Felix Dahn und Therese Dahn
Walhall
Felix Dahn und Therese Dahn

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Drittes Buch.
Kudrun.

I. Hettel und Hagen.

1. Von den Hegelingen.

Zu Stürmen in der Mark im DänenlandDie Sage spielt an der deutschen und niederländischen Nordseeküste. Bei Stürmen ist nach Müllenhoff eher an die den Friesen benachbarten Sturmi als an die nordalbingischen Sturmarii, späteren Stormarn, zu denken. war König Hettel erwachsen, unter Zucht und Pflege des alten Wate, seines Gesippen, der Burg und Land von Hettels Geschlecht zu Lehen trug.

Nun sass der junge König in Hegelingen, nicht fern von OrtlandOrtland ist vielleicht (von Ort, d. h. Spitze) auf Jütland zu beziehen., das ihm dienstbar war. Er hatte achtzig Burgen und wohl mehr, deren Hüter ihm mit grossen Ehren dienten.

Hettel war verwaist; ein Weib tat ihm not; so viel er der Freunde hatte, ihn verdross seines einsamen Lebens. Er solle geziemender Minne pflegen, rieten seine Gefährten. "Ich weiss keine, die würdig wäre, eines Hegelingen Frau zu sein," antwortete Hettel. Aber der junge Morung sprach: "Eine Maid weiss ich; wie ich sagen hörte, lebt keine schöner auf der Erde; die sollte dein Gemahl werden; Hilde in Irland! Hagen heisst ihr Vater, ein König aus altedlem Geschlecht. Wird Hilde deine Königin, so lebst du in Freuden und Wonne." Da sandte der König einen Boten ins Dänenland und liess Horand, seinen Neffen, entbieten. Am siebenten Morgen kam der Recke mit seinen Gefolgen an. Der König ging ihm entgegen; da war auch Frute, der kühne Däne, mitgekommen. Hettel wandte sich zu Horand: "Hilde, der jungen Königstochter in Irland, will ich Dienst und Botschaft meiner Minne senden."

"Das geht nicht an! – Niemand reitet dir als Bote in Hagens Land. Ich dränge mich selber nicht dazu! Wer um Hilde wirbt, den lässt Hagen erschlagen oder hängen."

"Hängt Hagen meinen Boten, so muss er selber mir tot liegen; wie frevel er sei, sein Grimm soll ihm zu Schaden gereichen."

Frute sprach; "Wollte Wate dein Bote ins Irenland sein, so möchte uns wohl gelingen, Hilde dir herzuführen. Oder man schlüge uns Wunden bis ins Herz hinein."

"Auf, sendet nach Stürmen; ich bin ohne Sorge, dass Wate gerne reitet, wohin ich ihn auch reiten heisse."

Irold der Friese zog eilig nach Stürmen, bis er Wate fand und entbot ihn zu Herrendienst nach Hegelingen. Als Wate zur Königsburg hereinschritt, ward Hettel froh zu Mut; er eilte hinaus: "Sei willkommen, Wate! Lang hab’ ich dich nicht gesehen." Er führte den Alten in die Halle, dort sassen sie zusammen und niemand bei ihnen.

"Ich hab’ nach dir gesandt," begann Hettel, "weil ich einen Boten in des wilden Hagen Land brauche. Nun weiss ich niemand besser zu solch gefahrvollem Dienst als dich, Wate, lieber Freund."

"Was ich tun soll dir zu Lieb’ und Ehren, das tu’ ich gerne; vertrau auf mich."

"Mir raten meine Freunde, durch dich um Hagens schöne Tochter zu werben; und danach stehn sehr meine Sinne."

