gewinn hat und Verlust

25   Und Einer meist bei Tjosten fiel?
Im Sturm sinkt halt der beste Kiel.
Ihr hört mich wohl nicht sagen,
Mein zu harrn werd er nicht wagen,
Wenn er erkenne meinen Schild.
Zu übel hat mir mitgespielt,
290   Der noch da draußen Tjost begehrt:
Der Degen ist wohl Preisens werth.«

Keie der kühne Mann
Bracht es bei dem König an,

5   Daß Segramors verloren habe:
Draußen halt' ein übler Knabe,
Der Tjost begehre wie vorher:
»Mir läg es auf der Seele schwer,
Ging' es ungestraft ihm hin!
10   Wenn ich euch so würdig bin,
So laßt mich fragen, wes er gehrt,
Der dort den Sper emporgekehrt
Noch hält vor euerm Weibe.
Versagt ihr mirs, ich bleibe
15   In euerm Dienst keine Stunde.
Beschimpft ist all die Tafelrunde,
Wenn man ihm nicht bei Zeiten wehrt.
Seine Kraft an unserm Ruhme zehrt.
Gebt mir zu streiten Urlaub:
20   Wären wir alle blind und taub.
Ihr müstets wehren, es ist Zeit!«
Artus erlaubte Kei'n den Streit.

Gewappnet ward der Seneschalt.
Da wollt er schwenden den Wald

25   In der Tjost auf diesen künftgen Gast.
Der trägt schon von der Minne Last,
Da ihn bezaubert Schnee und Blut;
Sich versündigt, wer ihm mehr noch thut.
Auch höht es nicht der Minne Preis,
Die so ihn bannt in ihren Kreiß.

291  

Frau Minne, wie thut ihr so,
Daß ihr den Traurgen machet froh
Mit schnell verrauschter Freude,
Ihn verkommen laßt im Leide?

5  

Wie steht euch das, Frau Minne,
Daß ihr mannhafte Sinne,
Des hohen Muthes Zuversicht
Zu Schanden machet und zunicht?
Das Geringste wie das Beste,

10   Was auf der Erde Veste
Widerstreitet eurer Macht,
Ihr habt es bald zu Fall gebracht.
Wir müßen eure Meisterschaft
Erkennen, groß ist eure Kraft.

15  

Ein Ding, Frau Minne, ehrt euch sehr,
Ein einziges; das achtet mehr:
Frau Freude sei euch beigesellt,
Sonst ist es schwach um euch bestellt.

Frau Minne, ihr seid ungetreu;

20   Die Unart ist so alt als neu.
Manches Weib habt ihr entehrt,
Die des verwandten Manns begehrt.
Durch euch hat an dem Lehensmann
Oft der Lehnsherr missgethan,
25   Oft der Freund an dem Gesellen,
Solche Sitte muß euch fällen,
Oft der Dienstmann an dem Herrn.
Frau Minne, das sei euch fern,
Daß ihr den Leib der Gier ergebt,
Wofür die Seele Schmerz durchbebt.

292  

Frau Minne, daß ihr mit Gewalt
So die Jugend machet alt,
Die noch an Jahren dürftig ist,
Das ist Tücke, die man nicht vergißt.

5  

Diese Rede ziemte keinem Mann,
Der jemals Trost von euch gewann.
War mir eure Hülfe kund,
So säumig lobt' euch nicht mein Mund.
Ihr habt mir Mangel nur zum Ziel gesetzt,

