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Sie sind die "Schildjungfrauen", "Helm-Mädchen", auch Wunsch-Mädchen Odins; sie küren die Wal, d. h. sie bestimmen nach des Schicksals (der Nornen) unabänderlichen Satzungen, nach andern Sagen gemäss Odins Wunsch, diejenigen Helden, welche in der Schlacht fallen sollen, und die Erschlagenen (der Inbegriff der die Walstatt Bedeckenden heisst eben "die Wal", strages, und diesen Inbegriff "küren" sie) tragen sie, aus dem Todesschlummer sie weckend, empor nach Walhall auf ihren durch die Wolken sausenden Rossen.
Oben aber, in Walhalls goldenen Sälen, vertauschen sie das Kriegerische mit friedlich-festlichem Tun; sie füllen, die Weissarmigen, den schmausenden und zechenden Göttern und Einheriar die Hörner mit schäumendem Met und Äl (sie verwahren Trinkgerät wie Essgeschirr).
In beiden ist ihr Vorbild ihre Anführerin Freya – als solche "Wal-Freya" genannt; – so dass sie nur als deren Vervielfältigungen erscheinen; jene ist vor allen der Götter Mundschenkin und reicht den in Odins Saal Eintretenden das Trinkhorn. Die Zahl wird verschieden angegeben; auf sechs (mit Freya sieben), neun, zwölf oder dreizehn. Sie sind gewissermassen besondere Nornen; während diese das Gesamte entscheiden, bestimmen die Walküren nur das Geschick der SchlachtDaher lässt sie eine Sage geradezu, gleich den Nornen, weben; ihrer zwölf sitzen in einer Kammer, weben und singen dabei mit dem am Schlusse der Strophen wiederholten Spruch; "Winden wir, winden wir das Gewebe der Schlacht"; es dient ein Schwert statt des Schlagbrettes, ein Pfeil statt des Kammes des Gewebes; zuletzt zerreissen sie das Gewebe von oben her, jede behält einen Fetzen in der Hand und nun springen sie zu Ross; und sprengen sechs gen Mitternacht, sechs gen Mittag von dannen. Die Sage ist jung und enthält manchen nicht recht zu den Walküren passenden Zug.: Sieg oder Unsieg, Tod oder Leben. Sie (Odins Nornen) sind die Trägerinnen von Odins Willen hierin (sofern er, nicht das über ihm stehende Schicksal, als über Tod oder Leben entscheidend gilt), der sie zu jedem Kampf entsendet, auf dass sie die Fallenden küren und des Sieges walten. Aber sie wagen es wohl auch, gegen Odins Willen zu entscheiden, was er freilich mit schwerster Strafe ahndetS. unten; Wölsungensage. – Vgl. Sigwalt und Sigridh. Sämtl. poetische Werke. Erste Serie Bd. VI.!
All ihr Leben und Wesen ist Kampfesfreude; in diesen tapferen, wunderschönen, hochherzigen, begeistert durch die Lüfte jagenden Jungfrauen hat die germanische Einbildungskraft eines ihrer edelsten, herrlichsten Gebilde geschaffen, auch hier nur der veredelnde Ausdruck des eignen Volksgeistes; denn es fehlt auch in der germanischen Geschichte nicht an mutigen Frauen und Mädchen, welche heldenhaft des Gatten, des Geliebten, des Bruders Geschick, kämpfend bis in den Tod, geteilt haben. Wunderschöne Erzählungen von Frauenliebe, von Treue und Heldentum, die sie umkleiden, hat die Sage an Walküren wie Swawa, Sigrun, Hilde, Brunhilde geknüpft (s. unten Heldensagen). Auch irdisch geborene Jungfrauen, Königstöchter zumal, können, bei entsprechender Gesinnung und unter Gelübde der Jungfräulichkeit, Walküren werden, falls Odin sie dessen würdigt, sie dazu erwählt; dann heissen sie seine "Wahl- oder Wunsch-Töchter", wie die Einheriar seine Wunsch- oder Wahl-Söhne. "Walküren trachtenWährend Menschen dulden, Riesen dumpf brüten (oder trotzen, "warten"; d. h. auf die Götterdämmerung), Wanen wissen." heisst es in der Edda: "All ihr Trachten ist WaffenstreitDeshalb sieht die Weissagerin, da sie die Verbreitung des Krieges über die Völker erschaut, vor allem "die Walküren weit umher kommen", gerüstet, zu reiten zum Heldenvolk; gleich darauf verschwindet Baldur, der Friedensgott (Müllenhoff)." und freudig Heldentum; in den Kampf zieht es immerdar die "Helm-Mädchen" dahin.
