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Im Lande der Normannen ward die Mär vernommen, keine sei schön erkannt wie Hettels Tochter, Kudrun. Jung Hartmut, des Normannenkönigs Ludwigs Sohn, wandte da seine Minne nach der Jungfrau; das riet ihm Gerlind, seine Mutter. Aber Ludwig sprach: "Wer sagte euch, dass Kudrun so schön sei? Und wäre sie aller Frauen erste, sie wohnt uns zu fern; um ihretwillen möchten viele unsrer Boten verderben."
"Zu weit ist keine Ferne, will ein König Weib und grosses Gut sich zu steter Freude gewinnen," entgegnete Hartmut. "Ich will, dass Boten zu ihr gehen."
"Heisst Werbebriefe schreiben," trieb die alte Gerlind "Gold und Gewand biet’ ich den Boten zum Gewinn."
"Ist euch denn nicht bekannt, wie Hilde, Kudruns Mutter, aus Irland kam?" mahnte Ludwig. "Die Hegelinge sind übermütig; leicht könnten sie uns verschmähen."
Aber Hartmut rief: "Müsst’ ich ein grosses Heer nach Kudrun über Land und Wasser führen; um sie tät’ ich’s freudig. Schön Hildens Tochter will ich mir gewinnen."
Da wählte Hartmut sechzig Mannen zu seinen Sendeboten. Sorgfältig ausgerüstet mit Gewand und Speise ritten sie Tag und Nacht, bis sie in Hettels Land kamen. Es seien reiche Herren, sprach man zu Hegelingen, vor allem darunter ein Graf. Stolz ritten die Normannen auf ihren schönen Rossen in die Königsburg und sagten Hettel Hartmuts Werbung.
"Ihr guten Boten," antwortete der König, "ich heiss’ euch unwillkommen. Herrn Hartmuts Botschaft verdriesst mich sehr."
"Wie könnte Kudrun Hartmut minnen?" sprach die stolze Hilde. "Hundertunddrei Burgen in KaradieEigentlich Karadok, ist das heutige Kardigan in Wales, ein schmaler Landstrich gegenüber Irland. gab mein Vater König Ludwig zu Lehen. Übel stünde meiner Sippschaft solch Ehebündnis."
Den Boten war das leid, dass sie mit dieser Antwort in Scham und Sorgen heinziehen mussten.
"Sagt geschwind," fragte sie da Hartmut, "saht ihr Kudrun mit eignen Augen? Ist sie so schön als man von ihr sagt?"
"Wer sie einmal schaut, dem ist es angetan," antwortete der reiche Graf.
"So muss sie mein werden," sprach der junge König.
Aber auch Herwig von SeelandSeeland ist an der Scheldemündung zu suchen. warb eifrig um Kudrun. Er war ein naher Nachbar Hettels; doch, hätte er an einem Tage tausendmal seine Boten nach Hegelingen gesandt, er fand da nichts andres als Hoffart und Verschmähen. Hettel bat ihn, das Werben zu lassen. Zornwilde Antwort entbot Herwig: "Fortwerben will ich, und wär’s auch mit Schwert und Schild, euch allen zu Schaden."
Er gewann dreitausend kühne Mannen, das schwere Spiel mit den Hegelingen zu wagen. Hettels Degen hatten Herwigs Drohung verachtet. – In morgenkühler Stunde langte Herwig vor des Königs Feste an, da alles Volk noch schlief. Nur der Wächter rief laut von der Zinne herunter:
"Wacht auf, ihr da unten! Waffnet euch! Ich sehe Helme blinken, fremde Gäste nahen der Burg."
Hettel eilte herzu; da sah er Herwigs Recken an das Tor stürmen in machtvollem Andrang.
Bald standen hundert Gewaffnete um Hettel; nun griff er selber nach Schild und Schwert und führte sie hinaus. Sie waren allzu kühn; tiefe Wunden gewannen sie vor der Burg im Kampf gegen die Stürmenden. Kudrun, die Schöne, sah’s zu blutiger Augenweide; Herwig deuchte ihr wacker; das war ihr lieb und leid!
Herwig und Hettel sprangen ein jeder vor seine Schar und trafen sich im Kampfe. Feuerfunken stoben unter ihren starken Streichen aus Schild und Helmgespäng; jeder fand seinesgleichen. Kudrun sah und hörte das. Unstät, wie ein Ball, rollt das Glück im Gefecht; die schöne Frau wollte Vater und Feind scheiden und rief vom Saal hinab: "Hettel, hehrer Vater! Wie fliesst das Blut aus den Brunnen zu Tal, allum bespritzt sind unsre Mauern; Herwig ist ein übler Nachbar! Ihr sollt euch versöhnen um meinetwillen; gönnt euch eine Weile Ruh’ im Streit; ich will Herrn Herwig fragen nach Adel und Macht seines Geschlechts."
"Friede soll sein, Frau, lässt du mich ungewaffnet vor dich kommen," rief Herwig ihr zurück. "Frage, was immer du willst, gern geb’ ich dir Antwort."
Der Kampf wurde eingestellt und mit hundert seiner Mannen ging Herwig hin zur "mutentzweiten" (d. h. schwankenden) schönen Kudrun, wo sie inmitten ihrer Frauen sass. Er begann zögernd: "Mir ward gesagt, dass Ihr mich verschmäht, weil ich Euch zu gering bin, und doch findet oft der Reiche bei Armen Lieb’ und Wonne."
"Welche Frau," antwortete Kudrun, "könnte solchen Mann nach solchen Heldenstreichen hassen! Glaubt mir, ich verschmähe Euch nicht; – keine Maid ist Euch holder, als ich es bin. Vergönnen’s meine Gesippen, so will ich Euch gern folgen."
Er sah ihr in die Augen mit Blicken voller Liebe; sie trug ihn im Herzen und hehlte es nicht.
Da fragte König Hettel, nach der Hegelinge Rat, seine Tochter, ob sie Herwig zum Manne nehmen wolle?
"Nicht bessern wüsst’ ich mir zu wünschen," antwortete sie, und so ward die schöne Kudrun Herwig von Seeland anverlobt. Freud’ und Leid ward ihm kund durch sie.
Siegfried, ein Fürst von MorlandMorland ist an der Nordseeküste du suchen; die Bedeutung "des Moores" wird zu Grunde liegen. (Bemerkung Guhl: man denke wohl eher die Mauren, die "Mohren", in Spanien; die folgenden Ortsnamen passen dazu.), liess Schiffe rüsten und entbot seine Genossen zu einem Streifzug in Herwigs Reich. Um die Maienzeit kamen die Recken über See gefahren von AbakieOrientalische Namen. und Alzahe; stolz fuhr da mancher einher, der bald im Staube liegen sollte!
Brennend und raubend trugen sie den Kampf in Herwigs Lande. Schnell entbot der Fürst seine Mannen und zog den Seeräubern entgegen. Lange und grimmige Schlacht ward geschlagen; wie viele auch der Friedebrecher fielen, Herwig kam in grosse Not. Er musste in seine Warte fliehen; meilenweit ringsum rauchten seine verheerten Lande. Er entsandte einen Boten nach Hegelingen um Hilfe. Aber noch ehe der vor Kudrun kam, hatte die Schreckensmäre sie schon erreicht: "Weh," rief sie dem Sendemann entgegen, "verloren hab’ ich Land und Ehre!"
Sie stand auf, eilte zu König Hettel und schlang weinend ihre Arme um seinen Hals: "Hilf uns, König! Wenn nicht deine Recken der Not steuern, vermag niemand Herwigs Unheil zu wenden."
"Ich will ihm Hilfe bringen," antwortete Hettel, "ich entbiete Wate und meine andern Kämpen."
Der König brach sogleich auf mit seinen Mannen; weinend und doch mit Freuden sahen Hilde und Kudrun ihn scheiden. Am dritten Morgen folgte ihm Wate mit tausend Recken nach; am siebenten gesellte sich Horand mit viertausend Streitern dem Heerzug, und Morung von Waleis – der schönen Frau zuliebe stritt er gern! – führte zweitausend ins Feld; sie fuhren wohlgewaffnet und ritten fröhlich von dannen.
Ortwein kam mit viertausend Recken über die See um der Schwester willen.
Unterdessen litt Herwig bittre Not; was er unternahm, misslang; bis dicht an sein Burgtor ritten schon seine Feinde; als aber die Hegelinge eintrafen, wandte sich das Siegesglück.
Hart bedrängt sorgten die Friedebrecher zur Nacht, ob sie den Morgen noch erleben würden. Sie wichen aus ihrem Lager in eine Feste, deren eine Seite durch einen Strom gedeckt war; Schritt für Schritt mussten sie den Rückzug erkämpfen; Hettel und Siegfried taten ihr Bestes in heldentapferm Streit; manch lichter Schildrand wurde von ihrer Hand durchhauen. Siegfried wagte nicht mehr, offene Feldschlacht zu bieten; er brauchte all seine Kräfte, sich hinter den Mauern der erreichten Burg zu verteidigen. Wate schloss ihn von der See ab und Frute legte sich vor die Tore, und so, von ihren Feinden umklammert, blieben die Seeräuber voll Angst und Not eingeschlossen.
Unterdessen eilten normannische Späher zu Ludwig und Hartmut und meldeten ihnen, dass Hettel, fern seinem Reich, in Kampf liege. Da scharten die Normannenkönige zehntausend Krieger zusammen, Kudrun zu entführen, ehe noch Hettel mit seinen Mannen wieder nach Hegelingen käme. Wie eifrig hatte es Gerlind, zu rächen, dass Hettel Hartmuts Werbung schmählich abgewiesen hatte; hängen wollte sie beide, Wate und Frute. "Allen Frauen," sprach sie, "versag’ ich mein Gold und Silber und geb’ es euren Kriegern hin."
