Wolfram von Eschenbach
Parzival und Titurel
Wolfram von Eschenbach

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II.
Herzeleide.

Inhalt.

Da sein Vetter, König Kailet, den er zu Sevilla vergebens aufsucht, gen Kanvoleis zum Turnier gezogen ist, so macht auch er mit hundert neuen Speren sich dahin auf. Dieß Turnier hatte die Königin Herzeleide, die jungfräuliche Wittwe, ausgeschrieben, und dem Sieger ihre Hand und beide Königreiche, Waleis und Norgals mit den Hauptstädten Kanvoleis und Kingrivalis, verheißen. Gachmuret läßt sein vor Patelamund erworbenes Prachtgezelt aufschlagen und hält einen glänzenden Einzug in Kanvoleis: durch beides erregt er die Bewunderung der Königin, deren stralende Schönheit auch ihn durchzuckt. Hier findet er Kailet, Killirjakag und Gaschier wieder. Kailet bittet ihn, ihm im Turnier gegen Hardeiß, König von Gaskon, beizustehen, der ihn haßt, weil er seine Schwester Aleiß verschmäht hat, welche jetzt dem gleichfalls gegenwärtigen Herzog Lämbekein von Brabant vermählt ist. Die zum Turnier anwesenden Ritter haben sich in ein inneres und äußeres Heer getheilt, je nachdem sie in der Stadt oder draußen auf dem Felde liegen. Zum inneren Heere, dem sich Gachmuret beigesellt, halten sich, außer dessen schon genannten Freunden, der alte Britenkönig Utepandragon, dessen Sohn Artus schon drei Jahre seiner von dem Zauberer Klinschor entführten Mutter nachzieht, ferner König Lot von Norwegen, mit seinem unmündigen, hier zuerst erwähnten Sohne Gawan, die Könige von Patrigalt und Portugall, die Provenzalen und Waleisen u. s. w. Zum äußern gehören, außer König Hardeiß von Gaskon und seinem Schwager, dem Herzog Lämbekein von Brabant, noch die Könige Brandelidelein von Punturtois und Schaffilor von Arragon, dann König Lähelein und der König von Askalon, ferner Morhold von Irland, Cidegast von Logrois, Poitewin von Prienlaskros u. s. w. Als Theilnehmer am Turnier werden ferner erwähnt Schiolarz de Poitou, Gurnemans de Graharz und Riwalin, König von Lohneis, der Vater Tristans. Schon am Vorabend beginnt der Kampf mit einem Vesperspiel (Vorturnier). Gachmuret, in Eisenharts Rüstung, besiegt und fängt unter Andern die Könige Hardeiß von Gaskon, Brandelidelein von Punturtois, Schaffilor von Arragon und Lähelein; Kailet sticht den Herzog von Brabant nieder, wird aber selbst von den Punturteisen gefangen, wie Killirjakag, der zuvor den König Lach niedergerannt hat, von Morholden. Doch bleibt der Sieg den Innern, vornämlich durch Gachmurets Tapferkeit. Traurig empfängt er gleichwohl die Königin Herzeleide, die ihn am Abend in seinem Zelte besucht. Ihn foltern die widersprechendsten Gefühle; denn während des Kampfs hatte ihm seine Jugendgeliebte, die Königin Anflise von Frankreich, deren Gemahl gestorben ist, ihre Hand antragen laßen; auch verdüstert seinen Sinn die Ahnung von dem Tode seines Bruders Galoes; denn ein Fürst des Landes Anschau hatte dessen Wappenschild umgekehrt, mit emporgerichteter Spitze, getragen. Dazu peinigen ihn Gewißensbiße über seine treulose Flucht von Zaßamank, dessen schwarze Königin er immer noch liebt, da ihn doch auch Herzeleidens Schönheit nicht unempfindlich läßt. Kailet und Killirjakag, von den Aeußern zur Auswechselung gegen König Brandelidelein hereingeschickt, kommen hinzu und erklären Gachmuret für Sieger im Turnier, da die Aeußern, deren Stärke Gachmuret gefangen genommen hat, es bei dem Vesperspiel bewenden laßen wollen. Da hienach Herzeleide, dem Gesetze des Turniers gemäß, seine Hand anspricht, und zugleich Anflisens Boten deren Rechte verwahren, gelobt Gachmuret, Kanvoleis nicht zu verlaßen, bis über Herzeleidens Sache entschieden sei. Als sie sich entfernt, erfährt Gachmuret durch Kailet die Bestätigung seiner Ahnung von dem Tode seines Bruders und zugleich die Nachricht, daß auch seine Mutter Schoiette gestorben ist. Er zieht sich in sein Zelt zurück und bringt die Nacht mit Jammer hin. Am andern Morgen finden Schiedsrichter, seiner Einrede, daß gar kein Turnier Statt gefunden, ungeachtet, das Urtheil, Gachmuret, als Sieger im Ritterspiel, dürfe Herzeleidens Hand nicht ausschlagen. Er unterwirft sich dem Spruch, worauf Anflisens Boten unwillig hinwegreiten. Da ihm nun mit der Hand Herzeleidens zwei Königreiche und als Erben seines Bruders auch die Krone von Anschau zugefallen, entschließt er sich als Volksherrscher zur Freude, vertauscht den Anker mit seines Vaters Wappen, dem Panther, und begeht, nachdem er Hardeißen mit Kailet versöhnt hat, eine glänzende Hochzeit. Von Herzeleiden hatte er sich monatlich ein Turnier ausbedungen: darin trägt er das seidene Hemde seiner Frauen über dem Harnische, welches sie dann, durchstochen und zerhauen, wieder anlegt. Dieß war achtzehnmal geschehen, als er wieder über Meer fährt, um dem Baruch, der von jenen babylonischen Brüdern abermals überfallen ist, beizustehen. Herzeleide, die schwanger zurückgeblieben ist, wird eines Tages von einem Traume geängstigt, der ihr den Tod des Gemahls und zugleich ihres Kindes Schicksale vorbedeutet. Als sie erwacht, bringt Tampaneis, Gachmurets Meisterknappe, die Trauerbotschaft von dessen Tod durch den Verrath Ipomidons. Vierzehn Tage später gebiert sie die Blüte aller Ritterschaft: Parzival.