"Wer dir das riet, dem wär’s nicht leid, dass ich heute stürbe! Die Maid ist wohl gehütet! – Dazu reizte dich niemand andrer als Frute. Ja, Horand, mein Schwesterkind, und Frute haben dir von ihrer Schönheit gesagt! Nun ruh’ ich nicht, bis sie beide mit mir sich diesem Dienst unterziehen." Und als er die zwei sah, rief er: "Seid auch hübsch bedankt, dass ihr meine Ehre durch Hofdienst zu mehren so eifrig bedacht waret. Ihr müsst mitsamt mir zu Hagen; wer meine Ruhe stört, der soll auch die Arbeit mit mir teilen."

"Das tu’ ich gern!" rief Horand, "erliess’ es mir auch der König; wo ich schöne Frauen sehe, will ich gern Arbeit haben."

Der kluge Frute sprach: "Wir wollen siebenhundert Dänen mitnehmen. Von Herrn Hagen kann sich niemand Gutes erwarten. Herr König, heisst Schiffe bauen, eu’r Heervolk über die See zu tragen. Und schaff’ uns Zehrung für die Reise; wir wollen als Kaufleute ziehen und Hagens Kind wegführen. Lass Helme und Brünnen schmieden; wir wollen Waffen feil bieten; auch soll Horand Gold und Gestein an die Frauen verkaufen, desto eher wird man uns trauen."

"Ich kann nicht Kaufhandels pflegen," sprach der alte Wate. "Was ich hatte, teilt’ ich stets mit meinen Recken; dabei will ich bleiben! Ich hab’ es nicht gelernt, mit deren Frauen um Gold zu feilschen. Heisse nur die Schiffe mit starken Dielen decken; voll tapfrer Krieger müssen sie sein, die uns streiten helfen en, wenn Hagen uns nicht in Frieden will ziehen lassen."

Da antwortete der König: "Reitet heim, macht euch bereit und sorget nicht um Ross noch Gewand; all euren Recken geb’ ich solch Reisezeug, dass ihr euch mit Ehren vor jeder Frau zeigen mögt."

Die Helden kehrten in ihre Burgen zurück, indessen der König zur Werbefahrt rüsten liess. Fleissig rührten da Zimmerer die Hände; sie bauten Schiffe, banden mit Silber die Fugen längs den Schiffswänden, setzten feste Masten ein und plätteten mit rotem Gold die Ruder. Denn Hettel war reich und seine Boten sollten löblich ausgerüstet fahren. Bald lagen die Schiffe gebälkt und gedielt schaukelnd auf den Wellen. Da wurden die zur Werbefahrt Bestimmten einberufen, und alles, was sie brauchten, das fanden sie vollauf in den Schiffen, Reisige, Rosse und Gewand.

"Lasst euch die Jungen anbefohlen sein, die in meinem Dienst in Gefahren ziehen," sprach der König zu den Führern.

"Wie’s ergehe," antwortete Wate, "halte dir den Sinn von Sorgen frei, dass der Mut dir frisch bleibt. Hüte du unser Erbe; – dem jungen Volk soll’s nicht an meiner Zucht fehlen."

Frute schaute noch in den Schiffskammern nach, wo Gold, Gestein und viele andre Dinge geborgen lagen; – da fehlte nichts; gern gab Hettel, was man begehrte. Wessen Frute eines wollte, gab er dreissig.

"Sorge nicht!" rief Horand. "Siehst du uns wieder nahen, dann schaust du ein viel schönes Weib; freudig wirst du das empfangen."

Die Rede hörte Hettel gern, und mit Küssen liess er seine Getreuen von sich scheiden.

Aber sein Gemüt ward traurig; er musste immer ihrer Mühen und Gefahren denken.

2. Frutes Kramladen.

Als der Hegelinge Geschwader in Irland ans Ufer schwamm, nahm man von Hagens Burg aus ihrer wahr. Die herbeilaufenden Leute staunten; woher mochten die stolzgekleideten Gesellen über die Flut gekommen sein?

