Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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        15   So zog mein Herr Gawan
Das Ross hinaus auf den Plan.
Es schüttelte sich: der Schild glitt nieder.
Er gürtete dem Rosse wieder
Und nahm den Schild an seinen Arm.
20   Wen nicht grämen will sein Harm,
Den tadl ich nicht; doch hatt er Noth!
Das schuf der Minne streng Gebot.
Der schönen Orgeluse Glanz
Trieb den Degen nach dem Kranz.
25   Doch verwegen war die Fahrt:
Der Baum war also bewahrt,
Es müsten um den Kranz ihr Leben
Seinesgleichen Zwei wohl geben:
Ihn hegte König Gramoflanz.
Gawan brach jedoch den Kranz.
604   Jenes Waßer hieß Sabins.
Gawan holte bittern Zins,
Als er drein fiel mit dem Pferde
Wie hold sich Orgelus geberde,
5   Ich ränge nicht nach ihrer Minne.
Ich weiß zu wohl was ich beginne.

Als das Reis sich Gawan brach,
Und der Kranz ward seines Helmes Dach,
Da ritt zu ihm ein Ritter kühn:

10   Den sah er in den Jahren blühn,
Nicht zu jungen, noch zu alten.
Ihn lehrte Hochmuth solch Verhalten:
Wie viel zu Leid ihm ward gethan,
Doch stritt er nicht mit Einem Mann:
15   Es musten Zwei sein oder mehr.
Sein stolzes Herz war so hehr,
Was ihm Einer that zu Leid,
Darum erhob er keinen Streit.

Le fils dü Roi Irot

20   Gawanen guten Morgen bot;
Das war der König Gramoflanz.
Da sprach er: »Herr, auf diesen Kranz
Hab ich noch nicht ganz verzichtet.
Mein Gruß hätt anders euch berichtet,
25   Wenn eurer zweie wären,
Die ihren Preis zu mehren
Sich kühnlich unterfangen,
Meines Baums ein Reis zu langen.
Die sollten mir zu Rede stehn:
So aber muß ich es verschmähn.«

605  

Ungern auch Gawan mit ihm stritt,
Da der König wehrlos ritt;
Doch trug der Sperverderber
Einen jährigen Sperber:

5   Der stand auf seiner weißen Hand;
Itonjê hatt ihn ihm gesandt,
Gawanens holde Schwester.
Ein Pfaunhut von Sinzester
Wars, der ihm zu Haupte saß,
10   Von Sammet grün wie das Gras
War der Mantel, den er führte;
Vom Pferde hangend rührte
Rechts und links die Erde schier
Des Hermelinbesatzes Zier.

15  

Nicht zu groß, doch stark genug
War das Pferd, das ihn trug,
Um Pferdesschöne nicht betrogen,
Am Zaum aus Dänmark hergezogen;
Oder kam es auf dem Meer?

20   Der König ritt ohn alle Wehr;
Auch sein Schwert führt' er nicht.
»Von Kampf giebt euer Schild Bericht,«
Sprach der König Gramoflanz,
»Wenig blieb des Schildes ganz:
25   Durch solchen Kampf ward euch zu Theil,
Seh ich wohl, das Lit merveil.
Ihr habt das Abenteur vollbracht,
Das mir wurde zugedacht,
Wenn auch Klinschor immerdar,
Der weise, mir befreundet war,
606   Und ich mit ihr nur kriege,
Die durch der Minne Siege
Hat die Oberhand behalten.
Sie läßt den Zorn noch schalten
5   Wider mich. Auch zwingt sie Noth:
Cidegasten schlug ich todt,
Selbvierten, ihren werthen Mann.
Sie selber führt ich so hindann.
Ich bot die Kron ihr, bot mein Land;
10   Doch wie ihr Dienst bot meine Hand,
Haß bot ihr Herz mir immerdar.
So hielt ich flehend sie ein Jahr
Und konnte Minne nicht erjagen.
Ich muß mein Herzeleid euch klagen:
15   Ich weiß, daß sie euch Minne bot,
Weil ihr hier sinnt auf meinen Tod.
Wärt ihr selbander nun gekommen,
Mir das Leben hättet ihr benommen,
Oder ihr wärt beid erstorben:
20   Den Lohn hätt euch ihr Dienst erworben.

