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In Bern herrschte König Dietmar aus der Amalungen Geschlecht, welches bis zu den Göttern emporstieg; seine Gattin Odilia war die geschickteste aller Frauen. Sie hatten einen Sohn, Dietrich geheissen, der wuchs heran zu ungewöhnlicher Körperkraft. Sein Angesicht war oval und hellfarbig, seine scharfen Augen waren von der Farbe des Adlerauges, in langen Locken fiel sein starkes Haar herab, glänzend wie geschlagenes Gold. Er hatte keinen Bart, so alt er auch wurde. Schmal war er in der Mitte des Leibes, aber gar breit in den Schultern, dick in den Hüften und von so grosser Stärke, dass er sie kaum je selber ganz erproben konnte. Dabei war er munter, leutselig und freigiebig; geriet er aber in Zorn, dann fuhr Feuer aus seinem Munde.
Damals lebte in Venedi Herzog ReginbaldNach andern Überlieferungen aber Heribrand. aus dem Geschlecht der Wölfinge. Hildebrand hiess sein ältester Sohn; der war ein schöner, hochgewachsener Mann mit wunderguten Augen, blond waren ihm Haar und Bart und kraus wie Hobelspäne. Voll Tapferkeit, war er zugleich ein trefflicher Ratgeber und fest in der Freundschaft. Als er in den dreissigsten Winter ging, sprach er zu seinem Vater: "Wie soll ich Ruhm erlangen, wenn ich stets zu Hause sitze? Ich will zu König Dietmar fahren und ihm meinen Dienst anbieten." Der König von Bern nahm Hildebrand freundlich auf; er setzte ihn an seine Seite in der Halle und gab ihm den erst fünfjährigen Dietrich zur Erziehung. Hildebrand pflegte und lehrte den Knaben, bis er zwölf Winter alt wurde. Da empfing jung DietrichKönig Dietmar hatte noch zwei Brüder: Harlung (nach W. Grimm der richtigere Name, er heisst auch Diether) auf der Fritilaburg, der Vater der Harlunge: Fritila und Imbreke (siehe unten). Der andre Bruder König Dietmars hiess Ermenrich, König in Romaburg, einer Sage nach der allein echte Sohn seines Vaters. Dieser Vater heisst in einem Gedicht Amalung. aus seines Vaters Hand das Schwert und erhielt ein grosses Gefolge. Hildebrand und Dietrich liebten einander sehr, bis an ihren Tod.
Einst ritten die Freunde hinaus in den Wald mit Habichten und Hunden. Dietrich verfolgte einen Hirsch und sah einen Zwerg laufen; rasch wandte er sein Ross und setzte ihm nach, und ehe der Zwerg in seine Höhle gelangte, griff Dietrich ihn mit der Hand am Nacken und riss ihn zu sich in den Sattel. Das war Alfrich, der berüchtigte Dieb und geschickteste aller Zwerge. "Herr," sprach Alfrich, "wenn ich mein Leben damit aus deiner Hand lösen kann, so will ich dich dorthin führen, wo du noch einmal so viel Schätze finden wirst, als dein Vater fahrende Habe hat. Und das alles besitzen Hilde und ihr Mann Grim; der ist stark wie zwölf Männer, aber sie ist noch stärker und beide sind sie bös. Auch hat er das Schwert Nagelring, das ich geschmiedet habe. Aber du kannst ihn nicht erschlagen, wenn du nicht zuvor Nagelring gewinnst. Und es steht dir besser an, danach zu streben als nach meinem geringen Leben." Dietrich antwortete: "Dein Leben musst du lassen, schwörst du nicht, dass du Nagelring noch heut’ in meine Hand schaffst und mich dann dorthin führst, wo die Schätze sind." So tat der Zwerg und Dietrich liess ihn los. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als der Zwerg mit dem Schwerte zurückkam; er wies den beiden einen Felsen an der Berghalde, wo sie Grims Erdhaus finden würden, und verschwand aufs schnellste. Dietrich und Hildebrand stiegen von den Rossen, zogen das Schwert aus der Scheide und sahen staunend, dass sie niemals ein schöneres geschaut hatten. Dann gingen sie an die Halde hin bis zum Erdhause, banden die Helme fest und schwangen die Schilde vor sich. Kühn schritt Dietrich über die Schwelle; Hildebrand dicht hinter ihm. Als der Berserker Grim sie erblickte, griff er sogleich nach seiner Waffenkiste, vermisste aber sein Schwert.
Da nahm er einen brennenden Baumast vom Herdfeuer und ging ihnen damit entgegen. Sie kämpften aufs tapferste. Hilde umschlang so fest Hildebrands Hals, dass er keinen Stoss gegen sie führen konnte. Sie rangen miteinander: "Hildebrand fiel und Hilde oben auf ihn und sie wollte ihn binden. "Herr Dietrich," rief Hildebrand, "hilf mir, nie zuvor kam ich in solche Lebensgefahr." Da hieb Dietrich Grim das Haupt ab, sprang an die Seite seines Pflegers und schlug Hilde in zwei Stücke. Aber sie war zauberkundig, und ihre zwei Leibeshälften liefen wieder zusammen, und sie war heil. Dietrich hieb nochmals auf sie, und es erging ebenso; da riet Hildebrand: "Tritt mit deinen Füssen zwischen Haupt und Fussstück, nur dann wirst du dies Ungetüm besiegen." Nun hieb er sie zum dritten Mal in zwei Stücke und trat mit seinen Füssen dazwischen; da war das Weib tot. Hildebrand sprang auf und sie nahmen von den Schätzen, soviel ihre Rosse tragen konnten. Sie fanden auch den Helm, von welchem Alfrich ihnen gesagt hatte, dass er Hilde und Grim so wert war, dass sie ihn nach ihren Namen Hildegrim nannten. Den Helm trug Dietrich seitdem in manchem Kampfe.
Ein Gehöft lag im Walde, darauf waltete Studas. Er züchtete dort edle Rosse; die waren alle von grauer, hellgelber oder schwarzer Farbe. Studas hatte einen Sohn, der hiess wie er, aber er wurde Heime genannt nach einem Wurm, der grimmiger war als andre, und alle Schlangen waren vor ihm in Furcht. Wie dieser Wurm, war Heime hartgemut, ehrsüchtig und wollte niemand dienen. Kurz gewachsen, trug er auf breiten Schultern ein starkes Haupt mit grossen schwarzen Augen. In seiner gewaltigen Stärke fand er allein Lust daran, das Ross zu tummeln und zu fechten. Blutgang hiess sein Schwert, Rispa sein Hengst, und der war grau und gross.
Heime verachtete seines Vaters Beschäftigung und verliess ihn, um Dietrich von Bern aufzusuchen: "Des Todes will ich sein, oder berühmter als Dietrich!" sprach er und sprang auf seinen Hengst. Und als er an die Königsburg zu Bern gelangte, bat er einen Diener, Ross und Speer zu bewachen, bis er aus der Königshalle zurückkehre. Dann schritt er hinein vor des Königs Hochsitz, grüsste ihn und wandte sich zu Dietrich: "Weither bin ich geritten, um dich zu finden; willst du nun dich und deine Stärke versuchen, so fordr’ ich dich zum Zweikampf draussen vor Bern; und wer der Sieger ist, der soll des andern Waffen davontragen." Dietrich ward zornig; noch keiner hatte gewagt, ihn zum Zweikampf herauszufordern. Schnell sprang er auf und ging hinaus, sich zu wappnen. Ihm folgten Hildebrand und viele seiner Ritter und alle halfen, ihn rüsten; dann sprang er auf sein Ross und sie ritten hinaus.
Dietrichs Schild war rot wie Blut und ein goldener Löwe darauf gemalt; sein Schwert Nagelring trug er an der Seite, in der Hand einen starken Speer. Heime wartete schon des Kampfes; mit gesenkten Speeren ritten sie gegeneinander, zweimal unversehrt; zum dritten Mal fuhren sie so gewaltig an, dass Dietrichs Ross von dem Stoss auf die Hinterbeine sank, die Speere zerbrachen, und Heime ward leicht verwundet. Sie stiegen nun ab, zogen die Schwerter und schlugen sich lange; und keiner wich vor dem andern zurück; endlich tat Heime einen starken Hieb mit Blutgang auf Dietrichs Helm Hildegrim; das Schwert sprang aber in zwei Stücke; nun war er waffenlos und gab sich in Dietrichs Gewalt. Der aber mochte ihn nicht töten, sondern machte ihn zu seinem Genossen. Auf dem Heimweg ritt Heime zu Dietrich und sprach:
"Du bist ein gewaltiger Held und reitest auf einem so elenden Ross, dass es kaum einen Stoss aushalten kann? Ich weiss einen Hengst in meines Vaters Gehöft; kommst du je auf dessen Rücken, so setz’ ich mein Haupt zum Pfand; eher erlahmt dein starker Arm, denn des Rosses Rücken unter dir sich beugt."