Nur sechzig von den Recken stiegen, nach bürgerlicher Weise gekleidet, auf den Sand. Frute war ihr Meister; – besseres Gewand liess ihn als solchen erkennen. Wate schickte Boten zu Hagen und bat um des Königs Schutz. "Frieden und sicher Geleit entbiet’ ich den fremden Herren" – liess der König antworten: "Mit der WiedeWiede: Halsschlinge, d. h. am Galgen. büsst, wer meine Gäste belästigt."

Kleinode, tausend Mark wert, gaben sie Hagen; er hatte nicht einen Heller begehrt; nur schauen wollte er gern, was des Geziemenden für Ritter und Frauen sie bei sich führten.

Nun trugen sie all ihr reiches Kaufgut auf den Strand; unmutig schauten’s die in dem Schiff verborgenen Krieger; sie hätten lieber gleich stürmend um schön Hilde gefochten, statt zu warten auf günstige Gelegenheit.

Frute schlug am Seestrand seinen Kramladen auf. Da war das nie geschehen weitum im Lande, dass Kaufleute ihr Gut für so geringen Preis hergaben! Es kaufte, wer Lust hatte, Gold und Steine; und wer, ohne Kauflust, irgend etwas ihres Krames lobte, dem gaben sie’s umsonst. Der König ward ihnen aus der Massen hold.

Oft hörte die Königstochter von ihrem Kämmerling Wunderdinge von den Gästen sagen. "Viellieber Vater," sprach sie darum, "lass doch die Fremden zu Hofe reiten; ich höre so viel von dem einen; ich muss ihn sehen, den Alten mit den wunderlichen Sitten." "Das mag wohl geschehn," antwortete der König; er selber wollte Wate gern schauen; und konnten’s die Frauen kaum erwarten.

3. Wie die Gäste zu Hofe ritten.

Der König entbot seinen Gästen; wenn sie eines Dinges not hätten, sollten sie an seinen Hof kommen und sich mit Speise und Trank versorgen.

Auf Frutes Rat folgten sie der Ladung, schlossen einstweilen den Kram und schritten zur Königsburg. Wate und Frute waren fast gleich alt; ihre grauen Locken hatten sie mit Gold bewunden; stolz und herrlich schritten sie in die Saal.

Der König ging ihnen entgegen; die Königin stand von ihrem Sitz auf, da Hagen ihr Wate zuführte; der schaute aus, als wenn er nie lachte. –

Die Gäste mussten niedersitzen, ihnen wurde vom allerbesten Wein geschenkt; unter heitrer Rede weilten sie dort. Als die Königin den Saal verliess, bat sie Hagen, dass er die Fremden auch in die Frauenkemenate lasse; gern versprach er’s und die Frauen schmückten sich mit Gold und Festgewanden. Freundlich empfing das Königskind den alten Wate, als er hereinschritt; sie grüsste ihn zuerst vor allen; war’s ihr auch ein wenig bang, als sie ihn küssen sollte; denn sein Bart war lang und breit! Sie bat ihn und Frute, sich zu setzen, und Mutter und Tochter begannen übermütige Scherzrede.

Ob’s ihm gut gefiele, fragte Hilde, wenn er so bei schönen Frauen sitzen dürfe? Oder ob er lieber in hartem Streite stehen wolle?

"Wenn ich auch noch nie so sanft bei schönen Frauen sass," antwortete Wage, "ich wollte doch lieber mit guten Mannen in harten Stürmen fechten."

Laut lachte Hilde; sie sah wohl, ihm war’s leid, bei Frauen zu sitzen. Sie wandte sich an Morungs Mannen: wie wohl der Alte heisse?

"Und hat er Burg und Land daheim? Und Weib und Kind, sie freundlich zu herzen? Damit befasst er sich wohl selten?"

"Sicherlich hat er Weib und Kind daheim in seinem Land," – antwortete einer, – "und um Ehre wagt er gern Gut wie Leben; er ist ein kühner Mann."

Die Recken gingen von dannen, zurück zum König: "Oft sollt ihr wiederkommen," bat Hilde; "bei uns Frauen sitzen, ist euch keine Schande."

