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Diese Götterdämmerung, – wann bricht sie herein?
Alsdann, nicht früher, aber dann auch unentrinnbar, wann die die Naturordnung und die sittliche Ordnung stützenden und schützenden Gewalten, wann die Götter selbst völlig morsch und faul geworden, wann die körperlichen und sittlichen Bande des Weltalls völlig aus den Fugen gelöst sind, wann das Chaos über Natur und Geist hereinbricht.
Diese Auffassung wird nicht etwa künstlich in die Edda hineingetragen; man muss in ihren eignen herrlichen Worten nachlesen, wie dem Hereinbrechen des letzten Kampfes zugleich die Zerrüttung der Natur, des wohltätigen Wechsels der Jahreszeiten vorhergeht. Da stöbert Schnee von allen Seiten, der Frost ist gross, die Winde sind scharf, es kommt "der grosse, schreckliche Winter" ("Fimbul-Winter"), der drei Jahre, ohne Unterbrechung durch einen Frühling, währt; denn "die Sonne hat ihre Kraft verloren".
Und zuvor schon kam die äusserste Verwilderung der SittenMüllenhoff, S. 141, will den Weltuntergang nur als Folge der sittlichen Verwilderung, nicht auch der Auflösung der Naturordnung eintreten lassen. durch drei Jahre eines furchtbaren Krieges, in dem sogar der unverbrüchliche Friede der Sippe, des blutsverwandten Geschlechts, germanischer Auffassung das heiligste Band, nicht mehr geachtet wird: "Da werden sich Brüder aus Habgier ums Leben bringen und der Sohn des Vaters, der Vater des Sohnes nicht schonen; Brüder werden sich schlagen und einander zu Tötern werden; es werden Schwesterkinder die Sippe brechenWobei zunächst an Ehe in verbotenen Graden gedacht ist.; arg ist es in der Welt"Beialter, Schwertalter, wann Schilde klaffen; Windzeit, Wolfszeit, ehe die Welt zerstürzt" (ein beanstandeter Zusatz).; grosser Ehebruch! Es wird kein Mensch des andern schonen".
"Da geschieht, was die schrecklichste Kunde dünken wird, dass der Wolf die Sonne verschlingt, den Menschen zu schwerem Unheil; der andre Wolf wird den MondDie Mutter dieser Wölfe war die (unbenannte) "alte Riesin im Eisenwalde"; sie gebar da Fenris-Gezücht, die Wölfe Hati und Sköll, welche der Sonne vorauseilen und ihr folgen, der Vater ist der Fenris-Wolf selbst; der Mond-Wolf war wohl Hati; doch hat man später einen besondern Mond-Wolf, Mâna-garm, aufgestellt (nach andern ist jene Riesin Angurboda und der Vater auch dieser Wölfe Loki). einholen und ergreifen und so auch grossen Schaden tun. Und die Sterne werden fallen vom Himmel.
Da wird auch geschehen, dass die Erde bebt und alle Berge; entwurzelt werden die Bäume, alle Ketten und Bande reissen und brechen; da wird der Fenriswolf losMan hat nicht nötig, zur Erklärung dafür, dass nun erst jene Wölfe Sonne und Mond einholen und verschlingen mögen und der Fenriswolf sich losreissen kann, anzunehmen, dass der Mondwolf sich von dem Mark der im letzten Bruderkrieg gefällten Männer gemästet habe, und braucht nicht die Angabe, dass Tyr den Fenriswolf füttere, so zu deuten, dass dieser Verderber durch den Frass im Krieg Erschlagener so mächtig werde; Tyr füttert den Wolf nicht absichtlich so stark, dass er loskommen kann; keineswegs darf man Tyr deshalb als den Riesen befreundet auffassen; dass er den Menschen "nicht als ein Friedensstifter" gilt, versteht sich doch bei dem Kriegsgott von selbst.; alsbald auch Loki, der ja das Erdbeben durch das Reissen an seinen Banden herbeiführt.