"Wenn das geschehen möchte," rief Hartmut, "dass Kudrun hierher käme in unsere Burg Kassiane und mir hold würde, – das wär’ mir lieber als ein weites Reich!"
In Bälde waren kundige Seeleute geworben, die sollten in guten Schiffen das Heer über die Meereswogen steuern. Nicht lange dauerte die Fahrt; sie segelten vorüber an Nordland und gingen im Hegelingenland vor Anker. Hettels Burg lag unfern landeinwärts, und geschwind ritten Hartmuts Sendemänner hin. Sie mussten den Frauen des Normannenkönigs Werbung entbieten. "Und spricht sie nein, so sagt," – befahl Hartmut, – "weder mit Gold noch Gut erkauft sie sich Frieden; dann will ich der vielschönen Kudrun eine blutige Augenweide schaffen. Und sagt ihr ferner, Hartmut weicht nicht aus dem Land! Man soll mich hier in Stücke hauen, folgt mir nicht von hinnen die schöne Hegelingen-Tochter."
Da nun die Boten in die Königsburg kamen, empfing und begrüsste sie Hilde geziemend. Die Recken sagten, was sie zu sagen hatten, aber Kudrun antwortete: "Das soll nie geschehen, dass Hartmut an meiner Seite steht. Herwig heisst, den ich erkoren; ihm bin ich anverlobt als meinem Herrn und Gemahl und keinen andern begehr’ ich."
Die Boten kehrten zurück an den Strand; Hartmut lief ihnen hoffend entgegen.
"Euch ist abgesagt!" antwortete einer, "einen Verlobten habe die herrliche Maid, den sie von ganzem Herzen liebe. Wollt ihr nicht ihren Weind. h. friedlicher Gast sein. trinken, so wird euch heisses Blut geschänkt."
In zornwildem Mut ordneten Ludwig und Hartmut ihre Scharen. Von der Burg sah man fernher ihre Banner flattern. "Grimme Gäste kommen zu meiner lieben Tochter," klagte Hilde. Aber die Burgleute, welche die Stadt und das Land hüteten, sprachen ihr zu: "Was auch Hartmuts Recken hier wagen, wir vergelten’s ihnen mit tiefen Wunden." Die Königin befahl, die Stadttore zu schliessen, jedoch ihre Mannen folgten nicht; sie steckten ihres Königs Geldzeichen auf; vor den Burgmauern, im Freien wollten sie die feindlichen Gäste schlagen. Mit gezogenen Schwertern standen sie, wohl tausend, vor dem Tor. Hartmut kam mit tausend Speerreitern; sie sassen ab und der Streit hob an. Aber bald traf auch Ludwig mit seinen Scharen auf der Walstatt ein. Sorgenvoll sahen die Königinnen seine Banner hoch im Winde flattern, und bei jedem an dreitausend Krieger. Vor der vereinten Normannen Sturm wollten Hettels Kämpen die Tore schliessen; aber wie viele der Normannen man auch von den Mauern herabwarf und herabschoss, – es schreckte sie nicht; sie waren allzu viele; die treuen Burghüter wurden erschlagen, Ludwig und Hartmut kamen ins Tor und trugen ihre Waffen in Hettels Haus. Oben durch die Zinne liessen sie ihr Banner flattern.
Hartmut ging zu Kudrun. "Edle Jungfrau," sprach er, "Ihr habt mich verschmäht; trüg ich’s Euch nach, – dann müssten wir hier, statt zu fangen, alle hängen oder erschlagen."
"O weh, Vater mein!" sprach Kudrun, "wüsstest du, dass deine Tochter gewaltsam entführt wird, mir armem Königskind geschähe nicht der Schade noch die Schande."
Die Burg wurde gebrochen, die Stadt verbrannt, zweiundsechzig Frauen gefangen mit Kudrun fortgeführt.
Traurig schaute Hilde aus einem Fenster zum letzten Mal auf ihr armes Kind. Dann sandte sie ihre Getreuen mit der Unglücksbotschaft zu König Hettel. – "Eilet," drängte sie die Boten, "meldet ihm alles und saget, dass ich alleine bin. Voll Hoffart fährt der reiche Ludwig in seine Heimat, indessen an tausend unsrer Mannen erschlagen oder todwund vor dem Tore liegen."
Die Boten ritten schnell; Horand sah sie zuerst kommen. König Hettel ging ihnen entgegen und sprach nach altem Brauch: "Willkommen, ihr Herren, hier im fremden Land, sagt zu, wie gehabet sich Hilde und wer sandte euch her?"
"Das tat unsre Königin; die Burg ist gebrochen, die Stadt verbrannt, Kudrun mit ihrem Ingesinde fortgeführt; an tausend deiner Recken liegen erschlagen; und das taten Ludwig und Hartmut, die Normannen."
Da sprach der alte Wate: "Nun lasst das Jammern über den geschehenen Schaden! Wir werden uns bald, in grosser Fröhlichkeit, davon erholen und Herrn Ludwig und Hartmuts Haus in gross Trauern versetzen. Wir sagen jetzt dem Fürsten von Morland und seinen Leuten Frieden an, führen sogleich unsre Scharen den normannischen Räubern nach und befreien dein Kind Kudrun."
"Das ist der beste Rat," rief der kühne Herwig. "Eilet, mit den Feinden zu vertragen, damit wir bald fortkommen; mir ist unmassen leid um Kudrun."
So kam’s zur Sühne, und die noch vor kurzem Feinde waren, boten nun Freundesdienste an. König Hettel eilte mit seinen Heerscharen auf die See und wandte seines Schiffes Schnabel gen Normannenland.
Drei Tage hatte Hartmut gebraucht, um alles, was seine Mannen aus Hettels Burg raubten, auf die Schiffe zu schaffen. Dann rauschten die Segel, die Wellen brausten um die gleitenden Kiele; sie wandten sich von Hettels Land einem wilden, breiten Werder, den WülpensandeDer Wülpensand mag etwa gelegen haben vor der westlichen Scheldemündung in einer sich zwischen Cadsant bis nahe zum heutigen Breskens hinziehenden Sandbank., zu, senkten die Anker und gingen ans Ufer. Sieben Tage gedachten die Normannen hier der Ruhe zu pflegen; wenig fürchteten sie die Hegelingen. Sie schlugen Zelte auf für die Frauen, für die Männer und die Rosse. Voll Herzeleid sassen die Entführten auf den öden Sand am Ufer. Allenthalben flackerten die Lagerfeuer. Da sah der Schiffsmeister mit vollen Segeln Schiffe übers Meer kommen und sagte es den Königen an. Bald fuhren die Schiffe so nah dem Werder, dass man lichte Helme blinken sah.
"Wohlauf," sprach Hartmut, "meine grimmen Widersacher kommen," und nahm den Schild zur Hand. Ludwig rief seine Mannen an: "Ein Kinderspiel war, was wir bis jetzt getan; nun müssen wir erst mit tapfern Helden streiten; wer fest zu meinem Banner steht, den mach’ ich reich."
Die Schiffe legten an, mit dem Speerschaft konnte man von den Borden bis zum Ufer langen; Lanzen flogen hinüber und herüber. Schwer mussten die Hegelinge die Landung erkämpfen. Wate sprang mitten in die Feinde; Ludwig rannte ihn an mit scharfem Speer, dass die Stücke vom Schild sprangen. Nun kamen auch die von Stürmen ans Ufer. Ihr Meister schlug Ludwig einen Schwerthieb durch den Helm; und hätte der König nicht unter der Brünne ein Seidenhemd von Abalie getragen, das auch den Kopf bedeckte, so wäre der wackere Hieb sein Tod gewesen. Kaum entrann er auf der Walstatt dem alten Kämpen, von dessen Hand nun Mann auf Mann niedersank.
Hartmut sprang Irold entgegen; fernhin erklang es von ihren Hieben auf Helm und Schild.
Herwig von Seeland sprang in die Flut. Das Wasser stand ihn bis unter die Achseln. Ertränken wollten ihn die Normannen; mancher Speer wurde auf ihm zerbrochen, doch der Held watete auf den Sand und liess sie’s büssen mit scharfen Streichen. Grosses Gewühl entstand; oft wurde ein Freund vom andern niedergetreten. Bis Hettels Mannen Fuss gewonnen hatten, sah man die Flut von heissem Todesblut rotgefärbt, so weit hinaus, dass kein Speerschaft darüberflog.
Ortwein und Morung mit ihren Heergesellen gingen tapfer übers Schlachtfeld, wenige taten es ihnen gleich. Alle Speere waren verschossen und immer noch schritt Ortwein einher mit froher Kampfbegier.
Bitterlich weinten Kudrun und ihre Frauen. Je näher der Abend sank, desto mehr Schaden erlitt Hettel; der Sieg neigte sich den Normannen zu. Ludwig und Hettel trafen einander mit hochgeschwungenen Waffen; Hettel sank tot auf den Sand unter Ludwigs Hieben. Als Wate seines Königs Tod vernahm, tobte er wie ein Eber; in grossem Zorn fuhr er unter die Feinde.
Auch Ortwein und Horand wollten den Gefallnen rächen. Schon dämmerte die Nacht; ein Däne sprang mit gezücktem Schwert gegen Horand, ihn in der Dunkelheit für einen Feind haltend. Tot liess ihn der Sänger aufs Feld sinken; es war sein eigner Neffe; erst als er des Sterbenden Stimme hörte, erkannte er, wen er erschlagen hatte und hob traurig an zu klagen.
"Die Schlacht wird zum Mord!" rief Herwig. "Wir werden in der Dunkelheit Freund wie Feind erschlagen."
