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Gudrun, voll Grams über Sigurds Tod, floh heimlich aus der Burg und gelangte nach mühseligen Tagen des Wanderns nach Dänemark und in die Halle König Alfs. Hiördis, Sigurds Mutter, war gestorben, und Alf hatte sich mit Thora, Hakons Tochter, vermählt. Freundlich nahm Thora die Verlassene auf. Dreiundeinhalb Jahre blieb Gudrun bei ihr; sie wirkte und stickte Gudrun zur Ergötzung allerlei Bilder auf bunten Borten von der Wölsungen Heldentaten.
Gunnar und Högni aber nahmen Sigurds Gold, und darüber entstand Unfriede zwischen ihnen und Atli, der ihnen Brunhildens Tod zur Last legte. Da ward dahin vertragen, dass sie Atli Gudrun zur Gattin geben sollten.
Gudrun aber trauerte um Sigurd; da riet Grimhild ihren Söhnen, die Schwester durch Wort und Werk zu überreden.
Gunnar und Högni bereiteten sich alsobald zur Fahrt nach Dänemark; sie sandten nach ihren Freunden, rüsteten Helme und Schilde, Brünnen und Heerkleider und wählten aus ihrer Schatzkammer köstliche Gaben für Gudrun, ihr den Sohn und den Gatten, die Erschlagenen, zu büssen.
Fünfhundert Mannen, Langobarden, Friesen und Franken, zogen mit Gunnar, darunter Fürsten und Edelinge; auch Atli und Grimhild waren bei der Fahrt. –
Die Schar der Fürsten eilte in des Dänenkönigs Halle vor Gudrun; Gold und herzliche Worte boten sie ihr, dass sie wieder Vertrauen fasse und Sühne nehme für all ihr Leid.
Grimhild reichte ihr einen Trank, den sie mit Zauberkünsten gemischt hatte; der betäubte ihren Schmerz. Drei Könige, Gunnar, Högni und Atli, neigten sich vor ihr und warben um ihre Hand; aber Gudrun sprach: "Ich will nicht wieder vermählt sein; und es geziemt mir nicht, Brunhilds Bruder zu nehmen."
"Lass Atli deinen Hass nicht entgelten," bat Grimhild, "ich hab’ ihn in vielem als vortrefflich befunden. Dein volles Vatererbe zahl’ ich dir aus nach Gunnars Tod, dazu geb’ ich dir hunisches Gold und hunische Jungfrauen, die kostbare Teppiche wirken und sticken, auch Land und Gefolgen biet’ ich dir noch; – nimm alles, Tochter, und willige ein."
Da widerstand Gudrun nicht länger den Bitten: "Ich will ihn wählen wider eignen Willen, von euch genötigt; kein Glück wird aus unserm Bunde erwachsen."
Rasch sassen die Werber wieder zu Rosse, Gudrun und ihre Frauen wurden auf die Wagen gehoben, und sie zogen mit ihrem Heergeleite nach Atlis Land. Dreimal sieben Tage währte die Reise; dann standen sie vor den Toren der Königsburg. Gudrun sass schlafend auf ihrem Wagen; böse Träume kündeten ihr Unheil, da weckte sie Atli. Die Wächter schlossen die Gittertüren auf, sie fuhren ein; Gudrun stand in Atlis Halle. Dort war ein Gastmahl bereitet – wie sie es vorher verabredet hatten und wurde da Gudrun mit Atli vermählt.
Er gab ihr zum Mahlschatz eine Fülle von Kleinodien, dreissig Knechte, sieben treffliche Mägde und Silber in Überfluss. Sie achtete das alles wie nichts; denn ihr Herz lachte Atli nicht zu.
Zwei Söhne, Erp und Eitil, wurden Atli von Gudrun geboren, aber wenig Frohsinn herrschte in seiner Halle, seit die Giukungen-Tochter dort eingezogen war. Der König verlangte gierig nach Fafnirs Hort; den wollten Gunnar und Högni allein besitzen; sie gaben ihm nichts davon. Mit guten und bösen Mitteln suchte Atli das Gold zu gewinnen.