Und das Meer überflutet das Land, weil auch die Midgardschlange, lange verschüchtert und verwundet, wieder "Riesenmut annimmt und das Land sucht"; sie windet sich im Riesenzorne; der Wurm drängt die Wogen (über die Küsten); zugleich schreit der Adler (Hräswelgr), der, fahlen Schnabels, die Leichen zerreisst; da kommt Naglfar, das Schiff, los ("wird flott")."
Denn als Ausdruck zugleich der unendlichen Ferne der Zeit, in welche dieses Unheil gerückt steht, und als Gradmesser der äussersten sittlichen Verderbnis, an deren Höhepunkt jenes Gericht geknüpft erscheint, dient die Sage von dem Schiff Naglfar.
Dieses Schiff baut sich aus den Nägeln der Toten, welche man diesen unbeschnitten an Händen und Füssen lässt. Und erst dann, wann dieses Schiff fertig und flott geworden, so dass es den Reif-Riesen Hrymr, der es nun steuert, und dessen gesamte Heerschar aufnehmen und zum Kampfe gegen die Götter heranführen kann; – erst dann bricht die Götterdämmerung herein.
Die fromme, scheuevolle Pflege und Bestattung der Leichen ist nämlich hohe sittliche und religiöse PflichtDiese Verpflichtung schärft die Edda (Sigurdrifa 33, 34), allen Menschen ein; "Das rat’ ich dir neuntens; nimm des toten dich an, wo im Feld du ihn findest, sei er siech-tot oder see-tot oder durch den Stahl gestorben. Ein Hügel hebe sich dem Heimgegangenen, gewaschen seien Haupt und Hand; zur Kammer komme er gekämmt und trocken und bitte du, dass er selig schlafe." germanischen Heidentums; – dann also ist das höchste Mass sittlichen Verderbens gefüllt, wann die Ruchlosigkeit der Menschen so massenhaft die heiligste Liebespflicht unerfüllt lässt"Deshalb ist die Mahnung am Platze, wenn ein Mensch stirbt, ihm die Nägel nicht unbeschnitten zu lassen, weil sonst der Bau dieses Schiffes beschleunigt wird, den doch Götter und Menschen verzögert wünschen." (Edda.) Ganz ähnliche Bedeutung sittlicher Warnung hat es, wenn es heisst, der Wolf des Himmelslichtes, der dereinst die Sonne überwältigen wird, fülle sich vom Fleische gefallener Männer; wer also diese unbestattet liegen lässt, füttert den Sonnenwolf, d. h. arbeitet durch solchen Frevel zur Beschleunigung des Weltuntergangs mit. So Müllenhoff, S. 126; "die Rötung der Sitze der Götter mit rotem Blute" durch diesen Wolf deutet er aber wohl allzu kühn und künstlich auf rote Nebensonnen (!)., dass sich ein ungeheures Kriegsschiff der Riesen als Denkmal menschlicher Pflichtvergessenheit aufbaut.
Alsdann sprengen die riesischen Ungetüme alleDer vor seiner Höhle bei steigender Nähe des Kampfes immer mahnender bellende Höllenhund ist nicht der Fenriswolf (der ja nicht in Hel gefesselt liegt), sondern wohl derselbe Wächter des Heltores, der mit blutiger Brust Odin auf dessen Helgang entgegenrennt und lang "ansingt"; er lässt nur die Hel Gehörigen herein und keinen wieder heraus. die Bande, mit welchen die Götter sie bis dahin zu fesseln vermocht: "Es bebt Yggdrasils Esche, wie sie da steht" (d. h. wohl vom Wipfel bis zur Wurzel); es stöhnt der alte Baum; aber der Riese (d. h. Loki oder der Fenriswolf) kommt los. Alle fürchten sich in der Unterwelt, bevor Surturs Blutsfreund (d. h. Loki) sich von dannen nachtD. h. die Helriesen bangen, ob Loki, ihr künftiger Führer, sich auch wohl losreissen könne; nachdem ihm dies gelungen, bangen sie nicht mehr. (Müllenhoff.). Was ist bei den Asen? Was ist bei den Elben? (forscht die Seherin bang). Es tost ganz Jötunheim! Die Asen sind versammelt! Es ächzen die Zwerge vor den Felsengängen, die Felswand-Kundigen (d. h. obwohl sie sonst so felswandkundig waren). Wisset ihr bis hierher? – und weiterVöluspá, 32, 33.?"