10   Meiner Augen Schärfe so verwetzt,
Daß ich euch nicht mehr trauen kann;
Nie nahmt ihr meiner Noth euch an.
Dennoch seid ihr mir zu hehr,
Als daß ich so thöricht wär
15   Euch zu schelten in des Zornes Hitze:
Ihr drückt uns mit so scharfer Spitze,
Belastet uns, wir tragens kaum.
Heinrich von Veldeck unterm Baum292, 18. In einer Höhle läßt Virgil den Aeneas Didos Gunst genießen; Heinrich von Veldeck in seiner Eneit unter einem Baum.
Hat schön von eurer Art gedichtet:
20   Hätt er uns lieber unterrichtet,
Wie man eure Gunst behalten soll!
Er gab uns Unterweisung wohl,
Wie man euch mög erwerben.
Durch Einfalt muß verderben
25   Manches Thoren hoher Fund.
Wird mir selber solches kund,
Des zeih ich euch, Frau Minne:
Ihr helft zu allem klugen Sinne.
Wider Euch hält weder Schild noch Schwert,
Schnell Ross, noch Veste thurmbewehrt:
293   Ihr werdet Meister aller Wehr.
Auf der Erd und auf dem Meer
Was entrinnet euerm Kriege,
Ob es fließe, ob es fliege?

5  

Frau Minne, Ihr wart auch zugegen,
Da Parzival der kühne Degen
Durch eure Kraft den Sinn verlor;
Er ward durch große Treu ein Thor.
Die süße klare Königin

10   Sandt euch als Botin her an ihn,
Die sein gedenkt zu Pelrapär.
Kardeißen, fils Tampentär,
Ihrem Bruder, nahmt ihr auch das Leben.
Muß man solchen Zins euch geben,
15   Wohl mir, daß ihr mir nichts geborgt,
Wenn ihr so für eure Schuldner sorgt.

Für uns Alle nahm ich hier das Wort;
Nun hört, was sich begeben dort.

Kei, der kraftreiche Mann,

20   Gewappnet ritt er stolz heran,
Als er den Kampf begehrte;
Auch mein ich, Kampf gewährte
Ihm König Gachmuretens Kind.
Wo nun zwingende Frauen sind,
25   Die sollten Heil ihm erflehn:
Durch ein Weib ists ihm geschehn,
Daß ihm Minne nahm die Sinne.
Vor dem Anritt hielt Kei inne,
Zu dem Waleisen sprach er da:
»Da es Herr, euch geschah,
294   Daß ihr den König habt geschändet,
So ists am Besten wohl bewendet
Nach meinem Rath zu euerm Heil,
Nehmt ihr selbst euch an ein Hundeseil
5   Und laßt euch vor ihn ziehen.
Ihr könnt mir nicht entfliehen,
Ich bring euch doch bezwungen hin:
So wird euch übler Lohn verliehn.«

Den Waleisen zwang der Minne Kraft

10   Zu schweigen. Keie zog den Schaft
Zurück und stieß ihm einen Schwang
Ans Haupt, daß laut der Helm erklang.
Er sprach: »Ich bringe dich zum Wachen.
Willst du ohne Leilachen
15   Hier schlafend halten deinen Stand?
Anders fügt es meine Hand:
Auf den Schnee wirst du gelegt.
Der Säcke von der Mühle trägt,
Wollte man ihn also bleuen,
20   Seiner Trägheit würd ihn reuen.«

Frau Minne, seht fein beßer nach:
Dieß geschieht zu eurer Schmach.
Ein Bauer spricht, wenn sie ihn schelten:
»Meinem Herren soll dieß gelten.«

25   Er gehts ihm klagen, darf er sprechen.
Frau Minne, gönnt ihm sich zu rächen,
Diesem werthen Waleisen.
Laßt ihn aus euern Zauberkreisen,
Enthebt ihn eurer schweren Last,
So wehrt sich, wett ich, dieser Gast.

295  

Kei, der heftig auf ihn schoß,
Kehrt' ihm um und um das Ross:
Als ihm vor Augen nicht mehr lag
Sein süßes, saures Ungemach,

5   Das seinem Weib zu gleichen schien,
Von Pelrapär der Königin,
Ich meine den gefärbten Schnee,
Besinnung kehrt ihm da wie eh,
Er wurde sein bewust aufs Neue.
10   Galoppieren ließ sein Roß Herr Keie,
Tiostierend ritt er her;
Im Anlauf senkten sie den Sper.

