Felix Dahn und Therese Dahn
Walhall
Felix Dahn und Therese Dahn

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III. Walther und Hildgund.

1. Die Flucht.

König Etzel liess das Heerhorn blasen; an den Rhein gegen die Franken und weiter nach Burgund und Aquitanien ging sein Heerzug. Gibich, der Frankenkönig, erkaufte sich Frieden; er zahlte Zins und stellte seinen jungen Vetter Hagen als Geisel, weil sein Sohn Gunther noch allzu jung warNach dieser Sage heisst Gunther ein Frankenkönig zu Worms, während er im Nibelungenlied (s. unten 5. Buch VI) als Burgundenkönig zu Worms herrscht; hier gilt Herrich zu Chalons als Burgundenkönig.. Herrich von Burgund vergeiselte dem Heunen seine Tochter Hildgund und Alphart von Aquitanien seinen Sohn Walther. Hildgund war sieben und Walther zwölf Winter alt. Zufrieden mit seiner Beute kehrte Etzel wieder um. Die Geiseln wurden gehalten wie eigne Kinder. Die Jünglinge wuchsen zu tapfern Recken heran und gewannen Etzels Gunst. Die Jungfrau ward der Königin lieb; sie erteilte ihr das Amt einer Schatzmeisterin. Als aber Gibich starb und Gunther König in Worms war, brach er das heunische Bündnis und verweigerte den Zins. Sobald Hagen das erfuhr, entfloh er heimlich nach Worms. Nun wurde die Heunenkönigin besorgt, dass Walther auch so tun werde, und riet dem König, Walter sesshaft zu machen durch Vermählung mit einer Heunenfürstin. Allein Walthers Sinn stand auf andre Dinge; er merkte, dass ihm der König die Wege verlegen wollte, und geschickt wusste er das Anerbieten abzulehnen. In einem bald darauf ausbrechenden Krieg erstritt Walthers Tapferkeit den Sieg für Etzel. Als er aus der Schlacht zurückkehrte und kampfmüde in die Königshalle trat, traf er Hildgund dort allein und liess sich von ihr einen Becher Firneweins reichen. Sie wussten, dass ihre Väter sie dereinst miteinander verlobt hatten; traulicher Zwiesprach pflogen sie da; er fasste der Jungfrau Hand und sprach: "Wie lange noch sollen wir der Fremde Leid tragen und sind doch füreinander bestimmt?"

Auf flammte Hildgunds blaues Auge: "Was redet deine Zunge, wonach dein Herz nicht begehrt!"

"Hör’ mich, Hildgund! Ich wüsst’ ein süss Geheimnis, wolltest du verschwiegen sein." Da stürzte das Kind ihm zu Füssen: "Wohin du willst, ich folge dir nach."

Er hob sie auf, tröstete sie und sprach: "Heimweh verzehrt meine Seele! Doch bliebest du zurück, wäre Flucht mir kein Gewinn. Höre nun," fuhr er flüsternd fort, "nimm aus dem Königsschatz des Königs Helm und Waffenhemd und Riemenpanzer; die stelle mir zurecht; dann fülle zwei Schreine mit Gold und Spangen, so hoch, dass du sie kaum vom Boden zur Brust heben kannst. Auch beschaffe vier Paar starker Schuhe für mich, desgleichen vier für dich; – der Weg wird lang sein. Beim Schmied heische krumme Angeln, weil wir auf der Reise von Fischen und Vögeln leben müssen. Das alles halte bereit heut über sieben Tage; dann sitzt der König mit den Seinen beim Gelag, und wenn sie dann alle weintrunken schlafen, – dann reiten wir der Heimat zu."