Sie können sich in Schwäne verwandeln oder, menschliche Bildung bewahrend, in ein Schwanenhemd (ähnlich Freyas Falkenhemd) fahren und so noch rascher als auf ihren Rossen die Luft durchsausen. Diese Rosse sind als Wolken gedacht; die Walmädchen sind Odins Töchter; seine Naturgrundlage: Luft und Wind, fehlt auch ihnen nicht ganz; durch die Lüfte schweben sie, nicht auf Erden stampfen ihre Pferde. Tau träuft von den Mähnen ihrer Rosse "und das macht fruchtbar die Felder". Daher heisst eine der Walküren geradezu "Mist", d. h. Nebel (noch neuenglisch ebenso).
An jene Schwanenhemden der Walküren knüpfte gar manche schöne Sage. Wenn die Mädchen dieselben abgelegt haben, etwa um zu baden, und Menschen ergreifen die Flügelgewande rasch, können sie jene in ihre Gewalt bringen. Auch gehört ein Schwanenring dazu, auf dass sie ganz zu Schwänen werden können; wer ihnen diesen abstreift, hindert ihre Verwandlung und Flucht. So hatte ein Held Agnar der Walküre Brunhilde ihr Schwanenhemd hinweg – "unter die Eiche" – getragen und sie dadurch gezwungen, ihm statt seinem Feinde Hjalmgunnar, dem Odin den Sieg bestimmt hatte, den Sieg zu verleihen. So bemächtigen sich Wieland der Schmied und seine beiden Brüder dreier Königstöchter, welche bei dem Bad ihre Schwanenhemden von sich gelegt hatten; jedoch nach sieben Jahren fliegen diese wieder davon, hinweggetragen von allüberwindendem Sehnen nach ihrem Leben mit Schild, Helm und Speer. Auch die drei Meerweiber, oder die Donaunixen, welche Hagen bei der Fahrt in Königs Etzels Reich begegnen und welche er zwingt, ihm die Zukunft zu weissagenSelbstverständlich kennen sie die Zukunft, wenigstens den Ausgang der Schlachten und ob Leben und Tod dem Helden darin bevorstehe, da sie ja das Kriegsgeschick, Kriegsschicksalgesetz selbst küren; daher bittet auch ein angelsächsischer Zauberspruch solche "Siegweiber", nicht zu Walde fahren, d. h. sich flüchtend zu entziehen, sondern dem Anrufenden sein Geschick wahr zu sagen., indem er ihnen "die wunderbaren Gewande", d. h. die Schwanenhemden wegnimmt, waren Wal-küren, Sieg-Weiber. Daher sind auch ihre Namen so oft mit Sieg zusammengesetzt (Sig-run, Sig-lind, Sig-ridh, Sigr-drifa). Aber auch Wünschel-Weiber heissen sie wohl (vgl. oben), oder "Wilde Weiber", "Waldfrauen", und im Mittelalter werden sie oft zu Meer-mädchen, "Meer-Minnen", Wasserfrauen, Nixen, die sich gelegentlich in Schwäne verwandeln oder auch in andre Tiergebilde mit Fischschwanz, Schlangenleib (Melusine, des Staufenbergers Geliebte). Als solche vermählen sie sich wohl mit sterblichen Männern; freilich meist mit der Neigung, nach einiger Zeit Gemahl und Kinder zu verlassen, um dem alten Beruf nachzuschweben; oder doch unter der Bedingung, alle sieben Tage oder Wochen ungefolgt und unbelauscht sich zurückziehen und in der ursprünglichen Gestalt als Schwan oder Schlange oder als Nixenkönigin mit den Genossinnen sich