Vor dem König wurden allerlei Spiele getrieben; von den einen diese, von den andern jene. Die Burgleute trugen Schilde und Waffen herzu; da wurde mit dem Schwerte gefochten, mit dem Speer geschossen und mit Wurfsteinen geschleudert.

"Saht ihr in eurem Land je solch gutes Kämpfen, wie es meine Iren tun?" fragte Hagen den alten Wate.

Der lachte verächtlich und sprach: "Ich sah es nie; – wenn mich’s einer lehrte, wär’ ich froh! Ein Jahr lang wollt’ ich lernen und meinem Meister gern mit Geld lohnen."

"Reicht mir das Schwert," rief der wilde Hagen, "ich will mit dem Alten kurzweilen. Meine vier guten Hiebe lehr’ ich ihn, dass er’s mir danken soll."

Waten gefiel das sehr: "Sag mir erst deinen Frieden zu, dass du mich nicht gefährden willst! Schlägst du mir Wunden, müsst’ ich mich vor den Frauen schämen."

Niemand traute da seinen Augen, wie Wate fechten konnte! Hagen erkannte bald des Alten Meisterschaft. Fast zürnte er, wär’s nicht seiner Ehre zuwider gewesen; auch hatte er sich bis jetzt noch als den Stärkeren erwiesen.

"Lassen wir’s nun sein," sprach Wate. "Ich habe deiner Hiebe wohl schon vier gelernt und will dir’s danken."

"Und hätt’ ich dich eher gekannt, Alter, so wäre das Gewaffen zum Kampf mit dir gar nicht in meine Hand gekommen; nie sah ich Schüler so geschwinde lernen," antwortete der König und stimmte ein in das Lachen der Burgleute, die sich mit den Gästen im Spiel die Zeit vertrieben.

4. Horands Gesang.

Das war eines Abends, dass ihre List gelang, da Horand von Dänemark sang mit so süsser Stimme, dass es allen gefiel und die Vögelein schwiegen.

Wohlgefällig lauschte der König mit all seinen Mannen. Frute hatte seine Freude daran; die alte Königin vernahm das Lied oben in der Frauen-Kemenate, wie der Schall durchs offene Fenster zu ihr drang.

"Was ist das für ein Klang?" sprach schön Hilde.

"Das ist von allen Liedern die allerschönste Weise, die sich mir je zu Ohre stahl."

Und unten im Saal sagten Hagens Helden: "Totkranke würden lauschen, hörten sie den Schall aus des wunderbaren Sängers Mund erklingen."

"Ich wollte," sprach der König, "dass ich das selber könnte."

Da begann Horand eine Weise, die hatte man nie zuvor vernommen und niemand mochte sie lernen, ausser er erlauschte sie auf wilden MeereswogenWie Göttern ist Elben und Wassergeistern das Geheimnis des Sanges und der zauberhaften Musik eigen. Von ihnen also hatte Horand die Zauberweise erlauscht.. Drei Lieder sang er; keinem währten sie zu lang, tausend Wegstunden Reitens wären jedem bei dem Schalle wie ein Augenblick entschwunden, das Tier im Walde liesse von der Weide, die Würmlein, die im Grase gehn, die Fische, die in der Flut fliessen, sie liessen ihre Wege; – also sang er. Wer ihn hörte, dem war alles verleidet, was zuvor ihm guten Klanges deuchte. Der Pfaffen Chor, der Kirchenglocken Läuten lockte ihn nicht mehr. – Alle riss zum Entzücken der fremde Sänger hin.

Da warb schön Hilde mit zwölf Goldbaugen einen Kämmerling, der musste insgeheim den Sangesmeister gewinnen, dass er noch den Abend verstohlen in ihre Kammer komme. Hei! freute sich da Horand. In aller Stille kam er; Hilde bat ihn, niederzusitzen. "Lass mich noch einmal dein Lied hören; deine reine Stimme ist besser als alle Kurzweil."

