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Drei Monate nach Caterinas Adoption Die scheint in Widerspruch zu stehen zu dem oben Gesagten, daß die Cheverels nicht daran dachten, »sie als ihre Tochter zu adoptiren«; das engl. adoption bedeutet jedoch nicht nur die formelle ›Adoption‹, sondern einfach auch nur ›Übernahme‹ ohne rechtliche Konsequenzen. – Anm.d.Hrsg. – nämlich im Spätherbst 1773 – sandten die Kamine von Cheverel Manor ungewohnte Rauchsäulen aufwärts, und die Dienerschaft erwartete in großer Erregung die Rückkehr ihres Herrn und ihrer Frau nach zweijähriger Abwesenheit. Groß war das Erstaunen der Haushälterin Mrs. Bellamy, als Mr. Warren ein kleines, schwarzäugiges Kind aus dem Wagen hob, und groß war Mrs. Sharps Gefühl überlegenen Wissens und Erfahrenseins, als sie Caterinas Geschichte vermischt mit ausführlichen Commentaren, umständlich vor den übrigen höheren Bediensteten, erzählte, wie sie zusammen im Zimmer der Haushälterin ein erquickendes Glas Grog zu sich nahmen.
Ein behagliches Zimmer war's, wie sich's eine Gesellschaft an einem kalten Novemberabend nur wünschen kann. Der Kamin für sich allein bot ein Gemälde; eine weite und tiefe Nische mit einem niedrigen Backsteinfeuerplatz, wo große Klötze dürren Holzes Myriaden von Funken in die dunkle Kaminkehle emporsandten, und über der Front dieser Nische eine Tafel mit dem in alten gothischen Buchstaben fein geschnitzten Motto: »Fürchte Gott und ehre den König!« Und jenseits der Gesellschaft, die mit ihren Stühlen und ihrem wohlausgestatteten Tisch einen Halbkreis um diese prächtige Feuerstelle bildeten, welch' ein Raum von Clairobscur für die Phantasie, um darin zu schwelgen. Welch' ein Eichentisch, sich über das ganze Zimmer erstreckend, sicher hoch genug für Homer's Götter, auf vier massiven Beinen stehend, verziert und ausgebaucht, wie geschnitzte Urnen! und welche ungeheuern Speiseschränke, an der halben Wand hinlaufend, auf unerschöpfliche Aprikosenmarmelade und sonstige Nebenarbeiten des Kellermeisters hindeutend! Einige verirrte Gemälde hatten ihren Weg hier herab gefunden und bildeten eine hübsche Mosaik von dunklem Braun auf den lederfarbenen Mauern. Hoch über der dröhnenden Doppelthür hing eines, das nach Merkmalen eines Gesichts, das sich von der Schwärze abhob, bei großer geistiger Anstrengung eine »Magdalene« genannt werden konnte. Beträchtlich tiefer hing das Bild eines Federhuts mit Theilen einer Halskrause, welches nach Mrs. Bellamys Constatirung Sir Francis Bacon darstellte, der das Pulver erfunden habe und, nach ihrer Meinung, etwas Besseres hätte thun können.
Aber diesen Abend werden die Sinne nur wenig von dem großen Verulam Francis Bacon: Baron Baco von Verulam - so die vollständige Titulatur des englischen Philosophen und Staatsmannes. – Anm.d.Hrsg. gefesselt; sie sind in der Stimmung, einen todten Philosophen für weniger interessant zu halten als einen lebenden Gärtner, der sichtbar in dem Halbkreis um das Kaminfeuer sitzt. Mr. Bates ist des Abends ein gewohnter Gast im Zimmer der Haushälterin, da er die socialen Vergnügungen dort – das Vergnügen des Geplauders und das Fließen des Grogs – dem Junggesellenstuhl in seinem reizenden, strohgedeckten Häuschen auf einer kleinen Insel vorzieht, wo jeder Ton außer dem Krächzen der Saatkrähe und dem Kreischen der Wildgänse fremd ist: poetische Töne zweifellos, aber, menschlich gesprochen, nicht sehr anheimelnd.
Mr. Bates war keineswegs ein Durchschnittsmensch, dem man keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken brauchte. Er war ein stämmiger Yorkshirer nahe den Vierzigen, dessen Gesicht die Natur gefärbt zu haben schien, als sie in Eile war und keine Zeit hatte, auf Nuancen zu achten, denn jeder Quadratzoll von ihm, der über seinem Halstuch sichtbar, war von der gleichen unparteiischen Röthe, so daß es uns'rer Phantasie freistand, wenn er in einiger Entfernung stand, seine Lippen irgendwo zwischen Nase und Kinn zu placiren. Näher besehen erkannte man, daß seine Lippen von einem besonderen Schnitt waren, und ich glaube, daß das mit der Eigenthümlichkeit seines Dialekts etwas zu schaffen hatte, der eher individuell als provinziell war. Mr. Bates war ferner von der gewöhnlichen Heerde durch ein fortwährendes Augenzwinkern ausgezeichnet; und dies, zusammen mit dem Rothenasen-artigen Teint und einer eigenthümlichen Art, den Kopf vorwärts zu hängen und beim Gehen von einer Seite nach der andern zu legen, gaben ihm das Aussehen eines Bacchus in blauer Schürze, der bei den gegenwärtigen reducirten Verhältnissen im Olymp sich selbst auf die Behandlung der Weine verlegt hatte. Doch wie Fresser oft mager sind, so sind nüchterne Männer oft roth: und Mr. Bates war nüchtern mit jener männlichen, britischen, hochkirchlichen Nüchternheit, die einige Gläser Grog ohne irgend welche merkliche Klärung der Gedanken vertragen kann.