"Kannst du das Ross mir verschaffen, will ich dir’s danken mit reichem Lohn," antwortet Dietrich, und gab ihm Urlaub zur Reise. Heime suchte in seines Vaters Gehöft den grössten Hengst von fahler Farbe und dreiwintrig und der hiess Falka. Den führte er nach Bern und gab ihn Dietrich, der Heime reich belohnte.
Als Wielands Sohn Wittig zwölf Winter alt war, wollte er nicht Hammerschaft noch Zangengriff berühren, sondern Ross und Waffen begehrte er und einem ruhmreichen Fürsten zu dienen und mit ihm in den Kampf zu reiten. Er war stark, gross, ansehnlich, tapfer und ohne Übermut. "Dietrich von Bern ist schon weithin berühmt und nicht älter als ich," sprach er. "Mit ihm will ich mich messen im Kampfe; fall’ ich zur Erde, so reich’ ich ihm mein Schwert und werde sein Mann; – vielleicht aber werde ich der Sieger sein." Da schmiedete ihm Wieland eine Rüstung, glänzend wie Silber, hart wie Stahl; einen Helm, mit grossen Nägeln beschlagen, dick und biegsam; eine goldfarbene Schlange war darauf abgebildet, die spie Gift aus dem Rachen; das bedeutete Wittigs Ritterschaft und grimme Streitlust. Sein Schild war weiss, und mit roter Farbe waren Hammer und Zange darauf gemalt, weil sein Vater ein Schmied war; oben im Schilde standen drei Karfunkelsteine, die bedeuteten seiner Mutter Königsgeschlecht. Dazu gab Wieland ihm Mimung, das Schwert, und den Hengst Schimming. Der Sattel war aus Elfenbein und eine Natter darauf gezeichnet.
Seine Mütter gab ihm drei Mark Goldes und ihren goldenen Fingerring. Dann küsste Wittig Mutter und Vater, nahm seinen Speer und sprang in den Sattel, ohne den Steigbügel zu berühren. Da lachte Wieland, als er das sah, geleitete ihn auf den Weg und bezeichnete ihm genau die Strassen, die er zu reiten hatte. Und gab ihm noch manchen weisen Rat, und Vater und Sohn schieden.
Wittig kam nach langem Ritt an einen grossen Strom, aber er fand die Furt nicht, die ihm sein Vater bezeichnet hatte; darum stieg er ab, legte Waffen und Kleider von sich und verbarg sie in einer Erdgrube, damit sie ihm nicht genommen werden könnten, während er im Wasser die Furt suchte. Er watete in das Wasser hinaus und fuhr schwimmend auf und ab im Strom. Da kamen drei Männer des Weges geritten; der eine war Hildebrand, der andre Heime und der dritte Jarl Hornbogi aus Winland, den Dietrich von Bern zu sich geladen hatte, dass er sein Genosse werde mit allen seinen Mannen. – Hildebrand sah Wittig im Strome und sprach: "Ich sehe einen Zwerg im Wasser, vielleicht ist es Alfrich, den Jungherr Dietrich schon einmal fing. Wir wollen ihn nochmals fangen; und sein Lösegeld soll kein geringeres sein als damals."
Aber Wittig hatte alles gehört, was sie sprachen und rief: "Gebt mir Frieden und lasst mich ans Land steigen, dann könnt ihr sehen, ob ich mein Haupt niedriger trage als ihr." Sie gewährten ihm das, und er sprang ans Ufer, neun Fuss in einem Schwung.
Als Hildebrand nach seinem Namen fragte, antwortete er: "Lasst mich erst meine Waffen nehmen, dann frage, was du fragen willst." Schnell legte er Kleider und Waffen wieder an, sprang auf seinen Hengst und ritt ihnen entgegen. Und nun sagte er seinen Namen und sein Geschlecht und dass er zum Kampfe mit Dietrich reite: "Und ehe ich heimfahre, muss erwiesen sein, wer von uns der Stärkere ist." Als Hildebrand sah, wie überaus gross und gewaltig Wittig war, zweifelte er, wer im Zweikampf obsiegen werde, und sann, wie er seinen Herrn Dietrich vor einer Niederlage beschirmen möge. Er lobte Wittigs Absicht und bot ihm Blutsbrüderschaft an. Er nannte sich auf Wittigs Befragen Boltram, und sie gelobten, einander beizustehen in allen Nöten. Darauf ritten sie zum Strom; Hildebrand wusste die Furt durch denselben. Sie zogen, bis sie an eine Wegscheide kamen. Da sprach Hildebrand: "Beide Wege führen nach Bern; der eine ist lang, der andre kurz, aber auf dem kurzen müssen wir über einen Strom und das können wir nur auf einer Steinbrücke; bei dieser liegt ein Kastell, das haben zwölf Räuber inne; der erste heisst Gramaleif, und auf der Brücke liegt ein Zoll, dort müssen wir Waffen und Rosse lassen und froh sein, kommen wir mit dem Leben davon. Schwerlich kommen wir hinüber; Herr Dietrich hat vergebens versucht, dies Kastell zu erstürmen. Reiten wir also den langen Weg." Doch Wittig rief: "Wir wollen den kürzern reiten." Und bald kamen sie an einen Wald, vor welchem das Kastell lag. Wittig bat seine Gefährten, zu warten; er ritt voraus, um zu versuchen, ob sie nicht ohne Schatzung über die Brücke kämen.
Oben vom Kastell herunter sahen die zwölf Räuber Wittig. Gramaleif sprach: "Dort reitet ein Mann her, der hat einen grossen Schild, den will ich haben, ihr mögt seine übrige Rüstung teilen." Nun teilten sie unter sich Wielands ganze Ausrüstung, aber schon für den neunten blieb nichts mehr übrig; da verlangte er Wittigs rechte Hand, der zehnte den rechten Fuss und der elfte wollte sein Haupt haben. Aber der zwölfte, Studfus, sprach: "Der Mann soll nicht erschlagen werden," und Gramaleif befahl: "Geht hin zu dritt; nehmt ihm alles und lasst ihn davon mit dem linken Fuss, dem linken Arm und dem Leben." Die drei ritten Wittig entgegen und forderten Waffen, Kleider und Ross und Hand und Fuss als Schatzung. Wittig fand das sehr unbillig und hiess sie ihren Häuptling herbeirufen. Als Gramaleif das hörte, waffnete er sich samt seinen Gesellen und sie ritten über die Steinbrücke. Wittig hiess sie willkommen. "Gar nicht willkommen bist du," antwortete Gramaleif, "deine Habe ist unter uns schon geteilt und Hand und Fuss musst du dazu lassen. Deinen Schild will ich." Und ein jeder forderte sein Teil. Aber Wittig wollte ihnen nicht einen Heller geben, sondern verlangte in Frieden über die Brücke zu reiten.
"Fürwahr," sprach Studfus, "wir sind grosse Narren, dass wir zwölf vor einem Mann stehen; zieht eure Schwerter, nun soll er alles lassen und sein Leben oben drauf legen." Grimmig zog er das Schwert und hieb nach Wittigs Helm, der war aber zu hart für seine Waffe. Mit grossem Zorn riss auch Wittig sein Schwert Mimung aus der Scheide und schnitt Studfus in zwei Teile auf den ersten Schlag; zur linken Achsel herein, zur rechten Seite heraus. Nun drangen alle auf ihn ein; Gramaleif hieb gewaltig auf Wittigs Helm, doch sein Schwert konnte ihn nicht zerschneiden. Wittig aber spaltete Gramaleif das Haupt und den Rumpf, dass er tot zur Erde fiel.
Unterdessen sprach Hildebrand zu seinen Genossen: "Sie sind aneinander gekommen; wir wollen hinreiten und ihm beistehen."
Doch Heime riet: "Lasst uns warten, bis wir sicher sind, dass er die Überhand hat; unterliegt er aber, so wollen wir fortreiten und wegen eines Unbekannten uns nicht in Gefahr bringen." "Das wäre schändlich," sagte Hildebrand, und Hornbogi meinte, dass sie um der Brüderschaft willen ihm helfen müssten. Da ritten sie hin.