In der Tjost brach Kei dem Helden jetzt,
Wie er sich zielend vorgesetzt,

15   Ein weites Fenster durch den Schild.
Den Stoß der Waleis ihm vergilt:
Kei, Artusens Seneschall,
Nahm vom Gegenstoß den Fall
Auf den Stamm, zu dem die Gans entrann,
20   Daß das Ross und der Mann
Beide litten harte Noth:
Der Mann ward wund, das Ross lag todt.
Zwischen dem Sattel und einem Stein
Den rechten Arm, das linke Bein
25   Zerbrach Herr Kei von diesem Fall.
Sattel, Gurt, die Schellen all
Zerschlug ihm diese Niederlage.
So vergalt zwei Schläg' in Einem Schlage
Der Waleis: den von Kunnewaren
Und den er selber hatt erfahren.

296  

Dem nichts von Falschheit war bekannt,
Ihn lehrte Treue, daß er fand
Schneeigen Blutes Zähren drei,
Die ihn machten Sinnes frei.

5   Seine Gedanken an den Gral
Und das der Köngin gleiche Mal,
Beides schuf ihm gleiche Noth;
Doch war strenger, die ihm Minne bot.
Trauern und Minne
10   Zerbricht die zähsten Sinne.
Sollen dieß Abenteuer sein?
Sie hießen beßer beide Pein.

Kühne Leute sollten Keiens Noth
Beklagen: Mannheit ihm gebot

15   Sich zu erdreisten manchen Streit.
Man singt in manchen Landen weit,
Kei, Artusens Seneschant,
War ein arger Höllenbrand.
Des sagt ihn meine Märe los.
20   Er war der Würdigkeit Genoß:
Stimmen mir auch Wen'ge bei,
Ein getreuer, kühner Mann war Kei,
Das Zeugniss giebt ihm mein Mund.
Ich thu euch mehr wohl von ihm kund.
25   Artusens Hof war ein Ziel
Für der fremden Leute viel
Von verschiednem Thun und Trachten;
Nicht Alle konnte man achten.
Wer nur zu betriegen sann,
Kei sah ihn mit dem Rücken an;
297   Doch welcher Kurtoisie beging,
Nur werthe Kompagnie empfing,
Einen Solchen konnt er ehren,
Ihm jeden Wunsch gewähren.

5  

Zugestanden sei es zwar,
Daß Herr Kei ein Merker war.
Er meint' es gut mit seinem Herrn,
Schirmt' ihn durch seine Rauheit gern;
Den Lecker und den falschen Wicht