»Hol's der Teufel!« bemerkte Mr. Bates, der sich am Schlusse von Mrs. Sharps Erzählung zu seiner stärksten Interjection bewogen fühlte, »das hätte ich von Sir Christopher und Mylady nicht erwartet, daß sie ein fremdes Kind ins Land bringen; und verlaßt Euch drauf, ob wir's nicht erleben und sehen, daß ein Unheil draus entsteht. Die erste Stelle, die ich hatte – es war eine alte, uralte Abtei, mit dem größten Obstgarten von Aepfeln und Birnen, den man sehen kann – da war ein französischer Kammerdiener, und der stahl seidene Strümpfe und Hemden und Ringe und Alles, was ihm in die Hände kam, und brannte endlich mit des Fräuleins Schmuckkästchen durch. Sie sind alle gleich, die Fremden. Das liegt so im Blut.«
»Nun«, sagte Mrs. Sharp, mit der Miene einer Person, die liberale Ansichten hat, aber weiß, wie weit sie dabei gehen darf, »ich will die Fremden gar nicht vertheidigen, denn ich habe gerade so viel Vernunft, um zu wissen, was sie sind, wie die meisten Leute, und kein Mensch wird von mir etwas Besseres hören, als daß sie gleich nach den Heiden kommen; und das Öl, das sie zu ihren Speisen essen, kann einem Christenmenschen den Magen umdrehen. Aber wegen dem allen – und weil der ganze Trubel mit dem Waschen und Aufräumen die ganze Reise durch auf mich fiel – kann ich doch nur sagen, was ich denke, daß Sir Christopher und Mylady ganz recht gehandelt haben an ein' unschuldigen Kind, das nicht weiß, was seine rechte Hand ist und seine linke, daß sie es daher bringen, wo es was Besseres wie Kauderwälsch reden lernen wird und in der wahren Rel'gion aufgezogen wird. Denn was die fremden Kirchen angeht, nach denen Sir Christopher so unerklärlich närrisch thut, mit Bildern von Männern und Weibern, die sich vor aller Welt sehen lassen, wie Gott sie geschaffen hat, so mein' ich, es ist völlig eine Sünd', da hineinzugehen.«
»Wir werden aber wahrscheinlich noch mehr Fremde bekommen«, sagte Mr. Warren, der den Gärtner gern provocirte, »denn Sir Christopher hat einige italienische Handwerker engagirt, um bei den Änderungen im Hause mitzuhelfen.«
»Änderungen!« rief Mrs. Bellamy alarmirt aus. »Was für Änderungen?«
»Ei«, antwortete Mr. Warren, »soviel ich davon verstehe, wird Sir Christopher ein nettes neues Ding aus dem alten Herrenhaus machen, innen und außen. Und er bringt ganze Mappen voll Pläne und Gemälde mit. Es soll mit Stein verkleidet werden, im gothischem Stil – fast ganz so wie die Kirchen, wißt Ihr, soviel ich herausbringen kann; und die Decken gehen über alles, was man im Lande noch gesehen hat. Sir Christopher hat sich's ein schönes Theil Studium kosten lassen.«
»Ach du gütiger Himmel!« sagte Mrs. Bellamy. »Wir werden vergiftet werden mit Kalk und Mörtel und das Haus voll Handwerker haben, die mit den Mägden scharmutziren und ein Unheil nach dem andern anstiften.«
»Darauf können Sie Ihren Kopf wetten!« sagte Mr. Bates. »Indeß, ich will nicht läugnen, daß der gothische Stil ganz nett ist, und es ist ganz wunderbar, wie genau die Steinhauer die Gestalt von Tannenzapfen und Klee und Rosen herausbringen. Sir Christopher wird wohl ein nettes Ding machen aus dem Manor, und es wird nicht viel Herrenhäuser im Land geben, die daran hinkönnen, mit einem solchen Garten und Spielplatz und Spalierobst, daß König Georg darauf stolz sein könnte.«
»Nun, ich kann mir nicht denken, wie das Haus besser sein könnte, gothisch oder nicht gothisch«, sagte Mrs. Bellamy; »und ich habe darin das Einpökeln und Einmachen vierzehn Jahre lang (an Michaelis) besorgt. Aber was sagt Mylady dazu?«
»Mylady weiß was Besseres, als Sir Christopher in dem entgegen zu sein, was er sich vorgenommen hat,« sagte Mr. Bellamy, dem der kritische Ton der Conversation nicht gefiel. »Sir Christopher wird seinen eignen Weg gehen, darauf könnt ihr schwören. Und das mit Recht. Er ist ein Edelmann von Geburt und hat das Geld dazu. Aber kommen Sie, Mr. Bates, füllen Sie Ihr Glas und wir wollen auf das Glück und die Gesundheit Sir Christophers und Myladys trinken, und dann sollen Sie uns ein Lied singen. Sir Christopher kommt nicht alle Tage von Italien heim.«
Diese leichterweisliche Behauptung wurde ohne Zögern als Begründung eines Toasts angenommen; aber Mr. Bates, der anscheinend dachte, daß sein Gesang nicht eine gleich vernunftgemäße Folge sei, ignorirte den zweiten Theil von Mr. Bellamys Vorschlag. Und so verstärkte denn Mrs. Sharp, die man hatte sagen hören, daß sie gar nicht daran denke, Mr. Bates zu heirathen, obgleich er ein »vernünftiger, gesundfarbiger Mann wäre, nach dem manche Frau schnappen würde, um ihn zum Mann zu kriegen,« Mr. Bellamy's Appell.