Also von der Unterwelt an empor durch der Riesen, der Zwerge, der Elben Reich, über Midgard, der Menschen Heimstätte hin, bis hinauf zu den Göttern erdröhnt nun der Lärm der losgerissenen Gewalten!
Der Fenriswolf reisst sich los und fährt mit klaffendem Rachen einher, dass der Oberkiefer an den Himmel, der Unterkiefer an die Erde rührt und – fügt die Edda naiv hinzu: – "wäre Raum dazu, er würde ihn noch weiter aufsperren", Feuer glüht ihm aus Augen und Nase.
Die Midgardschlange speit Gift aus, dass Meer und Land entzündet werden; furchtbar ist der Anblick, wann sie dem Wolfe zur Seite kämpfe.
Die Reif-Riesen fahren von Osten auf dem Unheils-Schiff heran, Hrymr hält, zum Kampfe bereit, vorn stehend, den Schild vor.
Ein (andres) Schiff fährt von NordenSo nach Bugges Verbesserung (statt Osten und Muspels Söhne) auch Müllenhoff. her: "kommen werden über die See der HelSo nach Bugges Verbesserung (statt Osten und Muspels Söhne) auch Müllenhoff. Leute; aber Loki steuert. Die tollen (d. h. tollkühnen) Gesellen alle fahren mit dem Wolf, mit denen auch Büleipts Bruder (d. h. Loki selbst) im Zuge ist".
Surtur und Muspels Söhne, als die zerstörenden Mächte der Feuerwelt, ziehen von Süden her zum letzten Kampfe heran. Von diesem Ertosen birst das Himmelsgewölbe; die Regenbogenbrücke zerbricht"Surtur fährt von Süden her mit dem Reiserverderber (d. h. dem Feuer); es leuchtet von seinem Schwerte die Sonne der Schlachtgötter. Steinfelsen schlagen zusammen, so dass die Bergriesinnen straucheln und stürzen. Die Männer betreten den Totenweg. Aber der Himmel spaltet." Völuspá Str. 37., da Muspels Söhne auf sie einreiten.
In drei Scharen also greifen die Riesen an; von Osten die Reif-Riesen unter Hrymr, von Norden die Leute Hels unter Loki, von Süden die Feuerriesen unter Surtur; allen voran aber rennt der Wolf und an seiner Seite wälzt sich die Midgardschlange.
"Mimirs Söhne spielen"Mimirs Söhne spielen"; nach Müllenhoff, S. 142, nicht die Riesen im allgemeinen toben, sondern die Gewässer werden unruhig, verlassen die altgeordneten Bahnen.; das Ende bricht an beim Tone des alten Giallar-Hornes".
Auch die Asen, die Walhall-Götter, rüsten sich zum Streit; Heimdall, ihr Wächter an Bifröst, der Regenbogen-Brücke, erhebt sich und stösst mit aller Macht in das gellende Horn. "Odin reitet zu Mimirs Brunnen und redet (zum letzten Mal Zukunft erforschend!) mit Mimirs Haupt"D. h. er sucht im gefährlichsten Augenblick die tiefste Stelle aller Weisheit auf. Dies soll ihm nach einer Andeutung wohl kurz vor diesem Tage von den Wanen abgeschlagen, aber gleichwohl noch lebend und sprechend geblieben sein; – wie das des Orpheus..