Wie sie auf die Steinbrücke kamen, hatte Wittig sieben der Räuber erschlagen und die fünf andern, darunter Sigstaf, flohen davon. Die Sieger ritten nun in die Burg, nahmen Wein, Speisen und Kleinodien, und blieben dort die Nacht. Als es Mitternacht war, stand Hildebrand auf, nahm Wittigs Schwert und legte seins dafür an die Stelle, nachdem er zuvor Knauf und Griff des Schwertes vertauscht hatte. Am andern Morgen sprach er zu Wittig: "Ich will mich nicht länger vor dir verleugnen; ich bin Hildebrand und wir alle sind Dietrichs Genossen, aber unsre Brüderschaft will ich dir treu halten. Nun rate ich, dass Heime und Hornbogi diese Burg hüten; ich reite mit dir nach Bern zu Dietrich. Scheidet ihr beiden als Freunde, so besitzt gemeinsam diese Burg, scheidet ihr unversöhnt, so gehört sie dir allein." Wittig antwortete: "Ein böser Zoll lag auf dieser Brücke; daran war das Kastell schuld, welches die Zollherrn schirmte. Jedermann, will ich, soll in Frieden über diese Brücke zieh’n." Und Jarl Hornbogi sagte: "Wer die Burg mit seinem Schwert eroberte, hat auch das Recht, damit nach seinem Gefallen zu tun." Da warf Wittig einen Feuerbrand in den Bau und sie ritten nicht eher von dannen, bis alles verbrannt und niedergebrochen war. Ihr Weg führte sie bald wieder an einen Strom; darüber war eine Brücke gespannt zwischen zwei Felsen. Über diese Brücke war Sigstaf mit seinen Gesellen geflohen, sie hatten die Brücke hinter sich abgebrochen, damit Wittig nicht über den Strom komme. Als Wittig sah, dass die Brücke fortgerissen war, drückte er seinem Hengst die Sporen ein, und Schimming sprang über den Strom von dem einen Felsen bis auf den gegenüberstehenden, wie ein abgeschossener Pfeil. Als Hildebrands Ross von dem Felsen sprang, flog es in den Strom und musste schwimmen; dieselbe Fahrt tat Hornbogi, doch kam er früher als Hildebrand ans Land. Heimes Hengst Rispa setzte in einem Sprung über den Strom und gleich nach Wittig war er dort. Sigstaf und seine Gesellen waren nicht weit gekommen; alsbald gewahrte sie Wittig; er ritt auf sie zu und begann von neuem den Kampf mit ihnen. Derweil sass Heime auf seinem Hengst und wollte ihm nicht helfen. Doch Hornbogi gelangte nun ans Land und ritt Wittig zu Hilfe. Sie erschlugen alle Räuber, ehe noch Hildebrand dazu kam.
Als sie in Bern einritten, sass Dietrich bei Tisch; er stand auf und ging hinaus, sie zu begrüssen. Wittig zog den silbernen Handschuh von seiner Hand und reichte ihn Dietrich hin: "Hiermit fordere ich dich zum Zweikampfe; du bist gleich alt mit mir; nun will ich versuchen, ob du ein so grosser Kämpe bist, wie von Land zu Land gesagt wird." "Den Frieden will ich einsetzen in meines Vaters Land und meinem eignen, dass nicht jeder Landstreicher es wagt, mir hier Zweikampf zu bieten," antwortete Dietrich. Aber Hildebrand warnte ihn: "Herr, du weisst nicht genau, mit wem du redest," und einem Manne Dietrichs, der Wittig schmähte, schlug er so stark mit der Faust gegen die Ohren, dass er in Ohnmacht fiel. "Ich sehe," sprach Dietrich wieder zu Hildebrand, "du bemühst dich mit grossem Eifer für deinen Fahrtgenossen; – des wird er wenig geniessen; noch heute soll er vor Bern aufgehängt werden." "Kommt er durch Kampf in deine Gewalt, Herr, muss er sich deinem Urteil fügen, so hart es sei; – noch ist er ungebunden und mir ahnt, dass er es bleiben wird."
Dietrich rief nun nach seinen Waffen; rasch wurden ihm die gebracht. Er rüstete sich und sprang auf den Hengst Falka, der war ein Bruder Schimmings und Rispas. Mit grossem Geleite ritt er vor Bern hinaus. Dort fand er Wittig, bei ihm Hildebrand und wenige Männer. Wittig sass in all seinen Waffen auf seinem Hengst zum Kampfe bereit. Heime trat zu Dietrich mit einer Schale voll Weins: "Trink, Herr! Dein sei der Sieg heute und immer!" Dietrich nahm die Schale und trank aus. Da reichte Hildebrand auch Wittig eine Schale. "Bringe sie zuvor Dietrich," sprach Wittig, "und bitte ihn, mir zuzutrinken." Dietrich aber war so zornig, dass er die Schale nicht nehmen wollte. "Du weisst nicht, auf wen du zornig bist," warnte wieder Hildebrand, "du wirst einen Helden vor dir finden." Er kehrte zurück zu Wittig und reichte ihm den Wein: "Trink und wehre dich tapfer, und möge es dir wohl ergeh’n!" Wittig nahm die Schale, trank sie aus und reichte sie zurück. Dann streifte er seinen Goldring vom Finger und gab ihn Hildebrand: "Habe Dank für deinen Beistand." Und nun rief er Dietrich an, ob er bereit sei zum Kampf?
Sie stiessen ihre Hengst mit den Sporen, legten die Speere ein und ritten so schnell aufeinander los, wie ein hungriger Habicht auf seine Beute fliegt. Dietrichs Speer glitt von Wittichs Schild ab, aber der Wittichs barst in drei Stücke an Dietrichs Schild; unverwundet schossen sie aneinander vorüber. "Wende dein Ross," rief Wittig, "und reite kräftig auf mich los; du sollst deinen Speer nicht weniger verlieren als ich den meinigen, oder fälle mich vom Ross zur Erde." Dietrich wandte den Hengst und ritt scharf gegen Wittig, sein Speer stiess auf dessen Brust, und er gedachte ihn zu töten. Doch Wittig hieb mit dem Schwert den Speerschaft entzwei und zugleich von seinem eignen Schild den Rand ab. Unversehrt sprengten sie wieder aneinander vorüber. Nun sprangen sie von den Rossen und gingen mit den Schwertern aufeinander los. Mit wuchtigem Hieb traf Wittig Dietrichs Helm; – Hildegrim barst nicht, Wittigs Schwert aber zersprang in zwei Stücke. Unmutvoll sprach er: "Vater Wieland, des Himmels Zorn über dich, da du ein so schlechtes Schwert schmiedetest; das bringt nun Schande, dir wie mir." Dietrich packte Nagelring mit beiden Händen, Wittig das Haupt abzuschlagen. Da trat Hildebrand dazwischen und sprach zu seinem Herrn: "Gib diesem Mann Frieden! Und nimm ihn zu deinem Genossen an, einen kühneren findest du nicht; er allein nahm den zwölf Räubern die Burg ab, die du mit deinem Heere nicht bezwungen hast. Ehrenvoll ist dir sein Dienst."
"Es bleibt, wie ich gesagt," antwortete Dietrich, "noch heute soll er vor Bern aufgehängt werden." "Tue das nicht, Herr, er ist von königlichem Geschlecht, nimm ihn ehrenvoll auf unter deine Mannen." Grimmig entgegnete Dietrich: "Dein Dienst frommt weder dir noch ihm; gehe hinweg von da, wo du stehst, oder ich haue erst dich in zwei Stücke und dann ihn." Da sprach Hildebrand: "Ich sehe es wohl, du verstehst es nicht, meinen Beistand anzunehmen; so habe denn, wonach du begehrst; ich aber halte die Treue, die ich dir, Wittig, geeidet; nimm hier zurück Mimung, dein eigen Schwert. Wehre dich tapfer und helfe dir ein Gott, denn ich kann dir nicht mehr helfen." Freudig griff der Waffenlose nach dem Schwerte, küsste es und rief: "Vergib, Vater Wieland, was ich wider dich sprach." Und nun stritten sie zum andern Mal, und Wittig tat einen Hieb nach dem andern und schlug mit jedem Streich ein Stück von des Gegners Rüstung ab. Dietrich wehrte sich tapfer, vermochte aber mit nicht einem Hieb Wittig zu verletzen und konnte nichts tun, als sich schützen, und blutete schon aus fünf Wunden. Da rief er seinen Waffenmeister: "Komm hierher, Hildebrand, und scheide unsern Zweikampf; ich allein vermag es nicht." Trotzig antwortete der: "Als ich euch scheiden wollte, dir zu Ruhm und Ehre, nahmst du meinen Rat nicht an vor allzu grosser Grimmigkeit; scheide nun selbst den Streit, wie du vermagst."
Da nun König Dietmar sah, dass sein Sohn unterliegen würde, nahm er seinen roten Schild und trat zwischen die Kämpen. "Was willst du tun, König?" fragte Wittig. "Ich sage dir, wenn du mir hier Gewalt antust mit deinem Gefolge, so heisst dich niemand darum weder einen bessern Helden, noch einen grössern Mann." "Guter Held, bitten will ich dich, dass du meines Sohnes schonest und den Streit beendest. Ich gebe dir eine Burg in meinem Lande und vermähle dich, dass es dir hohe Ehren schafft." "Das will ich sicherlich nicht; deinem Sohn soll werden, was er mir bot." Der König ging zurück, und sie begannen aufs neue harten Kampf. Tapfer wehrte sich der Berner, aber Wittig drang allzu heftig ein; er zerschnitt zuletzt den Helm Hildegrim von der linken Seite zur rechten, dass das obere Teil abflog und Dietrichs Scheitellocken nachfolgten.
