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Er kam bald – der gesegnete Tag der Befreiung, der traurige Tag der Beraubung; und in der zweiten Märzwoche trugen sie ihn zu Grabe. Er wurde beerdigt, wie er es gewünscht hatte: ohne Leichenwagen, ohne Trauerkutschen; sein Sarg wurde von zwölfen seiner ärmeren Zuhörer getragen, die einander ablösten. Ein langer Zug von Leidtragenden, Männern und Frauen, folgte dem Sarg.
Langsam, inmitten tiefen Schweigens schritt der dunkle Strom die Gartenstraße entlang, wo achtzehn Monate vorher der evangelische Curat mit Schreien und Pfeifen begrüßt worden war. Mr. Jerome und Mr. Landor waren die ältesten Träger der Bahrtuchzipfel; und hinter dem Sarg schritt Janet, geführt von Mr. Tryans Vetter, in ruhigem, unterwürfigem Leid. Sie konnte nicht fühlen, daß er ganz von ihr gegangen wäre; die unsichtbare Welt lag ihr ja so nahe – sie enthielt Alles, was je die Tiefen der Pein und der Freude in ihr erregt hatten.
Es war ein wolkigter Morgen, und es hatte geregnet, als sie Holly Mount verließen; aber während sie dahin schritten, brach die Sonne hervor, und die Wolken verzogen sich in großen Massen, als sie den Kirchhof betraten und man Mr. Walsh's Stimme sprechen hörte: »Ich bin die Auferstehung und das Leben.« Die Gesichter waren nicht gefühllos bei diesem Begräbniß; die Leichenrede war keine hohle Form. Jedes Herz war erfüllt von der Erinnerung an einen Mann, der während eines selbstaufopfernden Lebens und in seinem schmerzhaften Tod aufrecht erhalten worden war von dem Glauben, der jene Form mit Leben und Stoff erfüllt.
Als Janet das Grab verließ, kehrte sie nicht nach Holly Mount zurück; sie begab sich nach ihrem Hause in der Gartenstraße, wo ihre Mutter sie erwartete. Sie sagte ganz ruhig und gefaßt: »Wir wollen im Garten spazieren gehen, Mutter.« Und sie gingen stillschweigend, Hand in Hand, einher und betrachteten die goldenen Krokusblumen, die in der Frühlingssonne glänzten. Janet fühlte eine tiefe Stille im Innern. Sie dürstete nach keinem Vergnügen; sie begehrte kein weltliches Gut. Sie sah die zukünftigen Jahre sich vor ihr ausstrecken wie einen Herbstnachmittag, gefüllt mit resignirter Erinnerung. Das Leben konnte für sie keine Begierde mehr haben; es war ein feierlicher Gottesdienst der Dankbarkeit und geduldigen Mühens. Sie wandelte im Angesicht unsichtbarer Zeugen – der göttlichen Liebe, die sie errettet hatte; der menschlichen Liebe, die auf ihre ewige Ruhe wartete, bis sie gesehen, daß sie bis zum Ende verharre.
Janet lebt noch. Ihr einst schwarzes Haar ist jetzt grau, und ihr Schritt ist nicht mehr fest; aber die Süßigkeit ihres Lächelns ist geblieben, die Liebe ist nicht aus ihren Augen verschwunden; und Freunde fragen manchmal: Wer ist jene edel aussehende ältliche Frau, die mit einem kleinen Knaben an der Hand umhergeht? Der kleine Knabe ist der Sohn von Janet's Adoptivtochter, und Janet hat Kinder um sich in ihrem Alter, und liebende Arme schlingen sich um ihren Nacken.
Auf dem Milbyer Kirchhof steht ein Grabstein, der besagt, daß hier liegen die irdischen Überreste von Edgar Tryan, der zwei Jahre als Curat an der Paddiforder Filialkirche in diesem Kirchspiel fungirt habe. Es ist ein magerer Gedenkstein und sagt uns nur, daß der Mann, der hier liegt, getreulich oder nicht, das Amt eines Führers und Berathers seiner Mitmenschen auf sich nahm.
Aber es gibt noch ein anderes Erinnerungszeichen an Edgar Tryan, das einen genaueren Bericht gibt: das ist Janet Dempster, die, gerettet von Verzweiflung an sich selbst, gestärkt durch göttliche Hoffnungen, jetzt auf Jahre der Reinheit und nützlichen Arbeit zurückblickt. Der Mann, der ein solches Erinnerungszeichen hinterlassen hat, muß Einer gewesen sein, dessen Herz in echtem Mitgefühl schlug und dessen Lippen von feurigem Glauben bewegt wurden.
Ende.
Druck von Beck & Schirmer in Leipzig.