»Doch jetzt nach andrer Minne geht
Mein Herz, das euch um Gnade fleht,
Da ihr zu Terre merveile seid
Geworden Herr. Durch kühnen Streit

25   Habt ihr dort den Preis behalten.
Laßt ihr nun Güte walten,
So helfet mir bei einer Magd,
Nach der mein Herz sich sehnend klagt.
Sie ist König Lotens Kind:
Alle die auf Erden sind,
607   Zwangen nimmer mich so sehr.
Sie sandte mir ihr Kleinod her.
Gelobt von mir der schönen Maid
Getreue Dienstbeflißenheit.
5   Wohl hoff ich auch, sie ist mir hold;
Sie hat mir Noth genug gezollt:
Seit Orgelus die Herzogin
Mit feindselger Worte Sinn
Ihre Minne mir versagte:
10   Wenn ich Preis seitdem erjagte,
So ward mir nimmer wohl noch weh
Als um die schöne Itonjê.
Leider sah ich sie noch nicht.
Wenn eure Gunst mir Trost verspricht,
15   So bringt dieß kleine Ringelein
Der klaren süßen Herrin mein.
Kampf findet ihr hier nicht fürwahr,
Ihr kämet denn in größrer Schar,
Zu zweien oder mehren gleich.
20   Wie ehrt' es mich, erschlug ich euch,
Oder erzwänge Sicherheit
Von euch? stäts mied ich solchen Streit.«

»Ich dächte doch,« sprach Herr Gawan,
»Ich wär ein wehrlicher Mann.

25   Wenn ihr damit nicht Preis erjagt,
So ihr im Zweikampf mich erschlagt,
So mehrt es auch nicht meinen Preis,
Daß meine Hand sich brach dieß Reis.
Aber ehrt' es mich wohl sehr,
Erschlüg ich hier euch ohne Wehr?
608   Euer Bote will ich sein:
Gebt mir her das Ringelein
Und laßt mich euern Dienst ihr sagen
Und eures Herzens sehnlich Klagen.«
5   Der König nahm es dankend an.
Da frug ihn aber Gawan:
»Da ihr mit mir verschmäht den Streit,
So sagt mir, Herr, wer ihr seid?«

»Euch ists mit Nichten lästerlich,«

10   Sprach Gramoflanz, »ich nenne mich:
Mein Vater hieß Irot;
Den erschlug der König Lot.
Ich bin der König Gramoflanz.
Meines Herzens Muth war stäts so ganz,
15   Daß ich zu keinen Zeiten
Wegen Kränkung mochte streiten,
Die mir that ein einzger Mann.
Von Einem nur, er heißt Gawan,
Hab ich so viel Preis vernommen,
20   Mit ihm zu streiten würd ich kommen.
So wird mein altes Leid gerochen:
Sein Vater hat die Treu gebrochen,
Im Gruß er meinen Vater schlug.
Zu rächen hab ichs Grund genug.
25   Dieweil ist Lot gestorben;
Doch Gawan hat erworben
Solchen Preis aus aller Munde,
Daß Niemand an der Tafelrunde
Sich seinem Preis vergleichen mag.
Mir kommt zum Kampf mit ihm der Tag!«

609  

Da versetzte König Lotens Kind:
»Zeigt ihr so euch holdgesinnt
Eurer Freundin, wenn sie's ist,
Daß ihr so arge Hinterlist