Da gaben die Hegelinge unfreudigen Herzens das Streiten auf; doch lagerten sie sich so nah den Feinden, dass sie deren Helme und Schilde im Widerschein der Zeltfeuer schimmern sahen.
Ludwig ersann eine List: "Tut, als ob ihr euch zur Ruh legtet auf eure Schilde," befahl er den Kriegsmännern, "und macht grossen Lärm dabei, dass die Feinde unserer Schiffe nicht achthaben; dann gelingt’s mir wohl, euch davonzuführen, wann jene schlafen."
Als die Frauen aufbrechen mussten, klagten sie mit Weheruf; doch sogleich verbot der König ihnen das laute Weinen und drohte, jede, die nicht davon lassen wollte, ins Meer hinabzustossen.
Durch solche List kamen die Normannen auf die See und entflohen, während die Hegelinge im Schlafe lagen. Als diese der Tag weckte, waren ihre Feinde schon weit. Sie erhoben sich; zu Fuss und zu Ross drängten die zusammengeschmolzenen Häuflein über den Ufersand gegen das verlassene Lager, den Normannen neuen Streit zu entbieten. Laut liess Wate sein Heerhorn gellen; da gewahrten sie, dass der Feind entflohen war. Wate wollte ihnen nach, aber Frute sprach, den Wind prüfend: "Was hülfe unser Eilen? Wohl dreissig Meilen sind sie schon fern, wir erreichen sie nimmer. Auch haben wir nicht mehr genug Leute, den Heerzug zu unternehmen. Bringt die Wunden an Bord und schafft die Erschlagenen von der Walstatt; bestattet sie auf dem wilden Sande."
"Auch die," fragte Irold, "die uns diesen Schaden getan? Oder wollen wir sie am Ufer liegen lassen, Wölfen und Raben zum Frass?"
"Keiner liege unbestattet," rieten da weiseSiehe das Kapitel ‘Die Götterdämmerung’ Männer. So begruben sie ihren treuen König Hettel und alle andern, welches Volkes und Landes sie waren.
Voll Besorgnis ritt Wate dann zum Hegelingenland; auf seiner Königin Huld durfte er wenig hoffen! Da die Leute ihn sahen, verzagten sie; wenn er sonst aus dem Streite heimkehrte, fuhr er mit lautem Schall; – nun ritt er schweigend mit seinen Heerleuten.
"Weh mir," rief Frau Hilde, "was ist geschehen? Zerbrochne Schilde tragen Watens Mannen, langsam gehen ihre Rosse, von herrenlosen Waffen schwer beladen; sagt an, wo ist König Hettel?"
Da ritt Wate in die Burg; das Ingesinde eilte ihm entgegen, nach Herren und Freunden zu fragen.
"Euer König und eure Freunde liegen tot," sprach Wate. Alt und Jung erschrak darob.
"Weh, meines Leides!" klagte die Königin. "Mit König Hettel ist meine Ehre von mir geschieden! Und Kudrun, mein Kind, seh’ ich nimmer mehr."
"Frau," sprach Wate, "lass das wilde Klagen; du rufst damit die Toten nicht wieder ins Leben zurück. Sind uns erst neue Männer hier erwachsen, dann rächen wir’s an Hartmut und Ludwig."
"Dürft’ ich das erleben!" antwortete die Trauernde, "alles, was mein ist, gäb’ ich darum, dass ich Rache erlangte und meine Tochter wiedersähe."
"Das kann erst geschehen, wenn unsre Kinder schwertreif geworden; denn wir sind zu wenige zum Heerzug; die meisten unsrer Kriegsleute blieben tot auf dem Wülpensand oder liegen siech an schweren Wunden. Gedulde dich, bis der Sohn des Vaters gedenkt und mit uns auszieht zur Rache.
Günstiger Wind trieb die Normannen über die See der Heimat zu. Wie Ludwig seine Burg liegen sah, sprach er zu Kudrun: "Siehst du die Burg, Frau? Dort sollst du Freude geniessen. Willst du uns hold werden, so dienen dir reiche Lande."
Vieltraurig antwortete die edle Jungfrau: "Wem könnt’ ich hold sein? Bin ich doch selber von aller Huld geschieden. Des gedenk’ ich immerdar."
"Lass ab von deinem Leid; wähle Hartmut, den stolzen Recken; alles, was wir haben, biet’ ich dir."
"Eh’ ich Hartmut nehme, lieber lieg’ ich tot; und nicht geziemt’s deinem Sohn, um Hettels Tochter zu werben."
Hartmut hatte Boten vorausgeschickt zu Gerlind, mit der frohen Kunde; sie solle sich zum Empfang rüsten. Lieberes hatte Gerlind nie gehört. Sie zog mit dem Hofgesind aus dem Schlosse den Heimkehrenden entgegen. Die Schiffe legten im Hafen an, freudigen Mutes sahen die Normannen die Heimat wieder. Nur Kudrun mit ihren Frauen ging in schwerer Trauer. Hartmut führte sie an der Hand; sie hätt’ es abgewiesen, wär’s bei ihr gestanden; gezwungen nahm sie den Dienst an, den er gerne bot. Ihrer Herrin folgten die Frauen.
Hartmuts Schwester Ortrun empfing sie mit holdem Gruss; sie küsste mit weinenden Augen die "elende" (d. h. in der Fremde lebende, unglückliche) Maid, und fasste ihre weisse Hand. Auch Gerlind wollte sie küssen; aber unmutig versagte ihr das die Stolze: "Was gehst du mir so nah? Ich will dich nicht küssen und du sollst mich nicht empfangen." Gegen niemand als Ortrun war Kudrun freundlich.
Ortrun war gütevoll; was immer andre taten, sie stand der Leidvollen bei, damit sie, die nur nach ihren Freunden Sehnen trug, die neue Heimat lieb gewinne.
"Wann soll denn die Fremde," sprach Gerlind, "Hartmuts Weib werden? Es darf sie nicht verdriessen; er kann sich ihr wohl vergleichen."
Kudrun vernahm die Rede und antwortete: "Frau Gerlind, Euch selber wär’s sicher leid, wenn man Euch zwingen würde, dem zu dienen, der Euch Eure Freunde erschlagen hätte!"
Aber Gerlind sprach zu Hartmut: "Unerfahrenes Kind sollen Weise ziehen; willst du sie mir in Zucht geben, so vertrau’ ich wohl, dass sich ihre Hoffart etwas lege."
"Tu’ nach deinem Willen," sprach er. "Sie muss mein werden; doch halte sie mir gut bei all deiner Zucht, um ihrer und deiner Ehre willen; gramvoll ist die Maid, darum sollst du sie in Güte lehren."
So überwies Hartmut die schöne Kudrun seiner Mutter; hart kam das die Arme an. Was immer Gerlind lehrte, sie hörte nicht darauf. Da sprach die schlimme "Valandine" (Teufelin): "Willst du nicht Freude geniessen, so musst du Leid tragen; mein Frauengemach sollst du heizen und die Brände schüren am Herde."
"Was Ihr mir gebietet, kann ich tun; doch gar selten hat meiner Mutter Tochter Brände geschürt."
"So tu’ nun, was Königinnen nicht geziemend ist; ich denke, dir die Hoffart zu verleiden; ehe morgen der Abend sinkt, wirst du von deinen Frauen geschieden."
Zürnend ging die üble Gerlind zur Königshalle: "Dass Hettelskind hat dich, Hartmut, so stolz verschmäht; ehe ich das hören muss, wollt’ ich es lieber nie mehr sehn."
"Wie das Kind sich auch gebärdet, Frau Mutter, halte sie in liebreicher Hut, ich will dir’s danken. Ich hab’ ihr solches Leid angetan, dass sie nach meinem Minnedienst wohl nicht begehren mag."
"Sie folgt niemand, sie ist hartgemutet. Zieht man sie nicht mit Strenge, wird sie dir nie ein gutes Weib."
Die Frauen wurden nun voneinander getrennt; die in der Heimat Herzoginnen waren, mussten Garn winden. Eines Fürsten Tochter musste jetzt den Ofen heizen mit ihrer weissen Hand, wann Gerlinds Frauen ins Gemach gingen, und empfing nicht einmal Dank dafür.
Schmachvolle Arbeit taten Kudrun und ihre Frauen viertehalb Jahr, bis Herr Hartmut aus drei Heerreisen heimkehrte. Er liess die Hegelingentochter vor sich bringen und sprach: "Vielschöne Jungfrau, wie erging es dir, während ich fern war?"
"Ich musste dienen, dass es dir zu Schmach und Schande gereicht."
"Wie, Gerlind? Befahl ich sie doch deiner Huld und Güte, damit ihres Kummers Last ihr erleichtert würde."
"Wie konnt’ ich anders Hettels Tochter ziehen?" antwortete die Wölfin. "Du sollst wissen; ich mochte befehlen oder verbieten, – dich und deine Freunde, dazu deinen Vater hat sie stets gescholten."
"Und sie hat Recht; wir machten Kudrun zur Waise; mein Vater erschlug den ihrigen; darum kränkt sie schon ein leichtes Wort."
"Immer besser soll sie’s nun haben," antwortete Gerlind. Und Hartmut ahnte nicht, dass es den Armen schlechter als zuvor erging.
Kudrun tat mit gutem Willen, was man sie hiess; sieben Jahre diente sie im fernen Land wie eine Magd und wurde wahrlich nicht wie ein Königskind gehalten.
Als ein neues Jahr anbrach, gedachte Hartmut, dass er noch nicht die Krone trug und doch Herr über Königsländer hiess. Seine Freunde rieten ihm, Kudrun in Güte zu überreden, dass sie sein Weib werde, und sich dann mit ihr – ob’s Gerlind lieb oder leid sei – krönen zu lassen.