10   Litt er bei Ehrenmännern nicht:
Ein Hagelschauer war er ihnen
Und stach sie schärfer als die Bienen.
Seht, die verschrieen Keiens Preis;
Weil er getreu war und weis,
15   Fiel ihn ihr Haß verleumdend an.296, 13–297, 15. Diese Ehrenrettung Keies geht von der Erwägung aus, daß er Artus Seneschall nicht hätte sein können, wenn er so feige und lächerlich gewesen wäre, wie man ihn darzustellen pflegte. Die nordfranzösischen Dichter haben, um die Langmuth des Königs gegen seinen Seneschall zu erklären, die Fabel erfunden, Artus sei von der Gemahlin des biedern aber armen Ritters Anthor aufgesäugt worden, welche ihr eigenes Kind, den Keie, einer Bauersfrau übergeben habe, mit deren Milch er alle jene unhöfischen Unarten eingesogen.
Von Thüringen Fürst Herman,297, 16–20. Vgl. Einl. §. 4.
Wie ich dein Ingesind befinde,
Ein Theil hieß beßer Ausgesinde.
Dir wär auch eines Keien Noth,
20   Da wahre Milde dir gebot
Deinen Hof so bunt zu mischen,
Daß zu den Werthen, Höfischen
Auch viel Verächtliche dringen.
Darum muß Herr Walther singen
25   »Gut und Böse, guten Tag.«
Wo man also singen mag,
Da sind die Falschen geehrt.
Das hätt ihn Keie nicht gelehrt,
Noch Herr Heinrich von Rispach.
Nun höret zu, ich trage nach
298   Was sich am Plimizöl begab.
Da holten sie Herrn Keien ab
Ihn zu Artusens Zelt zu tragen.
Seine Freunde kamen ihn zu klagen,
5   Frauen viel und mancher Mann.
So kam auch mein Herr Gawan
In das Pavillon, wo Keie lag.
Er sprach: »O weh, unselger Tag!
Daß jemals diese Tjost geschah:
10   Denn einen Freund verlor ich da.«
Er klagt' ihn herzlich und gut.
Keie sprach im Unmuth:
»Herr, wollt ihr mir Beileid sagen?
So sollten alte Weiber klagen.
15   Ihr seid der Neffe meines Herrn:
Ich wollt euch ferner dienen gern;
Nie schlug ich einen Dienst euch ab,
Als mir Gott gesunde Glieder gab.
Da ließ ich mich nicht lange bitten;
20   So hab ich viel für euch gestritten
Und thät es künftig, sollt es sein.
Nun klagt nicht mehr, laßt mir die Pein.
Euer Ohm, der König hehr,
Trifft nimmer solchen Keien mehr.
25   Ihr seid zur Rache mir zu hochgeboren;
Doch wär ein Finger euch verloren
Gegangen, hätt ich gern mein Haupt
Daran gesetzt: seht, ob ihrs glaubt.«

»Kehrt euch nicht an mein Hetzen.
Er weiß unsanft zu letzen,

299   Der noch unflüchtig draußen hält;
Nicht trabt noch galoppiert der Held.
Auch ist wohl hier kein Frauenhaar
So mürbe weder noch so klar,
5   Es wäre doch ein festes Band
Am Streit zu hindern eure Hand.
Ein Mann, der solche Demuth übt,
Zeigt wohl, daß er die Mutter liebt;
Zum Kampf hielt ihn der Vater an.
10   Der Mutter folgt doch, Herr Gawan:
Vor scharfen Schwertern werdet bleich,
Mannlich zu streiten hütet euch.«

So fiel den hochbelobten Mann
An der unbewehrten Seite an

15   Sein Wort; der konnt es nicht vergelten;
Der Wohlgezogne kann das selten:
Denn ihm verschließt die Scham den Mund,
Die nie dem Schamlosen kund.

Gawan zu Keien sprach:

20   »Wo man schlug oder stach,
Ward ich je dabei gesehn,
Wer meine Farbe wollt erspähn,
Der sah wohl nie, daß ich erblich,
Nicht vor Schlag noch vor Stich.
25   Du zürnest mit mir ohne Noth:
Ich bins, der stäts dir Freundschaft bot.«
So schritt Herr Gawan aus dem Zelt:
Bringen ließ sein Ross der Held:
Sonder Schwert, ohne Sporen
Bestiegs der Degen wohlgeboren.

300  

Als er den Waleisen fand,
Des Sinn noch war der Minne Pfand,
Drei Tjoste durch den Schild der trug,
Die zweier Helden Hand ihm schlug;

5   Auch hatt ihn Orilus verletzt.
Heranritt Herr Gawan jetzt
Sonder Galoppieren;
Auch wollt er nicht tjostieren:
Er wollte gütlich nur ersehn,
10   Mit wem denn Kampf hier wär geschehn.

Den Fremdling grüßte Gawan zwar,
Der aber ward des nicht gewahr.
Wie konnt es wohl auch anders sein?
Frau Minne nahm ihn völlig ein,

15   Den Frau Herzeleid gebar:
Wie es angestammt ihm war,
Must er vom Sinne scheiden
Kraft angeerbter Leiden
Von des Vaters und der Mutter Art:
20   Der Waleis wenig inne ward,
Was des Herrn Gawanens Mund
Ihm da mit Worten machte kund.