Da fuhr es Atli durch den Sinn, wo es wohl geborgen sein möchte? – Das wussten nur Gunnar und Högni; und er ging mit sich zu Rat, wie er den Schatz endlich in seine Gewalt bringen könnte? Und fasste den Entschluss, die Schwäger zu einem Gastmahl zu laden; da sollten sie das Gold ausliefern, in Güte oder gezwungen. Er rief Wingi, seinen Vertrauten; lang raunten sie miteinander; gute Worte und ehrende Geschenke sollten die Giukungen überreden, der Einladung zu folgen. Wingi führte des Königs Sendemänner.
Gudrun hatte argwöhnenden Herzens ihr heimliches Zwiegespräch bemerkt; sie fürchtete einen listigen Anschlag gegen ihre Brüder. Sie ritzte warnende Runen, nahm den Ring Andwaranaut, knüpfte ein Wolfshaar daran und bat Wingi, Runen wie Ring Gunnar und Högni zu überbringen.
Bevor Wingi an den Rhein kam, besah er der Königin Runen und ritzte sie um. –
Die Sendemänner traten in Gunnars Halle und tranken den Willkomm-Becher, dann begann Wingi mit kalter Stimme: "Atli sandte mich her auf schnaubendem Ross, durch den dunkeln Wald, euch gastlich in seine Burg zu laden; Speere und Schilde, Helme und Hengste, Brünnen und Bogen, silberne Satteldecken, Heergewänder und hunische Knechte könnt ihr euch dort wählen, Schiffe und Städte, die Gnitaheide und den dunkeln Wald bietet er euch."
Da wandte Gunnar das Haupt zu Högni: "Was rätst du auf solche Rede? Des Goldes haben wir genug, sieben Hallen voll Schwerter, ein jedes mit goldnem Griff; mein Ross ist das beste, mein Schwert das schärfste, Bogen, Brünnen und Schilde hängen uns an den Wänden; ich achte sie für besser als alle hunischen."
"Ein Wolfshaar fand ich an den Ring geknüpft," antwortete Högni: "ich meine, die Schwester warnt uns."
Weder Gesippen noch Freunde rieten dem König, dem Gastgebot zu folgen. Glaumvör, Gunnars zweites Gemahl, und Kostbera, die reizendste aller Frauen, Högnis Weib, gingen in die Halle, grüssten die Boten und gedachten ihrer Pflicht; sie schenkten Wein und pflegten der Gäste. Der Abend war gekommen, das Saalvolk ging zur Ruh’; die Fürsten sassen noch trinkend beisammen. Wingi zeigte nun die Runen, die, wie er sagte, Gudrun geritzt habe. Kostbera war runenkundig, die Kluge nahm die Stäbe und erforschte beim flackernden Hallfeuer ihre Deutung; sie waren schwer zu erraten, zwiefacher Sinn schien darin zu liegen. Die Könige tranken überviel.
Das gewahrte Wingi: "Atli wird alt," sagte er, "seine Söhne aber sind noch zu jung, das gewaltige Reich zu schirmen; da will er euch zu Hütern ihrer Jugend und des Reichs bestellen."
Da nun Gunnar trunken war und sein Herz Übermutes voll, und ihm ein Reich geboten wurde, gelobte er, zu kommen und sagte das Högni.
"Ein Königswort muss gelten, und ich werde dir folgen, ob ich’s gleich nicht eilig habe."
"Steh auf, Fiörnir," rief aber Gunnar trotzig einem Gefolgen zu, "lass die grossen Goldhörner durch die Hände der Männer kreisen. Mögen wilde Wölfe unsres Erbes walten und zottige Bären die Saaten verwüsten, wenn Gunnar nicht heimkehrt."