bestimmte Zeit tummeln zu dürfen; bricht der Mann aus Fürwitz oder Misstrauen das Gelübde, entschwindet die Edle für immerdar, und all sein Glück ist hin; das Gegenstück der Lohengrinsage, indem hier der Mann, wie bei Lohengrin das Weib, durch neugieriges Misstrauen sich der Liebe des edleren Gatten als unwürdig erweist. Zuweilen auch schliessen diese überirdischen Mädchen nicht geradezu Ehe mit Sterblichen, aber ein Freundschafts- oder Liebesbündnis, und sie fliegen dann auf deren Ruf oder auf ein Zauberwort oder Zauberzeichen sofort herbei, "sie zu schützen", Sieg, Glück, Schönheit ihnen zu verleihen; hierin gleichen die Walküren den angeborenen weiblichen Schutzgeistern, den Fülgias des Nordens, welche ihre Helden und Lieblinge von der Geburt bis zum Tode schützend umschwebenIch könnte in Prosa das schöne Gesamtverhältnis dieser herrlichen jungfräulichen Heldinnen zu sterblichen Helden nicht eindringlicher und schärfer ausdrücken, als ich es in folgenden Versen versucht habe:
Lied der Walküre.
Froh sah ich dich aufblühn, du freudiger Held,
Lang folgt’ ich dir schwebend und schweigend gesellt.
Oft küsst’ ich des Schlummernden Schläfe gelind,
Und leise die Locken, die dir wehen im Wind.
Hoch flog ich zu Häupten, – du kanntest mich kaum –
Durch die Wipfel der Wälder, dein Trost und dein Traum.
Ich brach vor dem Bugspriet durch Brandung dir Bahn,
Vor dem Schiffe dir schwamm ich, weiss-schwingig, ein Schwan.
Ich zog dir zum Ziele den zischenden Pfeil,
Aufriss ich das Ross dir, das gestrauchelt am Steil.
Oft fing ich des Feindes geschwungenes Schwert,
Lang hab’ ich die Lanzen vom Leib dir gewehrt.
Und nun, da die Norne den Tod dir verhängt,
Hab’ ich dir den schnellsten, den schönsten geschenkt.
"Sieg!" riefest du selig, "Sieg, Sieg allerwärts!"
Da lenkt’ ich die Lanze dir ins herrliche Herz.
Du lächeltest leiblich – ich umfing dich im Fall –
Ich küsse die Wunde – und nun auf; – nach Walhall!
(Dahn, Gedichte. Sämtl. poetische Werke. Zweite Serie Bd. VI. S. 209.
Auch nordisch Disen, althochdeutsch Idisen heissen sie wohl, was aber übermenschliche Jungfrauen überhaupt, nicht nur Walküren bezeichnet. In dem Merseburger Zauberspruch zaubern sie: "Heften Hafte, binden Bande", durch solche sinnbildliche Handlungen Heere zu hemmen, Feinde zu fangenAuch das Schlachtfeld, auf welchem Armin im Jahre 16 n. Chr. mit seinen Cheruskern und deren Verbündeten gegen Germanicus kämpfte, bei Oldendorf am Fuss des Süntel oder Dören und Bückeburg, hat Jakob Grimms poesievolle Dichtung, auf Idisia-viso, "die Wiese der Waldgöttinnen", zurückführen wollen; aber handschriftlich ist nur Idista-viso überliefert. Vgl. Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, II, Berlin 1881, S. 89; Dahn, Deutsche Geschichte, I, 1, Gotha 1883, S. 381.. Unter den Walküren ragen hervor Hilde und Brunhilde, welche zugleich den Übergang der Götter- in die Heldensage sehr lehrreich darstellen.