So geschah es. Als nun um Mitternacht Etzel und alle Heunen wein- und schlaftrunken dalagen, rief Walther Hildgund in den Burghof. Er führte sein Ross aus dem Stall, hing ihm beide Schreine und ein Körbchen mit Speise über den Rücken. Dann hob er die Jungfrau in den Bügel und schwang sich in den Sattel, gepanzert und geschient. Es hing ihm zur Linken sein eignes Schwert, zur Rechten Etzels krummer Säbel, dazu trug er Schild und Speer. Hildgund führte die Zügel und hielt die Angelruten in der Hand. So entflohen sie im Schutz der Nacht.

Hoch stand schon die Sonne, als die trunkenen Heunen erwachten. Vergebens rief Etzel nach Walther, die Königin nach Hildgund; sie gewahrten bald, dass die beiden entflohen waren. Die Königin war untröstlich, der König entbrannte in bösem Zorn; er zerriss den Purpur und schleuderte ihn von sich; einen Haufen Goldes verhiess er dem, der ihm Walther gebunden zurückführe, aber keiner hatte Lust dazu. Die Fliehenden ritten unterdessen hastig weiter in der Nacht, bei Tag bargen sie sich im Waldesdunkel und hielten Rast. Sie mieden der Menschen Behausungen und suchten ihren Weg im bahnlosen Gebirge. Walther fing Vögel und Fische, dem Hunger zu wehren. Am Abend des vierzehnten Tages erreichten sie den Rhein bei Worms; dem Fährmann gab Walther als Fahrgeld die letzten Fische, die er in der Donau gefangen hatte. Der Ferge trug sie andern Tages zu des Königs Küchenmeister; der briet und würzte die Fische und setzte sie dem König vor. Erstaunt rief Gunther, dass er nie solche Fische gegessen habe. Der Koch verwies an den Fergen und der erzählte von dem gepanzerten Helden auf starkem Ross und der leuchtenden Jungfrau vor ihm im Sattel, von den zwei Schreinen, die am Bug des Rosses niederhingen, und dass es darin erklungen sei wie von Gold und Edelsteinen, wann das Tier den Nacken schüttelte, die Fische aber habe ihm der Held als Fahrlohn gegeben.

Da rief Hagen: "Freut euch mit mir! Walther, mein Gesell, kehrt heim von den Heunen."

"Freut euch vielmehr mit mir," entgegnete Gunther übermütig. "Der Schatz, den mein Vater den Heunen zahlen musste, kehrt heim."

Den Zechtisch stiess er um mit dem Fuss und hiess die Rosse satteln. Zwölf seiner stärksten Recken wählte er aus, auch Hagen, der ihn vergebens bat, davon abzustehen, wegen seiner Freundschaft mit Walther.

"Hüllt eure Heldenknochen in Eisen," befahl der König, "und folgt mir, dem Räuber den Schatz abzujagen."

Walther eilte unterdessen unablässig fort und kam in den WasichenwaldAuch Wasgen-wald, Wasgen-stein, d. h. Vogesen., wo er zwischen zwei Bergen eine zackige Schlucht fand, in welcher er rasten wollte. Seit ihrer Flucht hatte er nur auf des Rosses Rücken, über den Schildrand nickend, geschlafen. Nun legte er die Waffen ab und streckte sich zur Ruhe, das Haupt in Hildgunds Schoss. Die Jungfrau hielt Wache, während Walther schlief.

2. Der Kampf.

Gunther fand bald im Sande die Spur von Huftritten; die Rosse spornend, gelangten er und seine Recken an den Fuss der Felsschlucht.

"Das geht so glatt nicht ab," warnte ihn Hagen. Hildgund aber schaute zu Tal und sah Lanzen blinken; leise weckte sie Walther.

"Die Heunen sind da! Hau’ ab mein Haupt, dass ich keines andern Mannes werden muss." Walther waffnete sich, hinabschauend, und tröstete Hildgund: "Nicht Heunen, – Franken sind es und fürwahr," – er deutete auf einen Helm, – "das ist Hagen, mein alter Gesell." Er trat nun an das schmale Felsentor; Hagen erkannte ihn und bat den König nochmals, friedlich wegen des Schatzes zu verhandeln. Da entsandte der König Ganelo von Metz. Der ritt hinauf und fragte nach Walthers Namen und Vorhaben.