5   Mögt von ihrem Vater sagen
Und ihr den Bruder wollt erschlagen?
So ist sie eine üble Magd,
Wenn ihr der Brauch an euch behagt.
Kennt sie der Tochter, Schwester Pflicht
10   So nimmt sie scharf euch ins Gericht.
Daß ihr entsaget solchem Haß.
Wie stünde euerm Schwäher das,
Hätt er die Treu gebrochen?
Habt ihrs als Eidam nicht gerochen,
15   Wie ihr dem Todten sprachet Hohn?
So erkühnt es sich der Sohn:
Keine Müh wird ihn verdrießen;
Und soll er nicht genießen
Dabei der Schwester Beistand,
20   So beut er selber sich zum Pfand.
Herr, ich heiße Gawan:
Was euch mein Vater hat gethan,
Das rächt an mir, denn er ist todt.
Gern will ich, eh ihm Schande droht,
25   Hab ich würdigliches Leben,
Es euch im Kampf zu Geisel geben.«

Der König sprach: »Seid ihr der Mann,
Dem ich ungesühnten Haß gewann,
So ist mir eure Würdigkeit
Beides, lieb und auch leid.

610   Ein Ding gefällt mir an euch wohl,
Daß ich mit euch streiten soll.
Euch trägt es hohen Preis schon ein,
Daß ich versprach, mit euch allein
5   Woll ich zum Kampfe kommen.
Uns wirds zum Preise frommen,
Wenn wir edle Frauen
Unsern Kampf laßen schauen.
Fünfzehnhundert bring ich dar;
10   Ihr habt auch eine kleine Schar
Dort zu Schatel merveil.
Andre bringt zu euerm Theil
Artus euer Oheim mit
Aus dem Land, das er erstritt,
15   Und das Löver ist genannt.
Euch ist wohl die Stadt bekannt
Bems an der Korka?
All sein Ingesind ist da,
So daß er nach dem achten Tag
20   Von heut mit Freuden kommen mag.
Von heut am sechzehnten Tage
Komm ich zur Sühnung alter Klage
Auf den Plan von Joflanze,
Und weil ihr grifft nach diesem Kranze.«
25   Obwohl der König Gawan bat:
»Folgt mir nach Roschsabins der Stadt,
Keine andre Brücke trefft ihr an,«
Doch entgegnet ihm Gawan:
»Ich will nicht anders hin als her;
Sonst thu ich willig eur Begehr.«
611   Sie gaben sich Fianze,
Daß sie gen Joflanze
Mit Rittern und mit Fraungeleit
Beide kämen zu dem Streit
5   Und dem benannten Tagedinge,
Sie Zwei allein zu Einem Ringe.

Also schied mein Herr Gawan
Für heute von dem kühnen Mann.
Mit dem Kranze, der den Helm ihm zierte,

10   Der Ritter freudig galoppierte.
Er verhing dem Ross den Zaum
Und spornt' es an des Ufers Saum.
Gringuljet nahm bei Zeit
Dießmal seinen Sprung so weit,
15   Daß nicht zu Falle kam der Degen.
Ihm ritt die Herzogin entgegen,
Als auf das grünende Feld
Gesprungen war vom Ross der Held,
Weil ihm der Gurt war losgegangen.
20   Huldigend ihn zu empfangen
Eilends auf das thauge Grün
Sprang die reiche Herzogin.
Zu seinen Füßen warf sie sich
Und sprach: »Herr, solcher Noth, wie ich
25   Zu meinem Dienst von euch begehrt,
Ward nimmer meine Würde werth.
Nun schafft mir solches Herzeleid
Eurer Mühsal Fährlichkeit,
Wie um den geliebten Mann
Ein getreues Weib nur fühlen kann.«

612  

»Frau,« sprach er, »wenn dieß Wahrheit ist,
Grüßt ihr mich ohne Hinterlist,
So naht ihr euch dem Preise.
Ich bin doch wohl so weise:

5   Soll der Schild sein Recht empfangen,
So habt ihr euch an ihm vergangen,
Des Schildes Amt ist hoher Art,
Und immer blieb vor Spott bewahrt,
Wer es mit Ehren hat getragen.
10   Frau, geziemt es mir zu sagen,
Wer mich gesehen hat dabei,
Der gestand, daß ich ein Ritter sei:
Das wolltet ihr nicht zugestehn,
Da ihr zuerst mich habt gesehn.
15   Das laß ich ruhn: nehmt hin den Kranz.
Doch mög euch eurer Schönheit Glanz
Nicht verleiten mehr, so bitter
Mitzuspielen einem Ritter.
Eh ich ertrüge solchen Hohn,
20   Entsagt ich wohl dem Minnelohn.«

Mit herzlichem Weinen
Sprach die Schöne zu dem Reinen:
»Wenn ich die Noth euch klage,
Die ich, Herr, im Herzen trage,

25   Ihr gesteht, daß ich unselig bin.
Zeig ich wem unholden Sinn,
Er mag es billig mir verzeihn.
Nie büß ich wieder so viel ein
An Freuden, gegen die verlornen
An Cidegast, dem auserkornen.

613  

»Mein süßer Freund, schön und klar,
Sein Preis so durchleuchtig war,
Er rang nach Würdigkeit so sehr,
Daß ihm dieser so wie der,

5   Die je in unsern Tagen
Einer Mutter Schooß getragen,
Gestand, mit seiner Würdigkeit
Wage Niemands Preis den Streit.
Es war ein Born höfischer Tugend,
10   In unerschöpflicher Jugend
Litt er des Falsches Trübung nicht.
Aus der Finsterniss zum Licht
Hatt er sich hervorgethan
Und trug den Preis so hoch hinan,
15   Daß Niemand ihn erreichte,
Den Falschheit je erweichte.
Sein Preis war hoch emporgetrieben,
Daß all die andern drunten blieben,
Aus seines Herzens Kernen:
20   So kreist ob allen Sternen
Der schnelle Saturnus.
Getreu wie der Monocirus,
Wenn ich die Wahrheit sprechen kann,
So war mein erwünschter Mann.
25   Das Einhorn sollten Jungfraun klagen:
Ihrer Reinheit halber wirds erschlagen.
Ich war sein Herz, er war mein Leib;
Den verlor ich armes Weib.
Ihn erschlug der König Gramoflanz
Von dem ihr führet diesen Kranz.

614  

»Herr, sprach ich jemals euch zu nah,
Wißt, daß es darum geschah,
Weil ich versuchen wollte,
Ob ich mit Minne sollte

5   Lohnen eure Würdigkeit.
Mein Sprechen, weiß ich, that euch leid;
Doch versucht' euch nur mein Mund.
Thut nun eure Milde kund,
Indem ihr euerm Zorn befehlt
10   Und mir verzeiht, wenn ich gefehlt.
Ich befand euch tugendreich:
Recht dem Golde seid ihr gleich,
Das man läutert in der Glut:
So ist geläutert euer Muth.
15   Den zu bestreiten ich euch brachte,
Wie ich denke, wie ich dachte,
Der hat mir Herzeleid gethan.«
Da sprach mein Herr Gawan:

»Frau, mir wehr es denn der Tod,

20   Den König lehr ich solche Noth,
Daß seine Hochfahrt endet.
Meine Treue steht verpfändet,
Ich will in kurzen Zeiten
Mit ihm zum Kampfe reiten:
25   Da gilt es, Mannheit kundzuthun.
Frau, verziehen ist euch nun.
Wenn ihr aber nicht verschmäht,
Was mein einfältger Sinn euch räth,
So wäre weibliche Ehre
Und Würdigkeit meine Lehre.
615   Hier ist Niemand jetzt als wir:
Zeigt euch gnädig, Frau, an mir.«

»An geharnischtem Arm,«
Sprach sie, »ward ich noch selten warm.