Während die Namen der andern Walküren wechseln, kehrt überall der Namen Hilde wieder: "Hild" heisst Kampf; daher heisst "Hilde wecken" soviel wie Kampf wecken. Sie ist der personifizierte Kampfgeist; als Führerin, als erste der Walküren ist sie – Freya selbst. Nach der Sage von Högni und Hilde entführte Hedni, Hiarandis Sohn, seine Geliebte, Hilde, König Högnis Tochter. Der Vater verfolgt sie zu Schiff und holt sie ein; beide samt ihren Mannen rüsten sich zum Kampfe. Hilde bietet dem Vater ein Halsband zur Sühne (es ist Freyas Halsband: Brisingamen); aber Högni weist den Antrag zurück; denn schon hat er die furchtbare Waffe aus der Scheide gezogen, das Schwert Dainsleif, dasNach unlösbar darauf liegendem Zauberbann. eines Mannes Todesblut trinken muss, so oft es aus der Scheide gezogen wird. Erst das Abenddunkel scheidet die Kämpfer der schrecklichen Hiadningaschlacht. Aber in der Nacht schreitet Hilde zum Walplatz und erweckt die Gefallenen aus ihrem Todesschlaf; und so in jeder folgenden Nacht, fort und fort, bis zur Götterdämmerung und zu dem allerletzten Kampf, der auf Erden gekämpft wirdHelgi und Hilde.
Du hast mir den Vater erschlagen und schlugst mir den Bruder dazu,
Und dennoch in ewigen Tagen mein Liebster, mein alles bist du.
Es liegen so müde vom Rechten die erschlagenen Helden zu Hauf
Ich aber, in mondhellen Nächten, ich wecke die Schlummernden auf.
Sie fassen verschlafen die Schilde, sie rücken die Helme zurecht,
In den Lüften ertobet das wilde, das schreckliche Geistergefecht.
Da krähet der Hahn und sie stocken; – noch im Schwunge die Lanze ruht,
Ich trockne mit meinen Locken auf Helgis Stirne das Blut.
Ins Hügelgrab sinken wir beide, ins Brautbett dunkel und still;
Und über die graue Heide hinpfeifet der Nordwind schrill.
(Dahn, Gedichte. Sämtl. poetische Werke. Zweite Serie Bd. VI. S. 213.)
Es ist der Grundgedanke gar mancher Sage; ein edles, herrliches Weib, in tragischen Widerstreit gestellt zwischen ihrem Vater (oder ihren Brüdern) einerseits und einem Geliebten (oder Ehegatten) anderseits. Ist einmal Blut geflossen, darf sie nach dem Sittengesetz germanischer Blutrache nicht ruhen noch rasten, bis die Rache durch Untergang der Schuldigen vollendet ist. So erscheint sie, nachdem diese Pflicht der Blutrache durch das Christentum beseitigt worden, als eine dämonische Unholdin, als eine "Walandine", eine Teufelin, als die Verderberin ihrer Sippe oder der ihres Gatten, was sie ursprünglich keineswegs war, sondern lediglich die Verkörperung der unerbittlichen Ehrenpflicht der Blutrache. Diese ist freilich an sich tragisch, da sie mit unentrinnbarer Notwendigkeit fortrast, bis beide oder eines der darin verstrickten Geschlechter ausgerottet sind, durch jedes neue Blutvergiessen neu entzündet und auch die persönlich ganz Unschuldigen (Giselher in den mittelhochdeutschen Nibelungen) erbarmungslos mit dem ehernen Tritt der Notwendigkeit dahinstürzend. Dabei ist es die der älteren Zeit angehörige Auffassung, dass das rächende Weib auf Seite ihrer Brüder, die jüngere, dass sie auf Seite des gemordeten Gemahls tritt. Jenes Schwert, das, wenn einmal gezogen, nicht wieder in die Scheide fährt, bis es eines Mannes Tod geworden, ist ebenfalls ein schaurig schönes Bild der Blutrache, die, einmal entfesselt durch Blutvergiessen, nur nach neuem Blutvergiessen rastet. Und so schreitet jene gewaltige Gestalt der Krimhild als späte Nachwirkung der Walküre Hilde furchtbar durch die germanische Dichtung hin; die Weib gewordene Blutrache, ursprünglich nicht eine "Walandine", wie sie Hagen schilt, sondern eine Göttin oder doch eine Walküre.