Alle Götter und die Einheriar ziehen den Riesen entgegen auf die grosse Ebene Wigrid (d. h. Kampf-Ritt, Kampf-Reitstätte), die sich, hundert Rasten weit, nach allen vier Seiten vor Walhalls Toren dehnt"Wigrid heisst das Feld, wo zum Kampfe sich finden Surtur und die ewigen Götter. Hundert Rasten zählt es rechts und links; solcher Walplatz wartet ihrer!" Anderwärts aber; "Oskoptnir (der Unausweichbare) heisst der Holm, wo ihr Herzblut einst mischen Surtur und die Asen.".
"Die Asen waffnen sich zum Kampf und alle Einheriar eilen zur Walstatt".
Zuvorderst reitet Odin mit dem Goldhelm, der schönen Brünne und dem Speer, der Gungnir heisst. So eilt er dem Fenriswolf entgegen und Thor schreitet an seiner Seite, mag ihm aber wenig helfen; denn er hat vollauf zu tun, mit der Midgardschlange zu kämpfen.
Freyr streitet wider Surtur und sie kämpfen einen starken Kampf, bis Freyr erliegt; und wird das sein Tod, dass er sein gutes Schwert misset, welches er einst Skirnir dahingab.
Inzwischen ist auch Garm, der Hund, los geworden, der vor der Gnypahöhle gefesselt lag; das gibt das grösste Unheil, da er mit Tyr kämpft und einer den andern zu Falle bringt.
Thor gelingt es, die Midgardschlange zu töten; aber kaum ist er neun Schritte davongegangen, als er tot zur Erde fällt, von dem Gift, das der Wurm auf ihn gespieen.
Der Wolf verschlingt Odin und das wird Odins Tod.
Alsbald aber wendet sich Widar (Odins Sohn) gegen den Wolf und setzt ihm den Fuss in den Unterkiefer. An diesem Fusse hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten hindurch sammelt; die Lederstreifen (anderwärts wird ihm ein eiserner Schuh beigelegt) nämlich, welche die Menschen von den Schuhen schneiden, da, wo die Zehen und die Fersen sitzen. Darum soll diese Streifen jeder wegwerfen, der darauf bedacht sein will, den Asen Beistand zu leistenEs handelt sich hier offenbar um eine ähnliche sittlich-religiöse Pflicht, wie oben bei der Bestattung der Toten, nur dass wir von der Bedeutung dieser Lederstreifen nichts Sicheres wissen. Doch hat man nicht ohne Grund vermutet, dass die dem Reichen entbehrlichen Streifen für die Armen bestimmt sind, die sie auflesen und sich daraus Schuhe machen mögen. Damit würde wenigstens stimmen, dass nach manchen Sagen der Weg in den Himmel über Feuer oder über eine steinige Heide führt, welche die Seele nach dem Tode nicht durchschreiten mag ohne gute Werke, welche alsdann sie als Schuhe tragen wird; oder nur, wenn man den Armen auf Erden manchmal Schuhe geschenkt hat, wird man im Himmel selig werden. Ein kranker, frommer Bauer Godiskalk in Holstein sah 1189/90 in einem Gesicht im Jenseits eine mächtige Linde über und über mit Schuhen behangen, zum Vorteil derjenigen, welche auf Erden barmherzig gewesen; denn der Weg zum Himmel führte nun weiter über eine ungeheure Heide, die mit Dornen dicht wie eine Hechel besetzt war; darauf folgte, brückenleer, ein Fluss, so breit, dass kein Hornschall hinüber drang, ganz voll von scharfen Klingen, so dass sich kein Fuss darauf setzen liess (vgl. den Fluss um Walhall); nur wer im Leben für Dämme, Brücken und andre gemeinnützige Werke gesorgt, findet dann Hölzer, um darauf hinüber zu schreiten.. Mit der Hand greift Widar dem Wolf nach dem Oberkiefer und reisst ihm den Rachen entzwei und wird das des Wolfes TodAnders schildert diesen Kampf eine allerdings beanstandete Strophe der Völuspá (55 bei Simrock); "Nicht säumt Siegvaters Sohn, Widar, zu kämpfen mit dem Leichenwolf; er stösst dem Hwedrungs- (d. h. Riesen-) Sohn das Schwert durch den gähnenden Rachen ins Herz; so ist der Vater gerächt.".