"Fürwahr, was ficht euch an, mich auszuforschen?" antwortete Walther. "Doch weil dich König Gunther sendet, – Walther von Aquitanien bin ich und, der Geiselschaft müde, wandt’ ich mich und ziehe nun in die Heimat."

"Ross und Schreine und die Jungfrau lief’re aus; – dann sei dir dein Leben geschenkt."

"Wie kann dein König schenken, was mein eigen? Doch hundert Spangen will ich geben, des Königs Namen zu ehren."

Hagen riet zur Annahme, aber der König schalt ihn:

"Du artest deinem Vater nach; auch er focht lieber mit Worten als mit Waffen."

Da ritt Hagen abseits auf einen Hügel, stieg vom Ross und schaute zu. Gunther winkte Ganelo, der flog zurück mit der Antwort.

"Den ganzen Schatz lief’re aus."

"Zweihundert Spangen will ich geben ums Wegrecht, – zeig’s deinem König an."

"Des Redens bin ich satt; jetzt gilt’s dein Mut," rief Ganelo, hob den Speer, zielte und warf. Walther bog ihm aus, der Speer flog in den Rasen. Nun sauste Walthers Schaft; der fuhr durch Ganelos Schildrand, seine Rechte durchbohrend, und drang mit der Spitze tief in des Rosses Rücken; rasch sprang Walther hinzu und mit einem Schwertstoss sanken Ross und Reiter nieder.

"Jetzt sterb’ ich, oder räche des Oheims Fall," rief der goldlockige Skaramund und sprengte hinauf; er warf zwei Lanzen zugleich; die eine flog ins Gras, die andre traf nur den Schildrand; nun drang er mit gezücktem Schwert ein – aber Walthers Speer durchstach ihm den Hals, tot fiel er vom Ross neben dem Oheim.

Werinhard ritt als dritter hinauf; er führte Pfeil und Bogen. Von weitem richtete er seine Geschosse auf Walther; der deckte sich mit seinem grossen Schild, und als der Schütze nahe kam, war der Köcher schon leer, und bevor er das Schwert geschwungen, warf Walther den Speer; der traf das Ross, das bäumte sich und warf den Reiter ab. Dem Fallenden entriss Walther das Schwert und hieb ihm das blonde Haupt ab. Nun entsandte der König Ekkefried, den Sachsen, der am Frankenhof in Verbannung lebte, weil er seinen Herzog erschlagen hatte. Auf rotbraunem Schecken trabte er den Felsweg hinauf. Sein Eisenspeer prallte ab an Walthers Schild, und Walther warf ihn so grimmig zurück, dass das Eisen Ekkefrieds tierhautbespannten Schild zerspaltete, ihm den Rock zerriss und tief in die Lunge fuhr. Todwund sank Ekkefried vom Ross; das führte Walther als Beute mit sich.

Hadwart folgte als fünfter Kämpe; der liess den Schaft zurück und vertraute seinem scharfen Schwert. "Des Feindes Schild lass mir, König Gunther, wenn ich den Sieg gewinne," bat er. Die Leichen sperrten seinem Ross den Weg, darum stieg er ab. Lang kämpften die zwei, Hadwart mit dem Schwert, Walther mit dem Speer; da wollte der Franke mit einem gewaltigen Hieb den Streit beenden, doch Walther fing den Streich und zwang ihm das Schwert aus der Faust, dass es sausend seitab flog. Hadwart sprang der Waffe nach, Walther folgte, hob mit beiden Händen den Speer und durchstach Hadwart mit tödlichem Stoss den Nacken; mit dumpfem Krach fiel er.