»Kommen Sie, Mr. Bates, lassen sie uns ›Roy's Weib‹
»Roy's Wife of Aldivalloch«, bis heute populäres Lied von Elizabeth Grant (1745-1814) von Carron, Speyside; der schottische Dichter Robert Burns, der es in eine Sammlung aufnahm, schrieb in einem Brief 1793, dass er die Worte von »der Dame, die es komponierte«, ins Englische transkribiert habe. Der Brief legt nahe, dass jenes Lied etwa 1787 bekannt gewesen sein muss, also kein »gutes
altes Lied«, wie Mrs. Bellamy von der Dichterin in den Mund gelegt wird, gewesen sein kann, da wir in der Erzählung nunmehr erst das Jahr 1773 erreicht haben, in dem das Lied wohl noch nicht existierte. - Der Text lautet:
Roy's Wife of Aldivalloch.
Roy's wife of Aldivalloch,
Roy's wife of Aldivalloch,
Wat you how she cheated me.
As I came o'er the braes of Balloch?
She vow'd, she swore she would be mine,
She said she lo'ed me best of any;
But, ah! the fause, the fickle queen.
She's ta'en the carle and left her Johnnie.
Roy's wife of Aldivalloch,
Roy's wife of Aldivalloch,
Wat you how she cheated me,
As I came o'er the braes of Balloch?
Her hair's sae fair, her e'e sae clear.
Her wee bit mou's sae sweet and bonnie;
To me she ever will be dear,
Though she's for ever left her Johnnie.
Roy's wife of Aldivalloch,
Roy's wife of Aldivalloch,
Wat you how she cheated me,
As I came o'er the braes of Balloch?
But, oh! she was a canty queen,
And weel could dance the Highland wolloch;
How happy I, had she been mine.
Or I'd been Roy of Aldivalloch!
Roy's wife of Aldivalloch,
Roy's wife of Aldivalloch,
Wat you how she cheated me,
As I came o'er the braes of Balloch?
-
Anm.d.Hrsg. hören. Ich höre lieber ein gutes altes Lied wie das, als all das feine italienische Gedudel.«
Mr. Bates, so schmeichelhaft bedrängt, steckte seine Daumen in die Armlöcher seiner Weste, warf sich in seinen Stuhl zurück, den Kopf in jener Lage, in der er direkt gegen den Zenith sehen konnte und begann eine bemerkenswerthe staccato-Wiedergabe von »Roy's Weib von Aldivalloch.« Diese Melodie kann gewiß der übertriebensten Wiederholungen bezichtigt werden, aber das war gerade ihre beste Empfehlung bei der anwesenden Zuhörerschaft, die es hier um so leichter fand, den Chor zu verstärken. Noch minderte es irgendwie ihr Vergnügen, daß der einzige Umstand betreffs »Roy's Weib«, der sich aus Mr. Bates' Vortrag entnehmen ließ, war, daß sie ihn »betrog« – ob im Handel mit Gemüse oder einer andern Waare, blieb ein angenehmes Geheimniß, ebenso warum ihr Name infolgedessen mit Entzücken immer wieder zu wiederholen sei.
Mr. Bates' Lied bildete den Höhepunkt der abendlichen Geselligkeit, und die Gesellschaft zerstreute sich bald darauf – Mrs. Bellamy vielleicht, um von Kalkstaub zu träumen, der zwischen ihren Einmachtöpfen herumflog, oder von liebeskranken Hausmägden, die unbekümmert waren um ungescheuerte Ecken – und Mrs. Sharp, um in angenehme Traumbilder zu sinken von einem selbstständigen Haushalt in Mr. Bates' Häuschen, ohne eine Glocke, der sie antworten mußte, und mit Obst und Gemüse ad libitum.