"Frau, um deinen Dank säng’ ich zu aller Zeit so schönen Ton, dass jedem, der die süsse Weise hörte, sein Leid gemindert würde. Wär’s mir erlaubt, vor dir zu singen, und nähm’ mir nicht darob dein Vater das Haupt – mit allen meinen Liedern wollt’ ich dir dienen immerdar, daheim, in meines Herren Land."

"Wer ist dein Herr? Trägt er Königskrone? Und hat er eigen Land?"

"Reicheren König sah ich nie! Und willst du’s nicht verraten, vielschönes Königskind, dann erzähl’ ich dir alles von meinem Herrn; wie er uns entsendet hat hierher um deinetwillen."

"Ei, lass hören! Was entbietet mir dein Herr?"

"Dass dich sein Herz begehrt! – Lass ihn deiner Güte geniessen. Dich eine hat er erkoren unter allen Frauen."

"Versprächst du mir, zu singen am Abend und am Morgen, wollt ich seine Königin werden."

"Das tu’ ich gern, vieledle Jungfrau! Und meinem Herrn dienen zwölf, die im Gesange vor mir den Preis erringen; – doch die allersüsseste Weise singt er selbst!"

"Ist so geartet dein Herr, dann gehört ihm auf immerdar meine Gunst; ich will ihm seine Liebe lohnen! Wagt’ ich’s vor meinem Vater, wollt’ ich euch gerne folgen."

Da schied der listige Sänger von dannen, verstohlen, wie er gekommen. Es war nun an der Zeit für die Gäste, zur Herberge heimzugehen.

Horand sagte dem alten Wate die Kunde: "Hilde ist unserm Herrn in Minne zugetan."

Und sie berieten, wie sie die Jungfrau entführen wollten und rüsteten heimlich zur Rückfahrt. Die im Schiff Verborgenen hörten’s nicht ungern.

5. Die Entführung.

Danach, am vierten Morgen, kamen die Hegelinge zu Ross in neuem Gewand nach dem Königsschloss geritten; sie wollten scheiden und erbaten des Königs Urlaub.

"Was flieht ihr mein Land?" sprach Hagen. "Ich dachte mit allen Sinnen nur darauf, dass es meinen Gästen hier behagen solle! Und nun wollt ihr schon wieder fort?"

"Der Hegelinge Herr sandte her," antwortete Wate, "zur Rückfahrt mahnend. Auch sehnen sich sehr nach uns, die wir daheim liessen; – da müssen wir eilen!"

"Mir wird’s leid sein nach euch! – Nun empfanget von mir Gold und Gestein, Ross und Gewand, dass ich euch eure Gabe vergelte."

"Herr, wir begehren ein einzig Ding von dir; das dünkt uns grosse Ehre, wolltest du es gern tun; dass du selber unsern Vorrat schautest! Und auch die Königin und deine schöne Tochter sollen unsre Habe sehen; das allein begehren wir. Willst du uns diese Ehre versagen, edler König Hagen, dann bitten wir um keine andre Gabe."

"Die sei euch nicht versagt!" antwortete huldreich der König. "Wenn ihr es denn durchaus wollt, lass’ ich morgen früh hundert Pferde satteln für Mägde und Frauen, und ich selber komme auch, eure schönen Schiffe anzuschauen." –

Die Hegelinge ritten an den Strand zurück und trugen nun alles schwere Kaufgut, Vorrat und Speise aus den Schiffen aufs Land. Die Schiffe wurden leichter. Frute von Dänemark, der war klug!

Am nächsten Tag in früher Morgenstunde ritt Hagen mit den Frauen, von tausend Recken geleitet, nach dem Strande zu den Schiffen. Die Frauen hob man von den Rossen. Am Ufer stand der Kram offen, dass die Königin die Wunder schauen mochte.