Patafried, Hagens Schwestersohn, eilte jetzt zum Kampf; vergebens bat ihn der Ohm, davon abzulassen; der Jüngling begehrte allzu sehr nach Heldenehren. "Schlänge doch Hel das goldne Erz hinab!" grollte da Hagen, "in den Tod reitest du, Patafried! – Was soll ich deiner Mutter, was deinem jungen Weibe sagen!" Walther hörte von fern des Freundes Klage und sprach gerührt zu dem Anstürmenden: "Steh’ ab; hier liegen schon manche Recken; es wäre mir leid, dich ihnen beizugesellen."

"Was kümmert das dich! Steh’ und ficht!" rief der Jüngling entgegen und schon flog sausend sein knorriger Speer; mit dem eignen schlug ihn Walther zur Seite, zu Hildgunds Füssen fiel er nieder. Aufschreiend lugte sie aus der Felsspalte hervor, ob ihr Freund sich noch halte. Noch einmal warnte Walther, doch wütend stürmte Patafried mit gezücktem Schwert an. Schweigend deckte sich Walther, und als sein Gegner nun zu mächtigem Hieb ausholte, senkte er sich ins Knie und bog ihm aus, dass die Wucht des leeren Streiches Patafried zu Boden riss; blitzschnell sprang nun Walther auf und durchbohrte dem Jüngling den Leib. Seinen Fall zu rächen, kam Gerwig gesprengt; die doppelschneidige Streitaxt warf er nach dem Gegner; schnell hob der den Schild, stiess die blutige Klinge ins Gras, griff nach dem Speer und stellte sich dem Angriff. Wortlos kämpften sie: der den Freund zu rächen, der für sein Leben. Gerwig tummelte sein Ross im Kreis, Walther zu ermüden; da ersah dieser den Augenblick, als der Franke den Schild hob; schnell flog sein Speer und durchstach dem Feinde die Weiche. Mit lautem Schrei fiel er auf den Grund – er war ein stolzer Graf im Wormser Gau gewesen.

Nun stutzten die Franken und baten Gunther, vom Streit zu lassen. "Hei, ihr Tapfern! Schafft Unglück euch Furcht statt Zornes? Soll ich als geschlagener Mann zu Worms durch die Gassen ziehen? Zuvor reizte mich des Fremden Gold, nun dürstet mich seines Blutes. Blut heischt Blut; Auf!" – Da entbrannten alle zu neuem Kampf; jeder wollte der erste sein; hintereinander trabten sie den Felsenpfad hinan. Indes hatte Walther den Helm abgenommen und hing ihn an einen Baum, sich ein wenig zu kühlen. Da rannte Randolf mit schwerer Eisenstange heran und hätte den Unbehelmten schier durchbohrt. Doch der trug auf der Brust ein Geschmeide, von Wielands Hand verfertigt, das wehrte den Stoss; die Stange splitterte. Rasch hielt Walther den Schild vor, den Helm konnte er nicht mehr aufsetzen; denn schon sauste ihm Randolfs Schwert um die Ohren; zwei Locken schor es ihm ab; der zweite Hieb blieb in Walthers Schilde stecken. Blitzschnell sprang der Held zurück und wieder vor und riss Randolf von dem Gaul herunter, dass er das Schwert verlor, und, den gepanzerten Fuss ihm auf die Brust setzend, hier Walther ihm das Haupt ab.