Caterina besiegte bald alle Vorurtheile gegen ihr fremdes Blut; denn welche Vorurtheile werden gegen über der Hilflosigkeit und stammelndem Geplauder Stand halten? Sie wurde der Liebling des Hauses und drängte Sir Christophers Lieblingsbluthund jener Tage, Mrs. Bellamys zwei Canarienvögel und Mr. Bates' größte Dorkinghenne in eine bloß sekundäre Stellung zurück. Die Folge war, daß sie im Verlauf eines Sommertags einen großen Cyklus von Erfahrungen durchlief, beginnend mit dem etwas saueren Wohlwollen von Mrs. Sharps Kinderzucht. Dann kam der feierliche Luxus von Myladys Wohnzimmer und vielleicht die Würde eines Ritts auf Sir Christophers Knieen, manchmal gefolgt von einem Besuch in den Ställen in seiner Begleitung, wo es Caterina bald lernte, das Bellen der angeketteten Bluthunde ohne Weinen anzuhören und, sich während der ganzen Zeit an Sir Christophers Kniee klammernd, mit prahlerischer Tapferkeit zu sagen: »Sie thun Tina nichts.« Dann ging vielleicht Mrs. Bellamy hinaus, um Rosenblätter und Lavendel zu pflücken, und Tina machte es ganz stolz und glücklich, wenn man ihr erlaubte, eine Handvoll in ihrem Latzschürzchen zu tragen; noch glücklicher, wenn sie auf Bogen zum Trocknen ausgebreitet wurden, so daß sie Tina über sich in wohlriechenden Schauern ergießen lassen konnte. Ein anderes häufiges Vergnügen war es, mit Mr. Bates eine Reise durch den Küchengarten und die Treibhäuser zu machen, wo die reichen Büschel grüner und purpurner Trauben vom Dach hernieder hingen, weit außer dem Bereich der winzigen, gelben Hand, die sich unwiderstehlich danach ausstreckte; indessen wurde die Hand schließlich immer befriedigt durch irgend eine zartschmeckende Frucht oder wohlriechende Blume. Sicherlich war in der weiten, monotonen Muße jenes großen Landhauses immer Jemand da der nichts Besseres zu thun hatte als mit Tina zu spielen, so daß des kleinen südlichen Vogels nordisches Nest mit Zärtlichkeit, Liebkosungen und hübschen Dingen gefüttert war. Es war nur zu wahrscheinlich, daß die Empfänglichkeit einer liebenden Natur bei solcher Nahrung derart gesteigert werden mußte, daß es untauglich war, einer herberen Erfahrung zu begegnen; umsomehr, als Anzeichen eines heftigen Widerstands gegen jede Disciplin vorhanden waren, die einen harschen oder lieblosen Anstrich hatte. Denn das Einzige, worin Caterina eine gewisse Frühreife zeigte, war eine gewisse Erfindungsgabe in der Rachsucht. Als sie fünf Jahre alt war, hatte sie sich wegen eines mißliebigen Verbots dadurch gerächt, daß sie die Tinte in Mrs. Sharp's Arbeitskorb goß, und einmal, als ihr Lady Cheverel ihre Puppe wegnahm, weil sie derselben zärtlich die Farbe vom Gesicht leckte, war die kleine Spitzbübin geradenwegs auf einen Stuhl geklettert und hatte eine Blumenvase heruntergeworfen, die auf einer Console stand. Dies war beinahe der einzige Fall, in welchem ihr Zorn ihre Ehrfurcht vor Lady Cheverel besiegt hatte, die jene stets der Freundlichkeit eigene Gewalt besaß, welche nie in Liebkosungen zerschmilzt, sondern streng aber gleichmäßig wohlthätig ist.
