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Vierzehntes Kapitel.

» Ja, Maynard«, sagte Sir Christopher, mit Mr. Gilfil in der Bibliothek plaudernd, »es ist wirklich merkwürdig, daß ich nie in meinem Leben einen Plan entwarf, dessen Ausführung mir mißlungen wäre. Ich entwerfe meine Pläne gut und weiche nie davon ab – daran liegt's. Ein starker Wille ist der einzige Zauber. Und nächst dem Ersinnen von Plänen ist das Erfreuendste in der Welt, sie wohl ausgeführt zu sehen. Dieses Jahr nun wird das glücklichste meines Lebens sein, ausgenommen das Jahr 53, wo ich in Besitz des Manor kam und Henrietta heirathete. Das Haus hat den letzten Anstrich erhalten; Anthonys Heirath – die mir zunächst am Herzen lag – ist zu meiner vollkommenen Befriedigung abgemacht; und bald wirst auch Du einen kleinen Ehering für Tinas Finger kaufen. Schüttle den Kopf nicht so hoffnungslos; wenn ich etwas prophezeie, trifft es gewöhnlich ein, Aber da schlägt's ein Viertel nach zwölf Uhr. Ich muß zu der hohen Esche reiten, um Markham zu treffen und das Fällen von etwas Bauholz mit ihm zu besprechen. Meine alten Eichen werden wegen dieser Heirath seufzen müssen, aber« –

Die Thüre flog auf, und Caterina, geisterhaft und keuchend, die Augen vor Schreck weil aufgesperrt stürzte herein, warf ihre Arme um Sir Christophers Nacken, und nachdem sie schwer athmend hervorgestoßen hatte »Anthony … im Krähennest … todt … im Krähennest«, fiel sie ohnmächtig zu Boden.

Im Nu war Sir Christopher aus dem Zimmer, und Mr. Gilfil beugte sich nieder, um Caterina anfzuheben. Als er sie vom Boden emporhob, fühlte er etwas Hartes und Schweres in ihrer Tasche. Was konnte es sein? Es war schwer genug, um sie zu verletzen, während sie dalag. Er trug sie auf's Sopha, griff in ihre Tasche und zog den Dolch hervor.

Maynard schauderte. Wollte sie sich selbst tödten, oder … oder … ein schrecklicher Verdacht drängte sich ihm auf. »Todt – im Krähennest.« Er haßte sich selbst wegen des Gedankens, der ihn veranlaßte, den Dolch aus der Scheide zu ziehen. Nein! es war keine Blutspur daran, und er war bereit, den guten Stahl um seiner Unschuld willen zu küssen. Er steckte die Waffe in seine eigene Tasche; er wollte sie sobald als möglich wieder an ihren wohlbekannten Platz in der Gallerie bringen. Doch warum hatte Caterina den Dolch genommen? Was hatte sich im Krähennest ereignet? War es nur ein wahnwitziges Traumbild ihrerseits?

Er fürchtete sich zu läuten – Jemand zu Caterinas Hilfe herbeizurufen. Was konnte sie nicht alles sagen, wenn sie aus diesem Ohnmachtsanfall erwachte? Sie raste vielleicht. Er konnte sie nicht verlassen, und doch fühlte er sich gleichsam schuldig, weil er Sir Christopher nicht folgte, um die Wahrheit zu erfahren. Es erforderte nur einen Augenblick, dies Alles zu denken und zu fühlen, aber jener Augenblick schien ihm solch ein langer, schwerer Kampf, daß er sich selbst zu tadeln begann, weil er ihn verstreichen ließ, ohne ein Mittel zur Wiederbelebung Caterinas zu versuchen. Glücklicherweise war die Wasserflasche auf Sir Christophers Tisch unberührt. Er wollte wenigstens die Wirkung dieses Wassers versuchen. Sie würde vielleicht aufwachen, ohne daß er Jemand zu rufen brauchte.

Mittlerweile eilte Sir Christopher so schnell er konnte auf das Krähennest zu, das Gesicht, vor so kurzer Zeit noch strahlend und zuversichtlich, jetzt von unbestimmter Furcht erregt. Das dumpfe, unruhige Bellen Ruperts, der ihm zur Seite lief, hatte das Ohr Mr. Bates, der gerade auf dem Heimweg war, als etwas Ungewöhnliches getroffen, und indem er nach der Richtung des Schalles zueilte, begegnete er dem Baronet gerade am Zugang zum Krähennest. Sir Christophers Aussehen sagte genug. Mr. Bates sagte nichts, sondern eilte an seiner Seite mit fort, während Rupert mit der Nase am Boden vorwärts stürzte auf dem dürren Laub. Sie hatten ihn kaum eine Minute aus dem Gesicht verloren, als ein Wechsel im Tone seines Gebells ihnen sagte, daß er etwas gefunden, und einen Augenblick später sprang er zurück über einen der bepflanzten Hügel. Sie wendeten sich seitwärts, um den Hügel zu besteigen, während Rupert vorauslief; das lärmende Krächzen der Raben, ja selbst das Rascheln der Blätter unter ihren Füßen schlug wie ein böses Omen an des Baronet's Ohr.

Sie haben den Gipfel des Hügels erreicht und beginnen, abwärts zu steigen. Sir Christopher sieht etwas Purpurnes auf dem Pfad drunten zwischen den gelben Blättern. Rupert ist bereits dort, aber Sir Christopher kann nicht rascher laufen. Ein Beben hat die festen Glieder ergriffen. Rupert kommt und leckt die zitternde Hand, als wolle er sagen »Muth!« und ist dann wieder drunten und beschnüffelt den Leichnam. Ja, es ist ein Leichnam … Anthonys Leichnam. Da liegt die weiße Hand mit dem Diamantring, die dürren Blätter fest zusammendrückend. Seine Augen sind halb offen, aber sie beachten den Strahl des Sonnenlichtes nicht, das zwischen den Zweigen hindurch gerade auf sie fällt.

Und doch, er konnte nur ohnmächtig geworden sein; es war vielleicht nur ein Anfall. Sir Christopher kniete nieder, löste die Halsbinde, knöpfte die Weste auf und legte seine Hand auf's Herz. Es war vielleicht eine Ohnmacht; vielleicht nicht-es konnte nicht der Tod sein. Nein! der Gedanke mußte ferne gehalten werden.

»Gehen Sie, Bates, helfen Sie; wir wollen ihn zu Ihrem Häuschen tragen. Senden Sie Jemand in's Haus, um es Mr. Gilfil und Warren zu melden. Sie sollen nach Doktor Hart senden und es meiner Frau und Miß Asher verheimlichen, daß Anthony – krank ist.«

Mr. Bates eilte fort, und der Baronet kniete allein neben dem Leichnam. Die jugendlich-geschmeidigen Glieder, die vollen Wangen, die zarten reifen Lippen, die weichen weißen Hände lagen kalt und starr da; und das Greisenantlitz beugte sich darüber in stummer Angst, die welken, tiefgeäderten Hände suchten zitternd und tastend nach einem Zeichen, daß das Leben nicht unwiderruflich erloschen.

Auch Rupert war da, wartend und wachend, erst dem Todten, dann dem Lebenden die Hände leckend; dann rannte er fort, Mr. Bates' Spuren nach, als wolle er ihm folgen und seine Rückkehr beschleunigen, wendete sich aber gleich darauf wieder um, unfähig, den Schauplatz des Kummers seines Herrn zu verlassen.



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