Noch in christlicher Zeit hat eine Sage es ausgedrückt, dass Hilde ursprünglich Freya selbst warHilde, Frau Hilde als gleichbedeutend mit Freya (oder Frigg), ward viel verehrt; Spuren davon sind der niederländische Name der Milchstrasse "Vrou-elden-straet" Frau-Hilden-Strasse; auch zusammengezogen Ver-elde, eine Göttin des Spinnens , ("Ver" aus Frau). – Aus Verelde ward Pharaildis; so sollte heissen die Tochter des Herodes (sonst Herodias); sie liebt Johannes den Täufer; weil er sie zurückweist, fordert sie sein Haupt; als es vor ihr auf der Schüssel liegt, will sie es küssen, aber es weicht zurück und bläst gewaltig gegen sie, dass sie, wie vom Sturmwind gewirbelt, durch die Lüfte fliegen und tanzen muss ohne Unterlass; nur von Mitternacht bis zur ersten Hahnenkracht darf sie rasten; dann sitzt sie trauernd auf Eschen oder auf Haselgebüsch. Nach andrer Fassung muss sie an der Spitze des wilden Heeres neben Wotan durch die Lüfte jagen, – wobei ihre Walkürenart sich deutlich bekundet.. Deren Schmuck ist das kostbare Halsgeschmeide Brisingamen, welches ihr vier zauberkundige Zwerge geschmiedet – nach später, schmähender Erfindung um den Preis ihrer Liebesgunst. Odin lässt es ihr durch Loki stehlen und will es ihr nur zurückgeben, wenn sie – und hier erscheint sie als die zum Kampf treibende Walküre – zwei mächtige Könige, von denen jeder über zwanzig Jarle gebietet, verfeindet und zum Kriege fortreisst, dabei aber die Erschlagenen immer wieder zum Kampf erweckt, bis dereinst ein christlicher Held diesem Zauberbann ein Ende mache. Die Sage verrät gar vielfach ihren späten, künstlichen Ursprung; weshalb bedarf Odin Freyas zu jenem Kampfschüren, was er durch seine Runen am besten selbst versteht? Welchen Vorteil hat für Odin die Geisterschlacht, welche die Zahl der Einheriar nicht vermehrt? Die Erfindung verherrlicht lediglich das Christentum, welches durch König Olaf Tryggvason die Blutrache abzustellen trachtet, während diese nach der alten heidnischen Sage bei dem Kampf der Hedninge fortraset bis zur Götterdämmerung. Man nimmt an, dass die Sage von Hilde und Högni in der Gudrunsage weiter tönt (s. unten). Wie Hilde ist auch Brunhilde aus Freya (oder Frigg) hervorgegangen. Sie ist Walküre, hat sich aber ganz dem Helden Agnar zum Dienste geweiht, so dass sie in dem Kampfe mit Hjalmgunnar, dem Odin den Sieg bestimmt hatte, diesen durch Agnar erschlagen liess. Da entbrannte furchtbar Odins Zorn über die "Sigr-drifa"; er nahm ihr die Walkürenschaft und bestimmte sie zur Ehe. Brunhild aber schwor, keinen zum Manne zu nehmen, der sich fürchten könne (was Odin der noch immer geliebten gewährt, muss man hinzudenken, wenn man nicht solches Gelübde als auch für Odin unantastbar ansehen will). Odin stach ihr nun den Schlafdorn in das Haupt und umgürtete sie und die Burg, in welcher sie lag, mit "wabernder Lohe (Wafurlogi), die nur durchschreiten mag, wer Furcht nicht kennt; es ist die Glut des Scheiterhaufens; Brünhild gilt als wirklich gestorben und verbrannt; sie weilt nun bei Hel (wie Gerda) und der Held, der zu ihr gelangen und sie durch seinen Kuss aus dem Todesschlaf erwecken will, muss in die Unterwelt eindringen, was von je als höchste Heldentat für Götter und Halbgötter (Odin als Nornagest, bei den Griechen Herakles) gilt.
Hier wölbt sich wieder die Brücke aus der Götter- zu der Heldensage; ursprünglich ist es Odin selbst, der durch die Waberlohe in die Unterwelt eindringt, dann Freyr, später in dessen Vertretung Skirnir und zuletzt Sigurd.