Da sprang Hildebrand zwischen sie und sprach: "Nun scheidet! Guter Gesell Wittig; um unsrer Brüderschaft willen gib Dietrich Frieden und werde sein Genosse; und reitet man durch die ganze Welt, man findet nicht euresgleichen."
Wittig antwortete: "Obwohl er’s nicht an mir verdient hat, – es sei! Um unsrer Brüderschaft willen." Darauf legten sie ihre Hände ineinander, und so wurden Dietrich und Wittig Genossen.
Als Dietrich von seinen Wunden geheilt war, ritt er allein aus Bern fort. Niemand ausser Wittig wusste um sein Vorhaben. Diesem sagte er: "Bin ich auch dir unterlegen, so will ich doch meinen Ruhm nicht verlieren; und nicht eher kehr’ ich wieder zurück, bis ich eine Heldentat vollbracht, die mich berühmter macht, als ich zuvor war." Er ritt sieben Tage durch bebautes und unbebautes Land auf unbekannten Wegen, bis er an einen Wald kam. Dort herbergte er und hörte die Mär, dass auf der andern Seite des Waldes in einer Burg eines Königs Witwe lebte mit neun Töchtern; die Königin aber hatte sich aufs neue einem Mann Ecke verlobt, mit dem konnte kein Held im Land sich messen. Sein Bruder hiess Fasold und war so stark wie stolz; er hatte das Gelübde getan, wen er im Kampf begegne, nur mit einem Schlag zu treffen; und er hatte noch keinen gefunden, der mehr als den ausgehalten. Ecke pflegte in diesem Walde zu jagen in allen seinen Waffen, und begegnete er einem Mann, so wollte er ihn kampflich überwinden. Dietrich dachte, Ecke diesmal zu vermeiden, da ihn die Wunden noch brannten. Er ritt zur Nacht fort, und hoffte, so durch den Wald zu kommen, ohne dass Ecke sein gewahr würde. Aber er verirrte sich, und ehe er sich dessen versah, kam Ecke daher, rief ihn an und fragte, wer der sei, der so stolz einherreite? Dietrich nannte sich Heime. "Es mag so sein," fuhr Ecke fort: "Aber deine Stimme klingt, als wärest du Dietrich, und bist du ein so tüchtiger Held, wie man dich rühmt, so verleugne deinen Namen nicht."
"Da du so eifrig forschest, wisse denn: ich bin Dietrich von Bern."
"Ich hörte sagen, du seiest unlängst im Zweikampf unterlegen; hier kannst du nun grössere Ehre gewinnen als damals Unehre, wenn du mit mir kämpfest. Du verlorst gute Waffen, nicht schlechtere gewinnst du, fällst du mich zu Boden."
"Wie sollten wir fechten in dunkler Nacht, da keiner den andern sieht – ich will nicht." Aber Ecke reizte ihn immer mehr, rühmte seine Waffen und vor allem Eckesax, sein Schwert: "Alfrich, der Zwerg, hat es unten in der Erde geschmiedet, und er suchte durch neun Königreiche, bis er das Wasser fand, worin er es härten konnte; setzest du die Schwertspitze auf die Erde, so scheint es, als laufe eine goldene Schlange hinauf nach dem Griff; hältst du das Schwert aber empor, so scheint es, laufe sie hinauf zur Spitze; das glänzt alles, als ob der Wurm lebendig wäre. König Rozeleif (Ruotlieb) hat einst damit manchen Mann erschlagen; seitdem trugen es viele Königssöhne; nimmst du es mir ab, so geniesse sein; zuvor aber will ich es nicht schonen."
"Nun sollst du mich nicht länger zum Zweikampf fordern," sprach Dietrich, "wann der Tag kommt, nehme jeder des andern Hand ab, was er vermag – deine Prahlerei sollst du entgelten, ehe wir scheiden."
"Höre noch von meinem Geldgurt," fuhr Ecke fort, "zwölf Pfund Goldes sind darin; auch die kannst du gewinnen. Mir brennt das Herz vor Begier, gleich mit dir zu streiten. Willst du nicht kämpfen, weder um des Goldes, noch um der Waffen willen, so tu’ es wegen der neun Königstöchter und ihrer Mutter, zu deren Ehren ich Heldentaten vollbringe."
Da sprang Dietrich von seinem Hengst und rief: "Nicht um Gold und Waffen, aber um die Anmut der Königinnen will ich nun gern mit dir kämpfen." Er zog Nagelring und hieb vor sich in die Steine, dass ein starkes Feuer daraus flog und er zu sehen vermochte, wo er seinen Hengst an einen Baum binden konnte. Zornigen Herzens trat er auf den Kies, alles stob empor, was vor seinen Fuss kam. Ecke hieb nun auch mit dem Schwert in die Steine, und Feuer sprühte hervor, wo Stahl und Steine sich trafen. Im Schein der Funken fanden sie einander, und von ihrem Kampf wird gesagt, dass nie gewaltigerer zwischen zwei Männern getobt habe. Von ihren Hieben entstand ein Tosen und Krachen wie Donnerschläge, und Feuer sprühte von ihren Waffen gleich Blitzen. Und ob sie einander alle Schutzwaffen zerhauen hatten, blieben sie doch unverwundet. Da führte Ecke einen Streich aus aller Kraft nach Dietrich, dass er zu Boden stürzte. Ecke warf sich über ihn, umspannte ihn mit seinen Armen und sprach: "Willst du nun dein Leben behalten, so liefere dich selbst, Waffen und Ross mir aus; gebunden und überwunden will ich dich vor meine Königinnen führen."
"Eher will ich hier sterben, als den Spott ertragen," antwortete zornig Dietrich, machte seine Hände los und fasste Ecke um den Hals. Und sie begannen nun aus aller Macht miteinander zu ringen und rollten weit umher, und kamen an die Stelle, wo Falka, Dietrichs Ross, stand; da sprang der Hengst wild empor und mit beiden Vorderfüssen nieder auf Eckes Rücken. Dadurch kam Dietrich empor, fasste sein Schwert und hieb Ecke das Haupt ab. Er nahm des Besiegten Waffen und Heerkleider und wappnete sich damit, dann stieg er auf sein Ross und ritt fort. Die Nacht war der Morgenhelle gewichen, und als er aus dem Walde kam, sah er die Burg der Königinnen liegen. Dahin ritt er. Auf dem Turm der Burg stand die Königin und sah ihn; sie glaubte, Ecke sei es, der von einem Sieg zurückkomme. Sie schmückte sich mit ihren Töchtern und freudig eilten sie ihm entgegen. Da erkannten sie aber, dass es ein fremder Mann in Eckes Waffen war. Sie liefen zurück und erzählten die Kunde den Burgmannen. Die fuhren eilig in die Waffen und wollten ihren Herrn rächen. Als Dietrich ihre allzu grosse Übermacht erkannte, wandte er seinen Hengst und ritt, so schnell er vermochte, davon.
Dietrich ritt nun durch den Wald zurück, immer des Kampfes gewärtig, da er den Fürsten des Landes erschlagen hatte. Bald ritt ihm ein Mann entgegen, hoch von Wuchs und wohl gewappnet, das war Fasold, Eckes Bruder; und weil er dessen Waffen erkannte, glaubte er, dass Ecke es selber sei, und rief ihn an:
"Bist du’s, Bruder Ecke?"
"Ein andrer Mann," – antwortete Dietrich – "nicht dein Bruder ist’s."
"Du böser Hund und Mörder! Du hast meinen Bruder im Schlaf erschlagen; denn wachend hättest du ihn nimmer besiegt."
"Du redest unwahr, dass ich ihn schlafend erschlug; vielmehr gewährte ich ihm nur ungern den Zweikampf, und die Waffen nahm ich ihm, als er tot lag."