 

        Dort zu Spanien in dem Land
War ihm der König wohlbekannt;
Das war sein Vetter Kailet;
Zu diesem eilt er gen Toled.
59   Der war nach Ritterschaft gefahren,
Wo es galt den Schild nicht sparen.
Da läßt auch er bereiten sich
(So lehrt die Aventüre mich)
5   Mit Speren, die von Buntheit stralen
Und mit grünen Zindalen:
Denn jeder hatte sein Panier,
Härmeline Anker drauf so zier,
Daß man sie köstlich pries und reich;
10   Sie waren lang und breit zugleich
Und reichten nieder auf die Hand.
Wenn man sie zur Spitze band
Oder tiefer eine Spanne.
Deren ward dem kühnen Manne
15   Einhundert da zurecht gemacht
Und durch die Lande nachgebracht
Von seines Vetters Hausgetreuen.
Ehren und mit Dienst erfreuen
Konnten sie ihn nach Würdigkeit;
20   Das war auch ihrem Herrn nicht leid.

Er strich ihm nach wer weiß wie lang,
Bis er Herberg sich errang
In dem Lande Waleis.
Geschlagen war vor Kanvoleis

25   Mancher Pavillon auf einen Plan.
Ich sag es nicht nach eitelm Wahn;
Gebietet ihr, so ist es wahr.
Halten ließ da seine Schar
Der Herr und sandte vor ihm ein
Den klugen Meisterknappen sein:
60   Er sollte, wie sein Herr ihn bat,
Herberge nehmen in der Stadt.
Der eilte sich, er war kein Träumer;
Man zog ihm hinterdrein die Säumer.

5  

Kein Haus mocht er gewahren,
Des Dach nicht Schilde waren;
Auch die Wände sah er all behangen
Und mit Speren rings umfangen.
Die Königin von Waleis

10   Hat angesagt zu Kanvoleis
Ein Turnier von solcher Strenge,
Manchem Zagen wird es enge
Ums Herz, wo er dergleichen sieht;
Auf sein Gebot es nicht geschieht.
15   Eine Jungfrau war sie, nicht ein Weib,
Zwei Länder und den eignen Leib
Bot sie dem, der Sieger wäre.
Manchen fällte diese Märe
Hinters Ross auf den Sand.
20   Wer ein solch Gefalle fand,
Viel Glück ward dem nicht nachgesagt.
Des pflagen Helden unverzagt,
Sie zeigten Muth zur Ritterschaft:
Mit hurtiglicher Schenkel Kraft
25   Ward da manches Ross ersprengt
Und der Schwerter viel erklängt.

Ueber einen Fluß geschlagen
Eine Brücke sah man ragen,
Mit einem Thor beschloßen,
Das ein Knappe unverdroßen

61   Aufthat, wenn man ihm befahl.
Darüber stand der Königssaal.
Auch saß des Landes Königin
In den Fenstern darin
5   Mit Mägdelein und Frauen,
Die sah man spähn und schauen,
Was die Knappen drüben thaten.
Sie hatten sich berathen
Und schlugen ein Gezelt hier auf.
10   Zu ungewährter Minne Kauf
Ward des einst ein König ledig,
Dem Belakane war ungnädig.

Mit Mühen ward aufgeschlagen,
Das dreißig Säumer musten tragen,

15   Ein Zelt von höchster Kostbarkeit.
Auch war der Plan wohl so breit,
Daß sich die Schnüre streckten dran.
Gachmuret der werthe Mann
Nahm im Freien erst den Imbiß,
20   Darauf mit Fleiß er sich befliß,
Wie er höfisch käm geritten.
Verzug ward nicht gelitten;
Die Knappen hatten ihm zumal
Gebunden seiner Spere Zahl,
25   Jedweder fünf mit Einem Band;
Den sechsten führt' er in der Hand
Mit dem Anker im Paniere:
So zog heran der Ziere.

Vor der Königin ward vernommen,
Daß ein Fremdling kommen

62   Sollt aus einem fernen Land,
Der hier Niemand wär bekannt.
»Höfisch ist sein Volk, aus beiden
Gemischt, Franzosen und Heiden;
5   Mancher mag ein Anschewein
Wohl nach seiner Sprache sein.
Ihr Muth ist stolz, ihr Gewand ist klar,
Wohl geschnitten auch fürwahr.
Seiner Knappen sprach ich einen;
10   Die werden nicht um Mangel weinen.
Sie sagen, wer um Habe flehe,
Wenn er zu ihrem Herren gehe,
So scheid er ihn von Kummers Schwere.
Bei ihnen fragt' ich nach der Märe:
15   Da sagten sie mir sonder Wank,
Der König wärs von Zaßamank.«

Die Kunde bracht ihr ein Garzon.
»Avoi! welch ein Pavillon!62, 18. Vgl. 105, 26. Avoi! romanischer Ausdruck der Verwunderung, der auch bei andern unserer Dichter vorkommt.
Eure Krone stünd und euer Land

20   Wohl nicht halb dafür zu Pfand.«
»So sehr zu loben brauchst du's nicht.
Mein Mund dir das nicht widerspricht,
Es gehört wohl einem reichen Mann,
Der wenig Armut je gewann.«
25   Also sprach die Königin hehr.
»Weh, was kommt er selbst nicht her?«

Das zu erfragen bat sie ihn.
Durch die Stadt höfisch ziehn
Sah man nun diesen Kecken
Und die Schlafenden wecken.