Er ging hin, wo er Kudrun in einer Kemenate fand und begann, ihre Hand fassend: "Vieledle Königstochter, gönne mir deine Liebe; werde meine Königin und alle meine Recken dienen dir!"
"So ist mir nicht zu Mute! Die schlimme Gerlind tut mir so viel Leid an, dass mich nach deiner Minne nicht gelüsten mag; ihr und ihren Gesippen bin ich feind mit allen meinen Sinnen."
"Das ist mir leid! – Was meine Mutter dir Böses tat, will ich dich durch Freude vergessen lehren; – zu unser beider Ehre."
"Nicht auf dich hoff’ ich als meinen Retter."
"Du weisst, Kudrun; Land und Burgen und alles Volk ist mein eigen; ich kann hier tun, wie ich will; – wer wollte mir’s wehren, wenn ich dich, als meine Magd, mir zu Willen zwänge?"
"Wahrlich, keine Sorge ficht mich an, dass König Hagens Enkelkind Hartmuts Buhle werde," antwortete sie stolz.
"Jungfrau", begann Hartmut wieder, "wenn es dir nur gefällt, so wirst du meine Königin."
"Wie kann ich dich lieb gewinnen! Du weisst es gut, Hartmut, wie’s darum steht, welch Leid du mir schufest, als du mich fingst und fortführtest, und wie dein Vater Ludwig meinen Vater erschlug. Wär’ ich ein Mann – er dürfte ohne Waffen nicht vor mich kommen! Wie sollt’ ich dich da minnen!"
Da liess Hartmut Ortrun zu ihr gehen; die sollte mit ihrer Güte die stolze Hegelingentochter von ihrem treuen Willen abbringen.
"Ich will dir immer dienen," sprach Ortrun, das Kind, "damit du allen Kummer vergissest; mein Haupt will ich vor dir neigen, ich und meine Frauen."
"Hab Dank, Ortrun! Dass du mich gern als Hartmuts Gemahl gekrönt sähest und mir hohe Ehre gönnst, das lohn’ ich dir mit Treue; – doch mein Gram ist allzu gross. Hartmut, du weisst es wohl;" – so wandte sie sich an den harrenden Recken: – "Herwig von Seeland bin ich mit festen Eiden zum ehelichen Weibe anverlobt."
Sie sprach’s so oft, bis es Hartmut verdross: "Bin ich denn nicht ebenso viel wert als Herwig, dessen Weib zu heissen dir solche Ehre dünkt? Du strafst mich wahrlich allzu sehr."
Da befahl Gerlind: "Ist sie so starrsinnig, muss sie mir weiter dienen und soll nicht von der Arbeit kommen."
"Was ich mit Willen und Händen dir dienen kann, will ich fleissig tun. Mein Unglück hat mich hier ja nicht bei Freunden geborgen," antwortete die edle Maid.
"Gewand sollst du täglich an den Strand tragen, und waschen für mich und mein Gesinde; und hüte dich, dass man dich zu keiner Stunde müssig treffe!"
"Vielreiches Königsweib," entgegnete stolzen Herzens Kudrun, "so schafft, dass man mich lehre, wie ich meine königlichen Hände dazu zwinge, Gewand zu waschen. Wonne such’ ich nicht hier; darum mehret nur stets mein Leid."
Gerlind befahl einer Frau, die Gewande auf den Strand hinunter zu tragen und Kudrun das Waschen zu lehren.
Als sie ihre edle Herrin am Wasser stehen sahen, – die Schmach ging allen Hegelingenfrauen tief ins Herz. Und eine von ihnen, Hildburg aus Irland, sprach: "Es tut uns allen weh; man gönnt ihr keine Ruh’! Um den reichen Gott, Frau Gerlind, ihr dürft sie nicht so unbegleitet lassen; sie ist ein Königskind! Mein Vater trug auch Krone – doch ich tu es gern – lasst mich mit ihr waschen."
"Das wird dir viel Weh bringen!" antwortete Gerlind. "Wie hart der Winter sei; du musst in den Schnee und waschen in kaltem Wind, wenn du oft lieber in der warmen Kemenate sässest."
Aber Hildburg konnte kaum den Abend erwarten, der der heimkehrenden Kudrun diesen Trost bringen sollte. Sie ging mit ihr in das schlechte Gemach, und da klagten sie einander ihr Elend.
Frau Hilde in Hegelingen trug stets nur in Gedanken, wie sie ihre Tochter wieder gewinnen möge. Sieben grosse, langkielige Schiffe hatte sie zimmern heissen, fest und gut, und zweiundzwanzig kleinere mit rundem Bug und reichlich versehen mit allem Seezeug.
Das war zur Julzeit; da eilten ihre Boten durch die Lande, die Rächer zu werben. Freudig begrüsste sie Herwig von Seeland: "Du Bote viel willkommen! Niemand kann mehr nach dieser Heerfahrt verlangen als ich."
Herr Horand sprach: "Ich bin schon bereit mit all den Meinen."
In Ortland trafen die Boten den jungen König Ortwein mit seinen Freunden an einem breiten Strom auf der Falkenbeize. "Hei!" rief er, "da kommen Boten von Hilde, meiner Mutter; wir haben ihrer Heerfahrt nicht vergessen." Er liess die Falken fliegen und sprach zu den Abgesandten: "Ein Heer von zwanzigtausend Recken führ’ ich ins Normannenland, die Schwester zu befrei’n, ob auch von allen nicht einer wiederkehre." In allem waren es mehr als sechzigtausend, die sich zum Rachezug zusammenscharten in der Königsstadt. Die freudelose Hilde ging allen entgegen und grüsste sie; den Auserlesenen schenkte sie reiche Gewand- und Wehrstücke. Die Kiele lagen bereit, die Herzoge drängten zur Abfahrt; doch nicht bevor das ganze Heer reichlich mit allem Nötigen ausgerüstet war, entsandte es die Königin. Viele goldne Ringe bot sie Wate und seinem Ingesinde; zu den Dänen sprach sie: "Ich lohne euch jeden Streich, den ihr im Sturme schlagt! Folgt meinem Bannerträger; der ist Horand, Hettels Schwesterkind, weichet nicht von ihm." Da zogen manche Waisen in dem Heer, die ihre auf dem Wülpensand erschlagenen Väter zu rächen gedachten.
Auf der Fahrt sah Wate bewaldetes Gebirg aus dem Meer auftauchen; da liess er die Schiffe dorthin lenken und vor Anker gehn. Die Recken stiegen an das wilde, einsame Ufer und lagerten sich im Walde. Irold stieg auf einen hohen Baum und hielt Landschau. "Freut euch, Gesellen," rief er, "ich sehe sieben hohe Hallen und inmitten ein stolzes Königshaus; wir stehen auf Normannenerde."
Da befahl Wate: "Nun tragt Schilde, Waffen und all euer Heerzeug aus den Schiffen heraus; lasst von den Knechten die Riemen an Helmen und Halsbergen knüpfen und macht die Rosse munter."
Am Ufer sprengten bald die Mähren hin und her; viele der Hengste waren von der Seefahrt steif und träge in den Gliedern, die wurden mit kühlem Wasser gelabt.
Ortwein und Herwig wollten als Späher vorausziehen und erforschen, ob die Frauen noch am Leben wären. Bevor sie gingen, beschieden sie ihre Leute vor sich: "Ihr guten Mannen," sprachen die Fürsten, "werden wir gefangen oder erschlagen, so rächet uns an den Normannen und haltet fest an den Eiden, die ihr uns geschworen habt."
Da gelobten die Tapfersten in die Hand ihrer Fürsten, dass sie die Heimat nicht eher wiederschauen wollten, bis dass sie die geraubten Frauen befreit hätten.
Einmal nach der Wintersonnenwende, als die Tage sich wieder längten, standen Kudrun und Hildburg am Meeresstrand und wuschen, wie sie es täglich mussten.
Es war um eine Mittagszeit; da kam ein wilder Schwan über die Flut geschwommen. "Weh dir, schöner Vogel," sprach Kudrun, "du erbarmst mich, dass du im Meere treibst, von den kalten Wellen geschlagen." Da antwortete der Schwan: "Du magst dich Glückes versehn, elende Maid; grosse Freude wird dir werden. Willst du, so frage mich nach deinen Gesippen, ein Bote bin ich dir gesandt."
"So sag’ mir, ist Frau Hilde, der armen Kudrun Mutter, noch am Leben?"
"Hilde, deine Mutter, hab’ ich gesund gesehen, da sie ein Heer für dich warb."
"Lebt Ortwein noch, mein Bruder? Und lebt Herwig, mein Verlobter? Das wüsst’ ich gern."
"Ortwein und Herwig sind beide heil; ich sah sie heute auf den Meereswellen fahren, die beiden Gesellen zogen an einem Ruder."
"Sage mir noch; hast du das vernommen, ob auch Horand von Dänemark mit seinen Helden kommt?"
"Dir kommt aus Dänenland Horand mit all seinen Mannen. Hildens Heerbanner trägt er in Händen, wann die Hegelinge vor Hartmuts Burg stehn."
"Und kannst du mir sagen, dass noch Wate von Stürmen lebt, so will ich nimmer klagen. Wäre auch Frute bei unsern Fahnen, des freuten wir Frauen uns alle."
"Dir kommt in dieses Land von Stürmen Wate; ich sah ihn in einem Schiffe, neben Frute ein starkes Steuer haltend. Bessern Freund findest du nicht im Urlog (Krieg)."