Da zog Fasold sein Schwert, ritt mit grossem Zorn gegen Dietrich und hieb so stark auf dessen Helm, dass er betäubt von seinem Hengst fiel. Fasold gedachte seines Gelübdes; keinen Mann, der auf einen Schlag von ihm nicht tot gefallen war, zu töten, noch ihm die Waffen zu nehmen; er ritt davon. Doch Dietrich kam alsbald wieder zu sich, sprang auf sein Pferd und holte ihn ein: "Reite nicht fort! Räche lieber deinen Bruder wenn du ein so stolzer Kämpe bist, als man dich rühmt – willst du aber nicht, so bist du jedem Manne ein Schuft." Als Fasold die Schmährede hörte, hielt er an und wollte lieber mit ihm streiten, als solches erdulden. Sie stiegen von den Rossen und gingen einander zu hartem Kampf entgegen. Sie versetzten sich viele Hiebe; Dietrich hatte davon drei leichte Wunden, aber Fasold fünf schwere; der grosse Blutverlust ermüdete ihn; er sah, dass er sein Leben nun würde lassen müssen, und lieber erbot er sich, die Waffen zu strecken und Dietrichs Dienstmann zu werden. "Du bist ein guter Held und sollst Frieden von mir haben," sprach Dietrich – "aber deinen Dienst will ich nicht; denn ich kann dir nicht trauen, solange dein erschlagener Bruder ungebüsst ist. Willst du aber Ehre für Buss annehmen, so wollen wir einander Brüderschaft schwören." Diese Busse nahm Fasold gern an und dankte ihm. Sie schwuren den Eid und ritten miteinander, und Dietrich fuhr nun heim nach Bern, da er Ruhm und Ehre wieder gewonnen hatte.
Nun sass Dietrich wieder in Bern auf seinem Hochsitz, und eines Tages, da Heime ihm diente und vor ihm stand mit der gefüllten Goldschale, zog Dietrich Nagelring und sprach: "Sieh hier, Heime, für deinen Dienst schenk’ ich dir dies gute Schwert, und keinem gönn0 ich es lieber als dir." Heime nahm das Schwert und dankte, aber Wittig fuhr heftig auf: "Nun bist du übel angekommen, Nagelring! Lieber wärst du eines tugendhaften Mannes Waffe; denn gering acht’ ich Heime, seit ich allein kämpfte gegen Sigstaf und seine vier Genossen, und Heime sass wohlgerüstet auf seinem Ross und wollte mir nicht beistehn." "Übel ist, wer seinem Gefährten nicht Hilfe leistet in der Not," sprach da Dietrich. "Heime, ziehe weg aus meinem Angesicht."
Zornig ging Heime hinaus, nahm seine Waffen und schwang sich auf seinen Hengst. Er ritt nordwärts über das Gebirge, bis er in den Falstrwald kam. Dort hauste Ingram, ein gewaltiger Räuber, mit zehn Gesellen. Zu diesem ritt Heime und erbot sich, ihr Genosse zu werden; er wurde gern aufgenommen, und sie vollführten Raubzüge weithin.
Auf Schonen lebte Biterolf, ein vornehmer Mann und der grösste Kämpe im Dänenreich. Seine Gattin hiess Oda und war die Tochter eines Grafen von Sachsen. Sie hatten einen Sohn, Dietleib mit Namen, jung noch und gross gewachsen, glich er gar nicht seinen vornehmen Eltern; er lag stets im Kochhause in der Asche und mochte keinerlei ritterliche Kunst erlernen. Vater und Mutter liebten ihn darum wenig und hielten ihn für einen Dummkopf; denn er sah Rosse reiten, Schwerte schwingen und manches andre, aber er schien darauf nicht zu achten, und pflegte weder seines Körpers, noch seiner Kleider. Da wurde Biterolf mit seiner Gattin und seinen Mannen zu einem Gastmahl geladen und rüstete zu dieser Fahrt. Als Dietleib davon erfuhr, stand er auf, schüttelte die Asche von sich, ging zu seiner Mutter und sagte, dass er mit zu dem Gastmahl reiten wolle. Sie nannte ihn einen Toren und wies ihn hart ab. Darauf ging er zu seinem Vater und bat: "Gib mir Ross und Waffen, denn ich will mit euch fahren zu dem Gastmahl."
"Das brächte uns Schande statt Ehre, liege du im Kochhause in der Asche," war die Antwort. "So fahr’ ich gegen euren Willen," entgegnete Dietleib und ging in den Hof, nahm seines Vaters bestes Ross und ritt vor die Burg zu einem Bauern; der musste ihm seine Waffen leihen. Die waren gering; und als der Vater den Sohn so schlecht ausgerüstet im Hof erblickte, mochte er ihm nicht länger weigern, worum er gebeten hatte. Er gab ihm gute Waffen und seine Mutter sandte ihm Gewand. Nun schmückte sich Dietleib mit den Kleidern, legte die Waffen an und ritt mit stattlichem Anstand neben seinem Vater zum Gastgebot. Und gaben seine Sitten niemand Anlass zu Tadel. Nach drei Tagen endete die Gasterei; Oda kehrte mit allen Leuten heim, Biterolf aber und Dietleib ritten allein. Ihr Weg führte sie durch den Falstrwald. Hier kamen ihnen Ingram und seine Gesellen entgegen. Biterolf fürchtete um seines Sohnes willen; aber Dietleib sprang voll Kampfeslust vom Ross und riet dem Vater, dasselbe zu tun; Rücken gegen Rücken gekehrt wollten sie sich gegen die Räuber verteidigen. Vater und Sohn wehrten sich nun tapfer und liessen nicht ab vom Kampf, bis alle Räuber tot lagen, nur Heime stand noch aufrecht; und als Biterolf von seinem Hieb besinnungslos zur Erde fiel, führte Dietleib voll Zorn einen gewaltigen Streich auf Heimes Haupt, dass er in die Knie sank; doch rasch sprang dieser wieder auf, schwang sich auf seinen Hengst und ritt davon, so schnell er vermochte, und war froh, mit dem Leben davonzukommen. Er ritt Tag und Nacht geradeswegs nach Bern zu Herrn Dietrich und versöhnte sich wieder mit ihm. Biterolf und Dietleib kehrten zurück nach Schonen.
Nachdem Dietleib sich im ersten Waffenkampf versucht hatte, wollte er Welt und Menschen kennen lernen und ausziehn zu neuem Wagen und Gewinnen. Seine Eltern setzten nun grosses Vertrauen in ihn und rüsteten ihn aufs stattlichste zu seiner Fahrt. Wehr und Waffen, Kleider und Gold, trefflichen Rat und treuen Wunsch gaben sie dem Scheidenden.
Dietleib ritt südwärts seines Weges. In einem Abenteuer, welches er siegreich bestand, gewann er zehn Mark Goldes. In Sachsen stiess er auf einen fahrenden Mann aus Amalungenland, den fragte er nach Herrn Dietrich und wo er weilte? Und erfuhr, dass Dietrich auf der Fahrt war nach Romaburg zu Ermenrichs Gastgebot. Weg und Strassen dahin liess er sich bezeichnen und mit goldnem Fingerring lohnte er dem Mann seine Worte.
Er ritt nun übers Gebirge in die Täler von Hof zu Hof den gewiesenen Weg, bis er in Fritilaburg Dietrich, Wittig und Heime fand. Er nannte sich mit falschem Namen, verneigte sich vor Dietrich und sprach: "Heil, Herr! Ich will dir und deinen Mannen meinen Dienst anbieten." Der Berner nahm ihn wohl auf, und er sollte ihrer Rosse und Waffen hüten. So ritt er in Dietrichs Gefolge zu Ermenrichs Gastmahl.
In Romaburg waren die prachtreichen Hallen König Ermenrichs für seine edelsten Gäste geöffnet; Dienstmannen, Reisige wie Rosse wurden in abgesonderten Hallen untergebracht, mit ihnen auch Dietleib. Missvergnügt, weil er nicht in des Königs Haus bewirtet ward, lud Dietleib alle Dienstleute in seine Halle und richtete ihnen ein Gastmahl zu, wie es üppiger nicht auf des Königs Tisch stand. Bald war all sein Gold verprasst; doch sein Gastmahl wollte er aufrecht erhalten, solange das des Königs dauere –; das waren neun Tage.
Er ging hin und setzte Heimes Ross und Waffen zu Pfand gegen zehn Mark, bald darauf auch Wittigs Ross und Waffen gegen zwanzig Mark. Als am siebenten Tage all das Gelb drauf gegangen war, verpfändete er auch Dietrichs Hengst, Waffen und Heerkleider gegen dreissig Mark. Und er lud Reisige, Dienstmänner, Sänger und Spielleute, so viele ihrer kommen wollten; da sassen an dreitausend Männer an seinem Tisch, zwei Tage lang, und als es zu Ende ging, gab er Isung, dem ersten Spielmann, seiner Mutter Goldreif, dazu purpurgesäumte Kleider. Der Berner wollte nun heimreiten, rief Dietleib und verlangte seine und seiner Mannen Rosse und Waffen. "Herr," antwortete Dietleib, "da musst du zuvor die Zeche bezahlen, welche ich und meine Gesellen verzehrten."
"Gewiss, wieviel ist es denn?" "Nicht viel, Herr, zuerst meine eigenen dreissig Mark; doch die magst du beruhen lassen; das andre sind sechzig Mark und die musst du zahlen, denn dafür stehen zu Pfand dein Hengst und deine Waffen und die Heimes und Wittigs."
Dietrich ging darauf mit ihm zu König Ermenrich und sprach: "Willst du die Zeche meiner Dienstleute und Rosse bezahlen?"