König Lotens Sohn begann:
»Herr, ihr thut zu viel daran,

25   Daß ihr mir den Gruß versagt.
Ich bin doch nicht so ganz verzagt,
Daß ichs wohl anders fügen kann.
Ihr habt den Freund mir und den Mann
Und den König selbst entehrt,
Unsre Schande hier gemehrt;
301   Doch erwerb ich euch die Huld,
Daß euch der König schenkt die Schuld,
Wollt ihr nach meinem Rathe leben
Und mir Gesellschaft zu ihm geben.«

5  

Den Gachmuret erzeugte,
Nicht Flehn noch Drohn ihn beugte.
Der höchste Preis der Tafelrunde
Hatt auch von Liebesnöthen Kunde:
Unsanft hatt er sie erkannt,

10   Da er sich das Meßer durch die Hand
Stach: das schuf der Minne Kraft
Und weibliche Genossenschaft.
Auch war er von des Todes Banden
Durch eine Königin erstanden,
15   Da Lähelein der kühne Held
In stolzer Tjost ihn einst gefällt.
Zu Pfande setzte da für ihn
Ihr Haupt die süße Königin;
Die getreue Schöne hieß
20   Reine Ingüs de Bachtarließ.301, 9–20. Diese Beziehung auf uns unbekannte Vorgänge mag der Dichter in seiner Quelle gefunden haben.
Da dachte mein Herr Gawan:
»Vielleicht, daß Minne diesen Mann
Bezwingt so wie sie mich einst zwang,
Daß sie fest sich um ihn schlang,
25   Sinn und Gedanken ihm bestrickte.«
Er gab Acht, wohin der Waleis blickte,
Wohin er stäts das Auge trug.
Ein Sureiner Seidentuch
Gefüttert mit gelbem Zindale,
Schwang er auf die blutgen Male.

302  

Der Schleier barg das schnee'ge Blut;
Nicht sah es mehr der Degen gut.
Da gab zurück ihm Witz und Sinn
Von Pelrapär die Königin;

5   Sein Herz jedoch behielt sie dort.
Wollt ihr vernehmen nun sein Wort?

Er sprach: »O weh, Herrin und Weib,
Wer benahm mir deinen schönen Leib?
Erwarb im Kampfe meine Hand

10   Deine werthe Minne, Kron und Land?
Bin ichs, der dich von Klamide
Erlöste? Ich fand Ach und Weh
Und seufzend heiße Herzensbrunst
In deiner Hülfe. Augendunst
15   Hat dich bei lichter Sonne hie
Mir entführt, ich weiß nicht wie.«

Er sprach: »O weh, wo blieb mein Sper,
Den ich mitgebracht hieher?«
Da sprach mein Herr Gawan:

20   »Ihr habt ihn in der Tjost verthan.«
»Mit wem?« sprach der Degen werth,
»Habt Ihr doch weder Schild noch Schwert.
Wie sollt ich Preis an euch erjagen?
Doch muß ich euern Spott ertragen:
25   Ihr lernt vielleicht mich beßer kennen:
Ich war auch wohl bei Lanzenrennen.
Find ich an euch auch keinen Streit,
Doch sind die Lande wohl so weit,
Ich mag den Drang im Kampfe kühlen,
Noch Beides, Angst und Freude fühlen.«

303  

Da sprach zu ihm mein Herr Gawan:
»Die Rede, die ich hier gethan,
War lauter und minniglich,
Mit keiner Tücke trübt sie sich.

5   Ich verdiene noch was ich begehre.
Ein König liegt hier mit dem Heere,
Viel schönen Fraun und edeln Herrn.
Gesellschaft leist ich euch gern,
Geliebts euch hinzureiten,
10   Und bewahr euch auch vor Streiten.«
»Dank euch, Herr; ihr redet fein:
Ich will dafür erkenntlich sein.
Ihr bietet Kompagnie mir;
Wer ist euer Herr und wer seid ihr?«

15  

»Ich heiße Herren einen Mann,
Von dem ich große Lehn gewann,
Die mein Mund euch nicht verschweigt.
Er war mir immer so geneigt,
Daß er mirs ritterlich erbot.