Da rauschten des Schwanes Schwingen; er musste scheiden, die Frauen fragten nicht mehr. In ihre Freude drängte sich sorgende Frage, wo ihre Erretter weilten. Lässig wuschen sie die Gewande; von den Hegelingenhelden redeten sie und spähten harrend nach ihnen aus. So sank der Tag, und die Frauen mussten in die Normannenburg zurückkehren. Da wurden sie mit Scheltreden von der üblen Gerlind gestraft: "Was fiel euch ein, so nachlässig zu waschen? Die weissen Seidengewande müsst ihr schneller bleichen. Habt ihr nicht besser acht, so wird es euch noch zu Tränen gereichen."
Hildburg antwortete: "Wir schaffen, was wir können. Eure Zucht, Frau, ist hart genug; uns Arme friert gar sehr. Wehten draussen warme Winde, wüschen wir wohl fleissiger."
Zürnend sprach Gerlind: "Wie auch das Wetter wüte, ihr wascht früh und spät! Mit Tagesanbruch zieht ihr morgen hinaus. Die Festtage nahen; da kommen wohl Gäste; und schafft ihr meinem Gesinde nicht saubere Kleider, so erging’s noch keiner Wäscherin im Königshaus so schlimm, als euch geschehen wird."
Die Jungfrauen gingen in ihr Gelass und legten die nassen Kleider von sich; zwei Hemde waren all ihr Gewand. Auf harten Bänken, ohne Kissen, hatten sie ihr Nachtlager.
Wenig schliefen sie und konnten kaum erwarten, bis es Tag wurde. Im Morgengrauen trat Hildburg ans Fenster; da war ein Schnee gefallen, das schuf ihnen Sorge.
"Gespiel," sprach Kudrun, "du sollst der üblen Gerlind sagen, dass sie uns erlaube, Schuhe zu tragen; sie muss ja selber einsehn, gehn wir heute barfuss, so müssen wir auf den Tod erfrieren." Sie gingen in des Königs Schlafsaal, wo Gerlind an ihres Gemahls Seite schlafend lag. Die Jungfrauen wagten nicht, die Gebieterin zu wecken, aber sie erwachte von Kudruns leiser Klage: "Was zögert ihr hier?" fragte sie. "Warum geht ihr nicht sogleich an eure Arbeit?"
"Ich weiss nicht, wie wir gehen sollen," antwortete Kudrun. "Ein kräftiger Schnee ist über Nacht gefallen, und gibst du uns nicht Schuh an die Füsse, so müssen wir heut’ erfrieren."
Grimmig sprach Gerlind: "Daraus wird nichts! Ihr geht barfuss, tu’s euch sanft oder weh; und wascht ihr nicht fleissig, geschieht euch noch weher. Was kümmert mich euer Tod!"
Weinend gingen die Armen an den Strand und standen und wuschen Gewande. Oft blickten sie sehnlich hinaus auf die Flut nach Frau Hildens Heldenboten. Da sahen sie endlich in einem Kahn zwei Männer nahen.
"Dort kommen zwei," sprach Hildburg, "die mögen dir Boten sein."
"Traut Gespiel, Hildburg, nun rate; sollen wir forteilen oder von unsern Freunden uns hier finden lassen in unsrer Schmach? Lieber wollt’ ich für immer Dienerin heissen."
Und sie wandten sich beide und liefen davon. Doch die Männer im Schiff – Ortwein und Herwig waren es – hatten die Frauen schon erschaut und gewahrten, wie sie davoneilen wollten. Sie sprangen auf den Sand und riefen: "Ihr schönen Wäscherinnen, was fliehet ihr? Wir sind fremde Leute; schaut uns nur an; lauft ihr davon, nehmen wir die reichen Gewande hier fort."
Daraufhin kehrten die Frauen um; im nassen Gewand, die Haare vom Märzwind durchwühlt.
Einen guten Morgen bot ihnen Herwig; das tat den Heimatlosen wohl; sie hörten’s selten in Frau Gerlinds Haus.
"Sagt an," fragte Ortwein, "wem gehören diese reichen Gewande? Für wen wascht ihr sie? Ihr seid so schön; wie kann einer euch das zumuten? Dass der reiche Gott vom Himmel ihm das mit Schanden vergelte!"
Traurig antwortete das schöne Königskind: "Der Herr der Gewande hat noch schönere Mägde, als wir sein mögen. Fragt, was ihr wollt; doch sieht man uns von der Zinne her mit euch sprechen, wird’s uns schlimm ergehen."
"Lasst es euch nicht verdriessen; wir geben euch vier goldene Ringe zum Lohn für euren Bescheid."
"Behaltet die Ringe! Wir nehmen von euch keinen Lohn," – antwortete Kudrun, "fragt nur, was ihr wollt."
"Wessen ist dies Land hier und die Burg? Wie heisst der Herr, der euch ohne ordentlich Gewand dienen lässt? Hält er auf Ehre, so soll ihm das niemand zu Lob anrechnen."
"Hartmut heisst der eine, dem dienen Land und Burgen, der andre ist Ludwig, ihm dienen viele Helden; hochgeehrt wohnen sie in ihren Reichen."
"Wir möchten sie gern sehen," sprach Ortwein wieder. "Sagt uns doch, vielholde Mägdlein, wo wir sie finden mögen? Wir sind an sie gesandt und selber eines Königs Gesinde."
"Dort in jenem Schloss! Da wir’s bei Tagesanbruch verliessen, lagen sie noch schlafend mit vierzighundert Mannen; ob sie seitdem ausritten, weiss ich nicht zu sagen."
Herwig schaute die Sprecherin prüfend an; – sie deuchte ihm so schön und wohlgeartet, dass er im Herzen aufseufzte; denn sie gemahnte ihn einer, der er stets gedenken musste. Ortwein begann wieder zu fragen: "Und habt ihr nichts vernommen von fremden Frauen, die man herführte mit starken Heeresmacht? Wir haben gehört, die Entführten seien in grossem Jammer hergekommen."
"Die ihr sucht, ihr Herren, hab’ ich in schwerem Leid gesehen."
"Sieh’ hin, Ortwein," sprach da Herwig: – "lebt Kudrun, deine Schwerter noch, so ist es diese. Keine andre kann ihr so sehr gleichen."
"Auch ich kannte einen," antwortete Kudrun, "dem Ihr gleichet; Herwig von Seeland war er geheissen. Wenn der noch lebte, er erlöste uns aus diesen Banden."
"Schau meine Hand, ob du das Gold erkennst? Mit dem Ring ward ich Kudrun vermählt; bist du Herwigs Braut? Wohlan, ich führe dich von hier."
Sie lachte in ihrer Freude: "Das Ringlein kenn’ ich gut, denn früher war es mein. Nun schau dies hier; das gab mir mein Geliebter, als ich voll Wonne sass in meines Vaters Saale."
Er sah nach ihrem Finger und erkannte den Goldring.
"Dich, Ringlein, trug keine andre als eine Königin! Heil mir! Nun schau’ ich wieder nach langem Leid meines Herzens Wonne." Er umschloss sie mit Armen und küsste sie – wer weiss wie oft – und küsste auch die heimatlose Hildburg. "Wahrlich," sprach er dann, "besser konnt’ uns die Fahrt nicht gelingen. Nun lass uns eilen, Ortwein, dass wir die Jungfrauen fortführen."
"Das sei mir fern," antwortete Ortwein, nachdem er Kudrun umarmt hatte, "und hätt’ ich hundert Schwestern; ich liesse sie hier sterben, ehe ich also im fremden Land mein Tun hehlte. Die mir mit Sturm Genommenen will ich meinen Feinden nicht wegstehlen."
"Ich sorge nur, wird man unser inne, so führt man die Frauen so weit davon, dass keine wieder vor unsre Augen kommt."
Aber Ortwein entgegnete: "Sollten wir der Frauen edles Ingesind hier in der Knechtschaft zurücklassen? Dass Kudrun Ortweins Schwester ist, das soll allen ihren Dienerinnen zu gute kommen."
Da sprangen die Degen in ihr Boot zurück. Kudrun rief Herwig nach: "Die ich einst die erste war, nun bin die Allerärmste; was lässt du mir zum Trost?"
"Nicht elend bist du, die erste sollst du, vieledle Königin, sein. Schweige von uns; eh morgen die Sonne scheint, bei meiner Treu’, steh’ ich vor dieser Burg mit sechzigtausend Recken."
Rasch stiessen sie ab und ruderten über die Wellenbahn. Härteres Scheiden geschah selten; so weit sie konnten, schauten ihnen die Frauen nach.
"Kudrun," sprach Hildburg, "müssig ruhen deine Hände; des unsauberen Gewandes ist noch viel; gewahrt das Gerlind, straft sie uns mit Schlägen."
"Nimmer wasch’ ich Gerlinds Kleider! Zu solchem Dienst ist mir die Lust vergangen, seit mich zwei Könige geküsst haben. All die Gewande werf’ ich ins Meer, lustig mögen sie auf den Wellen fliessen; einer Königin kann ich mich wieder vergleichen."
Was auch Hildburg mahnte, alle Kleider Gerlinds trug Kudrun zum Meer und schwang sie, erzürnend, mit den Händen weit hinaus; – sie schwammen eine Weile, und niemand mag sie wiedergefunden haben. Da war auch der Abend gekommen. Mit sorgenvollem Herzen ging Hildburg heim, gebeugt unter der Last der Kleider und Schleier, die sie gewaschen hatte; mit leeren Händen schritt Kudrun neben ihr. Die üble Gerlind wartete ihrer schon: "Wo hast du meine Schleier?" fragte sie das Hegelingenkind, "dass du deine Hände leer und müssig hältst?"
"Unten am Meer hab’ ich sie gelassen. Sie waren mir zu schwer. Ich frage nicht danach, ob Ihr sie je wiederseht."