"Gewiss will ich das, wieviel Geld ist es?" "Frage nur den Mann hier," antwortete Dietrich, und König Ermenrich wendete sich an Dietleib: "Du, junger Mann, wie viel Geld habt ihr und eure Rosse verzehrt?"
"Herr, das ist wenig. Von meinem eignen dreissig Mark, die magst du beruhen lassen, wenn du willst; aber ausserdem verzehrt’ ich sechzig Mark und die musst du bezahlen, weil ich dafür Waffen und Ross meines Herrn Dietrich und die von zweien seiner Gesellen zum Pfande setzte."
"Was für ein Mann bist du," rief der König zornig, "dass du in neun Tagen so viel Gelb vertun darfst! Bist du ein Kämpe oder ein Narr?" Aber Dietleib sagte: "Wo immer ich zu edlen Männern kam, bot man mir Speise und Trank, bevor man mich reden hiess."
Da befahl der König, dass man Speise bringe und Dietleib ass wie drei Männer. Eine Goldschale voll Weines, so gross sie der Schenkdiener nur tragen konnte, trank er auf einen Zug leer. Der König und Dietrich und alle Mannen schauten ihm staunend zu.
Walther von Wasgenstein, König Ermenrichs Schwestersohn, aber sprach: "Was kann dieser Mann sonst noch vollbringen, ausser Geld vertun und essen und trinken? Verstehst du dich aufs Steinwerfen oder Schaftschiessen?" "Das will ich beides unternehmen mit jedem von euch," antwortete Dietleib.
"Dann sollst du diese Spiele mit mir begehen," rief Walther hitzig. "Obsiegst du, so magst du über mein Haupt schalten, verstehst du aber nichts, so wirst du hier mit Schimpf dein Leben lassen und mit dem Geldvertun ist’s aus."
Sie gingen, mit ihnen viele Mannen, auf einen freien Platz. Walther nahm einen schweren Stein und warf zuerst; weit flog der Stein, aber Dietleib warf ihn einen Fuss weiter.
Wiederum und weiter noch schleuderte Walther den Stein, aber Dietleib warf fünf Fuss darüber hinaus. Da wollte Walther nicht mehr daran gehen und Dietleib hatte das Spiel gewonnen. Laut lobten ihn die Umstehenden. Darauf nahmen sie eine grosse schwere Bannerstange. Walther warf den Schaft über die Königshalle, dass er am andern Ende der Hallenwand niederfiel; alle sprachen, dass das wunderstark geworfen wäre. Nun fasste Dietleib den Schaft, warf ihn zurück über die Halle und rannte, nachdem er geworfen hatte, durch die Halle, zur einen Tür herein, zur andern hinaus, und fing den Schaft in der Luft auf; da hatte Dietleib auch dies Spiel und Walthers Haupt gewonnen. König Ermenrich aber sprach: "Du guter Degen, ich will das Haupt meines Blutsfreundes lösen, so teuer du willst."
"Was soll mir das Haupt deines Blutsfreundes? Ich schenk’ es dir, Herr, aber auslösen musst du die Waffen meines Herrn Dietrich und seiner Genossen." Der König dankte ihm und war nun gern dazu bereit. Auch gab er Dietleib eine kostbare Ausrüstung, dazu so viel des Goldes, als er von seinem Eigen aufgewendet hatte. Jetzt nannte Dietleib seinen wahren Namen und sein Geschlecht. Der Berner aber machte ihn zu seinem Genossen und sie gelobten einander Treue. Dann schieden sie von König Ermenrich, und Dietrich ritt heim mit allen seinen Mannen, auch Isung der Spielmann zog mit.
Einst sassen Dietrichs Speerbrüder zu Bern und priesen seine Taten und nannten ihn den ersten vor allen Helden. "Ich weiss in Bergen wilde Zwerge wohnen"" sprach Meister Hildebrand, "mit ihnen hatte Dietrich nie zu streiten; hätte er die besiegt, dann wollt’ auch ich ihn den ersten über alle loben, aber ..."
"Du fabelst nur von solchem Gezwerg, Meister Hildebrand," fiel Dietrich ein; er war unbemerkt eingetreten und hatte die letzte Rede gehört. Zornig fuhr Hildebrand auf: "Weil ich dich vor Unsieg bewahren wollte, verschwieg ich’s. Laurin heisst der Zwerg; kaum drei Spannen hoch, hat er schon manchen Helden in den Rasen geworfen; ihm dienen viele tausend Zwerge als ihrem König. In den tiroler Bergen hat er sich einen Rosengarten erzogen; von rotseidenem Faden ist der umhegt; wer den Faden zerreisst, muss es ihm büssen mit der rechten Hand und dem linken Fuss."
"Die Rosen will ich sehen und komm’ ich auch in grosse Not! Wer reitet mit?" fragte Dietrich.
"Ich reite mit dir, und die Rosen tret’ ich nieder," rief Wittig, und sofort machten sie sich auf die Fahrt. Bald erreichten sie das Gebirg und ritten lange durch dichten Wald; dann kamen sie auf einen grünen Anger vor einen Rosengarten, der war umhegt mit rotseidenem Faden. Mit Goldborten und rotem Gestein waren die Rosen geschmückt und süsser Duft ging von ihnen aus.
"Das mag wohl der Garten sein, von dem uns Hildebrand sagte," sprach Dietrich. "Tag und Nacht würd’ ich der Rosen nicht überdrüssig, liesse mich Laurin hier."
"Ich muss ihm seinen Hochmut austreiben," zürnte Wittig und schlug die Rosen ab; den Goldschmuck trat er nieder, der Faden ward zerrissen. Sie setzten sich ins Gras und warteten, was nun geschähe. Alsbald kam ein Zwerg dahergeritten auf scheckigem Pferd, nicht grösser als ein Reh. Das war Laurin; er trug einen goldumwundenen Speer in der Hand; seine goldene Brünne war in Drachenblut gehärtet, darüber trug er einen Zaubergürtel, der gab ihm zwölf Männer kraft. An der Seite hing ihm ein spannenlanges Schwert mit goldenem Griff, das schnitt Eisen und Stein. Sein Beingewand war rot wie Blut, sein Wappenrock aus farbiger Seide gewirkt und Edelsteine waren darauf genäht. Golden war sein Helm, rote Rubine und ein leuchtender Karfunkel staken darin, und oben darauf prangte eine Goldkrone, auf der waren mit allerlei Zauber Vöglein angebracht, die sangen, als seien sie lebend. In seinem goldfarbenen Schild stand ein goldener Leopard, springend, als wäre er lebend. Von Elfenbein war sein Sattel, die Decke golden, von Golde der Zügel und alles mit Edelsteinen geziert.
"Hilf, Herr!" rief Wittig, "das mag ein Lichtelbe sein."
"Ich fürchte, er trägt uns grossen Hass und das mit Recht," antwortete Dietrich und beide grüssten den Zwerg, als er ihnen nahte, aber zornig fuhr er sie an:
"Wer hat euch Narren heissen hier niedersitzen, und eure Rosse auf meinem Anger grasen lassen? Wer hat euch hergebeten, dass ihr meine lieben Rosen niedertratet? Den rechten Fuss, die linke Hand büsse mir jeder von euch."
"Kleiner, lass deinen Zorn," antwortete Dietrich, "um Hand und Fuss pfändet man nicht edle Fürsten, die reiche Busse in Gold und Silber bieten. Zur nächsten Maienzeit wachsen andre Rosen wieder."
"Ich habe mehr Goldes als eurer drei," sprach Laurin, "und schöne Fürsten mögt ihr sein! Hab’ ich euch doch nichts zu leid getan, ihr aber verwüstet meinen Garten. Begehrtet ihr Kampf, so hättet ihr mir ihn ansagen müssen; – das wäre fürstlich getan."
"Höre, wie uns der Zwerg verhöhnt!" brauste Wittig auf, "am liebsten nähm’ ich ihn bei den Füssen und schmisse ihn an die Felsenwand."
"Kluger Mann," mahnte Dietrich, "tut oft, als hör’ er nicht, und spart seinen Zorn bis zur Not."
"So darfst du fürder keine Maus mehr erschrecken, wenn du das Gezwerg dort fürchtest! Er reitet ja ein Ross wie eine Geiss; tausend seinesgleichen will ich bestehen."
"Bist du gar so kühn," rief Laurin, "so komm und kämpfe mit mir."
Wittig gürtete sein Ross fester, sprang auf und ritt Laurin an; der stach ihn mit dem ersten Speerstoss nieder in den Klee; dann stieg er hurtig ab und wollte dem Besiegten Hand und Fuss nehmen. Das verdross Dietrich, er sprang hinzu und hielt sein Schwert über Wittig:
"Nichts da, kleines Wunder! Der Held ist mein Speerbruder; tätest du ihm solch Leid an, hätte des der Berner ewig Schande."