5   Doch will ichs nicht bestreiten,
Ihr mögt zu andern Zeiten
Wohl Lohn bei mir erjagen.
Eure Mühsal will ich klagen.
Bis ihr von allen Wunden
10   Mochtet völliglich gesunden,
So daß aller Schade heil.
Gen Schatel merveil
Will ich euch jetzt begleiten.«
»Freude wollt ihr mir bereiten,«
15   Sprach der minnegehrende Mann.
Er hob die Fraue wohlgethan
An sich drückend auf ihr Pferd.
Dessen hatt er ihr nicht werth
Geschienen, an dem Brunnen dort;
20   Da gab sie ihm manch queres Wort.

Gawan ritt froh von hinnen;
Sie ließ die Thränen rinnen,
Bis er mit ihr klagte.
Er bat, daß sie ihm sagte,

25   Warum sie Thränen vergieße?
Daß sie um Gott das Weinen ließe.
Da sprach sie: »Herr, ich muß euch klagen
Von dem, der mir ihn hat erschlagen,
Den werthen Helden, Cidegasten.
Nun darf ins Herz mir Jammer tasten;
616   Sonst wohnte Freude drinne
Durch Cidegastens Minne.
Doch war ich so noch nicht verdorben,
Ich hab ihm Schaden viel geworben,
5   Was es auch mochte kosten.
Mit manchen scharfen Tjosten
Stellt' ich ihm nach dem Leben.
Vielleicht sollt ihr mir Hülfe geben,
Die mich rächt und mir vergütet
10   Das Leid, das noch mein Herz durchwüthet.

»Ich empfing auf Gramoflanzens Tod
Dienst, den mir ein Degen bot,
Der jeden Erdenwunsch besaß;
Sein Name, Herr, war Anfortas.

15   Von ihm als Minnekleinod nahm
Ich jenen Tabroniter Kram,
Der noch vor eurer Pforte steht,
Und den man theuer wohl ersteht
Von dem Lohn, den er erworben,
20   Ist auch meine Freud erstorben:
Da ich ihm Minne sollte schenken,
Must ich neuen Jammers denken.
Sein Lohn war grimmige Beschwer.
Gleichen Jammer oder mehr,
25   Als mir Cidegast gegeben,
Ließ mich Anfortas Wund erleben.
Nun saget selbst, wie sollt ich Arme
Besonnen thun bei solchem Harme?
Hieß es nicht von Treue wanken?
Must ich selber nicht erkranken,
617   Da alle Hülf an ihm verloren,
Den ich nach Cidegast erkoren
Mich zu trösten und zu rächen?
Herr, nun höret sprechen,
5   Wie Klinschor zu dem reichen Kram
Vor euerm Thor, der Zaubrer, kam.

»Als Anfortas, meinem Lieb,
Freud und Minne ferne blieb,
Der jene Gabe mir gegeben,

10   Da sorgt' ich, Schande zu erleben.
Klinschor wust ich, dankt der Gunst
Der negromantischen Kunst,
Daß er mit Zauber zwingen kann
Wen er will, Weib und Mann.
15   Weiß er irgends werthe Leute,
Die werden seines Zaubers Beute.
Da ward mein reicher Kram um Frieden
Klinschorn mit dem Beding beschieden:
Wer sein Abenteur bestände
20   Und den Sieg im Kampfe fände,
Den zu minnen wär mir Pflicht;
Wollt er meine Minne nicht,
So wär der Kram von Neuem mein;
Jetzt sollt er unser beider sein.
25   Das beschwor mir, wer zugegen war.
Verlocken wollt ich in Gefahr
Gramoflanz mit solcher List,
Die leider nicht gelungen ist.
Hätt er die Aventür gewagt,
So blieb der Tod ihm unversagt