In der Nacht ängstigten Kostbera schwere Träume. Als der Morgen dämmerte und Högni an ihrer Seite erwachte, sprach sie: "Du schickst dich an, dein Haus zu verlassen; hüte dich! Fahr’ ein andermal; ich erriet die Runen deiner Schwester! Sie ladet euch nicht, zu kommen; verworren sind sie geritzt, als laure der Tod auf euch in Atlis Burg. Ein Stab fehlt – oder die Runen sind gefälscht."
"Misstrauisch seid ihr Weiber. Ich will nicht danach forschen und fürchte mich nicht und käme das Schrecklichste."
"Ich sah heut’ Nacht im Traum dein Leintuch brennen und die Lohe brauste durch unser Haus."
"Hier liegt viel Leinwand, auf die ihr wenig acht habt; die wird bald brennen; das sahst du im Traum."
"Und ein Bär brach in unsre Halle, mit kratzenden Pranken warf er die Bänke nieder; in seinen Rachen riss er uns alle. Wir kreischten laut; die Angst war gross."
"Ein Wetter wird aufsteigen; du sahst einen Weissbären, da kommt Sturm von Osten."
"Einen Aar sah ich in die Halle fliegen; er beträufte uns alle mit Blut; und mich dünkte, er war Atlis Schutzgeist."
"Wir schlachten bald, da fliesst Blut; träumt man von Adlern, bedeutet’s oft nur einen Ochsen. Was dir auch träumte, sorge nicht," schloss Högni.
Gunnar und Glaumvör erwachten bei Tagesgrauen, auch ihr hatten böse Träume Unheil verkündet; sie widerriet die Fahrt: "Einen Galgen sah ich dir errichtet, Gunnar; Nattern nagten an dir, dieweil du noch lebtest; was bedeutet das? Ein Speer, deuchte mich, durchstach dich, und Wölfe heulten an des Speeres beiden Enden. Was bedeutet das?"
"Nur Jagd und Hundegebell von Atlis Meute verkündet dein Speertraum."
"Und einen Strom sah ich in die Halle fliessen; er stieg und schwoll, die Bänke überschwemmend; euch Brüdern zerbrach er die Füsse; nichts konnte die Fluten hemmen; das bedeutet etwas! Und verstorbene Weiber, kostbar gekleidet, kamen in der Nacht hierher, wollten dich zum Gatten kiesen, luden dich, auf die Bänke zu sitzen. Weh! Die SchutzgöttinnenFylgja, vgl. J. Grimm, Mythologie., fürcht’ ich, schieden von dir."
"Du warnst zu spät, nun die Fahrt beschlossen ist. Niemand mag seinem Schicksal entfliehen. Wohl deutet vieles, dass unser Leben kurz sein wird."
Früh am leuchtenden Morgen bereiteten sich die Geladenen zur Reise. Aber ehe sie zu Ross sassen, gingen Gunnar und Högni insgeheim hin, nahmen Fafnirs Erbe und versenkten es in den Rhein; und niemals hat sich das Gold wiedergefunden.
Selbfünft ritten die Giukungen – zwei Söhne und ein Schwager Högnis zogen mit – und gegen zwanzig Dienstmannen folgten ihnen. Die Frauen geleiteten sie bis an den Rhein. Glaumvör wandte sich zu Wingi: "Ich weiss nicht, wie du unsern guten Willen lohnst? Du warest hier ein arger Gast, wenn dort Übles geschieht."
"Atli sollen die Riesen holen, wenn er euch belügt," verschwor sich Wingi, "am Galgen soll er reiten, hält er nicht Frieden."
"Fahret denn selig! Und folg’ euch der Sieg!" sprach Kostbera aus holdem Herzen, und Högni rief zurück: "Seid wohlgemut, wie es auch ergehe."
Dann folgte er den Recken ins Schiff. Die Frauen schauten ihnen nach, bis sie entschwanden; da schied das Schicksal ihre Wege.
Die Recken begannen so kräftig zu rudern, dass die Ruderstangen zerbrachen, die Ruderpflöcke barsten. Unangebunden blieb das Boot liegen, als sie ans Land stiegen.