Niemandes Zorn noch Kummer wägte Wate da lang, noch fragte er viel, wer die Sachen nähme, die auf dem Kram lagen; – schnell und geschickt trennte er Hilde von ihrer Mutter und führte sie mit ihren Jungfrauen auf eines der Schiffe; die darin verborgenen Recken sprangen empor, rasch hissten sie die Segel auf, und alle Mannen Hagens, die mit auf die Drachen gekommen waren, wurden ohne Verzug hinausgestossen; sie wurden nass – und schwammen eilig an den Strand. Der alten Königin ward’s weh um ihr liebes Kind; den wilden Hagen fasste Gram und Grimm. "Bringt die Speere!" schrie er laut – "alle müssen sterben, die ich noch mit Händen erlangen mag."

"Nur nicht so eilig!" rief lustig der junge Morung, "kommt ihr auch mit tausend wehrhaften Degen heran zum Streit; – da unten in der Flut betten wir euch zur kühlen Ruh’."

Doch Hagen liess nicht ab; bald glänzte es rings am Ufer von Waffen; Schwerter flogen aus der Scheide, Speere schossen durch die Luft. Rasch tauchten die Hegelingen die Ruder ein; die Schiffe flogen vom Gestade hinaus. Wate sprang ins letzte, dass ihm die Brünne klang. Fast hätte er zu lang gesäumt; schon kam der wilde Hagen mit dem Speer in der Hand. Befehlend schritt er am Strand einher und trieb zur Eile; er wollte die Gäste noch erjagen, die ihm solches Leid getan. Ein Heer stand bereit; aber die Schiffe, die es in schneller Fahrt tragen sollten, waren leck oder nicht segelfertig; man sagte es dem König. Da war nichts zu tun, als eilig die Werkleute zu berufen; die besserten die Schäden aus und bauten neue Schiffe für die Meerfahrt.

6. Kampf und Versöhnung.

Zu WaleisWaleis, durch Ableitung von Vahalis, Waal; – es scheint als Westgrenze von Hettels Reich gedacht. lief Wate auf den Sand, die wassermüden Helden stiegen ans Ufer; Wates Mannen zelteten eine Herberge für Hilde und ihre Frauen. Bald hörten sie, dass Hettel gekommen sei und ihnen entgegenreite. Da vergassen die Maide alle Sorge; von fern her sahen sie den König kommen; zu Sprüngen trieb er seinen Hengst. Wate und Frute gingen ihm entgegen.

"Ich habe schwere Sorge getragen um euch," sprach Hettel, "mir bangte sehr, ihr sässet bei Hagen gefangen."

"Dahin ist’s nicht gekommen," antwortete Wate, "doch hab’ ich noch keinen so gewaltig in seinem Lande schalten sehen wie Hagen. Sein Volk ist übermütig, er selbst ein Held."

"Wir haben die schönste aller Frauen gebracht, die ich je auf Erden sah," sprach Frute, und beide geleiteten nun den König zu Hildes Zelt.

Irold von Ortland und Morung von Friesland fasten die Maid an der Hand und führten sie dem König entgegen. Mit schönen Sitten grüsste er die Jungfrau, umfing sie mit den Armen und küsste sie. Dann begrüsste das Ingesinde einander und sass nieder im Grünen um das Seidengezelt des fürstlichen Paares.

Als der Abend sank, sah Horand auf dem Meer ein Segel glänzen; ein Kreuz und andere Gebilde waren darein gewirkt. Und Morung rief Irold zu: "Wecke König Hettel aus süsser Ruh’ und meld’ ihm das; ich seh’ in reichem Segel Hagens Wappenzeichen; unsanft wird sein Willkommen klingen."

Alle Recken machten sich kampfbereit.

"Nun wehrt euch, meine Mannen!" sprach Hettel. "Wer nie Gold gewann, dem will ich’s morgen ohne Waage zuteilen. Dass ihr heute mit Iren kämpft, des sollt ihr immer froh gedenken."