"Bist du der Berner? Willkommen! Gib nur gleich auch Hand und Fuss her."
Nun erzürnte Dietrich, sprang auf seinen Hengst Falka und wollte den Zwergenkönig anrennen. Da kam Meister Hildebrand auf den Anger geritten; er war aus Besorgnis seinem Herrn gefolgt; Wolfhart, seinen Neffen, und Dietleib hatte er mitgenommen.
"Höre mich, Dietrich," rief der Waffenmeister, "so bezwingst du den Zwerg nicht; steig ab, besteh’ ihn zu Fuss, nimm dein Schwert und schlag’ ihn mit dem Knauf um die Ohren."
Dietrich folgte der Lehre: "Nun räche an mir deinen Rosenverdruss, Kleiner," rief er. Laurin lief Dietrich zu Fuss an und schlug ihm mit einem Schlag den Schild vom Arm. Zornig tat Dietrich einen Hieb auf den goldenen Leopardenschild, dass er Laurin aus der Hand fiel, und nun fasste er sein Schwert an der Spitze und schlug mit dem Knauf so gewaltig auf den kunstvollen Helm, dass Laurin Hören und Sehen verging; er wusste nicht mehr, wo er war; aber hurtig zog er aus seiner Tasche eine Helkappe, streifte sie über sein Haupt und machte sich damit unsichtbar; und nun fiel er Dietrich von allen Seiten an. Der vermochte nicht, sich des Unsichtbaren zu erwehren; mit grossem Zorn schlug er nach ihm in die Steinwand; das Gestein spaltete, der Zwerg war zur Seite gewichen.
"Suche mit ihm zu ringen," riet ihm Hildebrand, "dann wirst du seiner Herr werden."
Kaum hörte Laurin das, da zeigte er sich wieder; das Schwert warf er weg, unterlief Dietrich, umspannte ihn bei den Knien und beide fielen in den Klee.
"Zerbrich ihm den Gürtel!" rief Hildebrand wieder. Dietrich wurde nun zornig; Feueratem glutete aus seinem Mund, er griff dem Zwerg in den Gürtel, hob ihn auf und stiess ihn so heftig auf die Erde, dass der Gürtel barst und in das Gras fiel. Schnell nahm Hildebrand den Gürtel an sich. Nun hatte Laurin seine Kraft verloren, und Dietrich warf ihn nieder auf den Boden. Da heulte der Kleine, dass es über Tal und Hügel schallte: "Lass mir mein Leben! Ich will dein eigen sein mit allem, was ich habe."
Aber der Berner zürnte und wollte ihn töten.
"Hilf mir! Dietleib," bat Laurin, "wegen deiner SchwesterVon dieser Schwester wissen andre Sagen nichts ., die mein ist."
Dietleib bat alsogleich, – aber vergebens; – da sprang er aufs Ross, ergriff den Zwerg, riss ihn zu sich in den Sattel, entführte ihn über die Heide und versteckte ihn in einem hohlen Baum.
"Mein Ross, Meister Hildebrand!" befahl Dietrich, sprang auf und jagte den Entfliehenden nach. Hildebrand, Wolfsart und Wittig folgten ihm.
Nachdem Dietleib Laurin verborgen hatte, ritt er Dietrich entgegen und bat noch einmal: "Überlass mir den Zwerg!" Das machte den Berner gar zornig; er senkte den Speer, Dietleib wollte nicht weichen; sie ritten einander an und stachen einer den andern aus dem Sattel. Sie schwangen die Schilde empor und zogen die Schwerter; Dietleib schlug Dietrich den Schild aus der Hand, dass ihm das Schwert zugleich Wehr und Waffe, – Schutz und Trutz –, sein musste.
"Wolfhart und Wittig," sprach Hildebrand nun, "laufet ihr Dietleib an und steckt ihm das Schwert in die Scheide; ich zwinge meinen Herrn."
Während Dietleib von jenen bezwungen wurde, zog Hildebrand den Berner zur Seite und liess nicht ab von ihm, bis auch er sein Schwert einstiess. Sie mussten Frieden schliessen, und Laurin wurde darin aufgenommen.
Dietleib holte ihn aus jenem Versteck und befragte ihn über seine Schwester. "Kunhild ist aller Zwerge Königin," erzählte Laurin: "Ich sah sie einst unter der Linde mit ihren Genossinnen; ungesehen kam ich dahingeritten; schnell fing ich sie bei der Hand, warf ihr die Helkappe über, schwang sie vor mich aufs Ross und ritt mit ihr in den Berg und niemand konnte uns sehen. Nun fehlt es ihr an nichts; ich bin kein armer Mann und bald soll unsre Hochzeit sein."
"Lass mich meine Schwester sehen," sprach Dietleib, "und ist alles so, dann will ich sie dir zur Frau geben."
Hildebrand nahm Dietrich beiseite und brachte es zuwege, dass Laurin als Geselle aufgenommen wurde; Wittig hatte keine Freude an dem neuen Speergenossen.
"Kommt nun mit mir in den Berg," sprach Laurin, "ich will euch meine Schätze und Wunder zeigen, und was ich habe, mach’ ich euch untertan."
Die Helden berieten mit Hildebrand: "Ich weiss nicht, wozu raten," antwortete er, "aber gingen wir aus Furcht nicht mit, das stünd’ uns übel an."
"Lasst uns die Bergeswunder ansehen," sprach Dietrich.
"Mit Lügen und Listen wird er uns alle verderben," grollte Wittig. Aber Hildebrand rief Laurin herbei.
"Nun höre, Kleiner; wir wollen auf deine Treue bauen und mit dir gehen."
"Verlasst euch auf mich," antwortete Laurin, und er führte sie an einen hohen Berg. Auf einem grünen Plan, unter einer Linde stiegen sie ab und banden ihre Rosse an. Sträucher und Blumen blühten da, Vögel sangen und allerlei gezähmte Tiere sprangen auf der Wiese.
"So Schönes hab’ ich nie gesehen; die Wiese ist aller Freuden voll," sprachen Dietrich und Wolfhart.
"Lobt den Tag nicht vor dem Abend," mahnte Hildebrand; und Wittig sagte: "Wolltet ihr mir folgen, so kehrten wir um; Zwerge sind aller Listen voll."
Das hörte Laurin und antwortete; "Seid unbesorgt und erfreut euch. Hier gehen wir Elben hin, wollen wir Lust geniessen; dann schmücken wir uns mit Kränzen und tanzen; künftig sollt ihr diese Wiese mit uns teilen. Aber das ist nichts gegen die Wunder meines Berges." Sie gingen nun in den Berg; sie traten durch eine goldene Tür; da standen zwölf Zwergjungfräulein, die verneigten sich artig vor den Helden. Das Tor schlug hinter ihnen zu und man sah nicht mehr, wo sie hereingekommen waren.
"Freunde," sagte Wittig, "ich wähne, wir sind alle betrogen."
"Seid ohne Sorgen, es geschieht euch kein Leid," beteuerte Laurin.
Von Gold und Edelsteinen ergänzte rings die Bergesnacht. Der Zwergkönig führte seine Gäste in einen Saal; auf goldenen Bänken mussten sie niedersitzen und Wein und Met schenkte man ihnen zum Willkomm. Allerlei Kurzweil sahen sie da; in kostbaren Kleidern kamen die Zwerge gegangen; die einen schossen mit Speeren, andre warfen mit Steinen, andre sangen und tanzten; Pfeifer und Sänger, Harfner und Geiger traten vor die Fürsten und liessen ihr Spiel hören: "Die Kurzweil gefällt mir, der Berg ist voller Freuden," sprach Dietrich.
Da kam Kunhild gegangen, umgeben von Zwerginnen; sie trug eine funkelnde Krone. Sie grüsste die Gäste und umfing Dietleib mit den Armen und weinte.
"Vielliebe Schwester," fragte er, "was betrübt dich? Was fehlt dir? Willst du fort von dem Zwerg?"
"Mir fehlt es an nichts," antwortete sie. "Zwerge und Zwerginnen dienen mir; aber mein Herz ist freudeleer; der Zwerge Treiben passt nicht für mich; ich sehne mich unter Menschen zurück."
"Sei ruhig, Schwester; ich nehme dich dem Kleinen und kostet es mein Leben." Darauf ward die Königin wieder in ihre Gemächer geleitet; Laurin aber bat seine Gäste, zu Tisch zu gehen; sie legten ihre Waffen und Kleider ab und taten festliche Gewande an, die ihnen Laurin überreichte. In einem grossen Saal war ein prächtiges Mahl bereitet. In silbernen Schüsseln trugen die Zwerge duftende Speisen auf. Golden waren Kannen und Becher; elfenbeinern der Tisch und mit Gold beschlagen; leuchtende Steine blitzten überall. Und alle Kurzweil begann von neuem. Während die Berner eifrig tranken und schmausten, ging Laurin zu Kunhild in ihr Gemach und klagte ihr die Schmach, die ihm widerfahren war und die er nicht hatte rächen können; und wär’ es nicht um Dietleibs willen, so ging es ihnen jetzt an ihr Leben.