Sie liessen ihre Rosse über die Berge durch den dunklen Wald und bebautes Land rennen. Endlich sahen sie Atlis Burg ragen. Kriegsvolk stand auf den Wällen, Wächter an den Pforten. Klirrend flogen die Riegel auf, als Högni ans Tor pochte. Da rief Wingi, vom bösen Gewissen getrieben: "Bleibet fern dem Hause! Leicht lieft ihr ins Garn und gleich erschlägt man euch."
Aber Högni gedachte nicht, zu weichen; er scheute vor nichts, wenn es galt, Mut zu erproben: "Du wirst und nicht schrecken! Fahre zur Hel, meineidiger Verräter."
Und zornig schwang er das Schlachtbeil und schlug ihn nieder.
Sie ritten ein in die Burg.
Atli sass in seiner Halle beim Wein, als Boten die Ankunft der Gäste meldeten. Er fuhr in die Brünne und schritt mit einer Schar Gerüsteter den eintretenden Giukungen entgegen: "Seid willkommen," rief er, "und gebet das Gold her, das mir zukommt, Sigurds Hort, der nun Gudrun gebührt."
"Niemals!" antwortete Gunnar. "Und willst du uns Kampf bieten, so sollst du uns tapfer finden, ehe wir fallen."
"Lang hab’ ich gelobt, euch zu erschlagen; über das Gold will ich schalten und das Neidingswerk rächen, dass ihr Brunhild und Sigurd betrogt."
"Wenig hat uns geschadet, was du lang beschlossen hast," rief Högni, "wir aber liessen schon deinen treulosen Sendboten zur Hel fahren."
Zornig hörten’s die Burgleute; sie hoben die Langbogen und sausend schwirrte ein Schwarm von Pfeilen auf die Giukungen. Der Lärm drang bis zu Gudrun in ihre Kammer. Wild riss sie ihre Halsketten ab und schleuderte sie an den Boden, dass sie klirrend zersprangen. Sie schritt hinaus, riss zornig die Hallentür auf und furchtlos trat sie zwischen die Streitenden, umarmte und liebkoste ihre Brüder und sprach: "Ich sandt’ euch ein Sinnbild zur Warnung! Dem Schicksal widersteht man nicht; ihr kamet doch! Verraten bist du, Gunnar! Was wollt ihr nun tun wider Atlis List?"
"Nun ist’s zu spät, Schwester! Zu weit ist’s die an den Rhein, unsre Scharen zu rufen."
Mit klugen Worten versuchte Gudrun die Grimmherzigen zu versöhnen, aber sie achteten nicht darauf; alle riefen: "Nein!"
Da sah sie den Kampf beginnen; sie warf den Mantel ab, fasste ein Schwert und schwang es an der Brüder Seite und ging vorwärts wie der tapferste Mann; einen Bruder Atlis traf sie, dass er nicht mehr aufstand, dem andern hieb sie den Fuss ab und ihre Hände zitterten nicht. Gunnar und Högni gingen todbringend durch Atlis Scharen, ihre jungen Blutsfreunde folgten ihnen tapfer, und so gewaltig drangen die Giukungen vor, dass Atli sich in einen festen Turm flüchtete und die Tür hinter sich zuschlug. Das Fechten währte vom Morgen bis Abend; in der Nacht ruhte es, um am andern Tag heftiger wieder zu entbrennen. Hof und Halle flossen von Blut. Gudrun liess Feuer an den Saal legen; sie kämpfte nicht mehr; aussenstehend erwartete sie, wie alles enden werde, und mit so heisser Wut tobte das Schlachten und Morden, dass bald alle Gefolgen Gunnars tot lagen; auch Kostberas Söhne und ihr Bruder fielen da. Nur die beiden Brüder widerstanden noch tapfer. Atli harrte in sicherm Turme des Ausgangs. Eine übermächtige Schar griff nun Gunnar an; lange schirmte ihn Högni, Tote auf Tote türmend; endlich überwältigten die übermächtigen Feinde Gunnar, fingen ihn lebendig, banden ihn und führten ihn weg.