Da liefen Hagens Schiffe auf den Sand. Sausend schossen wohlgezielte Speere ihnen entgegen; die auf dem Ufer wehrten grimmig den Landenden. Schön Hilde bangte; Hagen sprang in grossem Zorn über Bord und watete ans Gestade, ob auch Pfeile wie Schneegestöber auf ihn schwirrten.

Dröhnend, "dass die Woge erdoss", rief er seine Mannen an, dass sie die Landung ihm erzwingen hülfen. Bald ward das Wasser rot von heissem Todesblut. Hagen ersah den jungen Hettel und drang auf ihn ein; die Hegelinge stellten sich dazwischen; aber der starke Hagen brach mit Schwerthieben durch die Schar und fällte den Speer, da das Schwert seinem Groll nicht genügte. Mancher sank speerdurchbohrt rückwärts nieder.

Auf beiden Seiten hatte sich das Kriegsvolk gesammelt und nun trafen Wate und Hagen zusammen; wer ihnen aus dem Wege kam, mochte sich glücklich preisen.

Hagens Speer traf auf Wates Schild. Keiner konnte besser fechten als der Alte; doch wollte Hagen nicht weichen; er schlug ihn aufs Haupt, dass das Blut ihm aus dem Helme niederrann.

Mit Zürnen vergalt Wate den mordgrimmen Streich; er hieb dem König mit dem Schwert auf die Helmspangen, dass Funken davonstoben. Hagen ward’s Nacht vor den Augen.

Da rief Hilde jammernd Hettel an, dass er ihren Vater aus der Not bringe, und dem grauen Alten wehre. Und herrlich drang Hettel mit seinem Volk in den Streit bis zu Wate – dem war’s leid! – und rief mit heller Stimme: "Um deiner eignen Ehre willen, König Hagen, lass den Hass, dass nicht noch mehr unsrer Freunde fallen!"

"Wer mahnt mich zum Frieden?" fragte der wilde König.

"Das tu’ ich; Hettel von Hegelingen, der seine Getreuen fernhin entsandte, um Hilde zu werben."

"So sandtest du sie nicht um schnöden Frevels willen? – Wohlan! Grosse Ehre haben dir deine Boten errungen! Mit schönen Listen wussten sie dir mein liebes Kind zu gewinnen!"

Hettel nahm den Helm vom Haupte; den Frieden hörte man da über die Walstatt ausrufen und Hagen sprach, dass der Streit geschlichtet sei. Nie vernahmen die Frauen liebere Märe. Schön Hilde sprach: "Wie gern ich meinem Vater entgegenginge, ich getraue mir’s nicht; denn ich habe ihm schweres Leid angetan. Ihn und die Seinen mag’s wenig nach meinem Gruss verlangen."

Aber Horand und Frute nahmen sie bei der Hand und führten sie zu Hagen.

"Es sei!" sprach der, "ich kann nicht anders. Willkommen, du vielschöne Tochter, ich grüsse dich."

Nicht länger sollte die Jungfrau auf dem blutigen Felde verbleiben: "Bringt die Toten zur Ruh’" befahl Hagen, "und lasst uns fort von hier."

Hettel bat ihn zu Gast in seine Halle. Nicht allzu willig folgte Hagen; doch freute er sich bald sehr, wie er sah, welch reiche Lande Hettel dienten, und mit grossen Ehren liess er sich in Hettels Burg geleiten. –

Als er wieder daheim bei Hildes Mutter sass, sprach er: "Es konnte unserm Kinde kein besseres Los werden; hätte ich mehr der Töchter, ich schickte sie all’ nach Hegelingen."

Hilde gebar Hettel zwei Kinder; Ortwein, den Knaben, erzog der alte Wate; das Töchterlein, Kudrun, die Schöne von Hegelingen, sandte Hettel zu den Dänen, seinen nächsten Anverwandten, damit sie die Maid erzögen. Sie wuchs zu solchem Masse, dass sie wohl ein Schwert hätte tragen können. Und viele Fürsten und Edelinge warben um ihre Liebe.


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