Nach und nach wurde die glückliche Einförmigkeit Cheverel Manors in der von Mr. Warren angekündigten Weise unterbrochen. Die Wege durch den Park wurden durchschnitten von Wagen, die Ladungen von Steinen aus einem benachbarten Steinbruch trugen, der grüne Hof wurde staubig von Kalk, und das friedliche Haus widerhallte von dem Geräusch der Werkzeuge. Für die nächsten zehn Jahre war Sir Christopher mit der architektonischen Metamorphose seines alten Familiensitzes beschäftigt, indem er so durch den Antrieb seines individuellen Geschmackes jener allgemeinen Reaction gegen die geschmacklose Nachahmung des Styl's Palladio's Palladio, Andrea (1518-80), berühmter italienischer Baumeister, führte die Antike in der Baukunst wieder ein. im Sinne einer Wiedereinführung der Gothik zuvorkam, die den Schluß des 18. Jahrhunderts bezeichnete. Das war der Gegenstand, an den er sein Herz gehängt hatte mit einer seltenen Entschlossenheit, die von seinen fuchsjagenden Nachbarn mit nicht geringer Verachtung angesehen wurde, welche sich höchlichst verwunderten, daß ein Mann mit dem besten englischen Blut in den Adern gemein genug sein könne, an seinem Keller zu sparen und seinen Pferdestand auf zwei alte Chaisenpferde und eine Reitmähre zu reduciren, um ein Steckenpferd zu reiten und den Architekten zu spielen. Ihre Frauen fanden nicht so viel zu tadeln hinsichtlich des Kellers und der Ställe, aber sie waren voll beredsamen Mitleids für Lady Cheverel, die nur drei Zimmer auf einmal zu bewohnen habe, und die von dem Lärm ganz toll werden und durch die ungesunden Gerüche ihre Gesundheit untergraben müsse. Es war so schlimm, als einen mit dem Asthma behafteten Gatten zu haben. Warum miethete ihr Sir Christopher kein Haus in Bath oder wenigstens in der Nähe des Manor, wenn er durchaus seine Zeit mit der Beaufsichtigung von Handwerkern zubringen mußte? Dies Mitleid war ganz unnütz, wie das überreiche Mitleid es immer ist; denn wenn Lady Cheverel ihres Gatten architektonischen Enthusiasmus nicht theilte, hatte sie eine zu strenge Ansicht von den Pflichten einer Gattin und viel zu viel Gefälligkeit gegen Sir Christopher, als daß sie ihre Ergebung schmerzlich gefühlt hätte. Was Sir Christopher betrifft, so war er vollkommen gleichgiltig gegen Kritik. »Ein eigensinniger, grillenhafter Mensch«, sagten seine Nachbarn. Ich aber, die ich Cheverel Manor gesehen, wie er es seinen Erben hinterließ, schreibe lieber jenes feste Verfolgen seines architektonischen Plans, der erdacht und ausgeführt wurde mit langjähriger systematischer persönlicher Anstrengung, einem gewissen Feuer des Genies wie einer Unbeugsamkeit des Willens zu; und indem ich durch jene Räume mit ihren prächtigen Decken und ihrem dürftigen Meublement wanderte, das erzählt, wie alles übrige Geld erschöpft war, ehe man an Bequemlichkeit dachte, habe ich gefühlt, daß in diesem alten englischen Baronet etwas von jenem erhabenen Geist wohnte, der die Kunst vom Luxus unterscheidet und die Schönheit verehrt, abgesehen von der Behaglichkeit.
Während so Cheverel Manor aus Häßlichkeit zur Schönheit sich entwickelte, wuchs auch Caterina von einem kleinen, gelben Balg zu einem Mädchen mit etwas weißerem Teint, zwar ohne wirkliche Schönheit, aber von einer gewissen leichten, luftigen Anmuth, die im Verein mit ihren großen, bittenden dunkeln Augen und einer Stimme, die in ihrer tieftönenden Weichheit an die Liebesmelodien der Holztaube erinnerte, ihr einen mehr als gewöhnlichen Reiz verlieh. Dem Gebäude unähnlich indessen war Caterina's Entwicklung nicht das Resultat systematischer oder sorgfältiger Bemühungen. Sie wuchs auf ganz wie die Schlüsselblumen, die der Gärtner nicht ungern innerhalb seiner Einfriedigungen sieht, auf deren Cultur er aber keine Mühe verwendet. Lady Cheverel lehrte sie lesen und schreiben und ihren Katechismus aufsagen; Mr. Warren, der ein guter Rechner war, gab ihr Lektionen in der Arithmetik auf Myladys Wunsch; und Mrs. Sharp weihte sie in alle Mysterien der Nadel ein. Aber lange dachte man nicht daran, ihr eine sorgfältigere Erziehung zu Theil werden zu lassen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Caterina bis zu ihrem Todestag dachte, die Erde stehe still und die Sonne und Sterne bewegten sich um sie; aber was das anbelangt, so glaubten Helena und Dido und Desdemona und Julia dasselbe, weshalb ich hoffe, lieber Leser, du wirst um deßwillen meine Caterina nicht weniger einer Heldin würdig erachten. Die Wahrheit ist, daß – mit einer einzigen Ausnahme – ihr einziges Talent im Lieben bestand; und darin hätte sie wahrscheinlich die sternkundigste der Frauen nicht übertreffen können. Und wenn sie auch eine Waise und ein Schützling war, so fand dies ihr hervorragendes Talent Uebung in Fülle auf Cheverel Manor, und Caterina hatte mehr Leute zu lieben, als manche kleine Lady und manches kleine Herrchen, die an silbernen Bechern und Blutsverwandten Ueberfluß besaßen. Ich glaube, die erste Stelle in ihrem kindlichen Herzen war Sir Christopher eingeräumt, denn kleine Mädchen schließen sich gern dem am feinsten aussehenden Herrn an, der zur Hand ist, speciell da dieser selten etwas mit der Kinderzucht zu thun hat. Nächst dem Baronet kam Dorcas, das luftige rosenwangige Mädchen, das Mrs. Sharp's Stellvertreterin in der Kinderstube war und so die Rolle der Rosinen in einer Dosis Sennesblätterabsud Pflanzliches Abführmittel. – Anm.d.Hrsg. spielte. Es war ein Unglückstag für Caterina, als Dorcas den Kutscher heirathete und mit einer starken Empfindung von Avancement in die Welt fortzog, um über eine Wirtschaft in der geräuschvollen Stadt Sloppeter zu herrschen. Eine kleine Porzellantasse mit dem Motto »Zwar aus den Augen, doch nicht aus dem Sinn«, die ihr Dorcas zum Andenken schickte, befand sich zehn Jahre später noch unter Caterinas Schätzen.