Aus der Heldensage senkt sich dann später die uralte Überlieferung als Niederschlag in das Märchen vom Dornröslein und in den Schwank, "von dem, der auszog, um das Gruseln zu lernen", der allein die von Ungeheuern gefangene Königstochter retten kann, weil eben er sich zu fürchten nie gelernt, bis die Befreite, nachdem sie ihm vermählt worden, auch diesen Wunsch erfüllt, und ihm, während er schläft, einen grossen Eimer eiskalten Wassers voll zappelnder Fischlein in das Bett und über den Leib schüttet, wobei er das Gruseln gründlich lernt.
Übrigens ist auch Schneewittchen, das "in den Bergen bei den sieben Zwergen", d. h. bei den Dunkel-Elben in einer Höhle, oder in dem im tiefsten Walde versteckten Zwergenreich den Todesschlaf schläft, nachdem ihr der giftige Kamm (der Schlafdorn) in das Haupt gestochen worden, eine in der Unterwelt in dem Todesschlaf ruhende Göttin, die nur der jugendschöne, jugendkühne Königssohn, d. h. der Frühlingssonnenstrahl, erwecken und befreien mag.
Der germanische Heldengeist lebt durchaus nicht nur in den Männern unsers Volkes; er hat vielmehr auch hochherzige Jungfrauen und Ehefrauen in Zeiten schwerer Kämpfe und Gefahren beseelt. Schon die Römer haben dies erfahren; die Frauen der Kimbern kämpften noch von der Wagenburg herab für ihre weibliche Ehre, nachdem die Männer erschlagen waren. Auch sonst fanden die siegenden Legionen unter den Erschlagenen auf der Walstatt manchmal Frauen in Mannesrüstung. Tacitus hebt hervor, dass die Waffen (Schild, Schwert und Framea), das aufgeschirrte Ross bei den Brautgaben nicht fehlen dürfen; – die junge Frau empfängt sie von dem Gemahl, dem auch sie Waffen schenkt; sie sollen ausdrücken, in welcher Gesinnung das Weib des Mannes Genossin werden müsse; diese Gemeinschaft auch im Werk der Waffen ist das innigste Band, das heiligste Geheimnis der Ehe; die Waffengötter sind auch die Ehegötter. Das Weib soll nicht wähnen, ausserhalb der Gedanken des Heldentums stehen zu dürfen und ausserhalb der Gefahren des Krieges; gleich zu Anfang der Ehe soll sie durch diese Wahrzeichen gemahnt werden, dass sie zu dem Manne komme als Genossin auch seiner Kämpfe und Gefahren, sein Schicksal teilend in der Schlacht wie im Frieden, das Gleiche wagend und erleidend. Dies bedeutet das aufgezäumte Ross und das Geschenk der Waffen; in solcher Gesinnung soll das Weib leben, in solcher sterben, die empfangenen Waffen den Söhnen und den Schwiegertöchtern unbefleckt, nicht entehrt übergeben, so sie vererbend von Geschlecht zu Geschlecht (Tacitus, Germania Kapitel 18). Nur ein Heldenvolk solcher Gesinnung vermochte Gestalten wie die Walküren aus seiner Einbildungskraft, ja aus dem eignen Leben zu schöpfen.
Nicht selbst die Waffen führend, aber durch Weissagung, durch Erforschung des Ausganges bevorstehender Kämpfe die Beschlüsse der Feldherren, der Volksführer leitend, übte so die Jungfrau Veleda, im Lande der Brukterer auf hoher Warte einsam hausend, grössten Einfluss auf den Krieg der gegen Rom verbündeten Germanen bei dem Aufstande der Bataver im Jahre 69; sie hatte den Sieg verheissen und Sieg war geschehen und der gefangene Legat der Römer wurde auf seiner eroberten Prachtgaleere ihr die Lippe hinauf als wohlverdienter Beuteanteil zugeführtDahn, Urgeschichte, II, S. 140; Deutsche Geschichte, I, 1, S. 414, Die Bataver. Sämtl. poetische Werke. Erste Serie Bd. IV..