20   Seine Schwester hat der König Lot,
Die mich zur Welt hat gebracht.
Was mir von Gott war zugedacht,
Das dienet Alles seiner Hand:
König Artus ist er genannt,
25   Meinen Namen trag ich unverstohlen,
Er bleibt auch keinem Land verhohlen;
Leute, die mich kennen,
Pflegen Gawan mich zu nennen.
Ich und mein Name dient' euch gern,
Bleibt nur üble Deutung fern.«

304  

»Bist du es,« sprach er da, »Gawan?
Wie wenig ich mich rühmen kann,
Daß du so wohl hier thust an mir!
Sagen hört' ich stäts von dir,

5   Du hast noch Allen wohlgethan.
Doch will ich deinen Dienst empfahn,
Vielleicht, daß ichs vergelte.
Sag an, wes sind die Zelte?
Dort ist so manches aufgeschlagen.
10   Liegt Artus hier, so muß ich klagen,
Daß ich nicht mit Ehren ihn
Darf sehen, noch die Königin,
Ich räche denn zuvor die Schläge,
Die ich im Herzen trauernd hege,
15   Seit ich schied, aus diesem Grund:
Mir lachte eines Mägdleins Mund;
Die schlug darum der Seneschalt,
Daß von ihr niederstob ein Wald.«304, 18. Eine Hyperbel wie die zu 57, 23 besprochene. Uebrigens scheint der Dichter zu vergeßen, daß es 151, 28 ein Stab war, womit Kunneware geschlagen wurde, keine Ruthe, von der hyperbolisch ein ganzer Wald hätte herabrieseln können.

»Unsanft ist das gerochen,«

20   Sprach Gawan, »ihm ist zerbrochen
Der rechte Arm, das linke Bein.
Reit her, sieh Ross und auch den Stein,
Hier noch Splitter auf dem Schnee
Des Spers, nach dem du fragtest eh.«
25   Da Parzival die Wahrheit sah,
Weiter frug und sprach er da:
»Ich verlaße mich auf dich, Gawan,
Ob dieß war derselbe Mann,
Der solche Schmach beging an mir:
So reit ich, wo du willst, mit dir.« –
305   »Ich will nicht lügen deinetwegen.
In einer Tjost ist auch erlegen
Segramors, ein kühner Held;
Seiner That war immer Preis gesellt.
5   Das geschah, eh Keie ward bezwungen:
An Beiden hast du Preis errungen.«

Zusammen ritten sie hindann,
Der Waleis und Gawan.
Viel Volk zu Ross und auch zu Fuß

10   Bot ihnen ehrenvollen Gruß,
Gawanen und dem Ritter roth,
Wie es ihre Zucht gebot.
Er führt' ihn in sein Zelt zuhand.
Frau Kunneware de Lalant,
15   Ihr Zelt schier an das seine ging:
Die ward froh, mit Freud empfing
Die Magd den Ritter, der gerochen,
Was Keie hatt an ihr verbrochen.
Ihren Bruder nahm sie an die Hand
20   Und Frau Jeschuten von Karnank.
So sah sie kommen Parzival;
Dem wars durch manches Eisenmal
Wie thauge Rosen angeflogen.
Den Harnisch hatt er abgezogen.
25   Er sprang auf, als er die Frauen sah:
Zu ihm sprach Kunneware da:

»Gott zuerst, darnach auch mir
Sollt ihr willkommen sein, da ihr
Euch so mannlich habt bewährt.
Mir war zu lachen gar verwehrt,

306   Eh euch mein Blick, mein Herz erkannt;
Alle Freuden hat mir da gebannt
Kei, der mich deswegen schlug;
Gerochen habt ihr das genug.
5   Ich küsst' euch, wär ich Küssens werth.«
»Das hätt ich selber jetzt begehrt,«
Sprach Parzival, »wenn ihrs erlaubt;
Eures Grußes bin ich froh, das glaubt.«

Sie küsst' und ließ ihn nicht mehr stehn.