"Das kommt dir schlimm zu stehen, noch bevor ich schlafen geh’!" Sie befahl, aus Dornen Ruten zu binden; ungefüge Zucht gedachte sie der Stolzen zu. Aber die sprach voller List: "Wisset, Frau Gerlind, wenn Ihr mich mit diesen Ruten schlagt, so wird es vergolten werden, wenn mich je ein Auge an Königs Seite erschaut. Darum lass Ihr’s doch wohl lieber bleiben; denn ich will nun Hartmut minnen, und hier soll bald mein Königsstuhl stehn."
"Dann lass’ ich meinen Zorn! Und hättest du mir tausend Schleier verloren, ich wollte sie gern verschmerzen."
Eilig liefen von den Umstehenden einige zu Hartmut, wo der mit Ludwigs Mannen sass: "Gebt mir Botenlohn," sprach der erste, "Hildes schöne Tochter entbietet Euch ihren Dienst; Ihr sollt, wenn’s Euch beliebt, in ihre Kemenate gehen."
"Du lügst," sprach Hartmut, – "wäre dein Wort wahr, drei Burgen, reiches Land und sechzig Goldringe wollt’ ich dir geben."
Da rief ein zweiter: "Gib mir die Hälfte, Herr, ich hört’ es auch; die Jungfrau sagte, dass sie Euch minnen und Königin Eurer Lande sein wolle."
Aufsprang vom Sessel Hartmut; ihm war, der Wunschgott habe ihn beraten. Mit seinen Gefolgen ging er zu Kudrun. Schön und bleich stand sie im schneedurchnässten Hemd; mit tränenfeuchten Augen begrüsste sie ihn. Er wollte sie mit den Armen umfassen.
"Nein, Hartmut, das kann noch nicht geschehen," sprach sie. "Die Leute würden’s dir verdenken; ich steh’ hier, eine arme Wäscherin, du ein reicher König; nimmer darfst du mich da umfassen. Steh’ ich vor dir in königlichen Kleidern, die Krone auf dem Haupt, dann ist’s uns beiden geziemend."
Sittevoll trat er zurück von ihr.
"Edle Jungfrau, beliebt es dir, mich zu minnen, so will ich dich auch herrlich halten; über mich und meine Freunde magst du nun gebieten."
"So ist mein erst Gebot, nach meiner harten Schmach, dass man mir ein Bad bereite, bevor ich heute schlafen gehe. Zum zweiten befehl’ ich; suche all meine armen Frauen unter Gerlinds Gesinde und bringe sie mir her. Keine bleibe zurück in der Arbeitsstube."
"Das tu’ ich gern," sprach Hartmut und liess die Jungfrauen suchen und zu ihrer Herrin führen. In schlechten Kleidern, mit verwirrten Haaren kamen sie; die üble Gerlind war ein masslos Weib.
"Nun siehe, Hartmut, wie meine Mägde gehn," sprach Kudrun: "Kann dir das Ehre bringen?"
"Ich lasse ihnen alsogleich gute Kleider reichen," antwortete der König.
Da wurden Bäder zugerüstet für die Frauen; viele von Hartmuts Gesippen drängten sich dazu, Kudrun als Kämmerlinge zu dienen.
Als die Frauen vom Bade zurückkehrten, wurde ihnen vom allerbesten Wein geschenkt. Hartmut verliess ihren Saal und sandte ihnen Truchsesse. Die trugen köstliche Speisen auf, und in würdiger Stille sass die junge Königin mit ihren Dienerinnen beim Mahle.
Da begann eine aus Hegelingen mit feuchten Augen: "Wenn ich dessen gedenke, dass wir bei denen bleiben sollen, die uns gewaltsam hierher führten, so wird’s mir weh zu Mute."
Die das hörten, fingen auch zu weinen an; da lachte Kudrun hell auf. Eilig raunten die Kämmerlinge Frau Gerlind, dass Kudrun lache, während ihre Frauen weinten. Gerlind suchte Hartmut: "Mein Sohn, über euch alle kommt grosse Mühsal; ich weiss nicht, worüber Kudrun, die junge Königin, lacht? Wie es immer zugegangen sei, – sicher ist ihr von ihren Freunden eine heimliche Botschaft gekommen. Darum hüte dich wohl, dass du nicht Leben und Ehre verlierst."
"Lass gut sein, Mutter," antwortete er, "ich gönn’s ihr gerne, wenn sie sich mit ihren Mägden freut. Weite Ferne trennt uns von ihren Gesippen. Wie sollten die mir schaden!"
Kudrun befahl ihren Frauen, im Saal nachzusehen, ob ihr geziemend gebettet sei; sie wolle schlafen gehen. Das war ihre erste, kummerlose Nacht im fremden Land. Normannenknaben trugen ihr Fackeln voraus; da waren weiche Polster für alle Frauen gerichtet.
"Edle Herren," sprach Kudrun, "ihr mögt nun auch schlafen gehn; ich will mit meinen Frau’n eine lange Ruhe haben."
Da gingen alle Normannen, die alten mit den jungen, aus dem Frauengemach. "Schliesst mir die Tür," befahl Kudrun ihren Mägden. Rasch flogen vier starke Riegel vor. Dicht waren des Saales Wände; kein Lauscher konnte draussen erhorchen, was innen geschah. Und nun sassen sie erst recht fröhlich beisammen und tranken guten Wein, der stand noch reichlich auf den Tischen.
"Ihr treuen Frauen," sprach die Königin, "nun freut euch nach dem langen Leid! Morgen lass’ ich euch liebe Augenweide schau’n; ich habe heut geküsst Herwig, meinen Bräutigam, und Ortwein, meinen Bruder! Die unter euch gern reich werden will, die sorge, dass sie uns morgen den Tag zuerst verkünde."
Als Ortwein und Herwig gegen Abend wieder an ihrem Heer auf dem wilden Sand kamen und ihre Begegnung mit den Frauen erzählt hatten, sprach der alte Wate: "Brecht auf! Zögern kann uns nichts nutzen. Die Luft ist heiter, der Mond scheint breit und klar; morgen, eh’ es tagt, müssen wir vor Ludwigs Burg stehen."
Sie sprangen auf die Rosse und ritten die ganze Nacht.
Als der Morgenstern hoch am Himmel stand, trat in Kudruns Saal eine Jungfrau ans Fenster; da sah sie lichte Helme und Schilde erglänzen; die Burg war von Kriegerscharen umschlossen. Geschwind ging sie zu Kudruns Lager: "Erwachet, edle Frau, ein Heer belagert diese Feste; unsre Freunde sind gekommen."
Die meisten in Ludwigs Schloss schliefen noch; der Burgwart aber rief mit starker Stimme: "Wafena, Herr König, Wafena! Wacht auf, ihr Kämpen, ihr habt schon zu lang geschlafen."
Das hörte Gerlind in ihrem Gemach, sie liess den alten König schlafend liegen, eilte selber auf die Zinne und sah die grimmen Gäste vor den Toren. Schnell ging sie zurück: "Erwache, Ludwig, dein Schloss umstehen behelmte Gäste. Kudruns Lachen bezahlen deine Mannen heute mit dem Leben."
Ludwig ging mit Hartmut zu einem Fenster; von dort aus konnten sie die Heere übersehen. "Ich seh’ ein weisses Banner mit goldenen Gebilden darin," sprach Hartmut, "das sind Frau Hildes Zeichen. Daneben flattert eine von wolkenblauer Seide, SeeblätterBlätter der Wasserlilie. schwimmen darin; das brachte Herwig von Seeland her; er will seine Schande rächen. Das dritte dort mit lichtroten Sparren, darein ÖrterOrt = Spitze. stehen, führt der junge Ortwein, dem wir den Vater erschlugen; der kommt nicht, uns Freundschaft zu bieten! Wohlauf denn, meine Mannen; haben die grimmen Gäste uns solche Ehre zugedacht, dass sie bis an unsre Burg geritten sind, so wollen wir sie – vor dem Tor! – mit Schwerthieben empfangen."
Die Burgleute sprangen aus ihren Betten und griffen nach ihren Streitgewanden; viertausend eilten zum Kampf. "Was willst du tun, Hartmut?" fragte Gerlind, "willst du Leib und Leben verlieren? Geht ihr hinaus, so erschlagen euch leicht die übermächtigen Feinde."
"Mutter, geh’ zurück! Männer kannst du nicht beraten; lehre deine Frauen, wie sie Edelsteine und Gold in Seide legen sollen."
"Ich rate euch gut; schiesst mit Bogen aus den Fenstern auf die Feinde. Die Wurfmaschinen lass ich beseilen; ich selbst trag euch mit meinen Mägden die Steine zu."
"Frau," zürnte nun Hartmut, "geht zurück! Eh’ ich in der Burg mich einschliessen lasse, will ich lieber draussen auf dem Felde fallen."
Die Schlacht begann. Wate stiess in sein Horn, dass man es wohl dreissig Meilen weit gellen hörte; da scharten sich alle Hegelingen um Frau Hildes Banner. Er blies zum andern Mal; die Recken sprangen in den Sattel und ordneten ihre Scharen zum Angriff. Und zum dritten Mal blies Wate mit Riesenkraft, dass die Flut aufwallte und das Ufer erdoste; und er hiess Horand, Hildes Banner aufschwingen. Wate hielt gute Zucht; niemand ward laut; ein Ross hörte man wiehern, so stille war’s.