63   Viel Schilde fand er hangen.
Posaunen schmetternd klangen
Voraus auf seinen Wegen:
Mit Wurf, mit mächtgen Schlägen
5   Zwei Trommeln gaben lauten Schall:
Ueber all die Stadt erscholl der Hall.
Es war jedoch der Ton gemischt,
Mit Flötenstimmen süß erfrischt.
Es war ein Marsch, den sie bliesen.
10   Vergeßen wir nicht über diesen,
Wie ihr Herr gekommen sei;
Dem ritten Fiedelspieler bei.

Da legte der Degen werth
Ein Bein vor sich übers Pferd,

15   Zwei Stiefel an den bloßen Beinen.
Den Mund sah man ihm röthlich scheinen
Wie ein glühender Rubin;
Die Lippen dick und nicht zu dünn.
Sein Leib war allenthalben klar,
20   Schön gelockt das lichte Haar
So weit es sehen ließ der Hut;
Köstlich war auch der und gut.
Grün samten war der Mantel sein;
Der Pelz davor gab schwarzen Schein
25   Auf einem Hemde fein und blank.
Von Gaffern war da großer Drang.

Die Frage viel vernommen ward,
Wer der Ritter wäre sonder Bart,
Der solchen Reichtum möge zeigen?
Sie brauchtens Niemand zu verschweigen:

64   Man sagt' es ihnen ohne Trug.
Nach der Brücke nahm den Zug
Ander Volk und auch das seine.
Von dem lichten Scheine,
5   Der ausging von der Königin,
Bis in das Bein durchzuckt' es ihn.
Aus richtet sich der Degen werth
Wie ein Federspiel, das gehrt.
Die Herberge daucht ihn gut;
10   Also stand des Helden Muth.
Sie empfand auch wohl, die Wirthin,
Von Waleis die Königin.

Der König Spaniens erfuhr,
Es stünd auf der Löwenflur

15   Ein Gezelt, das Gachmureten
Von Raßalig erbeten
Einst wurde vor Patelamunt:
Das that ihm ein Ritter kund.
Auf sprang er hurtig wie der Wind;
20   Er war der Freuden Ingesind.
Noch sprach derselbe Ritter da:
»Eurer Muhme Sohn ich sah
Kommen in alter Ziere:
Es sind hundert Paniere
25   Bei einem Schild ins grüne Feld
Gestoßen vor sein Prachtgezelt;
Die Fähnlein alle grüne.
Endlich hat der Kühne
Von Harm drei Anker licht und schön
Auf jeglichem Zindal stehn.«

65  

»Ist er unterm Helme hie?
Avoi! so soll man schauen, wie
Er die Scharen weiß zu mengen
Und im Sturm einher zu sprengen!

5   Der stolze König Hardeiß
Hat mit Zorn seinen Fleiß
Nun lang genug auf mich gewandt;
Den soll hier Gachmuretens Hand
Mit seinen Tjosten neigen.
10   Nun will mein Glück sich zeigen!«

Seine Boten sandt er gleich hindann,
Wo Gaschier der Normann
Mit großem Ingesinde lag,
Und der lichte Killirjakag:

15   Die waren da, von ihm erbeten.
Zum Pavillone mit Kaileten
Gingen die zwei Helden gut.
Da empfingen sie mit frohem Muth
Den werthen König von Zaßamank.
20   Die Weile dauchte sie zu lang,
Bis sie ihn wiedersahen:
Das gestanden sie beim Nahen.
Da fragte sie der Held um Märe,
Wer zum Turnier zugegen wäre.

25  

Da sprach seiner Muhme Kind:
»Aus fernem Land gekommen sind
Ritter, die die Minne jagt,
Viel kühner Helden unverzagt.

Hier hat manchen Breton65, 39–67, 28. Von den hier Genannten ist uns Morhold von Irland schon aus dem ersten Abschnitte (49, 5), doch nur dem Namen nach bekannt, und auch hier spielt dieser im Tristan bedeutende Held nur eine Nebenrolle. Auch Uterpandagron kennen wir als König der Britten schon aus Gachmurets Briefe an Belakanen. Andere werden uns im Verlauf näher bekannt werden, als der auch aus dem Iwein bekannte König von Askalon, Brandelidelein, König von Punturtois, Cidegast von Logrois, der weiterhin erwähnte Gurnemans de Graharz, vor allen Gawan, auf welchen der Dichter im Voraus aufmerksam macht, obwohl er jetzt noch zu jung ist, einen Schaft zu brechen.
Roi Utepandragon.