Eilig sprang Helmnot zu Fuss vor; er schleppte einen schweren Dreizack an einem Seile, das hielten hinter ihm seine Genossen gefasst. Hoch schwang er den Dreizack; sausend kam das Geschoss gegen Walther geflogen, spaltete den Stachel am Schild und haftete darin. Scharf zogen und zerrten die Franken an dem Seil, Walther zu Fall zu bringen, selbst der König haste mit an. Aber festgewurzelt wie die Esche stand Walther und wankte nicht; wenigstens den Schild wollten die Franken ihm vom Arm reissen. Viere waren sie noch ausser Hagen. Walther ward wild über solches Streiten; den Schild liess er fahren, barhäuptig sprang er in die Feinde. Eleuther spaltete er Helm und Haupt und Nacken bis in die Brust mit einem Schlag; Trogus hing verwickelt im Seil; – bei dem Ziehen hatten die Franken die Waffen abgelegt; die wieder zu nehmen, sprang Trogus vergebens auf; Walther durchhieb ihm die Waden und nahm ihm den Schild, bevor Trogus diesen am Boden ergreifen konnte. Der Wunde griff nach einem Feldstein und warf ihn mit solcher Gewalt, dass der kaum gewonnene, tierhautbespannte Schild an Walthers Arm zerbarst. Im Grase kriechend, schwang nun Trogus das Schwert; – da schlug ihm Walther die Schwerthand ab, und schon wollte er ihm den Todesstreich geben, als Tannast, der nun, gleich dem König, die Waffen wiedergewonnen hatte, heraneilte, den Wunden mit seinem Schild zu decken. Unwillig wandte sich Walther gegen ihn; mit durchhauener Schulter und durchstochener Seite sank Tannast ins Gras. Trogus stiess bittere Schmähungen gegen Walther aus. "So stirb denn!" rief der Held und erdrosselte den Schmäher mit seiner eignen güldenen Kette.

Entsetzt floh Gunther talab, schwang sich auf sein Ross und ritt zu Hagen; mit Bitten suchte er ihn zum Kampf zu bewegen. Doch kalt antwortete Hagen: "Mir lähmt ja das feige Blut den Arm; mein Vater focht ja schon lieber mit Worten als mit Waffen; für immer hast du mit jenem Wort mein Schwert in die Scheide gestossen." – Der König liess aber nicht ab; er mahnte ihn, der Franken Ehre zu gedenken und diesen Schimpf von ihr zu wenden; kniefällig mit aufgehobenen Händen bat er. Da fasste Hagen Erbarmen: "Ich werde gehen, König Gunther! Die Treue heischt es: für den König, gegen den Freund."

Und nun riet Hagen: zum Schein wollten sie abziehen, dann werde Walther den Engpass verlassen und sie könnten ihn im offnen Feld angreifen. Vor Freuden umarmte und küsste der König Hagen; dann ritten sie fort, legten sich in einen Hinterhalt und liessen die Rosse im Walde grasen.

Walther hatte ihre Umarmung gesehen und fürchtete böse List; er beschloss, die Nacht im Engpass zu verbleiben. Dorngestrüpp und Strauchwerk hieb er sich vom Hag ab und verschloss die Schlucht mit stacheligem Verhack. Dann fing er zuerst die Rosse der Toten ein und band sie zusammen; sechs waren’s noch; zwei waren getötet, drei hatte der König mitgenommen. Darauf legte er die Rüstung ab, labte sich an Speise und Trank und streckte sich auf den Schild zur Ruh’. Die ersten Stunden wachte Hildgund; zu seinen Häupten sitzend, scheuchte sie den Schlaf mit Gesang. Nach Mitternacht löste Walther sie ab und wandelte auf und ab, den Speer in der Hand.

Als der Morgen dämmerte, schritt er zu den Erschlagenen und nahm ihnen dir Waffen, – doch liess er ihnen die Gewande – damit belud er vier Rosse, aufs fünfte hob er die Jungfrau, das sechste bestieg er selber. Vorsichtig, ringsum ausschauend, trat er vor den Engpass; alles war still. Nun trieb er die vier Rosse voran, dahinter folgte Hildgund; er selber führte das Ross mit den Schreinen am Zügel und beschloss den Zug als Hüter. Kaum waren sie tausend Schritt gekommen, da gewahrte Hildgund umblickend zwei Männer, die ihnen scharf nachritten. Walther wandte sich und erkannte die Feinde. Die Zügel des Goldrosses gab er Hildgund: "Der dichte Busch dort bietet dir sicheren Zufluchtsort; ich will hier am Bergrand die Feinde erwarten."