Das andere eine Ausnahme machende Talent war, wie man wohl schon errathen, für Musik. Als die Thatsache, daß Caterina ein merkwürdig feines Gehör für Musik und eine noch merkwürdigere Stimme besaß, Lady Cheverels Aufmerksamkeit fesselte, war die Entdeckung ihr und Sir Christopher gleich willkommen. Ihre musikalische Ausbildung wurde Gegenstand des Interesses. Lady Cheverel widmete ihr viel Zeit und da die rapiden Fortschritte Tinas alle Erwartungen übertrafen, wurde ein italienischer Gesangslehrer auf mehrere Jahre engagirt, der jährlich einige Monate auf Cheverel Manor zuzubringen hatte. Diese unerwartete Begabung bewirkte eine große Veränderung in Caterinas Stellung. Auf jene ersten Jahre, in welchen kleine Mädchen gehätschelt werden wie junge Hunde und Küchlein, folgt eine Zeit, wo es weniger greifbar ist, wozu sie gut sein können, speciell wenn sie, wie Caterina, keine besondere Geschicklichkeit oder Schönheit versprechen; und es ist nicht überraschend, daß in jener uninteressanten Periode kein Plan betreffs ihrer künftigen Stellung entworfen wurde. Sie konnte immerhin Mrs. Sharp helfen, während sie aufwuchs, vorausgesetzt, daß sie für sonst nichts tauglich sei: aber jetzt machte diese seltene Gabe des Gesangs sie Lady Cheverel theuer, die Musik über alles liebte, und verknüpfte sie sogleich mit den Vergnügungen des Gesellschaftszimmers. Unmerklich kam es dahin, daß sie als zur Familie gehörig betrachtet wurde, und die Dienerschaft begann zu verstehen, daß Miß Sarti allem Anschein nach eine Dame werden solle.
»Und das mit Recht«, sagte Mr. Bates, »denn sie hat nicht den Schnitt eines Mädchens, die um ihr Brod arbeiten muß; sie ist so hübsch und zart wie eine Pechnelke – ganz wie ein Hänfling, der gerade Leib genug hat, um seine Stimme zu fassen.«
Aber lange bevor Tina in dies Stadium ihrer Geschichte getreten war, hatte eine neue Aera für sie begonnen, in der Ankunft eines jüngern Gefährten, als sie bisher gekannt. Als sie nicht mehr als sieben Jahre zählte, begann ein Mündel Sir Christophers – ein fünfzehnjähriger Bursche namens Maynard Gilfil – seine Ferien auf Cheverel Manor zuzubringen und fand dort keinen Spielgenossen so nach seinem Sinn wie Caterina. Maynard war ein liebevoller Junge, der noch eine Vorliebe für weiße Kaninchen, Lieblingseichhörnchen und Meerschweinchen bis in ein Alter bewahrte, in welchem junge Herren gewöhnlich auf solche Vergnügen als knabenhaft herabsehen. Ebenso war er auch dem Fischen sehr ergeben und der Zimmerei – als eine schöne Kunst, ohne jede niedrige Rücksicht auf Nützlichkeit betrachtet. Und bei all diesen Vergnügungen war es ein Ergötzen, Caterina als Gefährtin zu haben, ihr kleine Schmeichelnamen zu geben, ihre verwunderten Fragen zu beantworten und sie hinter sich nachwackeln zu sehen, wie etwa ein Blenheim-Wachtelhündchen hinter einem großen Hühnerhund nachtrottet. So oft Maynard zur Schule zurückging, gab es eine kleine Abschiedsscene.
»Du wirst mich nicht vergessen, Tina, bis ich wieder zurückkomme. Ich werde dir all die Peitschenschnur dalassen, die wir gemacht haben; und laß das Meerschweinchen nicht umkommen. Komm, gib mir einen Kuß und versprich mir, mich nicht zu vergessen.«
Wie die Jahre verstrichen und Maynard von der Schule zur Universität übertrat und aus einem schlanken Burschen ein strammer Jüngling wurde, nahm ihre Kameradschaft während der Ferien nothwendig eine andere Gestalt an, behielt aber die geschwisterliche Vertraulichkeit bei. Bei Maynard hatte sich die kindische Zuneigung unmerklich zu glühender Liebe entwickelt. Unter all den vielen Arten von erster Liebe ist die, welche mit kindlicher Kameradschaft beginnt, die stärkste und ausdauerndste: wenn die Leidenschaft ihre Kraft mit langer Zuneigung zu vereinen anfängt, ist die Liebe in ihrer Frühlingszeit. Und Maynard Gilfils Liebe war von der Art, daß er von Caterina gequält zu werden jedem Vergnügen fern von ihr vorzog, das der wohlwollendste Magier für ihn hätte ersinnen können. So ist es bei diesen großen, starkgliederigen Menschen seit Simsons Zeiten. Was Tina betrifft, so wußte die kleine Hexe ganz gut, daß Maynard ihr Sklave war; er war die einzige Person der Welt, mit der sie machte was sie nur wollte; und ich brauche wohl nicht zu sagen, daß dies ein Symptom war, welches zeigte, daß sie, soweit es ihn anging, ganz heilen Herzens war: denn eines leidenschaftlichen Weibes Liebe ist immer von Furcht überschattet.