66   Diesen sticht es wie ein Dorn,
Daß er sein Weib hat verlorn,
Die Artusen ihm gebar.
Ein Pfaffe, der ein Zaubrer war,
5   Hat die Frau ihm entwandt;
Dem ist Artus nachgerannt.
Es geht ins dritte Jahr nun schon,
Daß er Weib vermisst und Sohn.
Hier ist auch seiner Tochter Mann,
10   Der Waffenspiel wohl spielen kann,
Lot von Norwäge,
Zu falscher That der träge,
Geschwind jedoch zum Preise,
Der kühne Degen weise.
15   Hier ist auch sein Sohn Gawan,
So schwach noch, daß er nie gethan
Ritterschaft im Ehrenfeld.
Er war bei mir, der kleine Held:
Er sagte, könnt er einen Schaft
20   Zerbrechen, fehlt' ihm nicht die Kraft,
So thät' er gerne Rittersthat.
Wie es früh sein Muth begonnen hat!
Auch der König hat von Patrigalt
Von Speren einen ganzen Wald;
25   Doch heißt noch nichts ihr Wesen all
Gegen die von Portugal.
Die nennen wir die Frechen,
Die durch Schilde wollen stechen.
Hier laßen Provenzalen
Schilde von Helle stralen.
67   Hier sind endlich die Waleise,
Die da reiten ihre Kreise
Durch die Haufen nach Gelüsten,
Mit ihres Landes Kraft sich brüsten.
5   Noch Viel sind hier um Weibesgruß,
Deren Namen ich verschweigen muß.
Von denen ich sie kund gethan,
Wir alle liegen sonder Wahn
Mit großem Aufwand in der Stadt,
10   Wie die Königin geboten hat.

»Nun hör auch, wer im Felde liegt
Und unsre Stärke leicht besiegt.
Der werthe König Askalons
Und der stolze König Arragons,

15   Cidegast von Logrois
Und der König auch von Punturtois;
Der heißt Brandelidelein;
Da ist auch der kühne Lähelein;
Da ist Morhold von Irland:
20   Der raubt uns hier gar manches Pfand.
Drüben liegen auf dem Plane
Auch die stolzen Allemane:
Der Herzog von Brabant
Kam gefahren in dieß Land
25   Für den König Hardeiß.
Seine Schwester Aleiß
Gab ihm der König von Gaskon:
Sein Dienst empfing voraus den Lohn.

»Die stehn mit Zorn entgegen mir;
Jedoch vertrauen will ich dir.

68   Gedenke nun der Sippe dein;
Bei Lieb und Treue, warte mein.«

Da sprach der Held von Zaßamank:
»Von dir begehr ich keinen Dank,

5   Was dir mein Dienst zu Ehren thut:
Wir haben billig Einen Muth.
Steht dein Strauß noch sonder Nest?
Du sollst dein Sarapandratest
Wider seinen halben Greifen tragen.
10   Mein Anker wird in Grund geschlagen
Bei seines Antritts schnellstem Hurt:
Er selber suche die Furt
Hinterm Ross auf dem Grieße.
Wenn man uns zusammen ließe,
15   Ich fällt' ihn, oder er mich,
Bei meiner Treu versichr ich dich.«

Heim ritt da Kailet erfreut;
Bei seiner Freude war kein Leid.
Jetzt erhob sich Kampfgeschrei

20   Von erlauchter Helden zwei:
Von Poitou Schiolarz
Und Gurnemans de Graharz,
Die tiostierten auf dem Plan.
Da hob das Vesperspiel sich an:
25   Hier ritten sechse, dorten drei;
Da gesellten leicht sich Haufen bei.
Sie begannen rechte Rittersthat;
Es gab nun auch nicht andern Rath.

Noch war es um den mitten Tag;
Der Held in seinem Zelte lag:

69   Da erfuhr der König von Zaßamank,
Die Ritte wären weit und lang
Auf dem Feld geworden
Nach rechtem Rittersorden.
5   Da fuhr auch hin der Kühne
Mit manchem Banner grüne.
Noch sollte nichts von ihm geschehn:
Er wollte nur in Muße sehn,
Wie es stünd auf beiden Seiten.
10   Seinen Teppich ließ er spreiten,
Wo die Haufen sich verwirrten,
Und gestochne Rosse kirrten.
Von Knappen war umher ein Ring,
Dazu von Schwertern Klinge Kling.
15   Wie nach Preis die Helden rangen,
Deren Klingen also klangen!
Die Spere krachten auch wohl so,
Man brauchte nicht zu fragen wo?
Geschwader waren statt der Wände;
20   Da wirkten Wunder Rittershände.

Dieses Kampfspiel war so nah,
Von dem Saal hernieder sah
Manche Frau der Helden Streit.
Doch wars der Königin leid,

25   Daß von Zaßamank der König hehr
Sich nicht drängte mit der Andern Heer.
»Weh, wohin ist er gekommen,
Von dem ich Wunder viel vernommen?«

Nun war auch Roi de Franze todt,
Des Weib ihn oft in große Noth

70   Gebracht mit minniglichem Sinn.
Die erlauchte Königin
Hatte Boten ausgesandt,
Ob er nicht wieder wär ins Land
5   Gekommen aus der Heidenschaft:
Sie zwang dazu der Liebe Kraft.

Da ward im Streite viel gethan
Von manchem kühnen armen Mann;
Doch jagten die dem Ziel nicht nach,

10   Das die Königin versprach:
Ihre Hand und beide Länder;
Sie begehrten andrer Pfänder.

Nun war auch Gachmuretens Leib
In jener Rüstung, die sein Weib

15   Einst der Sühne hatt ermahnt,
Der sie der Schotte Friedebrand
Zur Gabe schickte für den Schaden,
Womit sein Streit sie überladen.
Die Erde Beßres nicht besaß.
20   Da schaut' er nun den Adamas,
Den Helm. Darüber man ihm band
Einen Anker, der bestand
Aus verbundnen Edelsteinen,
Großen, nicht zu kleinen;
25   Das war doch eine schwere Last:
So gehelmziert war der Gast.