618  

»Klinschor ist höfisch und klug:
Willig vergönnt' er mir Fug,
Durch sein Land nach allen Seiten
Darf mein Ingesinde reiten

5   Mit manchem Stich und manchem Schlag.
Die ganze Woche jeden Tag,
Die Wochen all im ganzen Jahr
Drohn wechselnd Rotten ihm Gefahr,
Die bei Tag und die bei Nacht.
10   Die Kosten hab ich nie bedacht,
Galt es dem kühnen Mann zu schaden:
Er ist mit ihrem Kampf beladen.
Was ihn wohl beschützen mag?
Seinem Leben stell ich nach.
15   Die zu reich sind meinem Sold,
Oft wurden die umsonst mir hold:
Um Minn ich manchen dienen ließ,
Dem ich doch niemals Lohn verhieß.

»Selten sah mich noch ein Mann,

20   Von dem ich Dienst nicht bald gewann;
Nur Einer, Waffen trägt er roth,
Brachte mein Gesind in Noth.
Er kam vor Logrois geritten,
Da hatt er gleich den Sieg erstritten.
25   Mein Volk er nieder streute,
Daß ich mich nicht drob freute.
Zwischen Logrois und euerm Plan
Griffen ihn fünf der meinen an:
Die stach er alsbald zur Erde
Und gab dem Fährmann die Pferde.
619   Als er meine Ritter niederstach,
Ritt ich selbst dem Helden nach.
Ich bot mein Land, bot Hand und Leib:
Er sprach, er hätt ein schöner Weib
5   Und die ihm lieber wäre.
Unlieb war mir die Märe;
Wie sie heiße, frug ich ihn.
»Von Pelrapär die Königin,
Das ist die Schöne meiner Wahl;
10   Ich selber heiße Parzival.
Mich kümmert nicht, ob ihr mich liebt;
Der Gral mir andern Kummer giebt.«
So sprach der Held im Zorne;
Hin ritt der Auserkorne.
15   That ich daran Unrecht,
Laßt es mich erfahren, sprecht,
Daß ich in meines Herzens Noth
Dem werthen Ritter Minne bot?
Bringt es meiner Minne Schmach?«
20   Gawan zu Orgelusen sprach:
»Frau, ich weiß, er war es werth,
Von dem ihr Minne habt begehrt.
Euer Preis wär unverloren,
Hätt er eure Minn erkoren.«

25  

Gawan, der Held kurtois,
Und die Herzogin von Logrois
Blickten sich einander an.
Da ritten sie so nah heran,
Sie wurden von der Burg erkannt,
Wo er das Abenteur bestand.

620   Da sprach er: »Frau, hört mein Begehren,
Ihr werdets hoffentlich gewähren.
Laßt meinen Namen unbekannt,
Den euch der Ritter hat genannt,
5   Der mir entwandte Gringuljeten.
Leicht thut ihr, wie ich euch gebeten.
Sollt euch Jemand darnach fragen,
Mein Geselle, mögt ihr sagen,
Ist mir unbekannt von Namen,
10   Den meine Ohren nie vernahmen.«
Sie sprach zu ihm: »Es bleibt verhohlen,
Da ihrs zu hehlen mir befohlen.«

Er und die Herrin wohlgethan
Ritten zu der Burg heran.

15   Die Ritter hatten jetzt vernommen,
Daß ein Ritter wär gekommen,
Der die Aventür bestand,
Den grimmen Löwen überwand
Und den Türkowiten auch hernach
20   In rechter Tjost vom Sattel stach.
Eben ritt da Herr Gawan
Auf des Kampfspiels blumgen Plan:
Auf der Zinne sah man ihn.
Die Ritter zogen gleich dahin
25   Aus der Burg mit Schalle;
Da führten sie Alle
Reiche Banner an den Schäften.
Er sah sie mit Kräften
Die schnellen Rosse reiten:
Wollten sie mit ihm streiten?