Högni aber kämpfte unerschrocken fort; sieben Männer erschlug er, den achten warf er ins Feuer, wie er zuvor schon manchem getan hatte. Alle nannten ihn den gewaltigsten Kämpen, aber zuletzt – blutend, kampfmüde, – erlag auch er der Überzahl und wurde gebunden.
Da schritten Atli und Gudrun wieder in die Halle: "Übel sieht’s hier aus," sprach Atli. "Erschlagen meine Kämpen, tot liegen meine Brüder! Das dank’ ich dir, Gudrun. Ich hatte herrliche Schwäger, ich leugne es nicht, verderbliches Weib. Wir stimmten selten, seit ich dich nahm, überein; du wirktest stets dagegen, dass ich den Hort gewann, und meiner Schwester Tod hast du verschuldet." –
"Meine MutterNach einigen Überlieferungen hat nämlich Atli Grimhild zu Gast geladen und, da sie sich weigert, ihm zum Horte zu verhelfen, getötet, was den Giukungen unbekannt sein muss, als auch sie die Einladung annehmen. ergriffst du und mordetest sie um des Goldes willen; – in der Höhle musste sie verhungern. Ich lache, willst du klagen; den Göttern Dank, dass es dir über ergeht."
"Wehret dem Weibe den Harm, ihr Mannen," befahl Atli, "ergreifet Högni und schneidet ihm das Herz auf! Den grimmen Gunnar bindet an den Galgenpfahl; im Wurmgarten sollen ihn die Schlangen nagen."
"Tu’, wie dich gelüstet," rief Högni, "ich habe schon Schlimmeres ausgehalten. Solang ich heil war, widerstand ich euch; – nun bin ich in deiner Gewalt."
Gudrun aber eilte hinaus zu ihren Söhnen und sagte, sie möchten des Vaters Knie umfassen und der Könige Leben erbitten; doch die Knaben schlugen der Mutter die Bitte ab. –
Inzwischen sandte Atli einen Boten zu Gunnar; ob er das Leben erkaufen wolle mit Sigurds Gold.
"Zuvor will ich Högnis Herz blutend in der Hand halten," antwortete der Stolze.
Atli winkte den Schergen ans Werk. Der Burgwart raunte ihnen zu: "Lasst uns Högnis schonen und den blöden Knecht Hialli greifen; – der ist alt und wie lang er auch lebt, – er bleibt stets ein armer Tropf."
Hialli stand in der Küche bei den Kesseln, als sie ihn suchten; er klagte und kroch in alle Winkel, bis sie ihn fingen; noch ehe er die Spitze des Messers fühlte, schrie er laut; das Schmählichste wolle er vollführen und sich glücklich schätzen, käm’ er davon.
"Lasst ihn laufen," sagte Högni, "mir ist das ein geringes Spiel; – und wer möchte länger solch Gewinsel mit anhören!"
Dennoch töteten sie den Knecht und trugen sein blutend Herz zu Gunnar.
"Das ist eines Knechtes Herz; wie zittert es in der Schüssel! Zweimal so stark zitterte es, da es noch in der Brust lag," sprach der König.
Nun blieb keine Wahl mehr; Atlis Befehl musste geschehen.
Högni lachte laut dazu und erduldete die Todesqual, ohne einen Schrei auszustossen. Sie brachten das blutige Herz zu Gunnar. "Des kühnen Högni Herz," rief er, "halt’ ich hier in Händen; kaum zittert das auf der Schüssel, und niemals hat es gebebt, da Högni es in der Brust trug. Nun weiss niemand ausser mir, wo der Hort ruht, und niemals, Atli, wirst du das erfahren."
"Auf! Schirrt den Wagen! In den Wurmgarten mit ihm," befahl da Atli.