Wie der Schild geschmückt ihm war?
Aus arabschem Golde klar,
Eine theure Buckel drauf geschlagen,
Schwer von Gewicht, die must er tragen.

71   Sie gab von Röthe solchen Glanz,
Drin spiegeln mochte man sich ganz.
Ein Anker stand von Zobel drauf.
Ich lüde gern mir selber auf,
5   Womit der Held sich hat beschwert,
Denn manche Mark war es werth.

Sein Wappenrock war räumig weit,
Ich wette, daß man in den Streit
So guten selten führte,

10   Der lang den Teppich rührte.
Er glänzte, wenn ichs kenne,
Wohl so, als ob da brenne
Bei der Nacht ein queckes Feuer;
Verblichne Farbe war da theuer.
15   Sein Schimmer mied die Blicke nicht,
Doch mied ihn gern ein schwach Gesicht.
Er war von Gold gebildet, das
Am Gebirge Kaukasas
Greifenklauen aus dem harten
20   Felsen zerrten und bewahrten,
Und noch bewahren heute.
Aus Arabien kommen Leute,
Die erwerben es mit List
(Beßres nicht zu finden ist)
25   Und bringens heim gen Arabie,
Wo man die guten Achmardi71, 26. Achmardi schon mehrfach erwähnt und von dem Dichter selbst erklärt. Pfellel (lat. pallium) scheint ein allgemeiner Name für alle Seidenstoffe, deren im Parzival außer dem Achmardi noch viele genannt werden, als Plialt 235, 10, Palmat, 790, 17, Zendal 59, 6, Saranthasme 629, 17–27. Der Orte, woher diese Pfellel bezogen werden, kommen so viele vor, daß sie fast das halbe Alphabet füllen: Aßagog, Akraton, Agathyrsiente, Assigarzionte, Cynidonte, Ecidemonis, Ipopotitikon, Kalomidente, Ninive, Nauriente, Pelpionte, Thasme, Thabronit, Zaßamank. Sie scheinen alle im fernen Orient zu liegen, daher sich auch Fabelhaftes daran knüpft, wie hier von Greifen und anderwärts, z. B. 735, 23, von Salamandern die Rede ist.
Wirket und die Pfellel reich:
Kein Gewand kommt diesem gleich.

Den Schild der Held zu Halse nahm.
Da stand ein Ross gar lobesam,

72   Gewappnet schier bis an den Huf;
Dabei von Knappen Ruf auf Ruf.
Er sprang hinauf, als er es fand.
Da verschwendete des Helden Hand
5   Manch starken Schaft im Lanzenspiel,
Der Haufen auch zertrennt' er viel,
Immer durch, und jenseits wieder aus;
Dem Anker folgte nach der Strauß.
Gachmuret stach hinters Ross
10   Poitewin de Prienlaskros
Und sonst noch manchen werthen Mann,
Von dem er Sicherheit gewann.
Wenn er bekreuzte Ritter sah,
Die genoßen seiner Stärke da:72, 14. Ein starker Anachronismus allerdings, wenn das Gedicht überhaupt in einer bestimmbaren Zeit spielt. Dem Dichter ist es aber nur um Schilderung der Sitten der seinigen zu thun, und so würden auch wir diesen Zug ungern vermissen.
15   Die erkämpften Rosse gab er ihnen;
Sie mochten viel an ihm verdienen.

Gleicher Paniere
Ihm entgegen fuhren viere
(Darunter sah man Rotten reiten;

20   Auch wuste wohl ihr Herr zu streiten):
Auf jedem eines Greifen Schweif.
Zahllosen Rittern war vom Greif
Dieser Schwanz ein Wappenbild;
Den vordern Theil auf seinem Schild
25   Der König von Gaskone trug,
Den halben Greif, ein Ritter klug.
Gerüstet war der Held zu schauen,
Daß er wohl gefiel den Frauen.
Er hob sich vor den Andern aus,
Als er auf dem Helm ersah den Strauß;
73   Doch kam der Anker erst an ihn.
Da stach ihn hinters Ross dahin
Der werthe Fürst von Zaßamank
Und fing ihn. Groß war da der Drang:
5   Furchen wurden glatt getrennt,
Mit Schwertern wirres Haar gekämmt;
Da ward verschwendet der Wald,
Daß zur Erde Mancher niederprallt.
Die wandten sich (so hört ich sagen)
10   Nach hinten, wo da stehn die Zagen.

Das Kampfgetümmel war so nah,
Die Frauen sahen wohl, wer da
Sich erwarb des Ruhms Gewinn.
Vom Sper des minnenden Riwalin

15   Von Splittern schneit' ein neues Gleis;
Das war der König von Lohneis;73, 16. Riwalin, der Vater Tristans, heißt hier ein König von Lohneis. Gottfried von Straßburg hatte vielleicht diese Stelle im Auge, wenn er ausdrücklich sagt, er sei nicht von Lohneis, wie Viele wähnten, sondern nach dem Zeugniss des Thomas von Britanie, von Parmenien gewesen.
Laut krachte seiner Stöße Schall.
Einen Ritter ihnen Morhold stahl,
Den er aus dem Sattel zu sich hub:
20   Das war ein ungefüger Schub.
Der Ritter hieß Killirjakag.
Von dem hatte König Lach
Zuvor empfangen solchen Sold,
Den man fallend an der Erde holt;
25   Auch hatt er sonst noch viel gethan.
Da gelüstete den starken Mann,
Ihn zu bezwingen ohne Schwert:
Also fing er den Degen werth.