Maynard Gilfil täuschte sich in der Deutung von Caterinas Gefühlen nicht, aber er nährte die Hoffnung, daß sie seiner Zeit einmal mindestens soviel um ihn sich kümmern werde, um seine Liebe anzunehmen. So wartete er geduldig auf die Zeit, wo er es wagen dürfte, zu sagen: »Caterina, ich liebe Dich!« Man sieht, er wäre mit sehr wenigem zufrieden gewesen, da er einer von jenen Menschen war, die durch's Leben hinschreiten, ohne den geringsten Lärm von sich zu machen, und weder den Schnitt seines Rockes, noch den Wohlgeschmack der Suppe, noch die genaue Tiefe der Verbeugung eines Bedienten für irgend wie wichtig hielt. Er dachte – thöricht genug, wie Verliebte gewöhnlich denken – daß es ein gutes Anzeichen für ihn sei, wenn er auf Cheverel Manor in der Eigenschaft eines Kaplans und Curaten einer benachbarten Pfarrei heimisch werde, indem er nach seinem eigenen Fall fälschlich urtheilte, daß Gewohnheit und Zuneigung die besten Wege zur Liebe seien. Sir Christopher befriedigte verschiedene Gefühle, als er Maynard in seinem Hause als Kaplan installirte. Er liebte die altmodische Würde jenes häuslichen Anhängsels; er liebte seines Mündels Gesellschaft; und da Maynard einiges Privatvermögen hatte, konnte er in jenem angenehmen Heim das Leben leicht nehmen, sich ein Jagdpferd halten und ein mildes Regiment priesterlicher Pflicht üben, bis die Pfründe zu Cumbermoor sich erledigte, wo er dann auf Lebenszeit in der Nähe des Familiensitzes sich niederlassen konnte. »Und mit Caterina als Frau dazu«, begann Sir Christopher bald zu denken; denn obgleich der gute Baronet durchaus nicht rasch war in der Befürchtung dessen, was unangenehm und seinen Ansichten vom Schicklichen entgegen war, war er rasch im Erfassen dessen, was in seine Pläne paßte; und er hatte zuerst den Stand der Gefühle Maynards errathen und dann durch direktes Ausfragen fest ermittelt. Er sprang von da sogleich zu dem Schlusse über, daß Caterina derselben Gesinnung sei oder wenigstens sein würde, wenn sie einmal alt genug wäre; aber es wäre jetzt noch zu früh, etwas Bestimmtes zu sagen und zu thun.
Mittlerweile traten neue Umstände dazu, die – wenn sie auch keinen Wechsel in Sir Christophers Plänen und Projekten bewirkten – Mr. Gilfil's Hoffnungen in Besorgnisse verwandelten und ihm klar machten, nicht nur daß Caterinas Herz wohl niemals sein eigen werden würde, sondern auch daß es gänzlich einem Andern ergeben war.
Einmal oder zweimal während Caterinas Kindheit war ein anderer Besucher auf dem Manor gewesen, – jünger als Maynard Gilfil – ein schöner Knabe mit braunen Locken und prächtigen Kleidern, den Caterina mit scheuer Bewunderung angeblickt hatte. Das war Anthony Wybrow, der Sohn von Sir Christophers jüngerer Schwester und erwählte Erbe von Cheverel Manor. Der Baron hatte eine große Summe geopfert und selbst die Quellen beschränkt, mit deren Hilfe er seine architektonischen Pläne ausführen wollte, um die gesetzliche Erbfolge von seinem Gute abzuwenden und diesen Knaben zu seinem Erben einzusetzen – zu diesem Schritt bewogen, wie ich constatiren muß, durch einen unversöhnlichen Streit mit seiner älteren Schwester; denn die Fähigkeit zu vergeben gehörte nicht zu Sir Christophers Tugenden. Endlich nach dem Tode von Anthonys Mutter, als er kein lockenköpfiger Knabe mehr war, sondern ein schlanker, junger Mann mit einer Kapitänsstelle, wurde Cheverel Manor auch seine Heimath, so oft er von seinem Regiment beurlaubt war. Caterina war damals ein junges Mädchen zwischen Sechzehn und Siebenzehn, und ich brauche nicht viele Worte zur Erklärung dessen zu verschwenden, was Du, lieber Leser, für das Natürlichste von der Welt hältst.