Kudrun stand oben in der Zinne und sah, wie stattlich ihre Befreier gegen Hartmut anritten. Wohlgerüstet kam der mit seinen Mannen aus dem Burgtor gestürmt, von den Zinnen her sah man die Helme der Burghüter erglänzen. Kühn ritt der Normanne vor seinem Zug; hell leuchtete sein Streitgewand in der Sonne, sein freudiger Mut war noch ungebrochen. Ortwein erkor er sich aus und trieb sein Ross mit grossen Sprüngen gegen ihn. Sie senkten die Speere; krachend stiessen sie zusammen, Funken stoben von den Brünnen; jeder traf den andern. Ortweins Hengst sank auf die Hinterbeine, doch auch Hartmuts Ross hatte sich schier überschlagen. Die Mähren waren viel zu schwach für der Könige Zorn; sie richteten sich wieder auf, die Recken zogen ihre Schwerter und stritten mit ritterlichen Streichen. Sie waren beide kühn; keiner wich dem andern.
Da ward grosses Schlachtgedräng, wild durcheinander mengten sich die Scharen und schlugen sich breite Wunden; "Der Tod tat seines Amtes". Horand sah Ortwein verwundet: "Wer hat mir meinen lieben Herrn getroffen?" rief er. Hartmut lachte. "Das tat Herr Hartmut," antwortete Ortwein selbst. Horand gab das Banner einem andern und schlug sich Bahn zu Hartmut. Der wandte sich, den Sänger zu bestehen. Unter ihrer Hiebe Wucht bogen sich die Schwertschneiden. Wie er Ortwein getan, schlug Hartmut auch Horand eine tiefe Wunde, dass das Blut wie ein roter Bach an dem Dänen niederfloss; wacker erwehrte sich der Normann seiner Angreifer. Wie viele da gefochten, wie viele gefallen – wer weiss das! An allen vier Enden klangen Schwertschläge; man unterschied im Gewühl die Trägen nicht mehr von den Schnellen. Herr Wate stand nicht müssig! Herwig ging mit breiter Schar gegen Ludwig an. "Wer ist jener Alte," fragte er laut, "der so viele unsrer Recken niederwirft?"
Das hörte der König und antwortete: "Wer begehrt mit mir zu streiten? Ich bin Ludwig von Normandie und kämpfe gern mit allen, die vor mich kommen."
"Herwig von Seeland bin ich, du raubtest mir die Braut! Die sollst du wiedergeben, oder einer von uns muss nun das Leben lassen."
Da liefen sie einander an; von beiden Seiten sprangen die Gefolgen neben ihre Herren. Herwig war tapfer; aber der alte Ludwig schlug ihn, dass er strauchelte, und hätte ihn vom Leben geschieden, wenn nicht Herwigs Getreue die Schilde vorgehalten und ihrem Herrn aus der Todesgefahr geholfen hätten. Der sprang auf und blickte nach den Zinnen empor, ob Kudrun ihn wohl habe fallen sehen. "Dass mich der Alte vor ihr niederschlug," dacht’ er, "dessen schäm’ ich mich gar sehr." Er hiess sein Banner wieder gegen Ludwig tragen und stürmte mit seinen Mannen auf ihn ein. Zornig wandte sich der alte König gegen seinen hartnäckigen Feind; der Streit ward grimmer als zuvor. Mit starker Hand traf Herwig den Normannen zwischen Helm und Schildrand; eine tiefe Wunde klaffte an Ludwigs Hals, er musste vom Kampf ablassen. Da schlug ihm der heissmutige Herwig das Haupt von der Achsel; so vergalt er ihm das Straucheln.
Ludwigs führerlose Scharen trugen ihr Feldzeichen nun zur Burg zurück; aber sie hatten weit bis dahin; viele sanken tot nieder, ihr Banner nahmen die Hegelingen.
Die Burghüter hatten alles mit angesehen; und Männer wie Weiber hoben laute Klage an, die bis auf die Walstatt hallte. Doch Hartmut wusste noch nicht, dass auch sein Vater erschlagen lag.
"Lassen wir vom Streit," rief er seinen Kriegern zu. "Zurück in die Burg, dort warten wir auf besseres Kriegsglück!"
Mit scharfen Schlägen erkämpften sie den Rückzug. Aber der alte Wate scharte tausend seiner besten Gefolgen um sich und drang ungestüm bis an Burgtor, Hartmut den Eingang sperrend. Steine flogen nieder von den Mauern auf des Alten Haupt; er wich und wankte nicht. Da sprach Hartmut: "Alles einstige Unrecht soll uns heute vergolten werden. Doch fliegen kann ich nicht, und kann nicht in der Erde Schoss; auch aufs Meer können wir nicht entrinnen vor unsern Feinden. Es geht nicht anders, Genossen! Sitzt ab und hauet ein."
Sie sprangen aus den Sätteln und stiessen die Rosse zurück. "Vorwärts," rief Hartmut, "näher heran! Geh’s übel oder gut; ich muss zu dem alten Wate! Lass sehen, ob ich ihn nicht vom Tor wegbringe."
Mit aufgeschwungenen Schwerten schritten sie vor; Hartmut bestand Wate; das erwarb ihm Ehre. Oben in der Burg sah’s Ortrun; sie eilte in Kudruns Saal, die Hände ringend, fiel sie der Stolzen zu Füssen und flehte: "Lass dich erbarmen, edles Fürstenkind! Gedenke, wie dir war, als man deinen Vater erschlug. Nun liegt auch mein Vater tot mit vielen meiner Freunde und Hartmut steht in grosser Not vor der Warte. Erinn’re dich meiner Treue; niemand hier im Schloss beklagte dich als ich; du hattest keinen Freund ausser mich; geschah dir Leid, so weinte ich!"
"Das hast du wahrlich oft getan," sprach Kudrun, "doch weiss ich nicht, wie den Streit beenden. Ja, wär’ ich ein Mann in Waffen, dann wollt’ ich sie scheiden, und niemand sollte dir den Bruder erschlagen." Aber Ortrun weinte und bat, bis Kudrun an das Fenster ging und mit ihrer weissen Hand winkte. Ob keiner aus Hegelingen in der Nähe wäre? fragte sie. Herwig antwortete: "Von Hegelingen ist hier keiner, wir sind von Seeland; was heischt ihr, Frauen?" Und näher an die Mauer kommend, erkannte er die Ruferin: "Bist du’s, Kudrun, liebe Braut? Gern will ich dir dienen; sage, was ist’s?"
" Willst du mir dienen, so zürne nicht über meinen Wunsch; mich bitten hier schöne Mägdlein, Hartmut und Wate zu scheiden."
"Das will ich tun, Vielholde," antwortete er und befahl, seinen Genossen vorausschreitend: "Tragt mein Banner gegen das Hartmuts."
"Wate, lieber Freund," rief er den Alten an, "vergönne, dass ich euren Kampf scheide; holde Mägdlein bitten darum."
Im Zorn antwortete Wate: "Herr Herwig, wollt’ ich auf Frauen hören, wo hätt’ ich da meinen Sinn? Wie sollt’ ich meinen Feind schonen? Das tat ich selten; Hartmut soll mir seine Frevel büssen."
Da sprang Herwig zwischen die beiden und endete ihren Zweikampf. Erzürnt schlug Wate einen tüchtigen Hieb nach Herwig, dass der vor ihm lag. Die von Seeland sprangen ein und halfen ihrem Herrn davon; nun wurde Hartmut von Herwig und den Seinen gefangen.
Wate tobte sehr; er brach sich mit dem Schwerte Bahn zum Burgtor. Von den Mauerzinnen flogen Steine und Pfeile auf die Stürmenden nieder, dicht und dichter, aber Wate gewann das Schloss. Die Riegel wurden aus den Mauern gehauen. Horand trug Frau Hildes Banner und pflanzte es auf die Zinne des stolzesten Turmes. Die von Stürmen drangen durch die ganze Burg; schon suchten die Sieger nach Beute. "Wo sind die Knechte mit den Beutesäcken?" fragte Wate. Und manch reiches Gelass wurde erbrochen, Lärm und ungefüges Krachen war überall. Die einen plünderten, die andern erschlugen, wer ihnen in den Weg kam. Irold rief Wate an: "Was haben dir die Jungen getan? Die haben doch wahrlich keine Schuld an ihrer Eltern Frevel! Lass sie leben."
"Du hast Kindesart," antwortete der greise Kämpe, "soll ich die leben lassen, die in der Wiege weinen? Wüchsen sie auf, so möcht’ ich ihnen nicht mehr als einem wilden Sachsen trau’n."
Blut floss fast in allen Kammern; und wieder eilte Ortrun zu Kudrun, neigte das Haupt und sprach: "Habe Mitleid mit mir. Hilfst nicht du mir, so muss ich sterben."
"Ich schütze dich, steht es bei mir," antwortete sie, "ich will dir Frieden erbitten; tritt zu mir mit deinen Frauen."
Mit dreiunddreissig Mägden und zweiundsechzig Degen flüchtete Ortrun zu Kudrun.
Auch Gerlind kam, sie bot sich der Siegerin ganz zu eigen: "Rette mich nur vor dem grimmen Wate! Du kannst das allein, sonst ist’s um mich geschehen."
"Dir soll’ ich gnädig sein?" antwortete Kudrun. "Wie könnt’ ich das! Niemals haben dich meine Bitten erweicht; ungnädig warst du mir stets, darum muss ich dich hassen."
Da ward der alte Wate Gerlindens gewahr; mit knirschenden Zähnen, mit blitzenden Augen und ellenbreitem Bart schritt er heran; alle, die um Kudrun standen, fürchteten sich. Er ergriff Gerlind bei der Hand und zog sie fort: "Hehre Königin," sprach er grimm, "nun soll Euch meine Jungfrau Kudrun nie mehr Kleider waschen." Die Frauen schrien auf vor Schrecken, – da kam er schon zurück, Gerlind lag tot.
"Wo sind nun mehr noch von Gerlinds Sippschaft? Zeige sie mir, Kudrun; zu hoch ist mir keine, ich beuge jeder jetzt das Haupt." Aber in Tränen sprach die junge Königin: "Lass mich von dem Tod erretten, die mich um Frieden baten und hier um mich stehen; Ortrun und ihrem Ingesinde soll kein Leid widerfahren."