Loki kämpft mit Heimdall und erschlägt einer den andern.
Zuletzt schleudert Surtur Feuer über die Erde und verbrennt die ganze Welt (und sich selbst)Es ergeben sich also sechs Einzelkämpfe; 1. Odin gegen den Fenriswolf; Odin fällt. 2. Thor gegen die Midgardschlange; beide sterben. 3. Heimdall gegen Loki; beide fallen. 4. Tyr gegen Garm; beide fallen. 5. Freyr gegen Surtur; Freyr fällt, Surtur verbrennt darauf. 6. Widar gegen den Fenriswolf; dieser fällt, jener lebt in der verjüngten Welt fort.
Wir gehen vielleicht zu weit, wenn wir für die Paarung aller der Kämpfer besondre Beweggründe in der Eigenart derselben suchen. Doch wird man etwa sagen dürfen; der Fenriswolf, als das Verderben und der Friedensbruch überhaupt, muss Allvater, den obersten Vorkämpfer der bestehenden Welt und ihrer Friedensordnung, verschlingen. Heimdall, der Regen, und Loki, das Feuer, löschen und vertrocknen sich gegenseitig. Das wohltätige Sonnenlicht Freyr erliegt dem schwarzen Rauch schädlichen Feuers, Surtur. Thor und die Midgardschlange, uralte Sonderfeinde, fechten ihren früher unterbrochenen Strauss zu Ende. Und der "Wiederer", der Erneuerer, muss den Erhalter der alten Welt, seinen herrlichen Vater rächend, die Vernichtung und den Friedensbruch selbst vernichten, ihr den klaffenden Rachen für immer zerreissen, auf dass die neue Welt erstehen und sicher dauern möge. Für die Paarung Tyrs und Garms, die überhaupt höchst zweifelhaft, erhellt kein besonderer Grund. Die Völuspá kennt übrigens nur die Einzelkämpfe 1, 2 und 5 (die drei andern sind wohl jüngere Hinzudichtung). Strophe 38; "Da kommt der Hlin (hier wohl Frigg selbst) zweiter Harm, als Odin auszieht, mit dem Wolfe zu streiten, aber gegen Surtur der Töter Belis (Freyr); fallen wird da Friggs Geliebter (Odin)." Str. 39; "Es kommt der herrliche Sohn der Hlodyn (Thor); es übergähnt die Luft der Erde Gürtel, d. h. die Schlange von unten sprüht Gift und speit Gluten; Odins Sohn (Thor) geht, dem Wurm zu begegnen, er, der Wurm, erlegt im Zorne den Schirmer Midgards. Alle Menschen werden die Heimstätte räumen (nachdem der Schirmer der Menschen, der Weiher Midgards, gefallen, müssen die Menschen den Riesen erliegen); neun Schritte geht der Fiörgyn Sohn kaum noch von der Schlange, die die Schandtat nicht scheut."; daher heisst der Weltenbrand "Surturs Lohe".