Man ging wenig in Gesellschaft auf Cheverel Manor, und Capitän Wybrow würde sich viel mehr gelangweilt haben, wenn Caterina nicht dort gewesen wäre. Es war ergötzlich, ihr Aufmerksamkeiten zu erweisen – zu ihr in sanften Tönen zu sprechen, ihre freudige Verwirrung zu sehen und das Erröthen, das eben ihre bleiche Wange erheiterte, und den raschen furchtsamen Blick ihrer dunkeln Augen, wenn er, an ihrer Seite über das Piano gelehnt, ihren Gesang lobte: ergötzlich auch, jenen Kaplan mit den strammen Waden auszustechen, ein Weib zu bezaubern und einen andern Mann zu verdunkeln; – speciell, wenn es ihm ganz klar ist, daß er kein Unheil anstiften und alles wieder nach und nach ins rechte Geleise kommen lassen will. Nach Verfluß von achtzehn Monaten indessen, während welcher Capitän Wybrow einen großen Theil seiner Zeit auf dem Manor verbrachte, fand er, daß die Dinge einen Punkt erreicht hatten, den er gar nicht beabsichtigt hatte. Sanfte Töne hatten zu zärtlichen Worten geführt und zärtliche Worte eine Antwort in Blicken hervorgerufen, die es unmöglich machten, das Crescendo des Courmachens nicht fortzusetzen. Sich von einem kleinen, anmuthigen, dunkeläugigen, lieblich singenden Mädchen angebetet zu sehen, ist eine dem Rauchen des feinsten Latakia vergleichbare, angenehme Empfindung, die uns auch eine gewisse Erwiderung der Zärtlichkeit als Pflicht auferlegt.
Vielleicht denkst Du, freundlicher Leser, daß Capitän Wybrow, der wußte, daß es lächerlich für ihn sei, an eine Heirath mit Caterina zu denken, ein gewissenloser Wüstling sein mußte, um ihre Neigung auf diese Weise zu gewinnen? Durchaus nicht. Er war ein junger Mann von ruhigem Gemüth, der selten sich zu einem Betragen verleiten ließ, für welches er sich nicht plausible Rechenschaft geben konnte; und die winzige, gebrechliche Caterina war ein Weib, das eher die Phantasie und das Gemüth als die Sinne reizte. Er war wirklich sehr freundlich gegen sie und würde sie höchst wahrscheinlich geliebt haben – wenn er überhaupt fähig gewesen wäre, Jemanden zu lieben. Aber die Natur hatte ihn nicht mit jener Fähigkeit begabt; sie hatte ihm eine bewundernswerthe Gestalt, die weißesten Hände, die zartesten Nüstern und eine große Summe ruhig heiterer Selbstbefriedigung gegeben: aber sie hatte ihn – als wolle sie ein so zartes Stück Arbeit vor jeder Gefahr einer Erschütterung bewahren – davor bewahrt, einer starken Erregung ausgesetzt zu sein. Es gab über ihn keine Liste jugendlicher Vergehen, und Sir Christopher und Lady Cheverel hielten ihn für den besten der Neffen, den befriedigendsten der Erben, voll dankbarer Ehrerbietung gegen sie und vor allem geleitet von Pflichtgefühl. Capitän Wybrow that immer das für ihn Bequemste und Angenehmste aus Pflichtgefühl; er kleidete sich kostspielig, weil das eine Pflicht war, die er seiner Stellung schuldete: aus Pflichtgefühl fügte er sich Sir Christophers unbeugsamem Willen, dem zu widerstehen sowohl beschwerlich als nutzlos war; und da er von zarter Constitution war, so hütete er seine Gesundheit aus Pflichtgefühl. Seine Gesundheit war das Einzige, weshalb er seinen Neffen früh verheirathet zu sehen wünschte, umsomehr als eine Partie ganz nach des Baronets Herzen sogleich erreichbar war. Anthony hatte Miß Asher gesehen und bewundert, das einzige Kind einer Dame, die Sir Christophers erste Liebe gewesen, die aber, wie es in der Welt vorkommt, einen andern Baronet statt seiner geheirathet hatte. Miß Ashers Vater war jetzt todt und sie im Besitz eines hübschen Vermögens. Wenn sie, was wahrscheinlich, für die Verdienste Anthonys sich empfänglich erweisen sollte, konnte nichts Sir Christopher so glücklich machen, als eine Heirath geschlossen zu sehen, von der man erwarten durfte, sie werde Cheverel Manor davor schützen, in die unrechten Hände zu gerathen. Anthony war bereits von Lady Asher als Neffe ihres Jugendfreundes freundlich aufgenommen worden; warum sollte er nicht nach Bath gehen, wo sie und ihre Tochter damals sich aufhielten, die Bekanntschaft fortsetzen und eine hübsche, wohlgeborne und genügend reiche Braut gewinnen?
Sir Christophers Wünsche wurden seinem Neffen mitgetheilt, der sogleich seine Bereitwilligkeit, denselben zu entsprechen, zu erkennen gab – aus Pflichtgefühl. Caterina wurde von dem Opfer, das man von ihnen beiden verlangte, durch ihren Geliebten unterrichtet, und drei Tage nachher erfolgte die Abschiedsscene, von der wir in der Gallerie am Abend vor Capitän Wybrows Abreise nach Bath Zeugen gewesen sind.