Gudrun vernahm den grausigen Befehl; sie drängte die Tränen zurück, als sie in die Halle trat. "Also ergeh’ es dir, Atli, wie du Gunnar die Eide hieltest, die oft gelobten, die bei der Mittagssonne, bei Odins Berg und Ullrs Ring geschworenen."
Aber Atli stieg zu Ross; inmitten seiner Speerträger ritt er auf die Heide, wo ein umhegtes Gebüsch lag, von Schlangen und Nattern durchkrochen; unter ihren Bissen sollte Gunnar sterben. An den Händen gefesselt, wurde der stolze Mann in den Garten geführt. Gudrun liess ihm heimlich eine Harfe senden. Einsam, zorngemut, schlug er die Saiten mit den Zehen, wie sonst mit der Hand, und so schön klang sein Spiel, dass Männer und Frauen weinten, die es fernhin hörten; die Schlangen aber, die zischend gegen ihn aufbäumten, schliefen darüber ein; nur eine grosse Natter, alt und scheusslich, die fuhr gegen ihn und biss ihm bis tief ins Herz. Da starb Gunnar im trotzigen Heldenmut.
Und Atli wandte seinen Hengst; – bald scholl seiner Speerträger Lärmen, wildes Rufen und das Gedräng von Rossen im Burghof; – sie waren von der Heide zurückgekommen. –
Nun dünkte sich Atli gross, als er vor Gudrun hintrat. Höhnend sprach er: "Tot liegen deine Brüder, und du selbst hast Schuld, dass es so erging."
"Frohen Sinnes kommst du, mir den Mord zu verkünden? Reue wird über dich kommen; das Unheil weicht nicht mehr von dir; – es sei denn, dass ich sterbe."
"Dafür weiss ich Rat; mit Mägden, Kleinodien und Silber tröst’ ich dich." –
"Das meine nicht; ich sage nein! Galt ich vorher für grimmig – nun bin ich’s gewiss. Meiner Brüder Mord wirst du mir nie sühnen! – Was du auch bietest – mir ist’s leidig. Doch" – fuhr sie sich bezwingend fort – "des Mannes Übergewalt beugt den Willen der Frau; du magst hier allein aller Dinge walten."
Töricht traute ihr der König, als sie so wider ihr eignes Herz redete.
Er liess die Toten aus der Halle schaffen und feierlich bestatten; auch Högnis und Gunnars Leichen erwies er die letzten Ehren, dann kehrte er in den Saal zurück. Gudrun schritt ihm hier entgegen, einen goldenen Becher in der Rechten, zwei Speere in der Linken; sie stellte sich durch solche Totenehrung versöhnt: "Heil dir, König! Empfange als Gudruns Gabe ihrer Brüder Speere." Und sie rüsteten gemeinsam ein TrinkgelagEin Erbmahl, wie es der Erbe zum Gedächtnis des Verstorbenen und als Zeichen des Antritts der Erbschaft den Freunden und Nachbarn bereitet. zum Gedächtnis aller Gefallenen. Mit Pracht und Überfluss bereitet, stand bald das Mahl in der gesäuberten Halle.
Gudrun aber nahm grimmen Herzens Rache, die grässlichste, die je ein Weib ersonnen hat.
Sie lockte ihre und Atlis Söhne in ihr Gemach und schnitt ihnen die Hälse ab. Und als die Helden abends zusammengeschart im Saal sassen und die Becher klangen, schenkte sie Wein und reichte dem König Leckereien. Er trank und fragte, ob seine Söhne draussen spielten, da er sie nirgends sehe.
"Du erschlugst mir die Brüder," antwortete Gudrun, "und höhntest mich noch am Morgen; der Abend ist gekommen; ich biete dir Gleiches. Du ziehst sie fürder nicht an dein Knie, weder Erp noch Eitil; nie siehst du sie wieder von deinem Sitze herab Pfeile schäften, Mähnen glätten und Mähren tummeln. Ihr Blut mischte ich in deinen Wein, ihre Schädel waren dir Trinkschalen, ihre Herzen assest du gierig für Kalbsherzen; nichts liessest du übrig von der Speise. Du weisst nun, wo deine Knaben sind. Ich tat, was ich musste. Ich lobe es nicht."