Zu Boden stach Kailetens Hand
Den Herzogen von Brabant,

74   Der hieß mit Namen Lämbekein.
Was thaten da die Degen sein?
Sie beschirmten ihn mit Schwerten,
Die eitel Kampf begehrten.

5  

Der König stach von Arragon
Den alten Utepandragon
Hinters Ross auf den Plan,
Diesen König von Bretan.
Es stunden Blumen viel um ihn.

10   Seht, wie höflich ich doch bin,
Daß ich den werthen Britaneis
Bette so schön vor Kanvoleis,
Wohin nie eines Bauern Fuß74, 13–15. Bauern (Vilane, vilains) wurden an den Höfen nicht geduldet. Vgl. 144, 5–16, wo der Fischer den jungen Parzival nicht nach Nantes begleiten will.
(Wie ich in Wahrheit sagen muß)
15   Noch trat, vielleicht auch nimmer tritt –
Da er doch einmal niederglitt
Von dem Ross, drauf er geseßen.
Doch ward sein länger nicht vergeßen:
Ihn beschirmten, die da um ihn stritten.
20   Da wurde mancher Stoß erlitten.

Nun der König kam von Punturteis,
Der ward allhier vor Kanvoleis
Auf seines Rosses Spur gefällt,
Daß er dahinter lag im Feld.

25   Das that der stolze Gachmuret.
Tret ihn nieder, trete, tret!
Im Streite fanden sie zu treten.
Seiner Muhme Sohn, Kaileten,
Fingen die Punturteise:
Da wurde rauh die Reise.
75   Als man ihnen Brandelideleinen,
Ihren König nahm, die Seinen
Einen andern König für ihn fingen.
Hin und wieder liefen, gingen
5   Helden viel in Eisenschienen.
Mich dünkt, da ward der Braten ihnen
Zermürbt mit Schlegeln und mit Keulen;
Ihre Haut trug schwarze Beulen.
Von Quetschung mochten melden
10   Die wohlgethanen Helden.

Lautre Wahrheit bleibt mir Pflicht:
Ruhe liebte man hier nicht.
Die Werthen führte Lieb ins Feld,
Manchen Schild von Kunst erhellt

15   Und manch hochgekrönten Helm:
Hier lagen sie in Staub und Melm.
Im Felde sah man Blumen blühn
Und kurzes Gras so saftig grün:
Darauf fiel mancher werthe Mann,
20   Dem solche Ehre ward gethan.
Mein Ehrgeiz ward bescheidner längst:
Ich sitze lieber auf dem Hengst.

Hin ritt der Held von Zaßamank
Aus des Kampfgetümmels Drang,

25   Wo ein geruhtes Ross ihm stand.
Man band ihm ab den Diamant,
Daß Wind ihn kühle vor der Hitze,
Sonst aus keinem Aberwitze.
Man streift' ihm ab sein Härsenier;75, 29. Härsenier, die das Haupt unmittelbar bedeckende Haube, auf welche dann erst der Helm gesetzt wird. J. Grimm.
Ihm war der Mund so roth und zier.

76  

Ein Weib, die ich genannt vorher,
Hier kam nun ihr Kaplan daher
Und kleiner Jungherren drei,
Nebst starken Knappen, welche zwei

5   Säumer führten an der Hand.
Die Boten hatte hergesandt
Anflise, Frankreichs Königin.
Der Kaplan mit klugem Sinn,
Alsbald erkannt er seinen Mann
10   Und sprach ihn auf französisch an:
»Bien soi venü, beau Sir,
Meiner Frauen so wie mir.
Es ist die Reine de Franze:
Die traf deiner Minne Lanze.«
15   Einen Brief ihm gab er in die Hand,
Darin der Degen Grüße fand
Und ein kleines Ringelein:
Das sollt ein Wahrzeichen sein;
Empfangen hatt es seine Frau
20   Einst von dem Helden von Anschau.
Er neigt. als er die Schrift ersieht:
Nun höret, wie ihn die beschied.

»Dir entbietet Minn und holden Gruß
Mein Herz, das immer trauern muß,

25   Seit es deine Minn empfand.
Deine Minn ist Schloß und Band
Vor meines Herzens Herzenslust,
Deine Minn erstickt mir die Brust.
Bleibt mir deine Minne fern,
So glänzt mir nie der Minne Stern.
77   Komm her und nimm von meiner Hand
Krone, Scepter und ein Land:
Da sie mir sind anerstorben,
Hat sie deine Minn erworben.
5   Auch nimm zum Soldimente
Die reichen Präsente
In den vier Saumschreinen.
Als mein Ritter sollst du auch erscheinen
In dem Lande zu Waleis
10   Vor der Hauptstadt Kanvoleis.
Sieht es auch die Königin:
Das bringt mir wenig Ungewinn.
Schöner, reicher bin ich sicher,
Dazu kann ich minniglicher
15   Minn empfahn und Minne geben.
Willst du nach werther Minne streben,
So nimm meine Krone
Deiner Minne zu Lohne.«

Das wars, was in dem Briefe stand.

20   Das Härsenier des Knappen Hand
Wieder ihm zu Häupten zieht.
Gachmureten Kummer mied.
Man setzt' ihm auf den Adamas,
Der dick und hart war ohne Maß.
25   Da wollt er wieder streiten.
Die Boten ließ er leiten
Sich auszuruhn in sein Gezelt.
Wo Gedränge war, das schied der Held.