Während Hildgund ihm gehorchte, rückte er ruhig Schild und Speer zurecht, da schrie ihn Gunther schon von weitem an. Verächtlich entgegnete Walther kein Wort; an Hagen wandte er sich: "Hagen, alter Genoss! Was ist geschehen, dass du mir die Wege verlegst? Gedenkst du nicht mehr unserer Freundschaft? Steh’ ab und ich will dir den Schild mit rotem Golde füllen."

Aber Hagen wies das Gold zurück und forderte Rache für seines Neffen Tod. Er sprang vom Ross; der König und Walther taten desgleichen und nun standen zwei gegen einen. Hagen brach zuerst den Frieden. Zischend flog sein Speer; Walther hielt den Schild schräg entgegen; – das Geschoss prallte zurück und wühlte sich tief in den Rasen ein. Gunther warf den schweren Eschenschaft kecken Mutes, doch mit schwacher Kraft; er traf nur den Schildrand, Walther schüttelte das Eisen ab. Nun griffen die Franken zum Schwert.

Walther wehrte sich mit dem Speere, dass die kurzen Klingen ihn nicht erreichen konnten. Da winkte der König Hagen, vorzudringen, stiess die Klinge in die Scheide und fasste den Speer, der dicht vor Walthers Füssen lag; doch der sprang an gegen Hagen und trat auf den Schaft, dass der König wankte und schier erlegen wäre, hätte nicht Hagen ihn beschirmt.

Walther stand, sich verteidigend, wie der Bär vor der Meute. Gewaltig warf er nun seinen Speer auf Hagen, ihn leicht verwundend, dann sprang er mit dem Schwerte gegen Gunther, schlug ihm den Schild zur Seite und hieb ihm Bein und Schenkel bis zur Hüfte weg. Von neuem holte er aus zum Todesstreich; da warf Hagen das eigne Haupt dem Hieb entgegen; sein Helm war stark, Funken sprühten und Walthers Schwert sprang in Stücken. Zornig warf Walther den Griff von sich – das ersah Hagen und hieb ihm die ungedeckte Rechte ab. Doch Walther verbiss den Schmerz; er schob den blutigen Stummel in den Schild, riss mit der linken Faust das krumme Schwert Etzels von seiner rechten Hüfte und stiess damit Hagen das rechte Auge aus, durchschnitt ihm die Schläfe, spaltete seine Lippe und riss ihm noch sechs Backenzähne weg. So endete der Kampf; der König lag am Grund, – Hagen und Walther setzten sich; mit Kräutern stillten sie den Blutstrom ihrer Wunden. Walther rief Hildgund, die kam und legte ihnen guten Verband an. "Nun gib uns Wein, wir haben ihn verdient! Der erste Trunk sei Hagen gereicht; treu war er seinem König und tapfer im Kampfe; dann reich’ ihn mir, zuletzt mag Gunther trinken! Nur lässig hat er gestritten."

Aber Hagen sprach zu ihr: "Walther, deinem Herrn, biete den ersten Becher; er hat das meiste geleistet." Sie schlossen Frieden, und trieben Scherz und Kurzweil beim Becherklang.

"Nun wirft du künftig um die rechte Hüfte dein Schlachtschwert gürten," rief Hagen, "und Hildgund musst du mit der Linken umarmen, – und alles, was du tust, wird linkisch sein."

"Hör’ auf, Einäugiger," lachte Walther, "ich werde mit der Linken noch manchen Hirsch niederstrecken, derweil dir Eberfleisch schwerlich munden wird; und queren Auges seh’ ich dich blicken; doch ich schaffe dir Rat: lass dir Kinderbrei kochen – der behagt zahnlosem Munde."

So wurde unter Scherz und Neckreden der alte Treubund erneut.

Dann huben sie den schwerwunden König aufs Ross und ritten auseinander: die Franken nach Worms, Walther nach Haus. Und bald nach seines Vaters Tod führte er sein Volk noch dreissig Jahre und gewann in gar manchem schweren Kampf ehrenvollen Sieg. Und schön Hildgund thronte an seiner Seite.


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