Da fügte sich Wate; dem Streiten gebot er Einhalt. Blutbefleckt kam Herwig mit seinen Walgenossen in König Ludwigs Saal geschritten; Kudrun empfing ihn voller Liebe. Er band sein Schwert von der Seite, und schüttete seine blutigen Panzerringe in den Schild; eisenfarben stand er neben seiner schönen Braut, um die er die Walstatt oft auf- und niedergeschritten war.
Die Sieger hielten Rat; seit sie die gute Burg Kassiane gebrochen, war auch das Land ringsum bezwungen: "Türme und Palas stecken wir in Brand," sprach Wate. Frute widerriet: "Die Toten schafft hinaus und wascht das Blut von den Wänden. Die Burg ist fest und geräumig; die Frauen und die Gefangenen müssen hier bleiben, dieweil wir Hartmuts Lande mit Heerfahrt durchziehen wollen."
Da befahlen sie Horand, Kudruns nächstem Schwertmagen, die Feste mit allen, die darin waren, und trugen Frau Hildes Banner durch Hartmuts Reich und wieder zurück ans Meer, wo die Schiffe ihrer zur Heimfahrt harrten. Hartmut wurde mit fünfhundert Gefangenen an Bort der Schiffe geführt; da erfuhr er’s, wie einst Kudrun und ihren Frauen zu Mute war. Gold, Gestein, Gewand und Rosse, eine reiche Kriegsbeute, brachten die Hegelingen auf die Schiffe. Aber dreitausend Mannen hatten sie verloren.
Der Wind war günstig, die Schiffe segelten ruhig durch die Wellen. An Frau Hilde waren Boten mit der Siegeskunde vorausgesendet: "Lebt mein liebes Kind? Und leben ihre Frauen?" war ihre erste Frage.
"König Herwig bringt sie Euch; Ortrun und Hartmut führt Wate gefangen mit."
Die landenden Schiffe wurden mit hellem Jubel begrüsst; mit Hörnerschall und Flötenklang. Frau Hilde kam mit ihrem Ingesinde an den Strand geritten. Irold führte Kudrun ihr entgegen; Kudrun erkannte die Mutter schon von fern. Aber gramvoll sprach Hilde, sie sah an hundert Frauen kommen: "Nun weiss ich nicht mehr, wen ich als meine liebe Tochter empfangen soll! Sie ist mir fremd geworden. Darum seid mir alle willkommen."
"Diese hier ist Eure Tochter," antwortete Irold, und Kudrun trat dicht zur Mutter hin; sie küssten einander, und vergessen war da all ihr langes Leid. Dann begrüsste Frau Hilde all ihre getreuen Recken. "Willkommen, Wate von Stürmen," sprach sie, "wer könnte dir würdige Gabe zum Lohn bieten; es wäre denn ein Reich und eine Krone!"
"Was ich dir dienend leisten mag, Frau Königin, das tu’ ich dir bis an mein Ende."
Sie küsste ihn vor lauter Lieb’ und Freude, und küsste Ortwein und Herwig.
"Nun grüsse auch, vielliebe Mutter," sprach Kudrun, "diese Jungfrau hier; in meinem Elend hat sie mir manchmal Ehre angetan."
"Ich will hier niemand, den ich nicht kenne, küssen, wie’s nur Freunden gebührt. Wer ist sie?"
"Ortrun von Normannenland!"
"Nie küss’ ich die! – Besser geziemte sich’s, ich liesse sie töten; ihre Gesippen schufen mir grimmes Leid und bitt’re Tränen."
"Mutter, dieses Kind riet wahrlich nichts, was dir Herzleid brachte. Du sollst sie nicht hassen."
Da küsste die Königin auch Ortrun und hiess ihr Gesinde willkommen. Frute führte Hildburg an der Hand und wieder sprach Kudrun: "Vielliebe Mutter, begrüsse Hildburg; kein Dank ist zu reich für ihre grosse Treue!"
"Davon hab’ ich vernommen; wie sie mit dir Leid und Schmach duldete; und nicht eher will ich fröhlich unter Krone gehen, bis ich ihr das herrlich gelohnt habe."
In der Königsstadt ruhten die Heer- und Reisemüden fünf Tage; aller ward sorglich gepflegt, nur Hartmut lag in Banden. Aber auch für ihn baten die Frauen um Frieden bei ihrer Königin.
"Liebe Tochter, lass ab," antwortete Hilde. "Durch Hartmut geschah mir viel Leid und grosse Schmach; in meinem Kerker büsst er seinen Frevel."
Mit sechzig edlen Mägden fiel ihr Kudrun zu Füssen und alle weinten, bis Frau Hilde nachgab: "Hört auf zu weinen! Ich lasse Hartmut und seine Genossen ungebunden zu Hofe kommen, wenn sie eiden, dass sie nicht entfliehen wollen."
Heimlich liess Kudrun den Befreiten Bäder bereiten und gute Kleider reichen, ehe sie in die Königshalle gingen. Herrlich anzuschauen in allen seinen Sorgen stand Hartmut vor den Frauen; sie sahen ihn gern; nicht lange, so vergassen sie ihres Hasses und wurden ihm hold.
Herwig drängte zur Heimkehr in sein Reich; aber Frau Hilde mochte das kaum wiedergewonnene Kind nicht sogleich wieder hergeben: "Nein, Herr Herwig, das geht nicht an," sprach sie. "Ihr tatet mir schon so viel zulieb’, tut auch dies und eilt nicht so. Erst soll feierliche Hochzeit sein, solang noch alle Gäste hier beisammen sind."
"Frau, die uns daheim blieben, sehnen sich sehr, die Ihrigen wiederzusehen."
"Gönnt mir die Ehre und Freude, edler Herwig, dass meine Tochter hier gekrönt werde."
Er gab ihr ungern nach; doch bat sie so lang, bis er’s tun musste. Davon kam Frau Hilde in grosse Freude; früh und spät hatte sie zu schaffen und anzuordnen. Hundert Frauen erhielten reiche Gewande, auch den Normannenfrauen reichte sie Festkleider; sie teilte allen Gaben aus. Uhr da ward Kudrun als Herwigs Königin gekrönt. Als sie beim Mahl in einer offenen Seitenkemenate des grossen Saales inmitten ihrer Frauen sass, liess sie Ortwein zu sich rufen. Sie fasste seine Hand und führte ihn zur Seite: "Lieber Bruder," sprach sie, "hör’ und befolge meinen Rat; willst du Freuden und Wonnen geniessen, so sieh zu, Ortruns Liebe zu gewinnen."
"Wie, Schwester? Hartmut und mich bindet keine Freundschaft, wir Hegelinge erschlugen ja Ludwig. Gedächte Ortrun dessen an meiner Seite, mir deucht, dann müsste sie oft schmerzlich seufzen."
"Verdien’s um sie, dass sie das nicht tue. Aus Treue rat’ ich dir’s; du wirst mit ihr keinen bösen Tag verleben."
"Sie ist schön, und ich möchte sie gern gewinnen," antwortete Ortwein und sagte das seinen Gesippen. Die Mutter widersprach, bis Herwig dazu kam; dem gab sie nach, da er zuriet. Frute sprach: "Nimm sie; sie bringt dir viele und gute Recken. Und den gegenseitigen Hass wollen wir so versöhnen, dass wir Hartmut der edlen Hildburg vermählen."
"Dann kann sie sich als Hartmuts Frau einer jeden vergleichen," fügte Herwig bei, "an tausend reiche Burgen hat er in seinem Land." Kudrun sprach insgeheim zu Hildburg: "Du Vieltreue, willst du, dass ich dir deine Treue lohne, so wirst du Krone tragen in Normandie."
"Das kommt mich schwer an," sprach Hildburg. "Soll ich einen kiesen, der noch niemals Herz und Mut mir zuwandte? Wir würden wohl oft miteinander in Zorn gefunden."
"Das wirst du nicht! Ich will Hartmut fragen, was ihm besser gefalle; hier gefangen zu sein oder heimzukehren als König mit dir als seiner Königin?"
Alsbald führte Frute Hartmut zu Kudrun, wo sie in der Kemenate sass. Wie er durch die Mägdlein schritt, stand eine jede auf, keiner dünkte das zu gering. "Setze dich, Hartmut, zu meiner lieben Freundin, die mit mir für dich und deine Helden wusch," begann Kudrun. "Wir wollen dir ein Gemahl geben, deine Ehre und dein Land dir wiederschenken; unsre Feindschaft soll vergessen sein."
"Wen wollt ihr mir geben? Ehe ich mich einem Weib vermähle, das mir und den Normannen daheim eine Schmach wäre, lieber will ich hier sterben."
"Ortrun soll meines Bruders Frau werden, so nimm du die edle Königstochter Hildburg. Besseres Gemahl kannst du nicht gewinnen."
"Erwählt Ortwein, wie du sagtest, Ortrun zum Weib, – dann nehm’ ich Hildburg und der Hass sei vergessen."
"Er hat’s gelobt; dein ganzes Reich lässt er dir."
Da kam der alte Wate und sprach: "Wer könnte sühnen, ehe Ortrun und Hartmut Frau Hilde zu Füssen fallen und um Gnade bitten? Willigt sie ein, so mag alles ein gutes Ende haben."
"Sie zürnt nicht mehr, glaube mir, Wate," sprach Kudrun. "Sie willigt gern ein; vertrau’ auf mich."
Da wurden Ortrun und Hildburg Herrn Ortwein und Herrn Hartmut vermählt.
"Nun will ich," sprach Frau Hilde, "dass Friede bleibe."