10   Ihrer Jungfrauen Eine hieß sie gehn,
Daß sie ihr reiche Kleider brächte:
Geschnitten waren sie zurechte
Aus Pfellel von Ninive,
Da sie König Klamide,
15   Ihr Gefangner, sollte tragen.
Die Jungfrau brachte sie, mit Klagen,
Dem Mantel fehle noch die Schnur.
An ihre blanke Seite fuhr
Kunnewar: ein Schnürlein
20   Fand sie dort, das zog sie drein.
Er bat um Urlaub, daß er sich
Den Rost abspüle: sicherlich,
Seine Haut war licht und roth sein Mund.
Als er angekleidet stund,
25   Da war er lauter und klar;
Wer ihn sah, der sprach, fürwahr
Recht eine Blume sei der Mann.
Seine Farbe hohes Lob gewann.

Herlich stand ihm seine Tracht;
Einen grünen Smaragd

307   Schob sie ihm vor sein Halsgewand;
Auch gab ihm Kunnewarens Hand
Eines theuern Gürtels Zier.
Auf der Borte sah man manches Thier
5   In edeln Steinen erglühn;
Die Schnalle war ein Rubin.
Wie stands dem Jüngling sonder Bart,
Als er damit gegürtet ward?
Die Märe meldet, schmuck genug.
10   Das Volk ihm holden Willen trug.
Wer ihn sah, Weib oder Mann,
Ihn werth zu halten begann.

Als die Messe war gethan,
König Artus kam heran

15   Mit der ganzen Tafelrunde,
Die Niemand rieth mit falschem Munde.
Sie hatte Alle wohl vernommen,
Der rothe Ritter wär gekommen
Zu Gawanens Pavillon.
20   Dahin ging Artus der Breton.

Der zerbleute Antanor
Sprang dem König immer vor,
Daß er den Waleis sehen möchte.
Er frug: »Seid ihr es, der mich rächte

25   Und Kunnewaren de Laland?
Viel Preis erwarb eure Hand.
Keien wird es nun gereun,
Es ist gethan mit seinem Dräun;
Ich fürchte wenig seinen Schlag:
Der rechte Arm ist ihm zu schwach.«

308  

Da sah der junge König reich
Ohne Flügel Engeln gleich,
Wie er blühend auf der Erde ging.
Mit seinem Ingesind empfing

5   Ihn Artus minniglich und wohl.
Gutes Willens waren voll
Alle, die ihn hier ersahn.
Sein Urtheil würden sie bejahn,
Zu seinem Lob sprach Niemand Nein;
10   Er hatte minniglichen Schein.

Artus hub zum Waleis an:
»Ihr habt mir Lieb und Leid gethan.
Doch habt ihr mir der Ehre mehr
Gesendet und gebracht hieher,

15   Als ich je von einem Mann empfing;
Ich dient euch noch mit keinem Ding.
Und hättet ihr nicht mehr gethan,
Als daß die Herzogin gewann,
Jeschute, ihres Mannes Huld.
20   Gern auch hätt ich Keies Schuld
Vergolten ungerochen,
Hätt ich früher euch gesprochen.«
Artus sagt' ihm ihre Bitten,
Um die sie Alle sei'n geritten
25   So fern her über Berg und Thal.
Da baten sie ihn allzumal,
Bis er mit Hand und Munde
Verhieß der Tafelrunde
Genossenschaft auf alle Zeit.
Der Herrn Gesuch war ihm nicht leid,,
309   Er mocht es wohl zufrieden sein:
Drum gab er seinen Willen drein.

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