So reiben sich in diesem letzten Kampfe, der überhaupt gekämpft wird, denn auch die beiden feindlichen Heere vollständig auf; alle andern nicht einzeln genannten Götter, ferner die Walküren, die Einheriar und die Riesen fallen im Streit oder sterben im Wasser, Felsensturz oder Feuer; denn zuletzt entzündet sich das gesamte Weltall an der Glut der Feuerriesen und verbrennt mit allemVöluspá, Str. 4; "Die Sonne beginnt zu verdüstern, die Erde sinkt ins Meer, es schwinden vom Himmel die heitern Sterne. Dampf rast und Feuer; die hohe Hitze spielt bis zum Himmel selbst.", was es getragen hatte, auch Elben, Zwergen und Menschen; – ein ungeheures Brandopfer sittlicher Läuterung. –
Sehr zahlreich und mannigfaltig sind die Nachklänge dieser Sage von einem letzten furchtbaren Kampf, von dem errettenden Erscheinen verborgener, geheimnisvoller Helfer für ein schwer bedrängtes Volk, von dem Untergang der Welt in den Flammen dieses Kampfes, und dem Auftauchen einer bessern Welt.
In dem bayrischen Gedicht MûspilliDer Name ist der gleiche wie "Muspell", auch im altsächsischen Heliand begegnet "mûdspelli" in gleichem Sinne; diese Übereinstimmung, eine Hauptstütze der gemein-germanischen und echt heidnischen Natur der Sage von der Götterdämmerung kann durch die Spintisierungen der Herren Bang und Bugge nun und nimmer hinweggekünstelt werden. (Bugge hat seine Beweisführung nicht fortgesetzt, nicht abgeschlossen; Zusatz von 1889.) ist die heidnische Überlieferung mit christlichen Kirchensagen auf das seltsamste verquickt, aber doch noch in höchst bezeichnenden Zügen erkennbar; am Ende der Dinge wird neben den Teufel, den Alt-Feind, ein zweiter Unhold, der Antichrist, treten. Diese beiden als Anführer aller bösen Gewalten werden gegen Gott, die Heiligen, die Kirche streiten. Gott sendet Elias auf die Erde, der oft wegen seines feurigen Wagens als Donar erscheint; der Antichrist heisst geradezu "der Wolf"; Elias "will den Guten das Reich retten", er tötet den Wolf, doch wird auch Elias in dem Kampfe verwundet, und von seinem Blute, das zur Erde träuft, entbrennen die Berge; nicht einer der Bäume steht mehr in der Erde, die Wasser alle ertrocknen, das Meer versiegt, der Himmel schwelt in Lohe, der Mond fällt nieder, Mittelgard brennt, kein Fels steht mehr fest. Da fährt der Gerichtstag (Busstag, stuatago) ins Land mit Lohe, den Lastern zu lohnen; da kann Freund nicht mehr Freunde vor dem Muspel (Feuer?) frommen, wann der bereite Glutstrom alles verbrennt und Feuer und Luft alles reinigenMeist nach Simrock..
Aber auch im späten Mittelalter, ja bis heute noch, wissen zahlreiche Sagen zu erzählen von helfenden Frauen, d. h. ursprünglichen Göttinnen ("Frau Holde" in dem hohlen Stein, "Frau Vrene", "Frau Venus"), häufiger aber von Helden, d. h. ursprünglichen Göttern, welche, durch bösen Zauber entrückt in Berge und Felshöhlen und hier festgebannt, erst am Ende der Tage, wann der Teufel, das Böse auf Erden, übermächtig geworden, und die Guten, die Frommen oder das deutsche Volk auf das äusserste bedrängt, an der Spitze schimmernder Scharen hervorbrechen und nach furchtbarem Kampfe, dem letzten, der auf Erden gekämpft wird, die bösen Feinde vernichten werden, worauf dann das Reich Gottes auf Erden beginnt, oder auch nachdem Christus und die himmlischen Heerscharen sich eingemischt und die Guten gerettet, die Teufel und die Bösen gerichtet haben, das ewige Leben im Himmel anhebt. Siegfried, Dietrich von Bern, Karl der Grosse, WidukindIm Odenberg oder im Karlsberg bei Nürnberg oder im Untersberg bei Salzburg, der vom "untern", d. h. Mittagsschlaf halten, heisst., Otto der Grosse, Friedrich der RotbartEbenfalls, statt Karls, im Untersberg, in der Pfalz zu Kaiserslautern, im Trifels zu Annweiler, im Kyffhäuser in Thüringen., Friedrich II, die "drei Telle" (in der Schweiz, d. h. Wotan, Donar, Frô) harren so im Zauberschlaf des Weckrufs zu dem ihr Volk errettenden Kampf.