Dieser verlor und der gewann.
Nachholen mochte wohl ein Mann,

78   Was er versäumt an kühner That;
Hier war dazu genugsam Rath.
Die Einen sah man tiostieren,
Die Andern rottenweis punieren.
5   Sie begaben sich der Schliche,
Die man nennet Freundesstiche;
Trauliche Gevatterschaft
Ward zunicht vor Zorneskraft.
So wird die Krümme selten schlicht.
10   Man saß nicht lange zu Gericht:
Wer was gewann behielt sich das
Sorglos um des Andern Haß.
Aus manchen Landen stammten sie,
Die mit Rittershänden hie
15   Schildesamtespflichten übten,
Sich um Schaden nicht betrübten.

Da geschah von Gachmureten,
Was Anflise sich erbeten,
Daß er ihr Ritter wäre;

20   In dem Brieflein stand die Märe.
Avoi! nun ließ er erst sich los!
Thats Minne oder Kühnheit bloß?
Große Lieb und starke Treu
Schuf ihm seine Kräfte neu.
25   Nun sah er wie der König Lot,
Den Schild dem Sturm entgegenbot;
Schier hätt er sich zur Flucht gewandt;
Das wehrte Gachmuretens Hand.
Die Haufen er im Anritt brach
Und Arragoniens König stach
79   Hinters Ross mit einem Rohr;
Der König hieß Schaffilor.
Der Sper hatte kein Panier,
Mit dem er stach den Degen zier;
5   Er bracht ihn aus der Heidenschaft.
Die Seinen wehrten ihn mit Kraft;
Er fing jedoch den Degen hehr.
Vom innern ward das äußre Heer
Zurück geschlagen tief ins Feld.
10   Ihr Vesperspiel war wohl bestellt;
Wohl dürft es heißen ein Turnei,
Denn mancher Schaft lag hier entzwei.

Da begann zu zürnen Lähelein:
»Sollen wir so entehret sein?

15   Das schuldet, der den Anker trägt.
Unser Einer heut noch legt
Den andern, wo er unsanft liegt:
Schier haben sie uns schon besiegt.«
Raumes schuf ihr Anlauf viel:
20   Da ging es über Kinderspiel.
Ihre Hände schufen bald,
Daß verschwendet ward der Wald.
Sie trugen beid ein gleich Begehr:
»Spere her, her neuen Sper!«
25   Doch muste dulden Lähelein
Eine schmähliche Pein:
Ihn stach der Held von Zaßamank
Hinters Ross, des Speres lang,
Der in das Rohr geschäftet saß.
Seine Sicherheit er an sich las;
80   Doch läs' ich lieber süße Birn,
Wie die Ritter vor ihm niederschwirr'n.

Von Vielen ward der Ruf erhoben,
Die vor seiner Tjost entstoben:

5   »Hier kommt der Anker, flieh, o flieh!«
Entgegen ritt dem Helden hie
Ein Fürst des Landes Anschau
(Trauer trug er jetzt zur Schau),
Des Schildes Spitz empor gekehrt:
10   Das hatt ihn Jammersnoth gelehrt.
Der Held die Wappen bald erkannte:
Warum er sich da von ihm wandte?
Wollt ihr, ich bescheid euch des:
Dieß Wappen gab ihm Galoes.
15   Fils dü Roi Gandein,
Der vielgetreue Bruder sein,
Eh Minne dem das Looß erwarb,
Daß er von einer Tjost erstarb.

Da band er nieder seinen Helm.

20   Weder Gras noch Staubesmelm
Sein Kampf noch eben bahnte,
Weil ihn großer Jammer mahnte.
Mit sich selber lag sein Sinn im Streit,
Warum ers nicht erfragt zur Zeit
25   Von seiner Muhme Sohn Kailet,
Was sein Bruder doch wohl thät,
Daß er nicht turnierte hie.
Leider wust er noch nicht, wie
Der vor Montorie gestorben.
Viel Leid hatt er erworben:
81   Einer reichen Königin
Minne zwang ihm Herz und Sinn.
Die kam darauf um ihn in Noth:
Ihr gab der Treue Schmerz den Tod.

5  

Wie Gachmuret nun stand in Klage,
Doch hatt er an dem halben Tage
So manchen Sper verstochen,
Wär des Turniers Tag angebrochen,
Verschwendet würd ein Wald zumal.

10   Hundert war der farbgen Zahl,
Die verthan hatt' dieser Ziere.
Seine schimmernden Paniere
Waren den Krieurs geworden;
Wohl gefiel das ihrem Orden.

15  

Da ritt er nach dem Pavillon;
Der Waleisin Garzon
Folgte ihm dahin in Eil,
Wo der theure Wappenrock zu Theil
Ihm ward, durchstochen und zerhauen;

20   Den trug er hin zu seiner Frauen.
Er war von Gold und noch so gut,
Er glänzte wie in glühnder Glut.
Man sah daran, wie reich er war.
Da sprach die Königin: »Fürwahr,
25   Dich hat ein werthes Weib gesandt
Mit diesem Ritter in dies Land.
Nun muß ichs klug zum Ziele lenken,
Die Andern alle nicht zu kränken,
Die Aventüre hergebracht;
Glück hätt ich Jedem zugedacht,
82   Denn mir sind Alle Sippe,
Die entstammen Adams Rippe.
Doch ist es Gachmuretens That,
Die den Preis erworben hat.«

5  

Die Andern übten Ritterschaft
Noch mit solchen Zornes Kraft,
Daß sie walkten bis zur Nacht.
Die Aeußern stießen der Innern Macht
Zurück bis an ihr Pavillon;