Entsetzt fuhren die Männer auf von den Bänken und hoben drohend die Waffen; – und alle weinten, nur Gudrun nicht; nie weinte sie, seit sie Atlis Weib geworden war.
"Übergrimmig bist du," rief der König, "da du das vermochtest! Morgen sollst du gesteinigt werden und verbrannt auf dem Scheiterhaufen."
"Sieh selber morgen, solches zu meiden; schöneren Todes will ich in ein andres Licht fahren."
Berauschenden Trankes war übergenug in der Halle; das meiste Volk sass trunken oder schlafend da.
Auch Atli hatte sich besinnungslos getrunken und suchte sein Lager. Als er eingeschlafen war, nahm Gudrun einen Dolch und durchbohrte ihm die Brust. Er erwachte, fühlte die Wunde, und sah mutig sein Ende nahen: "Wer erschlug Budlis Sohn?" fragte er.
"Ich hehl’ dir’s nicht; ich tat’s."
"Falsch ist, wer den vertrauenden Freund betrügt! Als ich ausritt, um dich zu werben, nannten sie dich hoffärtig und wildherzig. Das war keine Lüge. Ich hab’s erfahren. Reichen Mahlschatz zahlte ich dir, und dich dünkte alles wie nichts. Seit du hier waltest, fand ich von Herzen froh keinen mehr der Hausgenossen."
"Du lügst, Atli! – Selten zwar war ich sanft, doch du mehrtest stets meinen Zorn. Andres fand ich hier als bei den Giukungen und Sigurd! Ihr Brüder strittet hässlich um euer Erbe untereinander. Zu Grunde ging alles, was diesem Hause zum Heile sein sollte. Meine Brüder und Sigurd, als sie in Treue beisammen standen, waren unbezwingbar. Sie fuhren auf Glück und Sieg; sie erschlugen, wer uns nicht huldigte. Nach Willkür riefen wir aus den Wäldern Friedlose zurück und gaben dem die Macht, der uns beliebte. Als Sigurd starb; – da sank mein Glück; herb war da mein Kummer. Doch härtet die Qual, dir zu folgen. Ein Held war Sigurd. Nie kamst du vom Kampf und hattest den Feind gefällt. Ich liess es beruhen; doch dich ehrte das nicht."
"Die zornigen Worte bessern unser beider Los nicht. Sorge nun, Königin, für des Königs Ehren, wenn man ihn hinausträgt."
"Ich will ein Schiff kaufen und eine bunte Bahre und sorgen für alles – als ob wir uns hold wären," sprach Gudrun, von des Königs heldenmütiger Ruhe, mit der er starb, gerührt.
Atli lag tot; der Tag brach an und Gudrun erfüllte, was sie ihm versprochen. Er wurde in ein Schiff gebahrt, mit allen Ehren, welche die Königswürde heischte, und Wind und Wellen der See übergeben. – –
Trauernd sassen Atlis Mannen in der Burghalle. Als die Nacht kam und die Burgleute schliefen, löste Gudrun die Hunde von der Kette, legte Feuer an die Halle und verbrannte alle, die darin lagen und beim Mord ihrer Brüder geholfen hatten.
Der ganze Bau stand in Flammen; Schatzkammern und Gebälk stürzten ein; – auch die Mägde sanken tot in heisse Glut, und Gudrun wollte nun auch sterbenEs ist kein Zeugnis aufbewahrt, dass sie jetzt, sich etwa auch in die Flammen stürzend, gestorben sei, aber wohl nach der ursprünglichen Gestaltung der Sage anzunehmen. Spätere Weiterbildung liess sie fortleben, um die Wölsungen mit dem gotischen Sagenkreise zu verknüpfen..