621  

Als er von fern sie kommen sah,
Zur Herzogin begann er da:
»Ziehn die uns feindlich wohl daher?«
Da sprach sie: »Es ist Klinschors Heer,

5   Die euch nicht erwarten mögen:
Sie reiten fröhlich euch entgegen
Und empfangen ihren neuen Herrn.
Ihren Gruß vernehmet gern,
Den ihnen Freude nur gebot.«
10   Nun war auch Plippalinot
Mit seiner Tochter wohlgethan
Angekommen in dem Kahn.
Auf dem Anger ihm entgegen ging
Die Magd, die freudig ihn empfing.

15  

Gawan bot ihr seinen Gruß;
Sie küsst' ihm Stegereif und Fuß
Und hieß die Herzogin willkommen.
Sie hatte seinen Zaum genommen
Und bat Gawanen: »Steigt vom Pferd.«

20   Die Herrin und der Degen werth
Gingen zu des Schiffleins Bord.
Teppich und Polster sah man dort
Liegen als zum Schmuck der Stelle,
Wo, so wollt es ihr Geselle,
25   Die Herzogin bei Gawan saß,
Während Bene nicht vergaß
Ihn zu entwappnen. In das Schiff getragen
War auch der Mantel, hört' ich sagen,
Der ihn gedeckt in jener Nacht,
Die er bei dem Fährmann zugebracht:
622   Der kam ihm jetzt zur rechten Zeit.
Ihren Mantel und sein Oberkleid
Legte da der Degen an;
Sie trug die Rüstung hindann.

5  

Hier nahm die Herzogin klar
Erst seines Antlitzes wahr,
Da sie saßen beieinander.
Zwei gebratene Galander,
Dazu ein Glas gefüllt mit Wein

10   Und zwei Kuchen blank und fein
Die süße Magd zur Stelle trug
Auf einer Zwickel blank genug.
Die Speise war des Sperbers Beute.
Orgelus und Gawan musten heute
15   Vor dem Male sich bequemen
Das Waschwaßer selbst zu nehmen;
Was sie doch wohl gerne thaten.
Er war mit Freude reichberathen,
Daß er mit ihr eßen sollte,
20   Mit der er theilen wollte
So die Freude wie die Noth.
So oft sie ihm den Becher bot,
Den berührt jetzt hatt ihr Mund,
Ward ihm neue Freude kund,
25   Daß er nach ihr sollte trinken.
Seine Trauer muste sinken,
Hochgemüthe ward ihm kund.
Ihre lichte Farb, ihr süßer Mund
Trieb alles Leid aus seinem Herzen,
Er fühlte keine Wunde schmerzen.

623  

Ihre Malzeit schauen
Mochten auf der Burg die Frauen.
Jenseits zu dem Kampfplatz kam
Mancher Ritter lobesam:

5   Man sah sie kunstvoll Buhurt reiten.
Herr Gawan dankt' auf dieser Seiten
Dem Fährmann und der Tochter sein
(Orgeluse stimmte gern mit ein)
Gütlich für Trank und Speise.
10   Orgeluse sprach, die weise:
»Wo ist der Ritter hingekommen,
Der gestern vor den Sper genommen
Ward, eh ich von hinnen ritt?
Wenn ihn Jemand niederstritt,
15   Blieb er am Leben oder todt?«
Da sprach Plippalinot:

»Frau, ich sah ihn heut noch leben.
Er ward mir für ein Ross gegeben.
Wollt ihr diesen Mann befrein,

20   So sei dafür die Schwalbe mein,
Die Sekundille sonst besaß,
Und die euch sandte Anfortas:
Wird die Harfe mir, so sei
Von Gowerzein der Herzog frei.«

25  

Sie sprach: »Die Harf und was noch mehr
Zum Kram gehört, das möge der
Verschenken oder behalten,
Der hier sitzt: ihn laß ich walten.
Zu zeigen, daß er hold mir sei,
Mach er mir Lischoisen frei,

624  

Den Herzogen von Gowerzein,
Und auch den andern Fürsten mein,
Von Itolak Floranden,
Der mir Wache Nachts gestanden.
5   Er war mein Türkowit, und so
Werd ich nimmer seines Kummers froh.«

Gawan sprach zu der Frauen:
»Ihr sollt sie ledig schauen
Beide, eh uns kommt die Nacht.