Im Kyffhäuser sitzt der Rotbart am runden Steintische, um den – ein Ausdruck der unendlich langen Zeit – sein langer BartWeiss oder grau wie Odins oder rot; der des "Rotbart", wobei dann vielleicht auch der Donars gemeint ist. schon zweimal herumgewachsen.
Er nickt, den Kopf in der Hand, und blinzelt schläfrig mit den Augen. Alle seine vielen tausend Ritter und Helden schlafen in ihren Waffen um ihn her; in seiner Rüstkammer liegen die Waffen gehäuft; ungeduldig stampfen im Traum die Rosse in den unterirdischen Ställen. Der Kaiser sucht die Zahl seiner Kämpfer zu mehren, indem er tapfre Männer durch den Zwerg zu sich hinablockt in den Berg und gegen Gold in seine Dienste wirbt. Von Zeit zu Zeit frägt er den dienenden Zwerg oder einen Schäfer, der sich hineingewagt hat in die Höhle, ob die Raben noch immer um den Berg fliegen? Auf die Bejahung ruft er wohl: "So muss ich noch schlafen wohl hundert Jahr!" Endlich aber – sein Bart ist nun zum dritten Mal herumgewachsen – fliegen die Raben herein, setzen sich auf seine Schulter und raunen ihm ins Ohr. Da springt er auf und stösst in das schmetternde Horn; auf fahren seine Helden aus dem Zauberschlaf, sie greifen, noch halb verschlafen, nach Helm und Schwert, sie eilen nach oben, der Kaiser hängt seinen Heerschild an den dürren Baum am Untersberg (am Birnbaum auf dem Walserfeld; dieser Baum ergrünt aufs neue – die halbverdorrte Weltesche erneuert sich –), Gericht zu halten und alle guten Deutschen unter seinem Heerschild zum Kampfe zu scharen. Das Walserfeld ist unverkennbar das Idafeld (Wal, so viel als Schlacht); hier wird die letzte blutige Schlacht geschlagen; der Antichrist führt die Ungläubigen gegen die Deutschen, die Christen; die Posaunen der Engel ertönen; der jüngste Tag bricht an.
In andern Landschaften ist es ein andrer Baum (der Holunder in Nottorf in Schleswig); oft wird dabei eine Brücke (Bifröst) erwähnt, über welche vor dem Nahen der Retter eine rote Kuh (Muspels Söhne) gelaufen oder das angreifende Heer (der Riesen) gezogen sein muss.
Die arge Bedrängnis der Guten wird wohl dadurch ausgedrückt, dass nach vielen verlustreichen Schlachten die vom Heere des weissen (d. h. guten) Königs Übriggebliebenen zusammen von einem Schild, einem Tisch, einem Stein, einer Platte speisen mögen.
Der weisse König ("de wite God" in den Niederlanden) reitet auf weissem Ross (Odin oder Freyr) gegen den schwarzen (Surtur). Manchmal sind es zwölf (die Zahl der Asen) bergentrückte Helden, welche Deutschland in höchster Not erretten. Jede Zeit fasste die drohende Gefahr und die zu lösende Aufgabe je nach ihrem Verlangen; das heilige Grab befreien, den Pfaffen steuern (d. h. die Kirche reformieren), die Türken aus Europa treiben. Das Vertrauen, dass schliesslich doch der Kaiser (d. h. Wotan) kommen und alles gut machen werde, drückt man wohl in der Fassung aus, dass ein allzu Sorgloser "auf den alten Kaiser hinein lebt".