10   War nicht der Fürst von Askalon
Und Morholt von Irland,
Man war ihnen durch die Schnur gerannt.

Da war gewonnen und verloren:
Die Einen hatten Schmach erkoren,

15   Die Andern Preis und Ehre.
Nun ist Zeit, daß man sie kehre
Von einander: Niemand sieht hier mehr.
Der Pfandner giebt kein Licht mehr her.82, 18–20. Der Pfänder oder Pfändner ist eine Mittelsperson beim Würfelspiel, welche die von den Spielenden zu Pfande gesetzte Summe in Empfang nahm, wohl auch die Würfe zählte und die Würfel herlieh, so wie das Licht, bei dem gespielt wurde. Fiel er mit dem Wirth zusammen, so vergleicht er sich dem Marqueur beim Billardspiel, welcher gleichfalls die Gewinne zählt. Vgl. Haupt Berichte u. s. w. 1853.
Wer trieb' im Dunkeln gern das Spiel?
20   Den Müden wird es so zuviel.

Leicht der Finsterniss vergaß
Man dort, wo Gachmuret nun saß,
Als wär es Tag. Das war es nicht;
Doch leuchtend schien manch großes Licht

25   Von kleiner Kerzen großer Zahl.
Auf Oelbaumlaub sah man im Saal
Zum bequemen Sitz für Viele
Reiche Polster auf der Diele
Und breite Teppiche davor.
An die Schnüre ritt die Königin vor
83   Mit Mägdelein und Frauen:
Sie wollten gerne schauen
Den werthen König von Zaßamank;
Ihre Ritter Müdigkeit bezwang.

5  

Das Tischtuch war schon abgenommen,
Eh sie zu dem Zelt gekommen.
Der Wirth erhob sich gleich vor ihr
Mit gefangener Könge vier;
Etliche Fürsten sah man auch.

10   So empfing er sie nach höfschem Brauch.
Er gefiel ihr wohl, als sie ihn sah.
Die Waleisin sprach mit Freuden da:
»Ihr seid hier Wirth, wo ich euch fand,
Und ich bin Wirthin hier im Land:
15   Wollt ihr, daß ich euch küssen soll,
So geschiehts mit meinem Willen wohl.«
Da sprach er: »Euer Kuss sei mein.
Wollt ihr diesen Herrn ihn auch verleihn:
Soll Fürst und König des entbehren,
20   So darf auch ich es nicht begehren.«
»Wohl habt ihr Recht; es soll geschehn;
Die Herren hab ich nie gesehn.
Sie küsste, die es waren werth:
Das hatte Gachmuret begehrt.

25  

Nun lud er sie zu sitzen ein.
Der König Brandelidelein
Ihr höfisch dort zur Seite saß.
Grüne Binsen, thauig naß,
Dünn auf den Teppich ausgestreut,
Da saß er drauf, des hier sich freut

84   Der Waleisen Königin.
Seine Minne zwang ihr doch den Sinn.
So nahe saß er wohl bei ihr,
Sie hob ihn auf und zog ihn hier
5   Zur Seite neben sich genau.
Eine Jungfrau war sie, keine Frau,
Die ihn so nahe sitzen ließ.
Wollt ihr nun hören, wie sie hieß?
Die Köngin Herzeleide.
10   Ihre Base hieß Rischeide,
Vermählt dem König Kailet,
Dem Muhmensohn von Gachmuret.
Frau Herzeleid gab solchen Schein,
Erlöschen all die Kerzen sein,
15   Es war doch hell von ihr genug.
Wenn seiner Freude hohen Flug
Nicht hemmte bittres Herzenleid,
Seine Minne war ihr wohl bereit.

Sie sprachen manches höfsche Wort.

20   Nun traten Schenken ein von dort,
Und Gezier von Aßagog,
Dran großer Reichtum Niemand trog,
Das trugen Jungherren ein.
Theure Näpfe mustens sein
25   Vom edelsten Gesteine,
Weite, nicht zu kleine;
Sie waren allzumal von Gold,
Einst erworben von des Landes Sold,
Das Eisenhart so manchmal bot
Belakanen in der Minne Noth.
85   So reichte man das Trinken dar
In manchem Steine hell und klar.
Smaragden und Sardinen;
Darunter auch Rubinen.

5  

Zu seinem Zelte ritten dort
Zwei Ritter auf ihr Ehrenwort.
Die Aeußern hatten sie gefangen.
Hier kamen sie hereingegangen;
Der Eine war Herr Kailet.

10   Der sah, wie König Gachmuret
Da saß, als wär er unfroh.
Da sprach er: »Wie gebahrst du so?
Dein Preis ist doch dafür erkannt,
Frau Herzeleiden und ihr Land
15   Hast du dir errungen,
So gestehn hier alle Zungen:
Es sei Breton, sei Irischmann,
Oder wer hier welsche Sprache kann,
Aus Brabant oder Frankreich,
20   Einhellig sagen Alle gleich,
Es komme dir bei solchem Spiel
Voraus kein Andrer an das Ziel.
Des les ich hier den wahren Brief,
Da deine Kraft fürwahr nicht schlief,
25   Als sie diese Herren bracht in Noth,
Deren Hand nie Sicherheit entbot:
Der König Brandelidelein
Und der kühne Lähelein,
Hardeiß und Schaffilor.
O weh, Raßalig der Mohr,
86   Der dir vor Patelamunt
Auch einst that Fianze kund!
So bedarf dein Preis im Streite
Der Höhe wie der Breite.«

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