10   Sie hatten sich derweil bedacht
Und fuhren an das Ufer hin.
Da hub die schöne Herzogin
Herr Gawan wieder auf ihr Pferd.
Mancher edle Ritter werth
15   Empfing ihn und die Herzogin.
Sie wandten zu der Burg sich hin.
Da ward mit freudgen Sitten
Künstlich Buhurt geritten
Mit Stich und Lanzenbrechen.
20   Was soll ich weiter sprechen?
Als den werthen Gawan
Und die Fürstin wohlgethan
Empfingen so die Frauen,
Sie mochtens gerne schauen,
25   Auf Schatel merveil.
Nun gereich' es ihm zum Heil,
Was ihm Liebes hier geschah.
An sein Gemach führt' ihn da
Arnive: seine Wunden
Wurden ihm geschickt verbunden.

625  

Zu Arniven sprach Gawan:
»Frau, einen Boten schafft mir an.«
Eine Jungfrau ward hinausgesandt:
Einen Fußknecht brachte die zuhand,

5   Der war mannlich und klug
Für einen Fußknecht genug.
Der Knappe schwur ihm einen Eid,
Würd ihm Lieb oder Leid,
Doch verrieth' ers weder dort
10   Noch anderwärts, als an dem Ort,
Wo er es bestelle.
Gawan bat, daß man schnelle
Dinte holt' und Pergament.
Da schrieb die Botschaft, die ihr kennt,
15   Lotens Sohn mit fertger Hand:
Er entbot gen Löver in das Land
Artusen und Frau Ginoveren,
Ihnen treue Dienste zu gewähren
Sei er bereit in alter Weis;
20   Und hab er je beseßen Preis,
Der sei an Würdigkeit nun todt
Ohn ihre Hülf in dieser Noth:
Wenn sie der Treu nicht dächten
Und gen Joflanze brächten
25   Der Ritter und der Frauen Schar.
Zum Kampfe komm er selber dar
Und löse seiner Ehre Pfand.
Dann macht er ihnen noch bekannt,
Daß sich die Kämpfer vorgenommen
Mit Gepräng zum Kampf zu kommen.
626   Auch entbot da Herr Gawan
Und ersuchte Weib und Mann,
Artusens ganzes Ingesind,
Wären sie ihm holdgesinnt,
5   So riethen sie dem Herrn zu kommen.
Es würd auch ihrer Ehre frommen.
All den Würdigen entbot
Er Gruß und seines Kampfes Noth.

Obgleich der Brief kein Siegel trug,

10   Wahrzeichen standen drin genug,
Daß man sah, wer ihn geschrieben.
»Nun sollst dus länger nicht verschieben,
Mein Knappe, deines Wegs zu ziehn.
Der König und die Königin
15   Sind zu Bems an der Korka.
Frau Ginoveren sollst du da
Zu sprechen suchen gleich am Morgen:
Du wirst es, hoff ich, wohl besorgen.
Der List vergiß mir nicht dabei:
20   Verschweig, daß ich hier Herre sei.
Daß du hier Ingesinde bist,
Gedenke des zu keiner Frist.«

Der Knappe eilends aufbrach;
Arnive schlich ihm leise nach

25   Und frug, wohin er wollte
Und was er bestellen sollte.
Er sprach: »Es wird euch, Frau, nicht kund:
Ein Eid versiegelt mir den Mund.
Behüt euch Gott, ich muß nun fahren.«
Da ritt er hin zu tapfern Scharen.

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