"Höre, Laurin," sprach die Jungfrau, "hältst du hart auf deine Ehre, so lege ihnen eine leichte Busse auf, damit sie dich künftig in Frieden lassen; aber das gelobe mir, dass du keinem ans Leben willst." Das gelobte er ihr und steckte ein gülden Ringlein an seine Hand; davon gewann er zwölf Männer Stärke. Nun ging er in seine Klammer und liess Dietleib zu sich rufen.
"Lieber Schwager," begann er, "nimm dich nicht deiner Gesellen an; dann teile ich mit dir alles, was ich habe."
"Eh’ lass’ ich mein Leben, eh’ das geschieht," antwortete Dietleib unwillig.
"Dann musst du so lange hier bleiben, bis du andern Sinnes wirst." Und schnell sprang Laurin hinaus, schlug die Türe zu und schon den Riegel vor. Dann kehrte er in den Saal zurück zu seinen Gästen. Er hiess neuen Wein auftragen; heimlich mischte er einen Zaubertrank darunter und nötigte zu eifrigem Trinken; bald sanken die vier, vom Schlaf überwältigt, auf die Bänke; da legte Laurin ihnen Fesseln an und warf sie in einen Kerker. Als sie erwachten und merkten, dass die gebunden waren, geriet Dietrich in grossen Zorn; sein Feueratem versengte seine Fesseln; Hand und Füsse machte er los und befreite auch seine Genossen. Aber ihr Kerker war fest verschlossen; sie konnten nicht heraus.
Kunhild schlich an Dietleibs Kammer und schob den Riegel fort; grimmen Zornes voll sprang der heraus: "Wo sind meine Genossen? Auf deine Treue, sage mir das, vielliebe Schwester!"
"Gefangen und gebunden liegen sie in einem tiefen, dunklen Kerker."
"Schaffe mir meine Waffen zur Hand, dass ich sie befreien kann." Sie gab ihm einen Goldreif und sprach: "Nimm diesen Ring und steck’ ihn an deinen Finger; dann wirst du die vielen Zwerge hier im Berg sehen."
Er tat so und sah sie ...
"Hätt’ ich nur meine Waffen! Ich erschlüge sie alle! Es ist ein ungetreues Volk."
"Komm," sprach Kunhild und führte ihn in den Saal, wo die Waffen noch lagen und half ihm, sich waffnen; den Helm band sie ihm auf, das Schwert gab sie ihm in die Hand.
"Hüte dich vor Laurin," warnte sie besorgt und sprach noch einen Segen übet ihn. Dietleib nahm auch die Waffen seiner Gesellen und trug sie – Kunhild wies den Weg – an den Kerker; – der Riegel flog zurück, und er warf die Waffen in das Gewölbe vor seine Genossen hin, dass es im Berg erklang. Das hörte Laurin und blies in sein Heerhorn; durch den Berg erscholl es und rief die Zwerge zu den Waffen. Sie griffen nach Brünne, Helm und Schwert und kamen gelaufen, dreitausend an der Zahl oder mehr.
"Keiner von meinen Gästen bleibt am Leben," befahl Laurin und zog an ihrer Spitze vor den Kerker; da stand Dietleib, der schwang sein Schwert, sprang unter die Zwerge und erschlug ihrer viele. Darob erzürnte Laurin und lief Dietleib an; er schlug ihm tiefe Wunden, während eine Schar Zwerge ihn im Rücken anfiel. Dietleib konnte Laurin nichts anhaben, und soviel er der Zwerge erschlug, gleich waren wieder andre da; sie drängten ihn zuletzt in das Kerkergewölbe. Unterdessen hatten Hildebrand und Dietrich die Waffen angelegt und kamen nun herzu.
"Ich höre von Waffenlärm den Berg ‘erdosen’ und sehe doch keine Feinde," rief Dietrich.
"Nimm hier Laurins Gürtel," antwortete Hildebrand, "umgürte dich damit, dann wirst du ihrer genug sehen." Dietrich tat so und sah die Zwerge und wie sie Dietleib bedrängten. Da sprang er mit gezücktem Schwert unter sie und trieb sie hinweg: "Bleibt zurück, Genossen," sprach er, "ihr seht die Zwerge nicht."
"Herr," bat Hildebrand, "Laurin trägt an der rechten Hand ein Ringlein; davon hat er die grosse Stärke; schlag’ ihm die Hand ab und gib mir den Ring."
Dietrich trat nun vor die Kerkertür, da sprang ihm Laurin entgegen und schlug ihm Wunde auf Wunde. Heiss und heisser entbrannte des Berners Kampfzorn; sein Feueratem versengte Laurins Brünne, und mit sausendem Hieb schlug er ihm den Ringfinger ab; da erschrak der Zwerg, aber hurtig griff Dietrich nach dem Ring und warf ihn Hildebrand zu, der ihn ansteckte und alsogleich die Zwerge ringsum schaute.
Voller Schrecken war da ein Zwerglein vor den Berg gelaufen und blies in ein schallendes Horn; da stampften fünf Riesen herzu, die waren den Zwergen dienstbar; mit langen Stangen kamen sie gelaufen gegen Dietrich und Dietleib.
"Riesen seh’ ich kommen, da muss ich euch helfen," rief Hildebrand und trat an Dietleibs Seite.
Tief im Kerker sprach Wittig: "Wollen wir nun müssig stehen, Wolfhart?"
"In den Kampf sollen wir gehn!" rief Wolfhart. "Wo wir Lärm schallen hören, dorthin lass uns dringen und blind mit dem Schwert drein hau’n."
Sie rückten die Helme und Schilde zurecht und stürmten dem Lärm nach. Da rief Kunhild sie an: "Ihr Helden, wartet; nehmt jeder einen Goldreif an den Finger, dass ihr eure Feinde sehen könnt."
Freudig nahmen sie die Gabe und sahen vor sich die unzählbar vielen Zwerge; mit scharfen Schwerthieben fegten sie sich Bahn durch die dichten Reihen, bis sie zu ihren Genossen vor die Riesen kamen. Die wären gern woanders gewesen; jeder der Helden nahm einen vor, und sie schlugen in ihre langen Leiber so viele Wunden, bis die Riesen zu den erschlagenen Zwergen sanken. Ängstlich entfloh das kleine Volk scharenweis in seine dunklen Schlupfwinkel; die mutigsten hielten noch stand an Laurins Seite; als der aber sah, wie die Berner niemand verschonten, fiel er Dietrich zu Füssen und bat: "Leib und Leben ergeb’ ich deiner Gnade, gib den Zwergen Frieden." Aber zornig antwortete Dietrich: "Du hast uns die Treue gebrochen; du und die zu dir gehören, müssen las Leben lassen."
Das hörte Kunhild und eilte herzu: "Edler Herr Dietrich," sprach sie, "um aller Frauen Ehre bitte ich dich; gib mir frei Laurin und der Zwerge Volk: schone ihres Lebens." Und da Dietrich sich weigerte, fuhr sie fort: "Man rühmt dich gütig und milde; nun erweise deine Tugend!"
"Tu’, wie dich die Königin bittet," sprach Hildebrand, "nimm Laurin als Gefangenen mit nach Bern; die Zwerge aber sollen dir untertan sein, mit all ihren Schätzen." Und auch Dietleib bat für die Besiegten um Gnade.
"So sei’s denn," sprach Dietrich, "wie du bittest, Jungfrau," und Wolfhart und Wittig, die noch kämpften, rief er an: "Lasst ab vom Streit; ich habe ihnen Frieden gegeben."
Nun machten sie sich zum Scheiden bereit; der hohe Berg wurde einem fürstlichen Zwerg übergeben, der schwur Dietrich treu zu dienen. Mit Gold und Kleinodien beluden sie ihre Pferde, dann wurde auch Kunhild auf ein Ross gehoben, und Laurin führten sie in ihrer Mitte mit sich nach Bern.
Vierzehn Tage weilte Kunhild dort. "Lass dir Laurin befohlen sein, Herr Dietrich," sprach sie dann, "er machte mir untertan alles, was sein war im hohlen Berg; das lass ihn nun entgelten." Das gelobte ihr Dietrich; bei ihrem Scheiden aber schrie und heulte Laurin so sehr aus unmässigem Weh, dass auch Kunhild zu weinen begann. Da fasste Dietleib die Schwester und führte sie hinweg und brachte sie auf sein Schloss, wo sie sich bald einem gar edeln Manne vermählte.
Laurin ward dem alten Ilsung übergeben und bald schwuren Dietrich und Laurin sich treue Freundschaft, die nie gebrochen ward.